rabunsel schrieb:Ja, erst muss ein Zeuge eine Aussage machen und dann wird es mit objektiven Erkenntnissen abgeglichen, unter anderem den rechtsmedizinischen. Natürlich kann es nur Täterwissen sein, wenn es damit übereinstimmt. Die Prüfung die das Gericht anstellen muss, ob es sich um Täterwissen handelt ist damit aber nicht abgeschlossen. Zum Beispiel muss in unserem Fall überlegt werden, ob ein Täter überhaupt wissen konnte, dass das Opfer bewusstlos war und nicht schon tot. Das zu bestimmen fällt unter die Beweiswürdigung des Gerichtes, aber ohne das zu bedenken kann man nicht einfach aus Rechtsmedizinerwissen Täterwissen machen. Außerdem darf es sich nicht um eine zu naheliegende Schlussfolgerung handeln.
Und das meint wer? Du? Das sind Anforderungen, die der BGH nicht kennt und auch nicht verlangt.
Denn Du stellst übertriebene Anforderungen an die Gewissheit und an das, was Täterwissen ist. Es muss nicht so gewesen sein, es reicht, dass es so gewesen sein kann, wie es T. dem M. gesagt und M. vor Gericht bezeugt hat. Ob der Täter "wissen konnte", ob das Opfer nur bewusstlos und nicht schon tot war, ist überhaupt nicht entscheidend. Entscheidend ist, ob der Täter der Auffassung gewesen sein kann, dass das Opfer bewusstlos war. Und das ist möglich.
rabunsel schrieb:Und in unserem Fall kommt noch dazu, dass einiges in den Medien publiziert war, wo es M selbst nachlesen konnte und ST auch Medien- und Aktenwissen hatte und das hätte teilen können. Das muss bei der Beurteilung, ob etwas als Täterwissen gewertert werden kann, auch alles berücksichtigt werden.
Und täglich grüßt das starre Verständnis vom "Täterwissen". Ich kann mir das nur erklären, weil Du vom Ergebnis her denkst, den T. verteidigst. Deswegen magst Du auch keine fiktiven Fälle.
Täterwissen ist im Prinzip nicht mehr gegeben, wenn jedermann diese Informationen aus den Medien haben konnte.
Das muss aber nicht sein: Das kann anders gesehen werden, wenn der Täter (oder ein Zeuge) nur sehr beschränkt Medienzugang haben konnte und es eher unwahrscheinlich ist, Informationen aus anderen Quellen erfahren zu haben. Auch das Motiv der Aussage des Tatverdächtigen oder Zeugen ist hier relevant. Wer bezichtigt sich warum selbst mit Details, die nicht allgemein bekannt sind?
Vorab: M. hatte keine Akteneinsicht. Täterwissen kann auch dann noch gegeben sein, wenn etwas aktenkundig ist, aber es unwahrscheinlich ist, dass der Tatverdächtige davon erfahren hat. Inwieweit T. Aktenkenntnis über seinen Verteidiger hatte, hängt von § 147 StPO ab. Und wenn T. über diesen Weg Ende 2022 Kenntnis von den Ergebnissen der Obduktion erlangt haben sollte, bleibt die Frage: Warum sollte er mit diesen Informationen sich selbst gegenüber einem Zeugen belasten? M. kann das nur über T. erlangt haben. So oder so.
rabunsel schrieb:Wie dein Beispiel zeigt, kann auch ein nicht glaubhafter Zeuge Täterwissen offenbaren und jemandem belasten.
Nein, Du hast das nicht verstanden.
rabunsel schrieb:Aber wenn ein Zeuge, auf dessen Aussage ein Urteil gestützt werden soll, nur „normal glaubhaft“ ist, reicht das nicht aus. Es bedarf einer strengeren Prüfung. Diese strengere Prüfung kann entfallen, wenn die Aussage des einigermaßen glaubhaften Zeugen Täterwissen enthält. Dieses Täterwissen muss aber einer eigenen Prüfung standhalten können. Wenn diese Prüfung positiv ausfällt, also wenn der Zeuge es nur von dem Täter haben kann und der Täter nur aufgrund der Tatbegehung haben kann und es sich nicht allzu leicht erschließen lässt etc., darf die strengere Prüfung der Glaubhaftigkeit entfallen, sonst wird es bei einer Revision halt nicht durchgehen.
Das ist die "rabunsel-Theorie" des BGH, bei Täterwissen ist zwischen "normaler" und "strenger" Glaubhaftigkeit zu unterscheiden?
Ist kreativ, aber nicht Maßstab der richterlichen Beweiswürdigung.
rabunsel schrieb:Wenn einem Beschuldigtem im Gefängnis, diese Aussage aus der Akte bekannt ist und er das einem Knastkumpel erzählt und dieser dann eine Aussage macht, wäre es halt kein Täterwissen mehr, weil das Wissen nur beweist, dass der Beschuldigte den Akteninhalt kennt.
Auch da hast Du wieder ein viel zu naturwissenschaftliches Verständnis von Beweis. Es kann trotzdem, nach verständiger Würdigung durch das Gericht, Wissen sein, dass nur der Täter haben kann (auch hier wieder das Motiv: Warum sollte er dem Knastkumpel ein falsches Geständnis erzählen?). Es kann, es muss nicht. Bei jedem Geständnis wird gegengecheckt, ob es falsch sein kann. Und warum.
rabunsel schrieb:Hier ging es immer nur um die Würdigung von Täterwissen, Wissen das ein Täter haben kann, weil er die Tat begangen hat, das aber nicht nachprüfbar ist, kann halt nicht als Täterwissen gewürdigt werden, weil es halt nicht nachprüfbar ist. Klar kann es dennoch Täterwissen sein und es heißt auch nicht, dass es gar nicht gewürdigt werden kann.
Äh? Das ist jetzt unlogisch.
Versuche Dich doch mal vom konkreten Fall zu lösen. Du wirst sonst immer einen Tunnelblick haben. Auch Täterwissen unterliegt der gerichtlichen Bewertung. Und dann nochmals einer Gesamtwürdigung in einer Gesamtschau.
Hier - auf die Schnelle - ein ganz guter Einstieg:
https://www.ferner-alsdorf.de/strafurteil-beweiswuerdigung-in-den-urteilsgruenden-notwendige-ausfuehrungen/https://www.ferner-alsdorf.de/aussage-gegen-aussage/