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Hanna W. tot aus der Prien geborgen

17.839 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Club, Getötet, Rosenheim ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
Zu diesem Thema gibt es eine von Diskussionsteilnehmern erstellte Zusammenfassung im Themen-Wiki.
Themen-Wiki: Hanna W. tot aus der Prien geborgen

Hanna W. tot aus der Prien geborgen

07.11.2025 um 21:14
Zitat von XluXXluX schrieb:Wenn man da frei übersetzen wollte, müsste man eigentlich sagen: Der Hydromechaniker hat keinerlei Erfahrung mit Wasserleichen geschweige denn mit deren Verletzungsmustern. Dennoch hält er es für möglich, dass die Verletzungen im Wasser entstanden sind.
Das ist ein Scheinargument. Ein Hydromechniker ist Physiker und kein Gerichtsmediziner. Deshalb hat man ihn als Sachverständigen bestellt. Selbst das Gericht gibt ihn so wieder (Rn. 817):
Er habe keine medizinische Ausbildung, insbesondere keine vertieften Kenntnisse von Anatomie und Rechtsmedizin.
Aber er sagt auch:
Er habe betreffend das Verhalten von Körpern in Gewässern Forschung betrieben.
Quelle: https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2024-N-26699

Das aufgehobene Urteil enthält dann sehr detaillierte Überlegungen zum Treiben der Leiche und welche äußeren Kräfte im Wasser wie auf sie eingewirkt haben könnten. Natürlich bemisst er das auch anhand der Feststellungen der Rechtsmedizin.

Zudem war neben einem Rechtsmediziner (der auch typische Treibeverletzungen an der Leiche Hannas identifiziert hat) ein Biomechaniker als Sachverständiger beteiligt. Dass sich alle drei Gutachter auch aufeinander beziehen, ist ihre Aufgabe. Es macht ja keinen Sinn, wenn sich die Sachverständigen isoliert und abstrahiert von den anderen Ergebnissen im luftleeren Raum bewegen.

Meine Sachkunde für Wasserleichen reicht bislang leider nicht aus, um dem seriös eine andere Expertise entgegensetzen zu können. Die E-Mail des Hydromechanikers an die Vorsitzende ist bislang auch nur in Auszügen bekannt (Zitat der Verteidigung). Mir fehlen da weitere Informationen, um daraus eine Besorgnis der Befangenheit des Gutachters ableiten zu wollen.


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Hanna W. tot aus der Prien geborgen

07.11.2025 um 21:17
Zitat von MevsimMevsim schrieb:In Bayern.
Immerhin ist die Feststellung dieser Verletzungen, als Angriffsverletzung einzigartig. International gab es noch nie einen bilateralen Acromialen Bruch, der nicht durch einen Unfall verursacht wurde. Immerhin landete niemand in der Rechtsmedizin. Kein Serienkiller, kein Mord und Totschlag, keine Häusliche Gewalt, kein Angriff.
Da wäre nun mal ich für einen Beleg dankbar, weil da meine rechtsmedizinischen Kenntnis nicht ausreicht, um diese Behauptung beurteilen zu können.


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Hanna W. tot aus der Prien geborgen

07.11.2025 um 21:28
Zitat von OriginesOrigines schrieb:Da wäre nun mal ich für einen Beleg dankbar,
Da bin ich auch gespannt :-). Einen Beleg dafür, dass es keinen einzigen Beleg gibt, wäre doch mal ein Novum.

Man könnte aber die Rechtsmedizinerin fragen, der ist ja auch noch keiner untergekommen.


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07.11.2025 um 21:50
Zitat von rabunselrabunsel schrieb:Ich geh ja davon aus, dass es schon nach 02:29:45 Uhr zu einem relevanten Temperatursturz kam und glaube, dass sie da schon irgendwo beim Brückerl gemeinsam mit dem Handy abrutschte, zwar schon nass wurde (Temperatursturz), aber sich noch irgendwo festhalten konnte, so dass sie noch nicht mitgerissen wurde. Das Bachbett hatte da das GPS schon ein bisschen abgeschirmt und deshalb entsanden diese seltsamen Punkte 10 und 11. Sie versuchte noch ihr Handy zu verwenden, das gelang nicht, deshalb kam es zu dem Notruf. Nach 02:32:09 ist sie mitgerissen worden und das Handy aus der Hand gerissen worden und untergetaucht (großer Temperatursturz und Abschirmung durch Wasser).
Das ist eine gute Idee, nur glaube ich, dass das Opfer weder bei einem Angriff noch im Fluss versucht hätte zu telefonieren. Beides wäre aussichtslos, ich glaube, dass irgendwie der Wasserkontakt/Aufprall o.ä. ausgelöst hat. Aber man kann es auch nicht ganz ausschließen.

