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Mordfall Charlotte Böhringer

28.473 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Mord, München, 2006 ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
Zu diesem Thema gibt es eine von Diskussionsteilnehmern erstellte Zusammenfassung im Themen-Wiki.
Themen-Wiki: Mordfall Charlotte Böhringer

Mordfall Charlotte Böhringer

20.04.2019 um 12:04
Zitat von Mark_SmithMark_Smith schrieb:Wie hoch ist denn die Wahrscheinlichkeit, dass jemand der Täter ist, wenn wir 3 Indizien haben und jedes Indiz hat eine Wahrscheinlichkeit von 95%, dass es zutrifft?
Oder wie hoch ist die Irrtumswahrscheinlichkeit? :-)
Wenn es von einander unabhängige Indizien sind, die alle für die Tat erfüllt sein müssen, sind die Wahrscheinlichkeiten zu multiplizieren. Das bedeutet in diesem Fall: Tatwahrscheinlichkeit = 86 %
0,95 x 0,95 x 0,95 = 0,857

Das große Problem ist, dass Richtern in der Regel nicht klar ist, wie hoch der Wahrheitsgehalt/Wahrscheinlichkeit einer Aussage überhaupt ist. Auch der Umgang mit Wahrscheinlichkeiten ist nicht geläufig. Müssen sie bei mehreren Aussagen/Indizien addiert, multipliziert oder komplexer verrechnet werden? Voraussetzung dafür wäre eine logische Analyse des Zusammenhangs. Da ist eine vergleichsweise undefinierte "Gesamtschau" mit weniger Gehirnschmalz zu haben.

In der Regel liefern Gutachter keine Fehleranalysen, wie sie in naturwissenschaftlichen Publikationen unumgänglich sind, sondern (wenn überhaupt) Angaben gemäß Bauchgefühl.
Es gibt eine Broschüre des BKA von 2004, die verbale Wahrscheinlichkeitsangaben Zahlenwerten zuordnet:

Titelbild

Verbale wahrscheinlichkeitsskalaOriginal anzeigen (0,2 MB)

Für den Fall CB kenne ich leider keinen Gutachtentext (sonst wohl auch niemand von uns?). Deshalb kann ich als Beispiel für völlig missratene Angaben nur das wichtigste Gutachten (2008) des Falles Ursula Herrmann anführen. Am Schluss finden wir folgende Fußnote:

Wahrscheinlichkeitsaussage

Es ist von Abständen zwischen den Stufen die Rede. Genau genommen gibt es ohne Zahlenwerte auch keine Abstände. Trotzdem seien keine Prozentangaben möglich. Auch bei Stimmenvergleichsgutachten sollten Angaben, die in Schriftgutachten üblich sind, nicht unmöglich sein. Außerdem handelt es sich bei dem erwähnten Beispiel nicht um Stimmenvergleiche sondern um ein rein technisches Gutachten.
Solche Anhäufung von Widersprüchen müssen auch einem Strafrichter auffallen.
Das Ergebnis des Gutachtens lautet übrigens, dass ein bestimmtes Tonbandgerät "wahrscheinlich" vom Täter verwendet wurde. Das entspricht üblicherweise einer Wahrscheinlichkeit von 75 %. Überwiegend darauf basiert das Urteil "Lebenslänglich".

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20.04.2019 um 12:28
Zitat von roberndrobernd schrieb:Wenn es von einander unabhängige Indizien sind, die alle für die Tat erfüllt sein müssen, sind die Wahrscheinlichkeiten zu multiplizieren. Das bedeutet in diesem Fall: Tatwahrscheinlichkeit = 86 %
0,95 x 0,95 x 0,95 = 0,857
Bei quantifizierbaren Abläufen (hier alle drei Sachverhalte müssen zwingend passiert sein und jeder traf zu 95 % ein) muss man so rechnen, das funktioniert mMn. aber nur als Ausschlußverfahren.

Wie ist aber eine nichtfunktionale Aussage wie "Der Verdächtge hatte ein starkes Tatmotiv XY" zu bewerten?


