Doppelmord Babenhausen

@Seps13

Die Einschätzung greift zu kurz. Und "heiße Luft" ist es auch nicht.

Der Verteidiger weiß um die formalen Hürden der Wiederaufnahme und wird aus guten Gründen den Antrag so gestellt haben wie er gestellt wurde.

Ein zentrales Element dürfte doch das Gutachten Cachée sein. Es widerlegt doch die "Schusskanalhypothese" des Gerichtes, wonach im bei weiterem Beschuss immer weniger Bauschaum ausgestoßen werde.

Mit diesen Feststellungen verbindet das Gericht in seiner Entscheidung die Recherche eines PET-Bauschaum-Primitivschalldämpfer mit dem Spurenbild am Tatort und schafft so eine entscheidende Grundlage für die spätere Verurteilung.

Das bei der Tat ein nach der Anleitung "Silencer.ch" selbst angefertigter PET-Bauschaum-Primitivschalldämpfer zum Einsatz steht für die Kammer zweifelsfrei fest.

Hingegen ist die Herkunft der Überzeugung es würde sich ein Schusskanal in der mit Bauschaum gefüllten Flasche bilden kann im Urteil und den Akten nicht nachvollzogen werden. Der BKA Sachverständige Pfoser hat diese jedenfalls nicht aufgestellt, da seine Beschussversuche ein gegenteiliges Spurenbild erzeugten.

Deswegen muss hier ein Missverständnis vorliegen. Dieses kann auch dadurch befördert wurden sein, dass die Videoaufnahmen nicht vollständig eingesehen wurden.

Sonst hätte das Gericht nicht in den Urteilsgründen erwähnt auf dem Video sei eine Schussserie zusehen, bei der die ersten fünf Schüsse eingespannt und die weiteren fünf Schüsse freihändig abgegeben wurden.

Hingegen ist auf der nachträglich über die Staatsanwaltschaft Darmstadt vom BKA beschafften DVD jedenfalls keine Schussserie von zehn Schüssen zu sehen, sondern in zumindest falscher Reihenfolge verschiedene Flaschen, mit farbigen Kappen und unterschiedlicher Menge an Bauschaum zu sehen. Dies Schüsse wurden insgesamt viermal eigespannt und sechsmal freihändig abgegeben.

In der Hauptverhandlung, so haben Medien berichtet wurde hingegen ein Video vorgeführt bei dem jeweils bei allen Schüssen die Flasche weggeflogen sei. Das habe ein damaliger Verteidiger noch pointiert als Slap­stick bezeichnet.

Hier gibt es also ein Problem bei der Aufklärung durch das Gericht. Da ist aus Gerechtigkeitsgründen nunmehr nicht mit der Begründung vom Tisch zu wischen, das Gericht habe sich damit beschäftigt wäre bloss zu einem andern Ergebnis gekommen.

Auch sollte vor diesem Hintergrund das in der Qualität deutlich verbesserte neue Videomaterial eine überlegeneres (neues) Beweismittel darstellen.

Genau deswegen muss das Gericht auch nach Maßgabe des Bundesverfassungsgerichtes das Wiederaufnahmevorbringen umfassend prüfen und würdigen und eben nicht durch eine oberflächliche und verengte Beurteilung effektiven Rechtsweg für den Verurteilten abschneiden.

Tragischer Weise hätte dieser Sachverhalt wohl schon in einer Aufklärungsrüge bei der Revision erhoben werden müssen, da wurde nur die allgemeine Sachrüge ohne Ausführungen eingelegt, was eben auf das fehlende Engagement der damaligen Verteidiger, zumindest nach der Urteilsverkündung hindeutet.

Selbst wenn in einer erneuerten Hauptverhandlung die Zeugen neu vernommen würden und diesmal anders aussagen, vielleicht weil sie sich durch den Zeitablauf nicht mehr genau erinnern, würde ihnen ihre Aussage aus vorangegangenen Verhandlung vorgehalten werden, und das Gericht wird sich aus diesem Gesamtergebnis seine Meinung bilden. Die Ergebnisse der früheren Verhandlungen sind ja nicht einfach „weg“, sie werden mit einbezogen.

