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Hanna W. tot aus der Prien geborgen

17.166 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Club, Getötet, Rosenheim ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
Zu diesem Thema gibt es eine von Diskussionsteilnehmern erstellte Zusammenfassung im Themen-Wiki.
Themen-Wiki: Hanna W. tot aus der Prien geborgen

Hanna W. tot aus der Prien geborgen

12.11.2025 um 17:59
@AusLeipzig
Zitat von AusLeipzigAusLeipzig schrieb:Haben Verteidiger im Rahmen des Revisionsantrags also tatsächlich keinerlei Möglichkeit darauf hinzuweisen, wenn das Gericht beispielweise entlastende Indizien ignoriert, im Sinne von nicht im Urteil behandelt, hat?
Das wurde doch gemacht.
Warum denkst du hat die Strafverteidigerin, bei ihren Antrag für das Glaubwürdigkeitsgutachten, soviele Rechtliche Quellen genannt?
Das wird nicht im Urteil festgehalten, aber im Verfahrensprotokoll. Bei der Verfahrensrüge ging es um den Befangenheitsantrag, der nicht im Urteil, aber im Verfahrensprotokoll festgehalten wird.
Ich habe den BGH Beschluss auseinander genommen, Satz für Satz. Der BGH Beschluss hat sich auf die Verfahrensrüge bezogen, aber hat nebenbei viele Paragraphen genannt, unter denen einige entweder über § 344 und/oder § (StPO) § 337 zur Aufhebung des Urteils geführt hätten.
Der BGH Beschluss ist auch für das neue Gericht wichtig. Betreffen die fehler auch die Beweiswürdigung?

"Täterwissen"
Absoluter Revisionsgründe nach Paragraph vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 4 Satz 1 - Glaubwürdigkeitsgutachten 2 und 3).


Folgende Urteile wurden aufgehoben, wegen fehlender Glaubwürdigkeitsgutachten.

https://www.anwalt24.de/urteile/bgh/1996-09-05/1-str-416_96. ( Klicken raus und nochmal klicken, dann kann man den BGH Beschluss lesen)

Bundesgerichtshof
Urt. v. 05.09.1996, Az.: 1 StR 416/96
Zwar ist auch dann, wenn besondere Umstände ein Glaubwürdigkeitsgutachten erfordern, es grundsätzlich dem Tatrichter überlassen, ob er einen Psychologen oder einen Psychiater zu Rate zieht. Doch wird die besondere Sachkunde eines Psychiaters benötigt, wenn ein Zeuge an einer geistigen Erkrankung leidet, die sich auf seine Aussagetüchtigkeit auswirken kann, denn die Beurteilung krankhafter Zustände setzt medizinische Kenntnis voraus, die der Psychologe nicht besitzt.
https://www.hrr-strafrecht.de/hrr/5/00/5-199-00.php3

BGH 5 StR 199/00 - Beschluß v. 6. Juni 2000 (LG Berlin)
Die Hinzuziehung eines Sachverständigen zur Aussagetüchtigkeit und Glaubwürdigkeit ist dann geboten, wenn der zur Aburteilung stehende Sachverhalt ausnahmsweise solche Besonderheiten aufweist, daß Zweifel daran aufkommen können, ob die Sachkunde des Gerichts zur Beurteilung dieser Fragen unter den gegebenen besonderen Umständen ausreicht (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 4 Satz 1 - Glaubwürdigkeitsgutachten 2 und 3).
Zur Erinnerung:
Am 30.01. 2024
Beitrag von fassbinder1925 (Seite 389)
Antrag auf Glaubwürdigkeitsgutachten für Gefängniszeugen M, mit guter Begründung
Antrag auf die Geodaten von Raffi

01.02.2024
Beitrag von fassbinder1925 (Seite 392)
Hier werden die Beweisanträge abgelehnt

Ich schreibe das gerne nochmal. Der BGH Beschluss, war ausreichend ausufernd. Der BGH hat viel mehr geschrieben, als es für die Verfahrensrüge nötig war und tiefergehende Kenntnisse über den Urteil gehabt.
Die Revision wäre auch über:

Der Verstoß von §261 hätte über eine Aufklärungsrüge, § 244 Abs. 2, auch zur vollständigen Revision § 344 Abs. 2 Satz 2 geführt

§§ 224 StGB in Kombi mit § 265, wäre der Urteil auch aufgehoben.

Der BGH zählt selbst alle Punkte auf. Nacheinander.


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Hanna W. tot aus der Prien geborgen

12.11.2025 um 18:06
11. Prozesstag (Nachtrag)

Der Notruf kann wohl auch durch Kontakt mit Wasser ausgelöst worden sein - die Verteidigung präsentierte dazu heute ein Video, auch der Digitalforensiker hält dies für möglich.
Darauf deutet ein Anruf hin, den sie laut Kochneffs Ermittlungen um 2.32 Uhr absetzte - an den Notfallkontakt „Papa“. Der Anruf drang nicht durch. Warum? War das Guthaben im Prepaid-Handy erschöpft, so dass es bei ihren Eltern womöglich nicht mal klingelte? Und hatte Hanna den Notruf überhaupt bewusst abgesetzt? Oder kam es versehentlich dazu? Ein Video, das die Verteidigung am Nachmittag präsentierte, lässt darauf schließen, dass auch der Kontakt mit Wasser einen Notruf auslösen kann. Das bestätigte auch Gregory Kochneff. War es im Fall Hanna ebenso?
Der Prozess wird möglicherweise länger dauern als ursprünglich geplant.
Der Prozess wird am Donnerstag, 13. November, um 9.30 Uhr fortgesetzt. Es sind zwei weitere Zeugen aus dem Bekanntenkreis als Zeugen geladen. Den Nachmittag könnte das Gericht, ein entsprechendes Zeitpolster vorausgesetzt, dazu nutzen, den weiteren Fortlauf des Prozesses zu besprechen. Tage wie der Mittwoch verstärken die Zweifel, dass der Prozess bis zum angesetzten letzten Verhandlungstag am 19. Dezember abzuschließen ist: Hanna Wörndls Tod ist und bleibt ein Rätsel, dessen Detailfragen - wenn überhaupt - außergewöhnlich schwierig zu beantworten sind.
Jemanden umbringen? „Geht gar nicht!“ – Ein Labyrinth aus Handy-Protokollen und seltsame Sprachnachrichten (Ippen.Media)


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Hanna W. tot aus der Prien geborgen

12.11.2025 um 19:57
@LackyLuke

Ich erlaube mir, auch noch den Absatz nach dem ersten obigen Zitat nachzutragen. Erkenntnis des Prozesstages: dolle Dinger, diese Handys
Das alles konnte in Laufen an Tag elf des Prozesses (12. November) nicht wirklich geklärt werden. Das Verfahren ging sozusagen in den Tausenden und Abertausenden Zeilen des Handy-Protokolls auf den Bildschirmen im Gerichtssaal unter, mit dem Kochneff immerhin dokumentieren konnte, welch komplizierten Wunderwerke solche Smartphones sind
Quelle s.o.