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20.04.2019 um 12:37
Zitat von roberndrobernd schrieb:Das große Problem ist, dass Richtern in der Regel nicht klar ist, wie hoch der Wahrheitsgehalt/Wahrscheinlichkeit einer Aussage überhaupt ist.
Wie kommst du denn auf die Idee, dass Richtern das nicht klar sein sollte? Allerdings kann man den Wahrheitsgehalt von Zeugenaussagen nicht mathematisch berechnen. Der Mensch ist eben keine Maschine. Da geht es um Psychologie, und über die Psychologie der Zeugenaussage gibt es zahllose Literatur. Das Problem ist also bekannt ;-)

Oder redest du von Sachverständigengutachten, insbesondere Gutachten von Schriftsachverständigen? Gutachten ist aber nicht gleich Gutachten, das müsste klar sein. Wenn ein medizinischer Sachverständiger eindeutig eine Todesursache oder ein Kfz-Sachverständiger ebenso eindeutig einen Defekt am Fahrzeug feststellen kann, ist das was anderes, als wenn ein graphologischer Sachverständiger mit einem Wahrscheinlichkeitsgrad von sagen wir 90 Prozent sagen kann, ob die Schriftprobe von einer bestimmten Person stammt, die Unterschrift also mutmaßlich gefälscht ist oder nicht.


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20.04.2019 um 12:41
PS: Und psychologische Glaubwürdigkeitsgutachten betreffend das Geständnis oder den Widerruf des Geständnisses durch einen Beschuldigten/Angeklagten oder betreffend einen Zeugen sind noch mal eine ganz andere Baustelle, wie etwa der Fall Peggy Knobloch zeigt.


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20.04.2019 um 12:45
Zitat von roberndrobernd schrieb:Das große Problem ist, dass Richtern in der Regel nicht klar ist, wie hoch der Wahrheitsgehalt/Wahrscheinlichkeit einer Aussage überhaupt ist. Auch der Umgang mit Wahrscheinlichkeiten ist nicht geläufig.
Das große Problem ist, dass juristische Laien kaum bis keine Vorstellung davon haben, was das Unmittelbarkeitsprinzip, die mündliche Verhandlung und die freie richterliche Beweiswürdigung bedeuten. Sie meinen dann, dass ein Strafverfahren nach ihren Vorstellungen abzulaufen habe.

Was konkret nun "Umgang mit Wahrscheinlichkeiten" bedeuten soll, bleibt rätselhaft. Hört sich aber immerhin toll an.
Zitat von roberndrobernd schrieb:Das große Problem ist, dass Richtern in der Regel nicht klar ist, wie hoch der Wahrheitsgehalt/Wahrscheinlichkeit einer Aussage überhaupt ist.
Möglicherweise hast Du einen konkreten Vorschlag, wie man den Wahrheitsgehalt einer Aussage "berechnen" kann. Vielleicht wäre es für den Anfang ja hilfreich, wenn Du kurz schilderst wie es bisher gemacht wird.
Zitat von roberndrobernd schrieb:Auch bei Stimmenvergleichsgutachten sollten Angaben, die in Schriftgutachten üblich sind, nicht unmöglich sein.
Dieser Satz will sich mir nicht erschließen: Sind Stimmenvergleichsgutachten etwas (grundlegend) anderes als Schriftgutachten? Was sind denn Schriftgutachten? Und was(!) für Angaben sollten nicht unmöglich sein?
Zitat von roberndrobernd schrieb:Es ist von Abständen zwischen den Stufen die Rede. Genau genommen gibt es ohne Zahlenwerte auch keine Abstände. Trotzdem seien keine Prozentangaben möglich.
Ich verstehe hier nicht, warum die Angabe von Zahlenwerten eine grundsätzlich bessere Entscheidungsmöglichkeit bieten soll. Wie sollen denn bei Deinem Beispiel valide Zahlen zustande kommen? Ich erkenne ich Deinem Vorschlag nicht mehr, als eine Scheingenauigkeit.

