Kassel/Wolfhagen Regierungspräsident Dr. Walter Lübcke ermordet

tudirnix schrieb:man solle das nicht ernst nehmen, die Bedrohungen gegen H. Reker und A. Holstein? Bedenke, beide wurde bereits Opfer eines Attentast und haben dieses glücklicherweise überlebt.

Ich denke, die Herausforderung ist: Diejenigen, die gegen einen Politiker/Funktionsträger eine Drohung aussprechen, setzen diese nicht in die Tat um (wäre dann ja auch ziemlich durchsichtig), aber andere, die man überhaupt nicht auf dem Radar hat (wie hier: TV verheiratet, Kinder, Frau, Haus, Vereinsarbeit, feste Arbeit im Mittelstand, seit 10 Jahren nicht mehr "einschlägig" straffällig auffällig, also eigentlich beste Prognose...) fühlen sich dann - wie es scheint - berufen. Wie will man das ahnen? Die Täterschaft nimmt die Konsequenzen in Kauf. Bei Selbstmord-Attentätern ist es noch extremer - wer oder was sollte die stoppen, wenn nicht mal der eigene Tod sie stoppt?

Der Verdächtige wurde Sonntag verhaftet, mit höchster Dringlichkeit wurden seine Wohnräume sicher schon x-fach auf den Kopf gestellt und trotzdem scheint, als habe man bisher immer noch nicht mehr als diese DNA-Spur...
Vielleicht war es am Ende gar nicht (es wäre ja nicht der erste falsche Alarm in diesem Fall), man hat aber trotzdem Trittbrettfahrer geweckt. Na super...

calligraphie schrieb:jetzt wird auch wieder getönt, das und das muss passieren .

Was hätte denn passieren sollen und hätte man diese Tat, nach allem, was man bisher weiß (TV), damit verhindern können?

Tipp :

Es werden keine weiteren Beweise gefunden.
Dadurch wird er wegen mangels an Beweisen freigesprochen.

Verschiedene Akten verschwinden auf mysteriöse Weise.
Der Verfassungsschutz hat noch nie was von ihm gehört.

Und bis in ca 4 Wochen, wird irgend ein Bauernopfer verhaftet.

@Stefan1982
Ich denke eher, dass nach dem Kasseler NSU-Debakel sehr sorgfältig vorgegangen wird... zumal das Opfer diesmal kein Unbekannter ist und die ganze Republik zuschaut.
Vielleicht ergibt sich sogar die Möglichkeit, ein paar Altlasten aufzuarbeiten.

Stefan1982 schrieb:Es werden keine weiteren Beweise gefunden.
Dadurch wird er wegen mangels an Beweisen freigesprochen.

Seine gesamte bürgerliche Existenz wäre dann aber zerstört und es bestünde Gefahr für Leib und Leben. Er benötigte dann eine neue Identität.

Das kommt ja noch dazu. Auch wenn der Typ früher auf jeden Fall höchstgefährlich und kriminell war. Haus, Frau, Kinder, Arbeit - das entspricht eigentlich wirklich nicht dem typischen Terroristenklischee.

arpanet schrieb:Vielleicht war es am Ende gar nicht (es wäre ja nicht der erste falsche Alarm in diesem Fall), man hat aber trotzdem Trittbrettfahrer geweckt. Na super...

Naja, wenn die nächsten Tage nichts von den Ermittlern kommt,
sieht es nicht besonders gut aus.
Eigentlich werden Ermittlungserfolge relativ schnell kommuniziert, nur beim Fehlen derselben, lässt man sich gewöhnlich Zeit.

falstaff schrieb:Für einen Täter der bis vor einigen Jahren noch prügelnd, pöbelnd und landfriedensbrechend durch die Gegend gezogen ist, wäre das hier jedenfalls ein erstaunlich gelungener Mord

So sieht es aber oft hinterher aus, wenn keine eindeutigen Spuren zu finden sind.
Dass ein "perfektes Verbrechen" am ehesten gelingt, wenn es keine direkte Verbindung zwischen Täter und Opfer gibt, lernt man schon bei XY-Ungelöst.
Dann braucht es eine Tatwaffe, die man mit entsprechenden Verbindungen leicht bekommt und hinterher in einem tiefen Gewässer entsorgt.
Dann wurde dem Opfer aufgelauert... nicht so kompliziert bei einem frei stehenden Haus ohne Bäume oder Hecken drumherum und einem Raucher, der nicht im Haus raucht . Reine Geduldsache.