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12.11.2025 um 20:38
Zitat von AusLeipzigAusLeipzig schrieb:Haben Verteidiger im Rahmen des Revisionsantrags also tatsächlich keinerlei Möglichkeit darauf hinzuweisen, wenn das Gericht beispielweise entlastende Indizien ignoriert, im Sinne von nicht im Urteil behandelt, hat?
Doch natürlich. Aber das muss sich im Verfahrensprotokoll (über Beweisanträge und die gerichtlichen Beschlüsse) oder im Urteil selbst wiederfinden. Wenn das nicht der Fall ist, kann eine Revision nicht belegt werden. Dokumentiert werden die Beweismittel als solche (Zeugen, Sachverständige, Urkunden), aber nicht deren Inhalt.

Wikipedia: Hauptverhandlungsprotokoll
Zitat von AusLeipzigAusLeipzig schrieb:Wenn das Gericht sich bei der Annahme, dass der Täter auf eine bestimmte Weise vorging, vor allem auf eine Aussage beruft und die Verwertbarkeit der Aussage vor allem damit plausibilisiert wäre das ein Zirkelschluss.
Verstehe ich nicht. Angenommen, es gäbe nur diese eine Zeugenaussage (als Zeuge vom Hörensagen) und keine anderen Indizien außer der Leiche. Dann dürfte das Gericht nicht sagen, die Zeugenaussage sei glaubhaft, weil sie Details wiedergibt, die nur der Täter gekannt haben dürfte? Weil das dann ein Zirkelschluss des Gerichts wäre?

Nein. Das verstehe ich nicht. Ein Zirkelschluss wäre es doch nur, wenn das Gericht sagt: Der Zeuge ist glaubhaft, weil er die Tat so beschreibt, wie wir glauben, dass sie sich zugetragen hat. Und das glauben wir so auf Grundlage dieser Zeugenaussage, die damit beweist, dass es sich so zugetragen hat. Katze beißt sich in den Schwanz.

Die Pflicht zur Einholung eines Glaubhaftigkeitsgutachtens ist erst mal Verfahrensfrage: Ist ein solches notwendig bzw. ist ein entsprechender Beweisantrag der Verteidigung zu Unrecht abgelehnt worden. Der BGH wird aber kein Votum abgeben, ob der Zeuge glaubhaft ist oder nicht, weil er keine Tatsacheninstanz ist.
Zitat von LackyLuke77LackyLuke77 schrieb:Der Notruf kann wohl auch durch Kontakt mit Wasser ausgelöst worden sein - die Verteidigung präsentierte dazu heute ein Video, auch der Digitalforensiker hält dies für möglich.
Im ersten Urteil ist dies nach meiner Erinnerung verneint worden. Bin mal gespannt, was da noch rauskommt.


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Hanna W. tot aus der Prien geborgen

12.11.2025 um 20:50
Zitat von OriginesOrigines schrieb:Verstehe ich nicht.
Das ist von mir auch schwer verständlich geschrieben!
Zitat von OriginesOrigines schrieb:Der Zeuge ist glaubhaft, weil er die Tat so beschreibt, wie wir glauben, dass sie sich zugetragen hat. Und das glauben wir so auf Grundlage dieser Zeugenaussage, die damit beweist, dass es sich so zugetragen hat. Katze beißt sich in den Schwanz.
Das ist korrekt. Und im vorliegenden Fall beruht die Annahme, dass der Täter H bewusstlos schlug, damit sie sich nicht wehrte, zumindest auch auf AMs Aussage. Die Frage ist ob sie sich a) in erster Linie darauf stützt und ob b) das Gericht AMs Aussage auch ohne das Täterwissen gefolgt wäre.

Zudem stellt sich ja aus anderer Sicht auch noch die Frage, ob da ein Glaubwürdigkeitsgutachten hätte erfolgen müssen und das auch zur Revision hätte führen müssen.
Beitrag von Mevsim (Seite 881)


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12.11.2025 um 21:07
Zitat von OriginesOrigines schrieb:Im ersten Urteil ist dies nach meiner Erinnerung verneint worden. Bin mal gespannt, was da noch rauskommt.
Ich hoffe auch sehr auf weitere Berichte, u.a. zu dem o.g. Video

Im Urteil (1191) wurde zumindest - recht knapp - die Aktivierung des Notrufs durch Wassertropfen oder Pflanzen im Wasser ausgeschlossen. Ggf. noch an anderer Stelle.

Ansonsten konzentrierte man ja damals eher auf die Widerlegung der These, dass HW selbst - schon im Wasser befindlich - den Notruf betätigt habe. U.a. da das ein "auf den Punkt genaues Antippen", eine "ruhige" Hand und ein gewisses Maß an Feinmotorik erfordere, also Rahmenbedingungen, die im reißenden Bärbach nicht gegeben waren. (1113)

Ich habe zwar nicht verstanden, warum eine ruhige Hand etc. nun so viel besser zu der Situation passen soll, dass man - jäh von hinten überfallen - auf dem Boden liegt und stumpfe Gewalt gegen den Kopf erfährt. Aber das ist ein anderes Thema.