Was die "eigenen" Bemühungen um die Wiederaufnahme des Verfahrens, durch den Dipl.-Ing. Steffler anbelangt so muss man doch bei aller Verwunderung über die Vermischung mit querulatorischen Ansätzen, zumindest Anerkennen das er alle wesentlichen den Wiederaufnahmegesuch tragenden Gründe bereits zu einem sehr viel früheren Zeitpunkt ermittelte.

Da sollte der Verein für "Zivilcourage für Gerechtigkeit" zumindest anlässlich eines mit Freisprechung beendigten erneuerten Verfahrens über eine Anerkennung in Tradition ihres Namenspatrons nachdenken.

@Andante
Ok, dann sind wir im Grunde einer Meinung. Hab dich vorher anders verstanden.

@Rüdiger
Nun, chronologisch gesehen müsste die Würdigung dann wohl eine Steffler-Plagiatverwirrtzitierungsehrung sein. Er nimmt ja bereits geschriebene Thesen/Bedenken/Einwände auf und macht daraus etwas ... sagen wir mal "Eigenes".

@abgelenkt

Vielleicht habe ich mich auch missverständlich ausgedrückt. Ich wollte nicht sagen, dass im Fall der Wiederaufnahme des Verfahrens das jetzt entscheidende Gericht an die Ergebnisse des LG Darmstadt gebunde ist. Dessen tatsächliche Feststellungen sind ja wegen der Wiederaufnahme nicht in Rechtskraft erwachsen. Das heißt aber nicht, dass der Prozess in dem Sinne erneuert wird, dass so getan wird, als habe es das bisherige Verfahren nie gegeben.

Zur Wahrheitsfindung muss und darf das neue Gericht die alten Verhandlungsergebnisse berücksichtigen. Wäre zB ein vom LG Darmstadt vernommener Zeuge zwischenzeitlich verstorben und könnte vom neuen Gericht nicht mehr vernommen werden, darf und muss das neue Gericht dessen Vernehmungsprotokolö aus der alten Verhandlung als Urkundsbeweis im neuen Prozess berücksichtigen und inhaltlich bewerten

@AnNevis

Ich glaube der Dipl.-Ing. Steffler ist schon vor 2015 mit solchen Thesen unterwegs und hat sich bei Staatsanwaltschaft, Gerichten und Bundestagsverwaltung seither vergeblich für eine Wiederaufnahme von Amts wegen eingesetzt.

@Rüdiger
bundestagsverwaltung? sind die überhaupt für sowas zuständig? doch wohl eher nicht, oder? o_0

Wie kann es möglich sein, dass sich eine so große Fangemeinde bildet und um Wiederaufnahme des Verfahrens feilscht, obwohl mehr Anhaltspunkte dagegen sprechen? Die Interessen des RA sind eindeutig! Er verdient sein Geld -völlig unbedeutend ist dabei der Ausgang.

Ersetze Fangemeinde mit Interessen- oder Betroffenengemeinde.
Und man kann durchaus das Anliegen derer nachvollziehen, sofern man mal seine Empathie-Fähigkeit aktiviert. Ein Glaube kann sehr stark sein und eben auch etwas blind machen.

Soweit ich weiß, arbeitet Strate für lau. Irgendeinen Nutzen wird er aber dennoch dadurch haben, weil Zeit hat er ja eigentlich keine und von der Unschuld ist er ja auch nicht wirklich überzeugt, was allerdings auch keine Voraussetzung ist.

AnNevis schrieb:Soweit ich weiß, arbeitet Strate für lau. Irgendeinen Nutzen wird er aber dennoch dadurch haben, weil Zeit hat er ja eigentlich keine und von der Unschuld ist er ja auch nicht wirklich überzeugt, was allerdings auch keine Voraussetzung ist.

