Origines schrieb:Nein. Das verstehe ich nicht. Ein Zirkelschluss wäre es doch nur, wenn das Gericht sagt: Der Zeuge ist glaubhaft, weil er die Tat so beschreibt, wie wir glauben, dass sie sich zugetragen hat. Und das glauben wir so auf Grundlage dieser Zeugenaussage, die damit beweist, dass es sich so zugetragen hat. Katze beißt sich in den Schwanz.
Aber genau das hat das Gericht doch gemacht.
„Der Zeuge ist glaubhaft, weil er die Tat so beschreibt, wie wir glauben, dass sie sich zugetragen hat."(
Spoiler1420
Nachdem der Angeklagte auf H. W. einschlagen hatte, damit sie sich nicht wehren kann (Tatzeitbeginn
zwischen 02:30 Uhr und 02:32 Uhr), sowie ihr Jacke und Hose ausgezogen hatte, warf er sie ohne
relevante zeitliche Zäsur in den Bärbach (vgl. Ziff. D. II. 19.5.1.). Es ist ihm unzweifelhaft möglich, gegen
02:40 Uhr an seiner Wohnanschrift im X. Weg ... anzukommen, wo er – so seine Aussage in der
Zeugeneinvernahme vom 10.11.2022, Ziff. D. II. 12., – über die Terrassentüre in die Wohnung gelangt.
Quelle: aufgehobenes Urteil) „Und das glauben wir so auf Grundlage dieser Zeugenaussage,“(
Spoiler[/quote]
=
„[…] ich denke, dass die Aussage des M. zum Tötungsvorsatz
ganz wichtig ist. Der Angeklagte sagte, er habe sie bewusstlos geschla-
gen, damit sie sich nicht wehren kann, und er habe sie nicht töten wollen
[…] damit gefährliche Körperverletzung in Tatmehrheit mit Mord (Verde-
ckungsabsicht evtl. mit dolus eventualis) […]“
Quelle: https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=cf7d4e99c8e5968981b90c7239d228cf&nr=141309&anz=24&pos=0) „die damit beweist, dass es sich so zugetragen hat. Katze beißt sich in den Schwanz.“(
Spoiler1147
… bekundet inhaltlich Angaben von S. T., die Täterwissen darstellen.
1148
Dass die Frau bewusstlos geschlagen wurde, damit sie sich nicht wehrt, bzw. es kein Kampfgeschehen
gab, war nie Thema in Presseartikeln, weder denjenigen, die unmittelbar nach der Tat erschienen (vgl.
Selbstleseverfahren Nr. 1, Ziff. D. II. 17.1.1.) noch denjenigen, die nach Beginn der Hauptverhandlung am
12.10.2023 erschienen (vgl. Selbstleseverfahren Pressetexte zum Beweisantrag Nr. 5 (Ziff. D. II. 17.1.2.)).
Dies wusste nur der Täter.
1252
Zusammenfassend ist folglich von der Glaubhaftigkeit und Glaubwürdigkeit der Aussage des …
auszugehen.
1253
Damit ist weiterhin davon auszugehen, dass S. T.gegenüber … offenbart hat, dass er Täter des Übergriffes
auf H. W.war. Er hat sie aus sexuellem Interesse angegriffen, um sie zu vergewaltigen bzw. sexuell zu
missbrauchen. Damit sie sich nicht wehren kann, hat er sie bewusstlos geschlagen. Dann hat er sie in den
Bärbach geworfen.
Quelle: aufgehobenes Urteil)
Origines schrieb:Das ist jetzt auch so: M. wurde vernommen, aber die Rechtsmediziner haben noch gar nicht erläutert, ob die fünf atypischen Kopfwunden an Hannas Leiche a) durch stumpfe Gewalt von Außen verursacht wurden und b) geeignet gewesen waren, zur Bewusstlosigkeit des Opfers zu führen.