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Hanna W. tot aus der Prien geborgen

12.11.2025 um 21:14
Zitat von OriginesOrigines schrieb:Der Zeuge ist glaubhaft, weil er die Tat so beschreibt, wie wir glauben, dass sie sich zugetragen hat. Und das glauben wir so auf Grundlage dieser Zeugenaussage, die damit beweist, dass es sich so zugetragen hat. Katze beißt sich in den Schwanz.
Ich habe das jetzt Mal ohne die Struktur umzuformen angepasst:
AM ist glaubhaft, weil er sagt, ST hat H bewusstlos geschlagen, damit sie sich nicht mehr wert. Und dass es sich in zugetragen hat, glauben wir auf Grundlage der Aussage von AM, die damit beweist, dass es sich so zugetragen hat. Katze beißt sich in den Schwanz.
So wäre es definitiv ein Zirkelschluss.
Die Frage ist letztendlich in welchem Maße wird das Szenario bereits durch die Umstände des Tatorts nahelegt (und hätte das Gericht AMs Aussage auch ohne Täterwissen für glaubhaft befunden). Das finde ich zumindest anhand des Urteils schwer zu beantworten. Und da bin ich wieder hier:
Zitat von AusLeipzigAusLeipzig schrieb:Aber abgesehen davon bleibt schon die Frage wie sehr die Annahme der Täter habe H bewusstlos geschlagen, damit sie sich nicht wehrt, an AMs Aussage hing und wie sehr die Annahme dass AMs Aussage verwertbar ist an dem Täterwissen hing. Das finde ich auch anhand des Urteils schwer nachzuvollziehen. Je nachdem könnte das schon ein Zirkelschluss sein.



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Hanna W. tot aus der Prien geborgen

12.11.2025 um 21:21
Meine erste Randnummer oben war falsch.

1109
Ausgeschlossen ist ebenso, dass der Notfallkontakt durch Wassertropfen oder Pflanzenteile im Wasser ausgelöst wurde, wie von der Verteidigung in den Raum gestellt



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Hanna W. tot aus der Prien geborgen

12.11.2025 um 21:32
Zitat von AusLeipzigAusLeipzig schrieb:Und im vorliegenden Fall beruht die Annahme, dass der Täter H bewusstlos schlug, damit sie sich nicht wehrte, zumindest auch auf AMs Aussage. Die Frage ist ob sie sich a) in erster Linie darauf stützt und ob b) das Gericht AMs Aussage auch ohne das Täterwissen gefolgt wäre.
Das Zauberwörtchen ist "auch". Ich hatte schon vor einiger Zeit erläutert, dass die Beweiswürdigung mehrstufig erfolgt: Zuerst einmal nur die Aussage des Zeugen als Solche (Glaubhaftigkeit), und dann, kumulativ, im Lichte anderer Indizien (Gewicht der Aussage).

Das ist jetzt auch so: M. wurde vernommen, aber die Rechtsmediziner haben noch gar nicht erläutert, ob die fünf atypischen Kopfwunden an Hannas Leiche a) durch stumpfe Gewalt von Außen verursacht wurden und b) geeignet gewesen waren, zur Bewusstlosigkeit des Opfers zu führen.

Erst dann kann das Gericht bestimmen, was "Täterwissen" ist, nämlich, dass der Täter vermutlich das Opfer mit einem Gegenstand bewusstlos geschlagen hat oder dies wollte. Und erst wenn man so weit ist, kann man die Aussage M. umfassend würdigen. Sagen die Rechtsmediziner, Hannas Verletzungen seien durchs Treiben im Wasser verursacht worden, hätte M. kein Täterwissen bezeugt, sondern Quatsch (entweder weil T. dem M. Quatsch erzählt hat oder M. vor Gericht gerne Quatsch erzählt).

Im ersten Urteil war das anders, aber das breite ich jetzt nicht aus. Es war jedenfalls in Ordnung, wie das Gericht das bewertet hat. Die richterliche Überzeugung hat viel mit "glauben" zu tun, im Sinne von "unsicheres Wissen", dass sich dann zu einer Überzeugung verdichtet. Aber das muss nicht die historische Wahrheit sein und persönlich, auch als Richter, kann das anders bewertet werden. Wir wissen nicht, ob die erste Kammer einstimmig entschieden hat, oder mit qualifizierter Mehrheit. Allein das zeigt schon, das es mehrere mögliche Wahrheiten gibt und zum Schluss entscheidet die Mehrheit.

Ich hoffe, wir kommen in diesem Thema ein bisschen aufeinander zu.
Zitat von AusLeipzigAusLeipzig schrieb:Zudem stellt sich ja aus anderer Sicht auch noch die Frage, ob da ein Glaubwürdigkeitsgutachten hätte erfolgen müssen und das auch zur Revision hätte führen müssen.
Der BGH äußert sich dazu nicht. Ob der Fall unter die Fallgruppen fällt, für die der BGH ein Glaubhaftigkeitsgutachten verlangt (klassisch: Aussage<->Ausagedelikte, v.a. Sexualstraftaten), weiß ich jetzt nicht ad hoc.

Ich entnehme aber der Begründung, dass der BGH die Beweislage als "schwierig" einschätzt. D.h. er hat sich Sachverhalt und Indizien auch angesehen. Und gerade deshalb dem richterlichen Hinweis zur gefährlichen Körperverletzung besondere Bedeutung beigemessen. Die gerichtliche Beweiswürdigung führt ja zu einem Sachverhalt. Und der muss unter die Strafnormen subsumiert werden. Ein rechtlicher Hinweis soll ja dazu dienen, dass die Verteidigung nicht überrascht wird, sondern weiß, "wo der Hase lang läuft".

Hier hätte gerade deshalb die Kommunikation zwischen StA und der Vorsitzenden proaktiv transparent gemacht werden müssen bzw. dem Befangenheitsantrag stattgegeben werden müssen (wobei in dem Antrag alle drei Berufsrichter angelehnt worden sind, ich weiß gar nicht, wie die Kammer darüber entscheiden konnte...).


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Hanna W. tot aus der Prien geborgen

12.11.2025 um 21:40
Zitat von kollbergkollberg schrieb:Ich habe zwar nicht verstanden, warum eine ruhige Hand etc. nun so viel besser zu der Situation passen soll, dass man - jäh von hinten überfallen - auf dem Boden liegt und stumpfe Gewalt gegen den Kopf erfährt. Aber das ist ein anderes Thema.
Vielen Dank!

Ja, eigentlich erwartet man sich ja, dass man irgendwie einen Film vor Augen hat, wie sich die Sache zugetragen haben könnte (!). Aber das habe ich auch nicht. Es ist zu wenig sicher. Und es sind ja letztlich Details, die darüber entscheiden, ob nun Mord oder Totschlag oder Körperverletzung mit Todesfolge oder nur "T. erschreckt H., H. flieht und stürzt in den Bach".