Wie aktuell ist Dein Wissen? Soweit ich mich erinnern kann, hat er bei der letzten Pressekonferenz was anderes gesagt. Wiederaufnahmeverfahren pro Bono sind so etwas wie eine „Berufsehre“ für Dr. Strate. Das ist auf seiner Homepage nachzulesen. Das Geld „zum Leben“ verdient er sich mit anderen Fällen.

Ich habe es schon mitbekommen, dass er sich mittlerweile gegenteilig geäußert hat. Es hat mich bislang nur noch nicht überzeugt.
Denn auf welcher Erkenntnis basiert die neue, persönliche Beurteilung? Nur angesichts der Überzeugung, dass kein Schalldämpfer laut Anleitung eingesetzt wurde? Was ist mit den restlichen Indizien und Aussagen, die für seine Schuld sprechen?
Ich halte es eher daher für eine strategische Aussage (vielleicht ja auch in Verbindung mit der ursprünglichen Aussage, bei der er nicht den festen Eindruck hatte, dass A. D. unschuldig ist).
Das ist eben ein Medienspiel mit all seinen Facetten. 'Jetzt, nachdem ich mich intensiv beschäftigt habe, komme ich zu einem anderen Urteil' und unterstreicht somit medial, dass man sich erst intensiver beschäftigen muss um zu einem anderen Urteil zu kommen, als die von der Mehrheit (Annahme bzw. Eindruck) als schlüssige bewertet Urteilsbegründung.
Aber das ist nur meine persönliche Mutmaßung.
Herr Strate macht seinen Job und das sicherlich gut und im Rahmen des Möglichen.

PS: Schade nur, dass die "Geschädigten" nicht eine ähnliche aktive "Lobby" haben.
Aber ja, es geht ja auch darum den wahren Mörder zu finden ...

AnNevis schrieb:Ich habe es schon mitbekommen, dass er sich mittlerweile gegenteilig geäußert hat. Es hat mich bislang nur noch nicht überzeugt.

Für wen ist das wichtig, dass gerade Du überzeugt wurdest?

Unterm Strich ist das prinzipiell überhaupt nicht relevant ob der Verteidiger von einer Unschuld überzeugt ist.

Letztendlich ist es so wie Frau Darsow es mal in einem Interview gesagt hat:

„Wenn er es war, dann ist er da richtig wo er jetzt ist. Ich bin jedoch der Überzeugung, dass mein Mann es nicht war.

Nur das klarzustellen. Darum geht es doch letztlich… Das wollen aber viele „Urteilsbefürworter“ nicht hören und hacken lieber auf ihr rum und beschimpfen Kritiker, dass sie kein Respekt vor den Opfern haben.

Nur das klarzustellen. Darum geht es doch letztlich… Das wollen aber viele „Urteilsbefürworter“ nicht hören und hacken lieber auf ihr rum und beschimpfen Kritiker, dass sie kein Respekt vor den Opfern haben.

Ich verstehe, dass sie für ihren Mann kämpft und ich bewundere ihr Durchhaltevermögen - das ist weiß Gott nicht selbstverständlich.

Ob ihr Mann der Täter ist, kann sie nicht wissen...und das ist kein rumhacken, sondern eine Tatsache.

Cassandra71 schrieb:Ob ihr Mann der Täter ist, kann sie nicht wissen...und das ist kein rumhacken, sondern eine Tatsache.

Du warst Zeuge des Geschehens? Sonst kann man sich nicht so 100% sicher sein! Wurdest Du von der Soko verhört? Ja, er wurde rechtskräftig verurteilt, weil das Gericht es als erwiesen ansah.

Das war bei Harry Wörz, Lehrer Arnold und einigen anderen auch so

Alice_im_Wl schrieb:Du warst Zeuge des Geschehens? Sonst kann man sich nicht so 100% sicher sein!

Ich finde die Indienzienlage insgesamt schlüssig und hätte Herrn Darsow aufgrund dieser Indizienlage wohl auch schuldig gesprochen, aber warum geht es jetzt hier plötzlich um mich? Wenn ich schreibe, dass Frau Darsow der Unschuld ihres Mannes nicht sicher sein kann, schreibe ich nichts falsches...oder?