Erst dann kann das Gericht bestimmen, was "Täterwissen" ist, nämlich, dass der Täter vermutlich das Opfer mit einem Gegenstand bewusstlos geschlagen hat oder dies wollte. Und erst wenn man so weit ist, kann man die Aussage M. umfassend würdigen. Sagen die Rechtsmediziner, Hannas Verletzungen seien durchs Treiben im Wasser verursacht worden, hätte M. kein Täterwissen bezeugt, sondern Quatsch (entweder weil T. dem M. Quatsch erzählt hat oder M. vor Gericht gerne Quatsch erzählt).
Ja, erst muss ein Zeuge eine Aussage machen und dann wird es mit objektiven Erkenntnissen abgeglichen, unter anderem den rechtsmedizinischen. Natürlich kann es nur Täterwissen sein, wenn es damit übereinstimmt. Die Prüfung die das Gericht anstellen muss, ob es sich um Täterwissen handelt ist damit aber nicht abgeschlossen. Zum Beispiel muss in unserem Fall überlegt werden, ob ein Täter überhaupt wissen konnte, dass das Opfer bewusstlos war und nicht schon tot. Das zu bestimmen fällt unter die Beweiswürdigung des Gerichtes, aber ohne das zu bedenken kann man nicht einfach aus Rechtsmedizinerwissen Täterwissen machen. Außerdem darf es sich nicht um eine zu naheliegende Schlussfolgerung handeln. Und in unserem Fall kommt noch dazu, dass einiges in den Medien publiziert war, wo es M selbst nachlesen konnte und ST auch Medien- und Aktenwissen hatte und das hätte teilen können. Das muss bei der Beurteilung, ob etwas als Täterwissen gewertert werden kann, auch alles berücksichtigt werden.
Origines schrieb:Fiktives Lehrbuchbeispiel: Wenn M. im Knast heimlich das Tagebuch von T. gelesen hat und dort Einzelheiten zur Tat entnehmen konnte, die nur der Täter kennen konnte, er nun aber vor Gericht behauptet, T. habe ihm das alles persönlich gestanden, dann lügt T. obwohl er Täterwissen preisgibt. Denn T. hat ihm gegenüber nicht gestanden. Und weil er so ungeschickt lügt, als notorischer Lügner verschrien ist, glaubt ihm das Gericht auch nicht. Es sagt: M. ist nicht glaubhaft, obwohl er Täterwissen gehört haben will, das er sich anderweitig angeeignet haben muss. Das könnte M. - als notorischen Lügner - sogar passieren, wenn er ausnahmsweise die Wahrheit sagt, man ihm aber nicht glaubt...
Ist es in diesem fiktiven Beispiel erheblich, ob das Gericht dem Zeugen glaubt, wo er das Täterwissen her hat? Wenn der Täter kein Aktenwissen hatte, diese Informationen nicht veröffentlicht waren und ausschließlich von dem Täter kommen können, weil man im Knast nur zu dem Täter Kontakt haben konnte und selbst ein Alibi für die Tat hat. Wäre es dann wirklich erheblich ob der Kontakt aus einem Gespräch oder einem Tagebuchlesen besteht. Meiner Meinung nach, müsste ein Gericht in eienm derartigem Fall zu dem Schluss kommen, dass es dem Zeugen zwar nicht glaubt, dass der Täter es dem Zeugen gestanden hat, aber es trotzdem nur von dem Täter stammen konnte.
In einem fiktiven Beispiel außerhalb der Knasts, muss geäußertes Täterwissen natürlich nicht unbedingt dazu führen, dass man damit jemanden belasten kann, in so einem Fall müsste man herausfinden wie der Zeuge zu dem Täterwissen kam, nicht dass er doch selbst der Täter war.
Aber ich versteh nicht worauf du mit diesem Beispiel hinaus willst, es hat doch niemand behauptet, dass Täterwissen allein ausreichen würde, oder?
Origines schrieb:Ist der Zeuge nicht glaubhaft, wurde ihm kein Täterwissen offenbart. Ist logisch, oder? Wurde ihm Täterwissen offenbart, kann seine Aussage glaubhafter sein, weil er sich diese Informationen nicht bei XY im Knast angeeignet haben kann. Prüfungspunkt ist die Glaubhaftigkeit einer Aussage. Nicht die Bestimmung von Täterwissen. Das erfolgt implizit in der Prüfung der Glaubhaftigkeit. Und dann später noch einmal bei der Gesamtbetrachtung.