Und es fällt schwer zu akzeptieren, dass sich dann ein Gericht trotzdem eine "Wahrheit" zusammennageln darf, von der es vielleicht überzeugt ist, aber die nur auf unsicheren Wissen beruht. Aber das darf so sein. Ob es so gut ist, ist eine ganz andere Frage.


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Hanna W. tot aus der Prien geborgen

12.11.2025 um 23:12
Zitat von OriginesOrigines schrieb:Ich hoffe, wir kommen in diesem Thema ein bisschen aufeinander zu.
Ich denke auch, dass wir da grundlegend nicht mehr so weit auseinander sind. Ich bleibe dabei, dass für mich im alten Urteil weiterhin nicht so klar ist, ob AMs Aussage nicht so wesentlich für die Schlussfolgerung über den Tatverlauf war, dass ein Zirkelschluss vorlag.
Prinzipiell kann ein Zirkelschluss auch vorliegen, wenn man sich auch auf etwas anderes stützt. Es kommt dann darauf an wie stark die Schlussfolgerung an welchem Punkt hängt. Um das nochmal zu erläutern und damit auf einen wichtigen Punkt einzugehen, den du gemacht hast:
Zitat von OriginesOrigines schrieb:Das Zauberwörtchen ist "auch".
Wenn ich sage "aus Sachverhalt x folgt Sachverhalt y und Sachverhalt x ergibt sich aus der Kombination der Sachverhalte y und z" kann das ein Zirkelschluss sein, muss aber nicht. Es wäre definitiv ein Zirkelschluss wenn ich auf im eigentlichen Sinne wahre Sätze abziele (und x nicht aus z alleine ableiten kann), aber das tue ich im Indizienprozess ja nicht, insofern ist das hier etwas offener. Entscheidend ist halt die Frage wie entscheidend y und z jeweils für die Schlussfolgerung auf x sind.
Wenn ich sage "ich glaube Anton, dass er im Käfig um 8 Uhr einen Ozelot gesehen hat, weil im Käfig ein Ozelot war", dann ist das sicherlich logisch, wenn ich im Käfig ein Ozelothaar gefunden habe. Wenn ich aber nur ein Tierhaar gefunden habe und keinerlei Möglichkeit habe das irgendwie näher zu bestimmen (zugegebenermaßen sehr unrealistisch) und dann sage: im Käfig war ein Ozelot, weil das hat Anton gesagt und ihm kann ich glauben, weil er ja wusste, dass da ein Ozelot drin war, dann bin ich mindestens gefährlich nah am Zirkelschluss. Und das auch mit "auch" bzw. mit einem zweiten Indiz (z).
Wie gesagt: für mich ist das im Urteil auch nach deinen damaligen Ausführungen schwer zu bewerten.


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Hanna W. tot aus der Prien geborgen

gestern um 00:07
@Origines
Zitat von OriginesOrigines schrieb:Der BGH äußert sich dazu nicht. Ob der Fall unter die Fallgruppen fällt, für die der BGH ein Glaubhaftigkeitsgutachten verlangt (klassisch: Aussage<->Ausagedelikte, v.a. Sexualstraftaten), weiß ich jetzt nicht ad hoc.
Warum sollte sich das BGH direkt sich darüber äußern, wenn es um die Verfahrensrüge geht? Das BGH muss doch nicht auf die ständige Rechtssprechung hinweisen.

BGH Beschluss:
Mit Anklage vom 28. April 2023 warf die Staatsanwaltschaft dem Ange-
klagten vor, am 3. Oktober 2022 gegen 2.30 Uhr die Geschädigte W.
auf ihrem Heimweg von einem Diskothekenbesuch in der K. straße in
A. mit Tötungsvorsatz und aus sexuellen Motiven von hinten
angegriffen
zu Boden gebracht, wuchtig auf ihrem Schulterbereich gekniet und
mit einem stumpfen Gegenstand mindestens fünfmal gegen ihren Kopf geschla-
gen zu haben. Anschließend habe er die bewusstlos gewordene Geschädigte zur
Verhinderung der Tatentdeckung in den reißenden und in die P. mündenden
B. geworfen, wo sie nach vier bis fünf Minuten ertrunken sei. Der Ange-
klagte habe daher einen Mord aus Heimtücke begangen.
BGH Beschluss, Zitate Mailkommunikation
Am 3. Januar 2024 schrieb ihr der Sitzungsvertreter der Staatsanwalt-
schaft per E-Mail

„Der Kollege J. und ich […] sind zu dem Ergebnis gekommen, dass
wir in unserem Plädoyer den gleichen Sachverhalt wie ihr zugrunde legen.
[…] Wenn man bei dem ersten Akt nur einen Körperverletzungsvorsatz
annimmt (was naheliegend ist, da seine Ziele noch andere waren), dann
müsste man unserer Ansicht nach die Verdeckungsabsicht bei der an-
schließenden Tötung annehmen. […] Wir haben überlegt, ob wir alternativ
– wenn schon beim ersten Akt Tötungsvorsatz angenommen wird – auf
Heimtückemord plädieren
Der BGH erläutert das weiter
Der Sitzungsvertreter erläuterte diese zitierten Auszüge aus seiner E-Mail
damit, der Angeklagte, der sich Tage zuvor „Pornos“ angeschaut habe, sei zur
Diskothek „E. “ gelaufen, um leicht bekleidete Frauen zu sehen. Er sei dann
zufällig W. begegnet und habe sie „aus sexuellem Interesse“ ange-
griffen, misshandelt, um ihren Widerstand zur Begehung von sexuellen Handlungen zu überwinden, sowie ihr schließlich mit einem stumpfen Gegenstand mehr-
fach gegen den Kopf geschlagen. Als er erkannt habe, was er angerichtet habe,
habe er „das Opfer ‚entsorgen‘“ müssen.
die Richterin:
„[…] ich denke, dass die Aussage des M. zum Tötungsvorsatz
ganz wichtig ist. Der Angeklagte sagte, er habe sie bewusstlos geschla-
gen, damit sie sich nicht wehren kann, und er habe sie nicht töten wollen
[…] damit gefährliche Körperverletzung in Tatmehrheit mit Mord (Verde-
ckungsabsicht evtl. mit dolus eventualis) […]“
Zur Erinnerung : aus dem aufgehobenen Urteil
1611
Der Angeklagte T. wurde zu einer Einheitsjugendstrafe von 9 Jahren verurteilt wegen gefährlicher Körperverletzung in Tatmehrheit mit Mord, so dass die formellen Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 a JGG zwar erfüllt sind.
Weiter schreibt der BGH
Beim Zeugen M. handelte es sich um einen Mithäftling in der
Justizvollzugsanstalt, dem gegenüber der Angeklagte während des Vollzugs der
Untersuchungshaft Einzelheiten der Tat, mithin „Täterwissen“, offenbart haben
soll
Die Anführungszeichen sind aus dem BGH Beschluss kopiert worden.