Beispiel: Du kommst in die Küche. Der Küchenschrank mit den Süßigkeiten steht auf. Vor dem Küchenschrank steht Dein fünfjähriger Sohn. Er hat etwas um den Mund, dass aussieht wie Schokolade. In dem Schrank werden regelmäßig mehrere Tafeln Schokolade aufbewahrt. Es ist nicht feststellbar, ob eine Tafel Schokolade fehlt. Der Grund dafür ist, dass niemand weiß, wie viele Tafeln Schokolade sich (vorher) im Schrank befanden und ob nun eine fehlt. Du fragst Deinen Sohn, ob er sich heimlich Schokolade genommen hätte und er antwortet: "Nein!". Die Vehemenz, mit der abstreitet, kommt Dir ungewöhnlich vor. Außerdem nimmt er eine merkwürdige Körperhaltung ein, die nach einer Abwehrhaltung aussieht. Und da klebt noch immer diese Substanz um die Mundwinkel, die verdächtig nach Schokolade aussieht.

Frage: Hat sich Dein Sohn Schokolade aus dem Küchenschrank genommen? Wenn nein: Wie kommst Du darauf? Wenn ja: Welche Anhaltspunkte sprechen dafür?

Und nun berechne die Wahrscheinlichkeiten. Frage: Wird durch eine Wahrscheinlichkeitsberechnung das Ergebnis richtiger?


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20.04.2019 um 13:16
Zitat von LichtenbergLichtenberg schrieb:Du fragst Deinen Sohn, ob er sich heimlich Schokolade genommen hätte und er antwortet: "Nein!". Die Vehemenz, mit der abstreitet, kommt Dir ungewöhnlich vor. Außerdem nimmt er eine merkwürdige Körperhaltung ein, die nach einer Abwehrhaltung aussieht. Und da klebt noch immer diese Substanz um die Mundwinkel, die verdächtig nach Schokolade aussieht.

Frage: Hat sich Dein Sohn Schokolade aus dem Küchenschrank genommen? Wenn nein: Wie kommst Du darauf? Wenn ja: Welche Anhaltspunkte sprechen dafür?
..das [b]heimlich[/b] in der Fragestellung war einfach zuviel für den kleinen Jungen, daher die Abwehrhaltung, daher die ungewöhnliche Vehemenz und die abwehrende Körperhaltung.

auch das Verhalten des Gerichts nimmt Einfluß auf die Zeugen, den Angeklagten etc. Ein Strafgericht in kein geeichtes Meßgerät. Wie wird dieser Einfluss gemessen.


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20.04.2019 um 13:37
Zitat von RosenmontagRosenmontag schrieb:auch das Verhalten des Gerichts nimmt Einfluß auf die Zeugen, den Angeklagten etc. Ein Strafgericht in kein geeichtes Meßgerät. Wie wird dieser Einfluss gemessen.
Warum weisst Du das, dass das Gericht Einfluss auf die Zeugen und den Angeklagten nimmt? Gibt es hierzu valide empirische Studien? :-)

Und könntest Du mir bitte noch meine Frage beantworten, wann ein Täter zu 100% überführt ist und ob es dafür objektive Kriterien gibt? Weil das interessiert mich brennend. :-)


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20.04.2019 um 14:22
Zitat von AndanteAndante schrieb:als wenn ein graphologischer Sachverständiger mit einem Wahrscheinlichkeitsgrad von sagen wir 90 Prozent sagen kann, ob die Schriftprobe von einer bestimmten Person stammt, die Unterschrift also mutmaßlich gefälscht ist oder nicht.
Stellt sich nur schon die Frage, wie ein graphologischer Sachverständiger angeben will, wie hoch die Zuverlässigkeit im konkreten Einzelfall sein soll. Das erschliesst sich mir momentan noch nicht.


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20.04.2019 um 14:38
Zitat von Mark_SmithMark_Smith schrieb:Warum weisst Du das, dass das Gericht Einfluss auf die Zeugen und den Angeklagten nimmt? Gibt es hierzu valide empirische Studien? :-)
aus eigenen Erfahrungen.
als Zeugin wurden mir vom Gericht Fragen gestellt, die ich als suggestiv empfunden habe. Aber der Richter und die Schöffen waren mir unsympathisch da war meine Toleranzschwelle herab gesetzt.