Aber Du hast recht, das Opfer könnte sich im Bereich des Kampenwandparkplatzes sich noch festgehalten haben und dabei den Ring u. evtl. den Gürtel verloren haben. Ist bekannt auf welcher Uferseite dort der Ring gefunden wurde?

Wenn ich jetzt die Zeitstempel sehe und sich daraus eine mittlere Geschwindigkeit von ca. 10 km/h ergibt, dann fällt mir direkt die Fließgeschwindigkeit des Bärbaches ein, war die nicht auch 10 km/h?

Der Weg über die Grüne Fläche macht in keinem Szenario wirklich Sinn, es sei denn sie hätte arge Orientierungsschwächen gehabt (Was man bei einem solchen Alkoholkonsum nie ganz ausschließen kann).

Die Frage wäre bei diesem Szenario, warum ist das Handy nicht gleich beim Sturz in das Wasser untergegangen sondern war eine Weile noch halbwegs ortbar? Hatte sie das Handy in der Hosentasche? Sie wird versucht haben noch oben zu bleiben, vielleicht war noch nicht viel Wasser drüber. Es könnte dann es aus der Hosentasche gerutscht sein oder sie hat es raus genommen und ist nach Punkt 11 auf den Boden des Bärbachs gesunken, das würde dann schon passen und mit den Radien der GPS-Ortung auch vereinbar.


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07.11.2025 um 22:20
Zitat von Rigel92Rigel92 schrieb:Das ist eine gute Idee, nur glaube ich, dass das Opfer weder bei einem Angriff noch im Fluss versucht hätte zu telefonieren. Beides wäre aussichtslos, ich glaube, dass irgendwie der Wasserkontakt/Aufprall o.ä. ausgelöst hat. Aber man kann es auch nicht ganz ausschließen.
An einen absichtlichen Notruf denke ich auch nicht, ich könnte mir vorstellen, dass sie womöglich die Taschenlampe einschalten wollte um zu sehen, wie sie wieder rauskommen könnte und wegen dem nassen Handy und klammen Fingern löste sie versehentlich den Notruf aus.


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Hanna W. tot aus der Prien geborgen

07.11.2025 um 22:22
Hallo zusammen - Ich bin neu hier, lese aber seit einiger Zeit mit. Der Fall beschäftigt mich seit drei Jahren, nicht zuletzt weil ich selber im Landkreis Rosenheim groß geworden bin und in meiner Jugend ziemlich regelmäßig im Eiskeller feiern war. Ich bin zwar gelernter Arzt, habe aber nur oberflächliche Erfahrung in der Rechtsmedizin und noch weniger in Unfallchirurgie. Das als Präfix.
Zitat von OriginesOrigines schrieb:Da wäre nun mal ich für einen Beleg dankbar, weil da meine rechtsmedizinischen Kenntnis nicht ausreicht, um diese Behauptung beurteilen zu können.
Ein Negativ belegen ist immer schwierig, aber eine Suche in der wissenschaftlichen Literatur zu beidseitigen Akromionfrakturen bringt tatsächlich ein bisschen zutage. Allerdings sind das praktisch nur Fälle, in denen eher recht alte Patienten (jenseits der 60) beidseitige Überlastungsfrakturen erleiden, zum Beispiel durch ungünstige biomechanische Verhältnisse nach beidseitigem Schultergelenksersatz; oder Neugeborene mit bestimmten Vorerkrankungen. Eine traumatische beidseitige Fraktur ist zumindest in der Literatur nicht beschrieben, und das schließt die rechtsmedizinische Literatur ein.

Um ehrlich zu sein frage ich mich eh, welchen Unfallmechanismus die Kollegen von der LMU da angenommen haben. Der klassische Mechanismus einer Akromionfraktur - die klassische "Schulterdachfraktur" - ist mit angelegtem Arm von schräg oben auf die Schulter zu fallen. Das ist zum Beispiel bei Überschlagsunfällen von Fahrradfahrern oder Inlineskatern gerne mal der Fall. Die Kraft muss eigentlich von oben außen auf die Schulter einwirken, nicht von hinten. In der Praxis passiert das nur einseitig. Entsprechend finde ich einfach keinen natürlichen Prozess (inklusive eines tätlichen Angriffs), der zu einer solchen beidseitigen, gleichzeitigen Verletzung führen könnte. Bei dem von der Anklage angenommenen Angriffsgeschehen würde man wahrscheinlich eher an Schulterblatt-, Rippen- und vielleicht Schlüsselbeinbrüche denken.