Du meinst also das BGH setzt gerne Worte in Anführungszeichen, nur so aus Jux?

https://www.revision-strafrecht.de/revision-script/vollstaendigkeit-der-beweiswuerdigung/
Besondere Anforderungen an eine lückenlose Beweiswürdigung bestehen, wenn die Verurteilung auf ein einziges belastendes Moment – etwa die Einlassung eines Mitangeklagten oder die Bekundungen eines einzigen Zeugen – gestützt wird
Für die Fälle, in denen der Angeklagte allein aufgrund der Aussage eines Zeugen verurteilt werden soll („Aussage gegen Aussage“), verlangt der BGH in ständiger Rechtsprechung eine besondere Glaubwürdigkeitsprüfung mit einer lückenlosen Gesamtwürdigung aller Indizien, wobei die Urteilsgründe erkennen lassen müssen, dass das Tatgericht alle entscheidungserheblichen Umstände erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat . Hält der einzige Belastungszeuge in der Hauptverhandlung seine Vorwürfe ganz oder teilweise nicht mehr aufrecht oder stellt sich sogar die Unwahrheit eines Aussageteils heraus, ist eine Verurteilung regelmäßig nur dann möglich, wenn im Urteil dargelegt wird, dass die Zeugenaussage im Übrigen durch außerhalb der Aussage liegende gewichtige Gründe gestützt wird; zudem muss der Tatrichter regelmäßig darlegen, dass keine bewusst falschen Angaben des Zeugen vorgelegen haben.
In der Verfahrensrüge ging es um den abgelehnten Befangenheitsantrag und nicht um den fehlenden Glaubwürdigkeitsgutachten.
Der in dem aktuellen Prozess, vorliegt. Im vorigen Prozess wurde es abgelehnt.
Aber der fehlende Glaubwürdigkeitsgutachten hätte den Urteil genauso aufgehoben.

Ich habe dir Anklage, Urteilsvorschläge von Staatsanwalt und Richterin und letztendlich die Verurteilung nicht umsonst nochmal zitiert.
ich Stelle mir vor, wie der Richter geschaut hat, als er das sah.
Am 4. Januar 2024 erteilte sie in der Haupt-
verhandlung den Hinweis, der Angeklagte könne wegen gefährlicher Körperver-
letzung gemäß § 224 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 StGB in Tatmehrheit oder Tateinheit
mit Mord in Verdeckungsabsicht oder mit Totschlag verurteilt werden.
Dabei er-
wähnte die Vorsitzende die E-Mails nicht, von denen auch die anderen Kammer-
mitglieder bis zum Befangenheitsantrag keine Kenntnis hatten
.
Der Übergang vom
angeklagten Heimtückemord zum tatmehrheitlichen Geschehen einer gefährli-
chen Körperverletzung aus sexueller Motivation mit anschließendem Ver-
deckungsmord, das das Landgericht seiner Verurteilung zugrunde gelegt hat, ist
eine der wichtigsten Fragen des Falles gewesen, ebenso die zugehörigen Be-
weismittel und deren Würdigung. Wenn der Inhalt der Überzeugungsbildung § 260 Abs. 1 StPO, außerhalb der Gerichtsberatung mit einem Verfahrensbeteiligten in
einer solchen Tiefe erörtert wird, ist dies regelmäßig sofort oder zumindest zeit-
nah gegenüber allen anderen Beteiligten offenzulegen.
Hier folgt eine solche Besorgnis der Befangenheit schon daraus, dass
(die Vorsitzende die E-Mails am 4. Januar 2024 bei Erteilung des Hinweises nach
§ 265 Abs. 1 StPO nicht offengelegt hat.
https://www.revision-strafrecht.de/revision-script/fehlender-rechtlicher-hinweis-%c2%a7-265/
Ein rechtlicher Hinweis ist etwa erforderlich beim Wechsel des Mord¬merkmals bei unterschiedlichen Begehungsweisen des § 224 StGB oder des § 250 StGB . Hinzuweisen ist auf den Wechsel von Versuch zur Vollendung und umgekehrt , von Fahrlässigkeit auf Vorsatz und umgekehrt , von Mittäterschaft auf Alleintäterschaft oder umgekehrt , von Teilnahme auf Täterschaft und umgekehrt .
Fehlt ein Hinweis, so ist der Rechts¬fehler in Form einer Verfahrensrüge (§ 344 Abs. 2 Satz 2) geltend zu machen .

Verstöße gegen § 265 begegnen relativ häufig, so dass es sich lohnt, in jedem Revisionsverfahren die Akten unter diesem Gesichtspunkt zu studieren.
[
https://www.revision-strafrecht.de/script-zur-revision/
Diese Seite kann ich empfehlen. Ich habe den BGH Beschluss einfach nach Paragraphen durchsucht.
Der BGH Richter hat nur direkten Bezug die Verfahrensrüge bearbeitet. Aber nebenbei gab er alle wichtigen Paragraphen an, die in einer anderen Form der Rüge, genauso zur Aufhebung des Urteils geführt hätten.

https://www.revision-strafrecht.de/revision-script/verstoss-gegen-%c2%a7-261/
Hier geht es weiter mit §261

https://www.hrr-strafrecht.de/hrr/1/24/1-434-24.php
Den BGH Beschluss kann man direkt auf dieser Seite lesen. Man kann auf jeden Paragraphen klicken. Natürlich auch auf die BGH Beschlüsse, die der BGH mit eingefügt hatte. Dann muss man sie nicht umständlich googeln.

https://www.hrr-strafrecht.de/hrr/1/20/1-90-20.php

Habt ihr euch Mal gefragt, was ist wenn ein Richter oder Schöffen sich selbst als Befangen erklärt? Aber trotz der gestellten Befangenheitsantrages, lehnt die Kammer das ab. Also landete es bei der BGH