Empirische Studien hierzu sind mir nicht bekannt. Ich finde, hier sollte mehr kritische Forschung erfolgen um überhaupt ein Strafgericht zu einem objektiven Messgerät werden zu lassen.

Eine interessanter Hinweis auf eine Studie über die Menschlichkeit von Richtern.
Müde Richter entscheiden gegen Angeklagte
Zitat von Mark_SmithMark_Smith schrieb:Und könntest Du mir bitte noch meine Frage beantworten, wann ein Täter zu 100% überführt ist und ob es dafür objektive Kriterien gibt? Weil das interessiert mich brennend. :-)
Objektive Kriterien wann ein Täter zu 100 % überführt ist gibt es mMn. Für mich ist ein Täter überführt, wenn ein Geständnis vorliegt und oder Beweise vorliegen, die keinen anderen Schluss zulassen, als dass der Angeklagte der Täter ist. Die Entscheidung ist natürlich subjektiv.


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20.04.2019 um 14:41
Zitat von RosenmontagRosenmontag schrieb:Objektive Kriterien wann ein Täter zu 100 % überführt ist gibt es mMn. Für mich ist ein Täter überführt, wenn ein Geständnis vorliegt und oder Beweise vorliegen, die keinen anderen Schluss zulassen, als dass der Angeklagte der Täter ist. Die Entscheidung ist natürlich subjektiv.
Aber nun wissen wir doch, dass es viele falsche Geständnisse gibt! Das dürfte somit kein Kriterium sein, dass jemand zu 100% der Täter ist.

Wenn die Entscheidung subjektiv ist, dann gibt es offenbar keine 100%ige Sicherheit - oder?


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20.04.2019 um 14:46
Zitat von Mark_SmithMark_Smith schrieb:Wenn die Entscheidung subjektiv ist, dann gibt es offenbar keine 100%ige Sicherheit - oder?
100% Sicherheit: subjektiv ja und objektiv nein
Zitat von Mark_SmithMark_Smith schrieb:Aber nun wissen wir doch, dass es viele falsche Geständnisse gibt! Das dürfte somit kein Kriterium sein, dass jemand zu 100% der Täter ist.
ja da hast du Recht wenn ca.100 Personen eine Tat gestehen wird es kompliziert.


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20.04.2019 um 14:53
Zitat von Mark_SmithMark_Smith schrieb:Stellt sich nur schon die Frage, wie ein graphologischer Sachverständiger angeben will, wie hoch die Zuverlässigkeit im konkreten Einzelfall sein soll. Das erschliesst sich mir momentan noch nicht.
Genau das ist der entscheidende Punkt. Ein Richter kann mit Statistik, Wahrscheinlichkeiten etc. im konkreten Fall nämlich, was den Wahrheitsgehalt etwa von Zeugenaussagen angeht, gar nichts anfangen.

Was nützt es ihm etwa, wenn er weiß, dass statistisch 20 % aller Zeugen bewusst lügen, weitere 20 % felsenfest meinen, die Wahrheit zu sagen, sich aber irren (zB im Datum) und nur 60 % richtige Angaben machen? Nichts nützt es dem Richter, wenn er entscheiden muss, zu welcher Kategorie der konkrete Zeuge gehört, der gerade vor ihm sitzt.

Und was Sachverständigengutachten angeht, muss der Richter halt im Einzelfall auch entscheiden, ob das Gutachten ihn überzeugt oder nicht. wahrscheinlichkeitsrechnungen und Statistik sind dabei null Hilfe.


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20.04.2019 um 15:07
Zitat von RosenmontagRosenmontag schrieb:Eine interessanter Hinweis auf eine Studie über die Menschlichkeit von Richtern.
Müde Richter entscheiden gegen Angeklagte
Und übermüdete Brummifahrer bauen bekanntlich mehr Unfälle. Arbeitsunfälle passieren signifikant häufiger, je mehr Stunden hintereinander die Arbeitnehmer gearbeitet haben, das wissen alle Berufsgenossenschaften. Menschen sind halt keine Maschinen.