Was allerdings schon irgendwo denkbar ist, sind zwei voneinander unabhängige - wenn auch vielleicht zeitlich nah beieinanderliegende - Verletzungen. Das könnte zum Beispiel passieren, wenn ein bewusstloser Körper Kopf voran nacheinander über mehrere Wehre getrieben wird und jeweils mit der Schulter auf Grund oder Gestein aufkommt. Da würde man dann auch noch andere stumpfe Traumen erwarten, die mit den diffuseren Kopfverletzungen und dem Halswirbelbruch ja auch tatsächlich vorliegen. Aber da spekuliere ich ein bisschen. Es gibt aber mehrere Dutzend solcher Wehre in der Prien zwischen Aschau und Kaltenbach.

Wie gesagt, man kann ein Negativ nicht beweisen. Aber so richtig stimmig ist das alles nicht.


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08.11.2025 um 00:24
Zitat von rabunselrabunsel schrieb:An einen absichtlichen Notruf denke ich auch nicht, ich könnte mir vorstellen, dass sie womöglich die Taschenlampe einschalten wollte um zu sehen, wie sie wieder rauskommen könnte und wegen dem nassen Handy und klammen Fingern löste sie versehentlich den Notruf aus.
Das glaube ich nicht. Wenn man in einen so reißenden Bach gefallen ist und man schafft es am Ufer etwas zu ergreifen, dann muss man sich unbedingt daran festhalten und man muss versuchen sich dort raus zuziehen. Man bekommt durch die Strömung die Beine nicht mehr auf den Boden, nur durch Armkraft könnte man es schaffen sich dort raus zuziehen. Dazu braucht man beide Arme, dabei hat man keine Gelegenheit nach dem Handy zu greifen. Wenn das, an dem man sich festhält jedoch nachgibt (z.B. beim Versuch des raus Ziehens) oder die Kräfte schwinden, wird man unweigerlich wieder weiter getrieben. Ich denke es muss für den "Notruf" eine andere Möglichkeit geben, die wir nicht kennen.


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08.11.2025 um 00:50
Zitat von OriginesOrigines schrieb:Und die Professoren Rechtsmediziner und Biomechaniker sagten auch, die symmetrische, beidseitige Fraktur des Akromions (Schulterdachknochen) sei eine eigentümliche und seltene Verletzung. Sie hätten noch nie eine derart symmetrische, beidseitige Fraktur der Schulterknochen gesehen (Rn. 954). Im Weiteren schließen sie eine Verursachung durch das Treiben im Wasser aus und vermuten eine erhebliche Gewalteinwirkung im Rahmen eines "dynamisches Geschehens".
Wenn die Datenlage zu bestimmten Verletzungen schlecht ist, dann kommt es auf die Vorstellungskraft desjenigen an. Er müsste sämtliche Möglichkeiten in der Strömung durchdenken. Dafür hat eine Rechtsmediziner allein keine Expertise. Selbst ein Hydromechaniker kann das nicht, das wird durch die EMail an Aßbichler belegt.

Und man sollte hier nicht vergessen, Adamec Vorstellungskraft war schon bei einem einfacheren Fall nicht ausreichend, dem Badewannenunfall. Zwar hatte er nicht die technischen Möglichkeiten wie Jahre später, aber es gab schon zur Zeit seiner Begutachtung einen Stunt, angeregt durch einen anderen Rechtsmediziner, der der Simulation sehr nahe kam. Dabei sind die Verhältnisse einer Badewanne weitaus überschaubarer, als das Treiben über eine Strecke von 10 km, über Wehre, an Schützen vorbei etc..

Man kommt der Wahrheit nur dadurch näher, wenn man für ganz besondere Charakteristika der Verletzungen (z.B. der 120°-Winkel der Kopfwunden zusätzlich mit einer bestimmten Wundlänge) das Gegenstück in dem Fluss sucht. Das ist vielleicht geglückt, wir werden es sehen. Bei den Schulterbrüchen wird es jedoch schwieriger eine ganz bestimmte Ursache nachzuweisen, da der Gegenstand, der die Verletzung verursacht hat, sich dort nicht wie eine Mutter eingedrückt haben wird.