BGH 1 StR 90/20 - Beschluss vom 2. April 2020 (LG Deggendorf)
Zwar ist es für die Befangenheit grundsätzlich unerheblich, ob sich ein Richter für befangen hält; denn es kommt maßgeblich nicht auf dessen Sicht, sondern auf eine objektive Betrachtung der Sachlage an. Teilt der Richter dem Angeklagten aber mit, dass er ihm gegenüber voreingenommen sei, bekundet er eine innere Einstellung zum Angeklagten, die diesem - jedenfalls wenn sie mit nachvollziehbaren objektiven Umständen begründet wird - bei verständiger Würdigung Grund zur Annahme liefert, der betreffende Richter habe eine Haltung gegen seine Person eingenommen, die seine Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit störend beeinflusst
Ob die Schöffin tatsächlich befangen gewesen ist, ist nicht maßgebend; es genügt eine aus konkreten Umständen verständliche Besorgnis aus der Sicht eines besonnenen Angeklagten
Wenn sie in nachvollziehbaren objektiven Umständen begründet wird....Grund zur Annahme...die seine unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit....besonnener Angeklagter..
Besorgnis der Befangenheit.


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Hanna W. tot aus der Prien geborgen

gestern um 00:30
Unser Traunstein BGH Beschluss
https://www.hrr-strafrecht.de/hrr/1/24/1-434-24.php
Man kann direkt auf die Paragraphen und BGH schlüsse, die im Traunstein BGH Beschluss genannt werden, klicken. Dann muss man nicht soviel googeln.

Ich habe bemerkt, das es nicht ersichtlich war, das BGH 1 StR 90/20 - Beschluss vom 2. April 2020 (LG Deggendorf)
Im Traunstein BGH Beschluss angegeben ist.


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Hanna W. tot aus der Prien geborgen

gestern um 06:37
Zitat von MevsimMevsim schrieb:Die Anführungszeichen sind aus dem BGH Beschluss kopiert worden.

Du meinst also das BGH setzt gerne Worte in Anführungszeichen, nur so aus Jux?
Ich weiß um die Anführungszeichen. Das hat auch seinen Grund: "Täterwissen" ist kein Rechtsbegriff, wie ich schon mal erwähnt hatte. Es gibt keine verbindlichen (juristischen) Definitionen, sondern es eine Umschreibung einer tatsächliche Bewertung (Beweiswürdigung) dafür, dass der Angeklagte unmittelbar oder Zeugen gegenüber Informationen preis gegeben hat, die zu diesem Zeitpunkt nur der Täter wissen konnte. Und was das für Informationen sind, ist notwendig wieder Bewertungsfrage. Also auch Beweiswürdigung.

Ist auch wichtig, um falsche von echten Selbstbezichtigungen oder Geständnissen zu unterscheiden (was in den Fällen mit falschen Geständnissen wie "Ulvi", "Rupp" und "Kaufmann" nicht kritisch genug erfolgt war).
Zitat von MevsimMevsim schrieb:Aber der fehlende Glaubwürdigkeitsgutachten hätte den Urteil genauso aufgehoben.
Nein, das ist nicht zwingend. Du zitierst ja den BGH (Hervorhebung von mir):
Besondere Anforderungen an eine lückenlose Beweiswürdigung bestehen, wenn die Verurteilung auf ein einziges belastendes Moment – etwa die Einlassung eines Mitangeklagten oder die Bekundungen eines einzigen Zeugen – gestützt wird
Aber M.s Aussage ist hier nicht das einzige Indiz und M. nicht der einzige belastende Zeuge gewesen. Es gab weitere Zeugen, die T. belastet haben. Es gab den Umstand, dass T. zur vermuteten Tatzeit joggen war. Ein Indiz. Und ein ziemlich auffälliges Nachtatverhalten. Kann man alles werten wie man will. Aber T. ist nicht alleine auf Grundlage der Aussage M. verurteilt worden.

Daraus ergibt sich nebenbei, dass ein Angeklagter auch wegen eines "einzigen belastenden Moments" verurteilt werden darf.

Abgelehnte Beweisanträge der Verteidigung fallen unter § 338 Nr. 8 StPO (absoluter Revisionsgrund), da hätte also der BGH schon gehustet, wenn er ein Glaubwürdigkeitsgutachten für unabdingbar gehalten hätte. Hat er nicht. Rechtliche Hinweise und die Transparenz des Gerichts hierzu sind elementar für die Verteidigung, wie man ja am zitierten Inhalt der E-Mail sieht. Welche Strafnormen sieht das Gericht in Abweichung von der ursprünglichen Anklage berührt? Das muss es sagen, sobald es sich darüber Gedanken macht.
Zitat von MevsimMevsim schrieb:Habt ihr euch Mal gefragt, was ist wenn ein Richter oder Schöffen sich selbst als Befangen erklärt? Aber trotz der gestellten Befangenheitsantrages, lehnt die Kammer das ab. Also landete es bei der BGH
Der BGH sagt ja schon alles. Richter fühlen sich manchmal ziemlich schnell befangen, wenn sie so überhaupt keine Lust auf einen unangenehmen Fall haben, der viel Arbeit, aber wenig Ehren einbringt. Also verlangt der BGH einen objektiven (!) Grund, d.h. eine Tatsache, an der sich das Gefühl festmacht. Das könnte z.B. sein, dass der Richter oder nahe Angehörige in einem vergleichbaren Fall schon mal selbst Opfer waren, der Angeklagte der Nachbar ist oder - ganz haarig - ein Kollege (z.B. wegen Rechtsbeugung).

Der BGH ist zwar in seiner Rechtsprechung nicht immer unproblematisch, manchmal erratisch und er wird vor allem von der Rechtswissenschaft sehr kritisch betrachtet (ist auch gut so). Aber da sitzen erfahrene Strafrichter (auch ehemalige bayerische Staatsanwälte) drin, mit 20 oder mehr Jahren Erfahrung im "Tagesgeschäft". Die kennen ihre Pappenheimer.