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20.04.2019 um 19:02
Zitat von JosephConradJosephConrad schrieb:Wie ist aber eine nichtfunktionale Aussage wie "Der Verdächtge hatte ein starkes Tatmotiv XY" zu bewerten?
Diese Aussage ist überhaupt nicht zu bewerten. Das Tatmotiv muss benannt sein und zur Tat passen. Wenn der angebliche Täter z.B. 100000 EUR Schulden bei einer Bank hat und Lösegeld erpresst, um seine Schulden zu bezahlen, dann ist das kein Motiv. Denn mit erpresstem Bargeld lassen sich keine Bankschulden bezahlen.
Zitat von AndanteAndante schrieb:robernd schrieb:
Das große Problem ist, dass Richtern in der Regel nicht klar ist, wie hoch der Wahrheitsgehalt/Wahrscheinlichkeit einer Aussage überhaupt ist.

Wie kommst du denn auf die Idee, dass Richtern das nicht klar sein sollte? Allerdings kann man den Wahrheitsgehalt von Zeugenaussagen nicht mathematisch berechnen.
Hier habe ich mich ungeschickt ausgedrückt. Mit "Aussage" meine ich eine allgemeine logische Aussage, nicht unbedingt eine Zeugenaussage.
Zitat von AndanteAndante schrieb:Oder redest du von Sachverständigengutachten, insbesondere Gutachten von Schriftsachverständigen?
Graphologische Gutachten habe ich nur erwähnt, weil sich die oben genannten Autoren auf über 70 Seiten gerade darüber ausgelassen haben. Bitte dort nachlesen.
Zitat von AndanteAndante schrieb:Wenn ein medizinischer Sachverständiger eindeutig eine Todesursache oder ein Kfz-Sachverständiger ebenso eindeutig einen Defekt am Fahrzeug feststellen kann, ist das was anderes, als wenn ein graphologischer Sachverständiger mit einem Wahrscheinlichkeitsgrad von sagen wir 90 Prozent sagen kann, ob die Schriftprobe von einer bestimmten Person stammt, die Unterschrift also mutmaßlich gefälscht ist oder nicht.
Genau deshalb habe ich den Bericht weiter oben erwähnt. Auch Angaben über die Todesursache sind z.B. nicht so zuverlässig (vorletzter Absatz).
Zu Glaubwürdigkeit von KFZ-Gutachten: Ich kenne ein Gutachten über einen Verkehrsunfall, in dem der Gutachter aus der Länge der Bremsspur die gefahrene Geschwindigkeit (ca. 80 km/h) auf 3 Stellen hinter dem Komma berechnet hat. Jegliche Fehlerabschätzung fehlt. Dafür hat er Bremsproben an einem anderen Tag und bei anderen Straßenverhältnissen gemacht. Er verwendete ungeeichte Amateurgeräte für den Motorsport zur Messung der Bremsverzögerung. Radargeräte der Polizei sind geeicht aber (per Definition) weit ungenauer. Das Gericht hat den ojektiven Schwachsinn geglaubt.
Zitat von LichtenbergLichtenberg schrieb:Was konkret nun "Umgang mit Wahrscheinlichkeiten" bedeuten soll, bleibt rätselhaft. Hört sich aber immerhin toll an.
Das habe ich aufgeschrieben:
Zitat von roberndrobernd schrieb:Auch der Umgang mit Wahrscheinlichkeiten ist nicht geläufig. Müssen sie bei mehreren Aussagen/Indizien addiert, multipliziert oder komplexer verrechnet werden? Voraussetzung dafür wäre eine logische Analyse des Zusammenhangs.
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Zitat von LichtenbergLichtenberg schrieb:robernd schrieb:
Auch bei Stimmenvergleichsgutachten sollten Angaben, die in Schriftgutachten üblich sind, nicht unmöglich sein.