Aber eins kann man schon annehmen. Wäre der Schulterdachbruch bei einer Körperverletzung durch einen anderen Menschen erklärbar, dann wäre eher was in der Literatur zu finden. Körperverletzungen durch andere Menschen ist nicht gerade selten, selten sind sie tödlich. Da solche in der Literatur nicht bekannt sind, ist die Ursache "Körperverletzung durch einen anderen Menschen" recht unwahrscheinlich.


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08.11.2025 um 08:46
Zitat von TinchoTincho schrieb:Wie gesagt, man kann ein Negativ nicht beweisen. Aber so richtig stimmig ist das alles nicht.
Vielen Dank für die Erläuterung! Ja, man kann ein Negativum nicht belegen. Aber die Feststellung eines solchen ließe sich schon belegen. Die Gutachter haben ja im ersten Prozess selbst erklärt (sinngemäß), dass es sich um eine atypische Verletzung handelt, für die sie keine Vergleichsfälle haben.

SpoilerIch habe mal selbst einen Fall erlebt, in dem ein Polizist ziemlich brutal mit seinem ganzen Gewicht auf einer am Boden liegende und gefesselte (vorher gewalttätige) Person gekniet hat. Das Ergebnis war ein Schlüsselbeinbruch.

Nur wenn diese synchronen Verletzungen weder bei treibenden Körpern im Wasser vorkommen, noch bei Gewalttaten, wie sind sie dann entstanden? Es muss ja dann auch ein völlig atypisches, kaum erklärbares Ereignis sein, das auf den Körper von Hanna eingewirkt hat - wenn es keine Vergleichsfälle gibt. Und die Gutachter werden sicher schon Wasserleichen in fließenden steinigen Gewässern mit Treibeverletzungen wie auch Opfer von Gewalttaten auf dem Seziertisch gehabt und auch die einschlägige Fachliteratur mit Berichten im Blick haben.

Jedenfalls schließen sie Treibeverletzungen als Ursache der Brüche aus.
Zusammenfassend könne der leblose Körper der H. W. nicht durch die Kraftwerkskanäle getrieben sein. Die Ursache der Verletzungen an beiden Schulterdächern könne unter Berücksichtigung der Morphologie der Gewässer, der konkret bestehenden Hochwassersituation und des dadurch bedingten Treibeverhaltens des Körpers („schweben“/„gleiten“) sowie des Umstandes, dass die Fraktur betreffend das rechte Schulterdach in Richtung Körpermitte (Krafteinwirkung von hinten nach vorne) dokumentiert sei, aus hydromechanischer Sicht nicht auf der Treibestrecke entstanden sein und auch nicht auf einen Zusammenprall mit dem, an der Ausleitungsstrecke zur Kaltenbacher Mühle befindlichen Grobrechen zurückgeführt werden.
Quelle (Rn. 868): https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2024-N-26699

Inwieweit man feststellen kann, ob diese symetrischen Brüche der Schulterdachknochen prae oder post mortem erfolgten, weiß ich nicht, aber offenbar gehen die Gutachter im Ergebnis davon aus, dass sie zu Lebzeiten geschehen sind.

Wie gesagt, die Aussagen der Sachverständigen haben dem Gericht nur wenig Spielraum gegeben, von einem Unfallgeschehen auszugehen, auch wenn sie letztlich nicht erklären konnten, welches "dynamische Geschehen" zu dieser Verletzung führte.

Hinsichtlich der Kopfverletzungen gilt das Gleiche. Es war im Übrigen ein 90 Grad-Winkel, in dem ein stumpfer Gegenstand auf den Kopf geschlagen worden sein soll. Auch hier wurden Treibeverletzungen ausgeschlossen (die es trotzdem noch zahlreich im Kopfbereich gab).
Kopfverletzungen ohne Schürfungen seien aus hydromechanischer Sicht als Treibeverletzung auszuschließen, da sie durch Normalkraft (90° Winkel; keine Schürfungen im direkten Umfeld der jeweiligen Zentralwunde bzw. der Kopfhautrötung dokumentiert) gesetzt worden seien.
Quelle: a.a.O., Rn. 868.