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Hanna W. tot aus der Prien geborgen

gestern um 07:09
Zitat von AusLeipzigAusLeipzig schrieb:Wenn ich sage "ich glaube Anton, dass er im Käfig um 8 Uhr einen Ozelot gesehen hat, weil im Käfig ein Ozelot war", dann ist das sicherlich logisch, wenn ich im Käfig ein Ozelothaar gefunden habe. Wenn ich aber nur ein Tierhaar gefunden habe und keinerlei Möglichkeit habe das irgendwie näher zu bestimmen (zugegebenermaßen sehr unrealistisch) und dann sage: im Käfig war ein Ozelot, weil das hat Anton gesagt und ihm kann ich glauben, weil er ja wusste, dass da ein Ozelot drin war, dann bin ich mindestens gefährlich nah am Zirkelschluss.
Aber in unserem Fall hier habe ich eine solche Argumentation nicht entdecken können. Übertragen: Das Gericht schließt aus anderen Indizien, dass es wohl ein Ozelothaar gewesen ist (Beweiswürdigung!) und deshalb der Zeuge ein Ozelot im Käfig gesehen haben kann (!). Und erst dann kommt die Conclusio: Wir glauben insgesamt, es war ein Ozelot im Käfig.

Die Urteilsfindung ist ja keine Milchmädchenrechnung: 1 + 1 + 1 = 3, sondern eher Mengenlehre. Wo überschneiden sich Kreise und wie lässt sich daraus etwas extrahieren, was dann subjektiv bewertet wird, aber objektiv nachvollziehbar begründet werden muss?
Zitat von AusLeipzigAusLeipzig schrieb:Wie gesagt: für mich ist das im Urteil auch nach deinen damaligen Ausführungen schwer zu bewerten.
Deshalb hatte ich nicht nur Dich mehrfach gebeten, mir aus dem Urteil heraus mit Zitaten zu belegen, wo "nahe am Zirkelschluss" operiert wird. Habe ich nie gesehen - und selber bislang auch nicht entdeckt.

Im Fall Bence Toth sprach das LG München von einem "Indizienring" aus 10 oder 12 Indizien, der die Schuld des Angeklagten belege. Ein ziemlich problematisches, weil rein quantitatives Bild, als hätten alle Indizien das selbe Gewicht. Das klingt dann, als ob man nur ein Indiz widerlegen bzw. "abschießen" muss, damit die Luft aus dem Ring entweicht und das ganze Gebäude in sich zusammenfällt. Das ist ja auch im Fall Hanna irgendwie "herrschende Meinung", so scheint es mir. So ist das aber nicht und auch im Fall Toth war das nicht so. Aber das bindet seit fast 20 Jahren Heerscharen von Skeptikern oder Toth-Fans, die sich an einzelnen Indizien abzuarbeiten.

Das generelle Problem, das ich gestern schon mal erwähnt hatte: Details können für den Schuldspruch (Mord oder Totschlag oder Körperverletzung mit Todesfolge oder fahrlässige Tötung) entscheidend sein (wie die Aussage des M. im ersten Prozess). Obwohl da naturwissenschaftlich kein sicheres objektives Wissen vorherrschen kann (mangels entsprechend detaillierter Ermittlungserkenntnisse oder Überprüfbarkeit einer Aussage). Es also keine sichere Gewissheit gibt, sondern "nur" eine subjektive Überzeugung einer Handvoll (fehlbarer) Menschen entscheidend ist. Das ist unbefriedigend.

In 75 Jahren ist da aber bislang niemanden was Besseres eingefallen.


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Hanna W. tot aus der Prien geborgen

gestern um 10:10
78 Schließlich führte der 1. sachbearbeitende Polizeibeamte und Zeuge KHK… aus, dass aus dem Ergebnis der polizeilichen Ermittlungen in einer wertenden Gesamtschau wahrscheinlichste Tatörtlichkeit der Bereich der Linkskurve, gegenüber dem Burghotel in der K.-Straße ... liegend, im Bereich des dortigen Bärbachs gewesen sei.


81 Dass dort der wahrscheinlichste Tatort festzumachen sei, sei polizeilicherseits deshalb angenommen worden, weil im Bärbach, der zum damaligen Zeitpunkt reißend gewesen sei, der Ring der H. (Bereich Kampenwandparkplatz) festgestellt worden sei ...

82 Angaben der Zeugin … die in dieser Nacht in der Pension/Burghotel (K.-Straße ...) gewesen sei und um ca. 02:30 Uhr einen Schrei gehört habe, habe sich aus polizeilicher Sicht betreffend den Tatzeitpunkt eine Eingrenzung dahingehend ergeben, dass sich die Tat zwischen 02:28 und 02:38 Uhr abgespielt haben müsse.

90 ... dass ein Jogger in den frühen Morgenstunden des 03.10.2022 im mutmaßlichen Tatortbereich von 3 unabhängigen Zeugen gesehen worden sei,


114 Auch die Niederschlagsmengen seien anhand der Daten der zur vermuteten Tatortörtlichkeit am nächstgelegenen Messstation und der entsprechenden Daten des Deutschen Wetterdienstes ermittelt worden.

162 * goldfarbener Ring (am 12.10.2022) sowie ein Kunstledergürtel (am 04.10.2022), aufgefunden im Bärbach auf Höhe Parkplatz der Kampenwandbahn
* Handy der Verstorbenen in der Prien flussabwärts noch im Gemeindebereich von A. im C. (am 28.05.2023)

166 Lediglich ein Stein – es hätten mehrere „herumgelegen“ – sei im vermuteten Tatortbereich (Linkskurve gegenüber dem Burghofel, K.-Straße ...) direkt neben dem Gehweg sichergestellt worden, da daran mögliche rötliche Antragungen bemerkt worden seien. Im Ergebnis seien aber keine Blutspuren oder Ähnliches festzustellen gewesen.