Dieser Satz will sich mir nicht erschließen: Sind Stimmenvergleichsgutachten etwas (grundlegend) anderes als Schriftgutachten? Was sind denn Schriftgutachten? Und was(!) für Angaben sollten nicht unmöglich sein?
Der Texzauszug oben (weißer Kasten) stammt nicht von mir sondern aus dem Gutachten einer Phonetikerin.
Das ist der Knackpunkt: Ich halte die beiden nicht für grundlegend anders. Trotzdem schließt eine Phonetikerin die (auch für andere Fachbebiete empfohlene) Wahrscheinlichkeitsskala der Schriftsachverständigen für ihr Fachgebiet aus.
Zitat von LichtenbergLichtenberg schrieb:Der Grund dafür ist, dass niemand weiß, wie viele Tafeln Schokolade sich (vorher) im Schrank befanden und ob nun eine fehlt.
Ein schönes Beispiel. Wie viel Bargeld bei CB eventuell vorhanden war, weiß niemand. Trotzdem wird behauptet, dass keines gestohlen wurde (zumindest nicht die im Raum stehende sehr hohe Summe).
Zitat von Mark_SmithMark_Smith schrieb:Stellt sich nur schon die Frage, wie ein graphologischer Sachverständiger angeben will, wie hoch die Zuverlässigkeit im konkreten Einzelfall sein soll. Das erschliesst sich mir momentan noch nicht.
Auch das steht in der oben verlinkten Broschüre des BKA. Zumindest sollte ein Richter im Kopf haben, dass z.B. 90 % üblich sind.
Zitat von AndanteAndante schrieb:Und was Sachverständigengutachten angeht, muss der Richter halt im Einzelfall auch entscheiden, ob das Gutachten ihn überzeugt oder nicht. wahrscheinlichkeitsrechnungen und Statistik sind dabei null Hilfe.
Sie sollten aber eine Hilfe sein. Wenn in einem Gutachten Fehler- und Wahrscheinlichkeitsabschätzungen völlig fehlen, sollte es dem Richter zumindest verdächtig sein. Er müsste dann zur Sicherheit ein weiteres beauftragen. Speziell dann, wenn es eine tragende Säule des Urteils ist.


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Mordfall Charlotte Böhringer

20.04.2019 um 20:04
Zitat von roberndrobernd schrieb:Diese Aussage ist überhaupt nicht zu bewerten. Das Tatmotiv muss benannt sein und zur Tat passen. Wenn der angebliche Täter z.B. 100000 EUR Schulden bei einer Bank hat und Lösegeld erpresst, um seine Schulden zu bezahlen, dann ist das kein Motiv. Denn mit erpresstem Bargeld lassen sich keine Bankschulden bezahlen.
Ich wollte von Dir wissen, wie Du denn ein nicht quantifizierbares Indiz etwa ein starkes Tatmotiv, (das benannt wird und zur Tat passt) rechnerisch bewerten willst?

Übrigens: Schulden sind ein häufiges Tatmotiv für räuberische Erpressung (google: "Schulden Erpressung Motiv").


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20.04.2019 um 20:23
Zitat von roberndrobernd schrieb:Sie sollten aber eine Hilfe sein. Wenn in einem Gutachten Fehler- und Wahrscheinlichkeitsabschätzungen völlig fehlen, sollte es dem Richter zumindest verdächtig sein. Er müsste dann zur Sicherheit ein weiteres beauftragen.
Das passiert ja auch öfter, dass ein weiteres Gutachten eingeholt wird. Es ist nicht so, dass das Gericht quasi sklavisch nur das Fazit des Gutachters liest und nur diesem folgt. Seriöse Gutachten enthalten allerdings stets Hinweise auf Unwägbarkeiten, mögliche Fehlerquellen, Umstände, die aus irgendwelchen Gründen nicht herangezogen werden konnten, aber wichtig gewesen wären etc.