Ansonsten noch prinzipiell und außerhalb dessen, was das erste Urteil schildert: Wenn hier ein Gutachter beteiligt war, der im Badewannenfall Rottach-Egern mit seiner Stellungnahme daneben lag, dann kann ich verstehen, dass RAn Rick ihn gefressen hat. Ob das damals "Voodoo-Wissenschaft" war, bei der aus einer nicht erklärlichen Spurenlage ein Verbrechen gemacht wurde, ob also ein schwerer Fehler vorlag, oder schlicht ein Irrtum, das weiß ich nicht. Ebenso wenig, ob es sich um "Wunschgutachten" handelt, also um Gutachter, die das liefern, was das Gericht gerne hätte.
Beide Sachverständigen sind dem Gericht seit vielen Jahren als fundierte Gutachter mit großer forensischer Erfahrung bekannt. Ihren medizinischen Ausführungen schließt sich die Kammer nach eigener Überprüfung an.
Quelle: a.a.O., Rn. 907.

Die abstrakte Gefahr ist natürlich gegeben, dass "bekannte und beliebte" Gutachter immer wieder beauftragt werden und sich so eine gedeihliche Zusammenarbeit entwickelt. Gutachter sind für Gerichte Fluch und Segen zugleich. Entweder, weil sie dem Gericht Spielräume eröffnen. Oder ihm keinen Spielraum lassen. Ein Gutachten mit dem Tenor "Kann sein, kann aber auch nicht sein" ist nicht so schön, wie ein klares Ja oder Nein.

Ein Gericht muss unparteilich sein, aber es ist natürlich nicht unvoreingenommen. Schließlich hat es mit dem Eröffnungsbeschluss eine überwiegende Verurteilungswahrscheinlichkeit auf Grundlage der Ermittlungsergebnisse angenommen. Das ist quasi die Ausgangsthese. Die Unschuldsvermutung ist davon nicht berührt, denn die Schuld steht ja noch nicht fest. Aber ein Verdacht. Also kann ein Gutachter grob davon ausgehen, dass ein Gutachten, was verdachtserhärtend ist, dem Gericht dienlicher ist als ein verdachtsminderndes. Und schon ist da ein "Drive" bei eigentlich unklaren oder unerklärlichen Sachverhalten, der eigentlich nur mit Selbstkritik und -reflektion begegnet werden kann.


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Hanna W. tot aus der Prien geborgen

08.11.2025 um 09:16
Zitat von OriginesOrigines schrieb:Nur wenn diese synchronen Verletzungen weder bei treibenden Körpern im Wasser vorkommen, noch bei Gewalttaten, wie sind sie dann entstanden? Es muss ja dann auch ein völlig atypisches, kaum erklärbares Ereignis sein, das auf den Körper von Hanna eingewirkt hat - wenn es keine Vergleichsfälle gibt. Und die Gutachter werden sicher schon Wasserleichen in fließenden steinigen Gewässern mit Treibeverletzungen wie auch Opfer von Gewalttaten auf dem Seziertisch gehabt und auch die einschlägige Fachliteratur mit Berichten im Blick haben.
Genau das ist doch das Problem. Wenn die in der Literatur nicht zu finden ist, stellt sich folgende Frage: Gibt es die überhaupt? Dass beide Brüche synchron erfolgt sind, ist einen reine Theorie Adamecs, die durch nichts belegt ist. Die Verletzungen kann genauso gut auch nacheinander erfolgt sein. Dass ist bei einem Treiben im Fluss (wie @Tincho schon schrieb) nicht ganz unwahrscheinlich, weil man dort mehrfach über ähnlich gestaltete Bauwerke (Wehre und vieles mehr) drüber getrieben wird.
Zitat von OriginesOrigines schrieb:Hinsichtlich der Kopfverletzungen gilt das Gleiche. Es war im Übrigen ein 90 Grad-Winkel, in dem ein stumpfer Gegenstand auf den Kopf geschlagen worden sein soll. Auch hier wurden Treibeverletzungen ausgeschlossen (die es trotzdem noch zahlreich im Kopfbereich gab).
Ob der wirklich so "stumpf" war ist die Frage, wenn diese besondere Form von der Rechtsmedizin nicht ausreichend beachtet wurde, dann kann man da schon in einen Sackgasse geraten. Hierzu gibt es einen recht einleuchtende Theorie der Verteidigung am Schütz. Die wird mit Sicherheit in dem Verfahren zu Sprache kommen, ich denke dazu braucht man einfach nur noch Geduld. Ob die damaligen Gutachter wirklich die Weisheit mit Löffeln gefressen hatten, wird sich im Verfahren zeigen, ich bin da jedenfalls äußerst skeptisch bzgl. der ursprünglichen Gutachten.
Zitat von OriginesOrigines schrieb:Die abstrakte Gefahr ist natürlich gegeben, dass "bekannte und beliebte" Gutachter immer wieder beauftragt werden und sich so eine gedeihliche Zusammenarbeit entwickelt. Gutachter sind für Gerichte Fluch und Segen zugleich. Entweder, weil sie dem Gericht Spielräume eröffnen. Oder ihm keinen Spielraum lassen. Ein Gutachten mit dem Tenor "Kann sein, kann aber auch nicht sein" ist nicht so schön, wie ein klares Ja oder Nein.
Manchmal gibt es eben auch nicht ein klares Ja oder Nein. Dessen müssen sich Gutachter auch bewusst sein und sich trauen zu sagen. Gerade in solchen Fällen, wo die Zahl der Möglichkeiten schier unendlich ist, muss man sich auch eingestehen, dass man nicht allwissend ist. Das darf man nicht als "Fluch" ansehen, das ist sogar notwendig, dass man sich bzgl. der eigenen Grenzen bewusst ist. Und gerichtlich ist das in Wirklichkeit auch überhaupt kein Problem. Denn Gerichte müssen genauso handeln, es gibt Fälle, die kann man einfach nicht ausreichend klären. Denn wenn man einen Unfall nicht ausreichend ausschließen kann, muss man freisprechen. Das nennt man dann Rechtsstaat. Zum "Fluch" wird es in solchen Fällen nur dadurch, dasss man sich schon auf einen bestimmte Ansicht festgelegt hat.