1537 Durch das „Wegspülen“ des Opfers wurde die Aufdeckung seiner Täterschaft, die T. fürchtete, erschwert, der Tatort wurde verschleiert, Spuren am Opfer (und dem Tatort) wurden vernichtet, was der Angeklagte beabsichtigte.
https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2024-N-26699

Es war völlig klar, dass Hanna vom Fundort aus gesehen irgendwo flußaufwärts in die Prien oder einen Zufluss gelangt sein musste. Dieser Ort galt es natürlich zu finden. Da man wusste, dass Hanna im Eiskeller war und zu Fuß nach Hause wollte waren der Bärbach und der Scheichergraben heiße Kandidaten und wurden ab Eiskeller flussaufwärts abgesucht. Nachdem relativ bald Gürtel und Ring auf Höhe des Burghotels im Bärbach gefunden wurden war klar, daß Hanna hier oder evtl. noch weiter bachaufwärts ins Wasser gelangte. Von Tatort konnte da eigentlich noch keine Rede sein, Hanna hätte ja entführt und ganz woanders zu Tode gekommen sein können.
Ein Unfall an dieser Stelle schied aus da man bei einem Sturz ins Wasser nicht Gürtel und Ring verliert und erst recht nicht die Hose. Aufgrund des gehörten Schreis im Burghotel und der zugehörigen Uhrzeit (zwischen 02:28 Uhr und 02:38 Uhr) war dann klar, dass hier in der Nähe (in Hörweite am Bärbach oder am Scheichergraben flussaufwärts) auch der Tatort sein musste. Die Ermittler legten sich dann vorschnell auf den Tatort gegenüber dem Burghotel fest obwohl es absolut lebensfremd ist, dass hier direkt an der Strasse, wo jeden Moment Gäste aus dem Eiskeller um die Ecke kommen könnten, einer versucht eine Frau zu vergewaltigen.
Die Daten des gefundenen iPhones (ca. 6 Monate später) passten dann auch prompt nicht zur Tatorthypothese. Nach dieser hätten die Datenpunkte ab Punkt 9 den Bereich des Bärbachs nicht mehr signifikant verlassen dürfen, statt dessen fand bei Punkt 12 an der Talstation der Kampenwandbahn weitab vom Bärbach ein Anrufversuch von Hanna statt und erst ab Punkt 13 (ca. 2:35 Uhr) befand sich das Handy wieder in der Nähe des Bärbachs. Ab diesem Zeitpunkt dürften die Geo-Koordinaten sich tatsächlich nicht mehr nennenswert vom Bärbach bzw. der Prien entfernt haben, diese liegen uns hier allerdings nicht vor.


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Hanna W. tot aus der Prien geborgen

gestern um 10:39
Zitat von GrafOskarGrafOskar schrieb:Die Ermittler legten sich dann vorschnell auf den Tatort gegenüber dem Burghotel fest obwohl es absolut lebensfremd ist, dass hier direkt an der Strasse, wo jeden Moment Gäste aus dem Eiskeller um die Ecke kommen könnten, einer versucht eine Frau zu vergewaltigen.
Die Daten des gefundenen iPhones (ca. 6 Monate später) passten dann auch prompt nicht zur Tatorthypothese.
Ich weiß nicht, warum sich Ermittler auf einen "absolut lebensfremden" Tatort festlegen müssten.

Gemeinhin werden solche Feststellungen unter kriminalistischen Erwägungen getroffen. Das dürfte ja nicht der erste Tatort gewesen sein, den die Ermittler in ihrem Berufsleben gesucht haben. Vor einer solchen Festlegung stellt man Hypothesen auf, auch lebensfremde, die dann gerade deshalb aussortiert werden.

Und das iPhone, das hatten wir jetzt bestimmt schon 10 Mal, das lieferte mit seinen Daten halt keine fixen Punkte, sondern Bereiche, Flächen, mit einer Genauigkeit von 35 bis 120 Metern. Und das ist keine fiese Erfindung oder Manipulation der Polizei. Der Ort des Notrufs wie auch der Ort, an dem das iPhone in den Bärbach geriet, der lässt sich halt nicht metergenau dem iPhone entnehmen.

Sondern nur Deinem sturen Beharren.


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Hanna W. tot aus der Prien geborgen

gestern um 12:44
Die Ermittler verwenden im Zusammenhang mit dem Tatort in den allermeisten Fällen die Worte 'mutmaßlich', 'wahrscheinlich', 'vermutet' und 'verschleiert'.
Nun ist es so, dass lediglich aufgrund dieser Vermutung die realen Koordinaten der Datenpunkte ab Punkt 11 allesamt aus der Mitte des wahrscheinlichen Bereichs an den äussersten Rand gedrängt werden. Ohne diese Annahme könnten sie dort bleiben wo sie hingehören, nämlich in die Mitte. Eine zentrale Eigenschaft der Annahme ist die, dass sie richtig oder falsch sein kann. In diesem Fall haben wir es eindeutig mit einer falschen Annahme zu tun.

In der Mathematik gilt: Wenn in einer Beweiskette auch nur eine Annahme nicht korrekt ist, dann ist der ganze Beweis ungültig.


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Hanna W. tot aus der Prien geborgen

gestern um 15:23
Zitat von GrafOskarGrafOskar schrieb:In der Mathematik gilt: Wenn in einer Beweiskette auch nur eine Annahme nicht korrekt ist, dann ist der ganze Beweis ungültig.
Auch wenn wir nicht immer übereinstimmen in unseren Ansichten, finde ich dieses Zitat sehr treffend.

Fakt ist, der "mutmaßliche Tatort" ist genau das: eine Mutmaßung. Keiner weiß, wie es wirklich war, ob es überhaupt einen Tatort gab und wenn ja, wo dieser verortet werden muss.


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Hanna W. tot aus der Prien geborgen

gestern um 15:36
Und jetzt noch etwas zum heutigen Verhandlungstag:
Zeugin korrigiert Verwechslung nicht, Befragter beschwichtigt sie
Am 5. Oktober 2022 waren Details über Hannas Tod schon in den Medien. Die Datumsverwechslung bei der Befragung korrigierte die Zeugin seinerzeit aber nicht.

Der Zeuge, der am Donnerstagvormittag aussagte, beschwichtigt sie damals und schrieb ihr, darauf komme es ja wohl nicht an. Es gebe doch so viele Hinweise darauf, dass der Angeklagte der Täter sei. Das wisse er von den Nachrichten.

Auch zu einem späteren Zeitpunkt habe er sie nicht bewogen, die Aussage zu berichtigen. (Theresia Atalay)
Quelle: https://www.pnp.de/lokales/landkreis-traunstein/fall-hanna-erneut-vor-gericht-der-eiskeller-prozess-im-newsblog-19513535

Vielleicht wäre es langsam mal an der Zeit, dass diejenigen, die ST immer noch 100%ig für schuldig halten, sich dieser ganzen Dynamik bewusst werden. Was es eigentlich bedeutet, wenn Freunde Falschaussagen nicht korrigieren, weil unseriöse Medien und andere Beteiligte einen Beschuldigten faktisch schon verurteilt haben.


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