Ausschließen läßt es sich natürlich nicht, dass ein Gutachten zu einem falschen Ergebnis kommt und das Gericht dies nicht merkt. Schließlich sind die Richter keine Experten auf diesem Gebiet, sonst hätten sie kein Gutachten zu der betreffenden Frage eingeholt. Auch passiert es, dass Zeugenaussagen falsch gewertet werden. Es ist eben nicht einfach, abschätzen zu können, ob eine Mensch, den man nie vorher gesehen hat, die ganze Wahrheit sagt, nur die halbe oder gar keine (obwohl es ein paar Möglichkeiten zur Überprüfung gibt, in der Strafkammer ja auch 5 Leute sind, die in der anschließenden Beratung ihre Eindrücke und Beobachtungen betreffend diesen Zeugen austauschen).

Die Situation ist nicht anders als in anderen Berufen auch. Ärzte stellen falsche Diagnosen und machen OP-Fehler, Finanzbeamte erstellen falsche Steuerbescheide, ein neuerbautes Haus weist Baumängel auf, weil der Architekt und/oder die Baufirma versagt haben. Aber noch mal, Menschen sind eben keine Maschinen.


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20.04.2019 um 21:10
Zitat von roberndrobernd schrieb:Er verwendete ungeeichte Amateurgeräte für den Motorsport zur Messung der Bremsverzögerung. Radargeräte der Polizei sind geeicht aber (per Definition) weit ungenauer. Das Gericht hat den ojektiven Schwachsinn geglaubt.
Der Verteidiger hat den Fehler des Gutachters offenbar ebensowenig bemerkt, auch der Staatsanwalt nicht. Ja, bedauerlicherweise kann so etwas vorkommen. Der Regelfall sind Gutachten, deren Falschheit keinem Prozessbeteiligten auffällt, allerdings nicht.

Die Gutachtenfrage ist bei Anträgen auf Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahrens, wie im Fall Böhringer oder auch im Mordfall Babenhausen, wegen angeblicher Fehlerhaftigkeit meist der Hebel, mit dem der Verurteilte hofft, dass sein Verfahren wieder aufgerollt werden kann. Allerdings reicht es nicht, zur Begründung des Wiederaufnahmeantrages bloße Gegengutachten zu bringen. Es muss schon ein Gutachten sein, das auf nachweislich neuen, überlegenen Forschungsmethoden beruht, die zu Zeit der Erstellung des ersten Gutachtens noch nicht zur Verfügung standen und dergleichen.


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20.04.2019 um 23:24
Zitat von RosenmontagRosenmontag schrieb:..das heimlich in der Fragestellung war einfach zuviel für den kleinen Jungen, daher die Abwehrhaltung, daher die ungewöhnliche Vehemenz und die abwehrende Körperhaltung.
Man kann das selbstverständlich genau so sehen und dabei vollkommen den Gesamtzusammenhang ignorieren. Hätte der kleine Junge im Wohnzimmer vor dem Fernseher gesessen, ok. Die Abwehrhaltung ließe sich erklären aus dem Umstand, dass er sich zu Unrecht verdächtigt fühlte.

Das Beispiel zeigt aber wunderbar, dass Dir kleinere Details entscheidender vokommen, als der Blick auf das Ganze.


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Mordfall Charlotte Böhringer

20.04.2019 um 23:26
Zitat von roberndrobernd schrieb:Sie sollten aber eine Hilfe sein. Wenn in einem Gutachten Fehler- und Wahrscheinlichkeitsabschätzungen völlig fehlen, sollte es dem Richter zumindest verdächtig sein. Er müsste dann zur Sicherheit ein weiteres beauftragen. Speziell dann, wenn es eine tragende Säule des Urteils ist.
Wie einem Interessierten an dem Fall C.B. bekannt ist (oder zumindest bekannt sein müsste), wurde B.T. nicht aufgrund des Ergebnisses eines Gutachtens verurteilt.

Warum wird jetzt (schon wieder) abgelenkt?


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21.04.2019 um 07:35
https://m.die-tagespost.de/feuilleton/Die-Akte-Bence;art310,197468

Der Artikel ist doch schon ein alter Hut, ausserdem falsch was die Mutmaßungen über lebenslängliche Haft angeht. Der Autor schert alle drei Fälle über einen Kamm, anstatt auf die jeweiligen Besonderheiten einzugehen.


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