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08.11.2025 um 09:34
Im Zusammenhang meiner beruflichen Tätigkeit mussten wir einige Wasserleichen aus dem Rhein bergen.
Diese wiesen augenscheinlich keine Treibverletzungen vergleichbar mit den im Urteil beschriebenen Kopfverletzungen aus.
Sichtbare Verletzungen waren erkennbar, allerdings nicht in der Art und Weise gemäß der im Urteilstext angeführten.
Soweit ich das in Erinnerung habe, waren diese gleichmäßig.
5 QuetschRissWunden sowie (mindestens) 2 Hämatome (jeweils ohne Schürfungen) herbeiführte.
Quelle:

Daher schließe ich wie schon erwähnt ein Unfallgeschehen aus.


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08.11.2025 um 09:41
Hier eine detaillierte Beschreibung:

https://www.abendzeitung-muenchen.de/bayern/mordfall-hanna-was-die-untersuchende-aerztin-besonders-merkwuerdig-fand-art-942371


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Hanna W. tot aus der Prien geborgen

08.11.2025 um 09:43
Zitat von menonmenon schrieb:Im Zusammenhang meiner beruflichen Tätigkeit mussten wir einige Wasserleichen aus dem Rhein bergen.
Diese wiesen augenscheinlich keine Treibverletzungen vergleichbar mit den im Urteil beschriebenen Kopfverletzungen aus.
Sichtbare Verletzungen waren erkennbar, allerdings nicht in der Art und Weise gemäß der im Urteilstext angeführten.
Soweit ich das in Erinnerung habe, waren diese gleichmäßig.
Der Rhein ist kein Gebirgsbach. Das Gefälle der Prien ist meist deutlich stärker, so dass die Zahl der Kunstbauten deutlich höher liegt als am Rhein. Der Rhein ist schiffbar, damit herrschen dort komplett andere Verhältnisse als in der Prien. Wir haben es in so einem Bach nicht ausschließlich mit Treibverletzungen zu tun. Wenn der Kopf beispielsweise an ein nur teilweise geöffnetes Schütz schlägt, dann sehen die Verletzungen anders aus.

Ich denke für einen Teil dieser Verletzungen wird das neue Verfahren Antworten in der Prien finden, man muss nur Geduld haben.


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08.11.2025 um 09:51
Zitat von Rigel92Rigel92 schrieb:Der Rhein ist kein Gebirgsbach.
Tatsächlich, vielen Dank für die Belehrung.

Konkret wären dann entsprechend der Beschreibung fünf zugezogenen sowie gleichmäßige Kopfverletzungen in einem Gebirgsbach denkbar.


