Frohe Ostern
:)Ich habe hier noch mal eine weitere Betrachtungsweise zu den gedächtnispsychologischen Grundlagen der Zeugenvernehmung. Ist leider zuviel, um es komplett zu kopieren ...
Meist muss der genaue Wahrnehmungskontext des Zeugen rekonstruiert werden
Hierbei ist vernehmungs- und aussagepsychologisch zu beachten, dass der Verlust von Gedächtnisinhalten nicht den Augenblick des Einwirkens der Störung (Gewalttat oder Stress), sondern die sehr kurze Zeit von meist wenigen Sekunden vor dieser Noxe betrifft. Hat es beispiels weise vor einer Gewalttat noch eine kurze Interaktion zwischen Täter und Opfer gegeben, so ist es durchaus möglich, dass diese bereits kodierte, aber noch nicht konsolidierte Information verloren geht. In diesem Fall wäre dem Opfer unter Umständen eine Täterbeschreibung nicht möglich, obwohl weitere Tatzeugen an- geben, dass das Opfer den Täter doch genau beschreiben können müsse, weil beide kurz vor dem gewaltsamen Einwirken – etwa eines Schlagstocks – noch mit- einander gesprochen haben.
Neben Gewalteinwirkung und Stress gibt es noch weitere Einflussfaktoren, die das Kodieren komplexer Ereignisse er schweren oder verhindern können. Hierzu zählen vor allem der Zustand des Zeugen sowie die Zeugenbetroffenheit.
Der Zustand eines Zeugen zum Zeitpunkt des Ereignisses kann wichtige Auswirkungen auf die Qualität einer Wahrnehmung haben. Müdigkeit, Alkohol-, Drogen- oder Medikamenteneinfluss oder deren Entzug reduzieren häufig die Aufmerksamkeit und können sich zudem negativ auf die Wahrnehmungsfähigkeit eines Zeugen auswirken. Ereignisse werden dadurch verfälscht oder nur lückenhaft gespeichert und können zu einem späteren Zeitpunkt auch nur entsprechend wiedergegeben werden.
Auch die Zeugenbetroffenheit kann die Verarbeitung und Speicherung eines Ereignisses empfindlich stören. Hierbei ist nicht die Schwere eines Delikts der aus- schlaggebende Faktor, um Betroffenheit auszulösen, sondern vielmehr das subjektive Empfinden eines Zeugen. Beispiels- weise können gerade ältere Menschen, die ein vergleichsweise harmloses Delikt (wie einen Handtaschendiebstahl) beobachten, derart „geschockt“ sein, dass eine adäquate Verarbeitung dieses Ereignisses misslingt. Eine emotionale Erstarrung zeigt sich auch bei Zeugen, die Vorfälle beobachten, die sie an selbst erlebte traumatische Ereignisse erinnern (vgl. Milne & Bull, 2003). Zeugenbetroffenheit geht letztendlich mit physiologischem Stress und daher mit derselben Einschränkung der Informationsverarbeitung einher.
Auch beim Abruf von erinnerbaren Gedächtnisinhalten kann sich der Vernehmungsbeamte mit einer Reihe von Problemen konfrontiert sehen, die eine verwertbare Aussage eines Zeugen beeinträchtigen.
●● Konstruktiver Charakter des Gedächtnisses, Skripte, Klischees und voreilige Schlussfolgerungen
●● Emotionale Faktoren, „Waffenfokus“ und Parteilichkeit
●● Vernehmungssituation als Stressor
(Vgl. Christianson, 1997; Greuel et al.
1998; Milne & Bull, 2003).
http://www.rechtspsychologie.uni-bremen.de/downloads/dokumente/GedaechtnispsychologiederVernehmunginKriminalistik.pdf (Archiv-Version vom 23.03.2013)