Wie dein Beispiel zeigt, kann auch ein nicht glaubhafter Zeuge Täterwissen offenbaren und jemandem belasten. Und ein glaubhafter Zeuge kann, aber muss kein Täterwissen offenbaren. Aber wenn ein Zeuge, auf dessen Aussage ein Urteil gestützt werden soll, nur „normal glaubhaft“ ist, reicht das nicht aus. Es bedarf einer strengeren Prüfung. Diese strengere Prüfung kann entfallen, wenn die Aussage des einigermaßen glaubhaften Zeugen Täterwissen enthält. Dieses Täterwissen muss aber einer eigenen Prüfung standhalten können. Wenn diese Prüfung positiv ausfällt, also wenn der Zeuge es nur von dem Täter haben kann und der Täter nur aufgrund der Tatbegehung haben kann und es sich nicht allzu leicht erschließen lässt etc., darf die strengere Prüfung der Glaubhaftigkeit entfallen, sonst wird es bei einer Revision halt nicht durchgehen.
Origines schrieb:Angenommen, eine absolut zuverlässige Zeugin hat die Tat beobachtet und will gesehen haben, wie der Täter Hannas Ring in den Bärbach warf (nur den Täter kann sie nicht identifizieren, weil es zu dunkel war), dann wäre dieser Umstand ggf. Täterwissen.
Z.B. bei einem Geständnis. Und dann wird anhand der Zeugenaussage der Wurf des Ringes in den Bärbach als "Täterwissen" identifiziert. Nur weil der Ring nicht gefunden worden ist, kann das ja nicht heißen, dass der Täter hier kein exklusives Wissen haben kann, dass außer ihm (und der Zeugin) niemand kennt. Und wenn der Täter sehr oberflächlich gesteht und von einem Ring gar nichts weiß, dann ist er vielleicht nicht der Täter - weil ihm Täterwissen fehlt.
Ja, aber wenn es zu einem Geständnis passt, hätte es ja einer objektiven Nachprüfung standgehalten. Wenn einem Beschuldigtem im Gefängnis, diese Aussage aus der Akte bekannt ist und er das einem Knastkumpel erzählt und dieser dann eine Aussage macht, wäre es halt kein Täterwissen mehr, weil das Wissen nur beweist, dass der Beschuldigte den Akteninhalt kennt.
Dein zweites Beispiel, dass man eine Täterschaft nur aufgrund einer derartigen Aussage ausschließen würde, halte ich nicht für realistisch.
Origines schrieb:Und es gibt sogar Täterwissen, das bis zur Offenbarung niemand kennt. Und das auch nicht nachprüfbar ist. Bleiben wir beim Ring, nur diesmal gab es auch keine Zeugin. Doch der Tatverdächtige gesteht und schildert sehr detailliert Motive und Tatgeschehen. So auch den Wurf des Rings in den Bärbach. Man kann nicht alles nachprüfen. Aber Details und Überzeugungskraft sind so groß, dass man eindeutig Täterwissen annimmt und ihm glaubt. Das kann danebengehen (siehe Rupp und Kaufmann), aber das ist kein Grund, warum ein Gericht nicht davon überzeugt sein kann.
Hier ging es immer nur um die Würdigung von Täterwissen, Wissen das ein Täter haben kann, weil er die Tat begangen hat, das aber nicht nachprüfbar ist, kann halt nicht als Täterwissen gewürdigt werden, weil es halt nicht nachprüfbar ist. Klar kann es dennoch Täterwissen sein und es heißt auch nicht, dass es gar nicht gewürdigt werden kann. Häufig werden ja Äußerungen über die Gefühlswelt von geständigen Täter für das Motiv herangezogen, auch wenn sie sich nicht überprüfen lassen. Man kann ja schließlich nicht nur Richtern nicht in den Kopf schauen.