Die NSU-Mörder haben es doch vorgemacht und auch ein Rechtsradikaler kann dazu lernen.

@Mikail
Nein.
Es kann auch vorkommen, dass die Ermittler wochenlang nichts verlauten lassen, weil sie Verdächtige abhören, um Beweise zu sammeln. Das war zB im Fall von Dagmar E. Aus Dinslaken so. Da wurden aufgrund der Aufnahmen die Täter überführt und verurteilt.

FF schrieb:nicht so kompliziert bei einem frei stehenden Haus ohne Bäume oder Hecken drumherum und einem Raucher, der nicht im Haus raucht .

Sagen wir es ganz offen: Die Terrasse nach vorne ("Raucherecke ") ist ein "Präsentierteller", die Hauptterrasse ist nicht viel besser. Nur der hintere Teil des 2-Familienhauses ist wenigstens zaunumfriedet (Bild 14).

Mikail schrieb:Naja, wenn die nächsten Tage nichts von den Ermittlern kommt,
sieht es nicht besonders gut aus.

Soooo schnell kann doch die Auswertung der Spuren aus dem Haus des TV und dessen, was man von seiner Arbeitsstelle weggeholt hat, gar nicht gehen. Man kann nicht erwarten, dass regelmäßig nach spätestens zwei Wochen ein Tötungsdelikt restlos aufgeklärt ist. Im Fall Lübcke wird man sich sicher weiterhin besonders bemühen, die Tatwaffe zu finden.

Jedenfalls finde ich es schon erstaunlich, wie hier und in anderen Threads schon von Cold Cases geredet wird, obwohl die Tat noch nicht mal zwei, drei Wochen zurückliegt.

arpanet schrieb:Das kommt ja noch dazu. Auch wenn der Typ früher auf jeden Fall höchstgefährlich und kriminell war. Haus, Frau, Kinder, Arbeit - das entspricht eigentlich wirklich nicht dem typischen Terroristenklischee.

Das kann man so nicht sagen. Ulrike Meinhoff ließ ihre beiden Töchter, eine erfolgreiche Karriere und eine gutbürgerliche Existenz zurück, als sie in den Untergrund ging. Gudrun Ensslin hatte einen Sohn, Andreas Baader eine Tochter.
Mohammed Atta (9/11) hatte eine Tochter und erfolgreich studiert, einer guten Karriere hätte nichts im Weg gestanden.
Che Guevara war Arzt und hatte vier Kinder.
Wolfgang Abel und Marco Furlan von der "Gruppe Ludwig" stammten aus begüterten Elternhäusern, akademische Karrieren waren für sie vorgezeichnet.

Das sind nur einige Beispiele. Terroristen sind nicht alle Loser, die aus Frust über ihre gescheiterten Leben töten.

Seps13 schrieb:So unglaublich finde ich das "Glück" gar nicht. Auch Nichtraucher halten sich ja an schönen Tagen mal außerhalb ihrer vier Wände auf. Dann war die Kirmes nebenan, es bestand die Möglichkeit, ihn dort oder auf dem Weg dahin bzw. zurück abzupassen. Also eine grundsätzliche Chance auf ein Antreffen gab es auch ohne nähere Informationen über seine (Rauch-)Gewohnheiten. Am Tattag war es auch nachts noch warm, da sitzt man evtl. auch abends nochmal auf der Terrasse.

Was, wenn Dr.L. ein Kirmesmuffel gewesen wäre, der sagt: während dem lauten Wahnsinn genau nebenan fahren wir woanders hin und machen uns ein schönes WE? Dann schaut unser Amateur-Terrorist blöd aus der Wäsche.

Lichtenberg schrieb:Landtagsabgeordnete erhalten einen gewissen polizeilichen Schutz. Und zwar alle. Grundsätzlich wird an ihrem Wohnort verstärkt Streife gefahren. Üblicherweise fahren an deren Wohnorten drei bis fünf Mal täglich Streifen vorbei. Weitergehende Maßnahmen erfolgen, wenn es die Situation erfordert.