Alice_im_Wl schrieb:Das war bei Harry Wörz, Lehrer Arnold und einigen anderen auch so

Ja, es gibt Fehlurteile...das streitet niemand ab.

Alice_im_Wl schrieb:Für wen ist das wichtig, dass gerade Du überzeugt wurdest?

Nur für mich und ich wollte dem auch gar keine wesentliche Bedeutung zumessen.

Alice_im_Wl schrieb:Unterm Strich ist das prinzipiell überhaupt nicht relevant ob der Verteidiger von einer Unschuld überzeugt ist.

Hatte ich ja auch schon zuvor so geschrieben.

Es ist leider schwer sich neutral mit dem ganzen Fall auseinanderzusetzen.
Und noch schwerer wird es eben, wenn zum Teil abenteuerliche Theorien* gesponnen werden (ganz allgemein - nicht auf dich bezogen).
Dabei verfällt man dann leider manchmal in ein Modus des bemühten Widerlegen und rutscht dann aus der ursprünglichen Neutralität (mit einer klaren, persönlichen Meinung/Beurteilung) in eines jener Pro-Contra-Lager und beide verlieren die Nähe zur Mitte.
Ich will da nicht hin.

*Mal ein noch eher harmloses Beispiel dafür:
Hier hat jemand kürzlich sinngemäß geschrieben, dass die Zeugenaussage, nach der A. D. an seinem PC hantiert habe, nicht glaubwürdig sei, da der Zeuge dafür nach all der Zeit ein fotografisches Gedächtnis haben müsse.

Für dieses beobachtete Geschehen benötigt es doch kein fotografisches Gedächtnis.
Zeuge sieht den ungewöhnlichen Vorgang (offener PC, A. D. hantiert daran).
Mehr Informationen muss man nicht ablegen und die Besonderheit reicht aus um es im Langzeitgedächtnis abzulegen.
Mit dem Datum ist natürlich ungleich schwerer, da es ehemals für die ungewöhnliche (aber für den Moment auch eher nebensächliche) Beobachtung eben nicht relevant war.
Rückblickend rekonstruierend einordnen kann man es aber vielleicht dennoch, da noch weitere zeitgleiche Ereignisse im Hirn abgespeichert waren, die ein Verbindung erlauben. Dies wird eventuell auch bereits im Juli 2009 durch die Untersuchung in der Firma erfolgt sein.

Das alles (hier die Zeugenaussage) eben mal so aus dem Off "bemüht" wiederlegen zu wollen, lässt vermuten, dass man schon lange nicht mehr den neutralen Blick auf die Sache hat und eben ins eine Lager gerutscht ist.

Cassandra71 schrieb:Ich finde die Indienzienlage insgesamt schlüssig und hätte Herrn Darsow aufgrund dieser Indizienlage wohl auch schuldig gesprochen, aber warum geht es jetzt hier plötzlich um mich? Wenn ich schreibe, dass Frau Darsow der Unschuld ihres Mannes nicht sicher sein kann, schreibe ich nichts falsches...oder?

Du hattest von Tatsachen gesprochen. Das ist für mich dann Fakt. Sorry, dass wir eine andere Sprache sprechen. (Habe Migrationshintergrund)

PS: Der bislang einzige berechtigte Einwand kommt für mich tatsächlich nun von Herr Strate.
Es ändert für mich jedoch nicht, die aus vielen Einzelteilen nachvollziehbare Kette, nach der A. D. als Täter (auch für mich) feststeht. Man müsste tatsächlich in diesem Zusammenhang auch die Recherchen von A. D. nach dem Schalldämpfer parallel widerlegen müssen (warum sollte A. D. danach suchen und die Anleitung ausdrucken, wenn nicht für einen bestimmten Zweck).
Erst dann wackelt für mich schon eher das Täterbild (auch wenn mir dann manche Aussagen von A. D. ein Rätsel bleiben).