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08.11.2025 um 09:53
Zitat von menonmenon schrieb:Konkret wären dann entsprechend der Beschreibung fünf zugezogenen sowie gleichmäßige Kopfverletzungen in einem Gebirgsbach denkbar.
Laut Verteidigung waren es 4, die diesen speziellen 120°-Abdruck mit einer bestimmten Kantenlänge aufwiesen. Der 5. soll anders aussehen. Und dann liegt natürlich eine Mutter weitaus näher als ein möglicher Stein, den die vom neuen Verfahren ausgeschlossene Gutachterin behauptet hatte

Wie gesagt, man muss hier einfach noch Geduld haben.


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08.11.2025 um 10:14
Man muss sich wohl die Historie der Ermittlungen ansehen um zu verstehen warum die GPS Daten plötzlich nicht mehr genau waren.
Der Gürtel wurde schon sehr bald nach dem Fund der Leiche gefunden, nämlich am 4.10.22. Da lag die Annahme nahe, dass hier in unmittelbarer Nähe auch der Tatort sei. Das wäre auch nicht verkehrt bei einem konstanten Pegel des Bärbachs vor der Tat. Da der Bach aber zur Tatzeit Hochwasser führte kann der Gürtel auch dort angeschwemmt worden sein. Etwas später kam dann die Zeugenaussage mit dem gehörten Schrei zwischen 2:20 Uhr und 2:30 Uhr in räumlicher Nähe dazu und damit waren Tatort und Tatzeit einigermassen genau bestimmt.
Ungefähr ein halbes Jahr später wurde dann Hannas Handy gefunden und die bei der Analyse entdeckten Datenpunkte passten leider nur bis Punkt 9 (2:31:14 Uhr) zum angedachten Geschehen, den Anrufversuch um 2:31 Uhr musste damit bereits aus dem Bärbach erfolgen. Die GPS-Daten zeigen aber für die Anrufzeit einen Ort unmittelbar neben der Talstation der Karwendelbahn (Punkt 11 und Punkt 12).
Um, Zitat "nicht noch mehr Chaos in die Ermittlungen zu bringen", hat man dann kurzerhand alle Datenpunkte ab Punkt 10 mit einer absurden Ungenauigkeit versehen damit der seit langem definierte Tatort und auch die Tatzeit wieder passten.


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Hanna W. tot aus der Prien geborgen

08.11.2025 um 10:20
Zitat von OriginesOrigines schrieb:Und die Gutachter werden sicher schon Wasserleichen in fließenden steinigen Gewässern mit Treibeverletzungen wie auch Opfer von Gewalttaten auf dem Seziertisch gehabt und auch die einschlägige Fachliteratur mit Berichten im Blick haben.
Und genau da bin ich mir ehrlich gesagt nicht so sicher. Dass jemand in einem reißenden, hochwassergefüllten Gebirgsbach mit vielen Strömungsbauwerken ertrinkt, ohne dass jemand das beobachtet, kommt wahrscheinlich gar nicht so häufig vor. Dann die Erkenntnisse für Wasserleichen in größeren Flüssen - wie dem Rhein - anzulegen, kann schon auf den Holzweg führen. Wenn man sich die Berichte über die Gutachteraussagen durchliest, dann waren die sich ja auch nicht besonders sicher.
Zitat von OriginesOrigines schrieb:Inwieweit man feststellen kann, ob diese symetrischen Brüche der Schulterdachknochen prae oder post mortem erfolgten, weiß ich nicht, aber offenbar gehen die Gutachter im Ergebnis davon aus, dass sie zu Lebzeiten geschehen sind.
Die Sache ist: Wir kennen den Todeszeitpunkt nicht genau. Bei Ertrinken in kaltem Wasser kann es relativ lang dauern, bis ein vollständiger Herz-Kreislauf-Stillstand eintritt. Klar, das Bewusstsein verliert man relativ schnell, aber ein "Vita minima" kann sich hinziehen. Es ist also nicht auszuschließen, dass die Verstorbene z.B. noch über längere Zeit einen zwar nicht gesunden, aber vorhandenen Herzschlag hatte, auch als sie schon am Unterlauf der Prien angekommen war.


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08.11.2025 um 10:34
Zitat von TinchoTincho schrieb:Dann die Erkenntnisse für Wasserleichen in größeren Flüssen - wie dem Rhein - anzulegen, kann schon auf den Holzweg führen.
Ich beziehe mich auf die Kopfverletzungen, ob das Gewässer da entscheidend für sein soll, berechtige Zweifel sind angebracht.