Das wäre recht abenteuerlich. Ich war einmal Nachbar eines Landtagsabgeordneten, da gibt es keine Polizeiüberwachung und so weiter. Das ist Blödsinn. Der gute Mann lebte genau wie wir und wenn in unserem Kaff einmal im Jahr die wie immer völlig unterbesetzte Polizei auftauchte, dann war das schon etwas Besonderes. Landtagsabgeordnete sind nicht sonderlich wichtige Leute, ab und zu mal sprechen sie auf einem Dorffest im Wahlkreis und einmal im Jahr bekam unsere freiwillige Feuerwehr eine Spende, da besuchte er uns im Gerätehaus und trank ein oder zwei Bier. Alles ohne men in black - oder blue. :)

arpanet schrieb:Der Verdächtige wurde Sonntag verhaftet, mit höchster Dringlichkeit wurden seine Wohnräume sicher schon x-fach auf den Kopf gestellt und trotzdem scheint, als habe man bisher immer noch nicht mehr als diese DNA-Spur...

Da man ja auch die Theorie verfolgt, dass der TV die Tat nicht alleine beging, wird man weitere Erkenntnisse zurückhalten um möglicherweise vorhandene Mittäter, im Unklaren über den aktuellen Ermittlungsstand zu lassen.

Bei allem, was wir hier posten, sollten wir nicht vergessen, dass terroristische Morde nicht nur aus Hass gegen jemanden oder ganze Gruppen von Menschen geschehen, sondern meist auch Symbolcharakter für alle, die politisch ähnlich denken wie der oder die Täter, haben.

Man hat schon öfter nach Morden Berichte über klammheimliche Freude bei Gesinnungsgenossen gelesen, und diesmal war es auch nicht anders: Für diejenigen, die Lübcke so abgrundtief hassten, dass sie ihm den Tod wünschten, war der Tag, an dem er ermordet wurde, ein Freudentag.
Das sollte man schon bedenken, denn im Gegensatz zu "normalen" Mordmotiven, kommt hier eben eventuell noch etwas anderes hinzu, dass den oder die Täter antrieb: Eine plakative Aktion, die anderen Mut machen soll. Das hatte ja unter anderem auch der Attentäter von Christchurchin seinem Manifest so geschrieben, dass er auf Nachahmer hoffte.

@falstaff
Ich bezweifle, dass Lübcke bei Personalfragen gefragt wurde oder überhaupt etwas zu sagen hatte. Denn ihm weisungsbefugt ist der Ministerpräsident.
Lübcke war leider auch naiver als du denkst, sonst hätte er nicht nachts auf der hell erleuchteten Terrasse gesessen.

Lichtenberg schrieb:Anders als ein Politiker eines Landes- oder des Bundesparlaments ist er weisungsgebunden. Sein Dienstherr ist der Ministerpräsident. Ein Regierunspräsident ist also nicht vollkommen frei in seinen Entscheidungen.

@Lichtenberg
Du verpasst die Macht des Wortes. Es ging dem Täter um das, was Herr Lübcke gesagt hat:

„Und wer diese Werte nicht vertritt, der kann jederzeit dieses Land verlassen, wenn er nicht einverstanden ist. Das ist die Freiheit eines jeden Deutschen.“

Dazu verlinkte sie (Steinbach) zu einem mittlerweile gelöschten Blog, und nahm erneut auf das Zitat von Lübcke aus dem Jahr 2015 Bezug. In dem Blog wurde ...nicht darauf hingewiesen, dass die Rede von Lübcke bereits knapp vier Jahre alt war. Und wieder brach über den Regierungspräsidenten ein Sturm der Entrüstung herein, die Rede von damals wurde wieder oft geteilt, das Zitat herumgeschickt. In einem Post, der sich an Lübcke richtet, heißt es, man werde "solche Aussagen nicht vergessen", er stehe auf der sogenannten "schwarzen Liste" und es wurde ihm damals geraten: "Besorgen Sie sich schon mal eine Unterkunft außerhalb Deutschlands. Besser ist es."

Die Reaktionen darauf sind unfassbar. Lies mal nach. Verbal wurde Herr Lübcke vielfach ermordet. Einer tat es wirklich.

https://www.spiegel.de/panorama/justiz/fall-walter-luebcke-in-kassel-chronologie-einer-hetzjagd-im-netz-a-1272968.html