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08.11.2025 um 10:47
Zitat von TinchoTincho schrieb:Und genau da bin ich mir ehrlich gesagt nicht so sicher. Dass jemand in einem reißenden, hochwassergefüllten Gebirgsbach mit vielen Strömungsbauwerken ertrinkt, ohne dass jemand das beobachtet, kommt wahrscheinlich gar nicht so häufig vor. Dann die Erkenntnisse für Wasserleichen in größeren Flüssen - wie dem Rhein - anzulegen, kann schon auf den Holzweg führen. Wenn man sich die Berichte über die Gutachteraussagen durchliest, dann waren die sich ja auch nicht besonders sicher. (...) Es ist also nicht auszuschließen, dass die Verstorbene z.B. noch über längere Zeit einen zwar nicht gesunden, aber vorhandenen Herzschlag hatte, auch als sie schon am Unterlauf der Prien angekommen war.
Ausschließen kann man das vielleicht nicht. Sachverständige bieten Hypothesen an, versuchen sich einem Geschehen zu nähern. 100%ige Gewissheit hat man nie, gerade die Medizin arbeitet oft mit viel niedrigeren Wahrscheinlichkeiten. Ich weiß nicht, was mit einer Leiche in einem Bach mit Hochwasser passiert, auch kenne ich den Bärbach nicht.

Jedenfalls war das Fazit der Gutachter im ersten Verfahren:
Insoweit betonten sie nochmals, dass aufgrund der am 03.10.2022 herrschenden Hochwassersituation die Verletzungsgefahr bereits deutlich herabgesetzt gewesen sei. Der Körper bewege sich auch nicht unmittelbar an der Sohle (wo er eher mit Steinen u.ä. kollidieren könnte), sondern – wenn auch nicht an der Wasseroberfläche – gleite/schwebe eher durch die mittlere Wasserschicht. Zudem sei eine Entstehung der objektiv am Leichnam von H. V… festgestellten 5 QuetschRissWunden sowie der (mindestens) 2 Kopfhautrötungen (Hämatome) ohne zentrale Wunde und ohne Schürfungen durch den Mechanismus von Normalkräften bedingt (und nicht durch die im Gewässer herrschenden Scherkräfte).
Die Entstehung der symmetrischen, beidseitigen Fraktur der Schulterdachknochen, rechts mit Stück Fraktur und Fraktur Richtung Körpermitte (ohne relevante äußere Verletzungen bzw. Scherverletzungen, sei ebenfalls im Rahmen des Treibervorgangs nicht plausibel.
Quelle (Rn. 979): https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2024-N-26699

Und ob erklärlich oder nicht: Die Verletzungen am Kopf und die Fraktur der Schulterdachknochen sind nun mal da. Es muss eine Ursache geben, ein UFO war es nicht. Ließe sich diese wirklich nicht erklären, so ist doch eine Verursachung durch menschliche Gewalt nicht ausgeschlossen. Also möglich.

Und das führt dann wieder zur Beweiswürdigung: Die Rechtsmediziner/Hydro-/Biomechaniker beschäftigen sich nicht mit dem Aussageverhalten, Sexualleben oder Pornografie-Konsum des Angeklagten, den Zeugenaussagen von V. oder L. und nicht mit Handydaten. Alle Indizien führt erst das Gericht in einer Gesamtschau zusammen. Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Und so können sich die "Kipppunkte" eines Gutachtens verlagern. Das Gericht kann - bei entsprechenden zusätzlichen Indizien - einer von den Gutachtern eröffneten möglichen Variante den Vorzug geben. Sagt ein Gutachten "50:50 - Unfall:tätlicher Angriff", dann kann das Gericht zu der Überzeugung kommen: Es war ein Angriff. Oder wenn es keine weiteren belastenden Indizien gibt: Das war ein Unfall.

Im ersten Verfahren wäre es dem Gericht angesichts der dort vorgetragenen Expertise schwer möglich gewesen, eine andere Position als die Gutachter einzunehmen und von einem Unfall auszugehen. Es hätte theoretisch trotzdem freisprechen können. Dazu hätte es die Position vertreten müssen, dass Hanna auf Grundlage der Gutachten wohl durch eine Gewalttat ums Leben gekommen ist, aber T. die Tat nicht nachgewiesen werden könne. Eine schwierige Position.

Gibt es nun im zweiten Verfahren neue Gutachter, die zu anderen Ergebnissen kommen, dann soll es so sein.


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