Unruhen in der Ukraine - reloaded
13.09.2014 um 19:20Anzeige
Die Logik eines Entweder-oder gilt im Völkerrecht nicht
Nun öffnet sich hier die Möglichkeit für allerlei sinistre Schachzüge im Streit um die passenden Rechtsbegriffe. Sowenig das Völkerrecht ein Verbot der Sezession kennt, so wenig akzeptiert es umgekehrt ein Recht darauf. Es trifft dazu keine Regelung. Die Staaten haben ersichtlich kein Interesse an der positiven Setzung eines Rechtstitels, der die Beschädigung, ja Zerstörung ihrer eigenen Territorien durch sezessionsgeneigte Minderheiten erlauben würde. Und da sie nicht nur die vom Völkerrecht Verpflichteten, sondern auch dessen Urheber sind, gibt es einen solchen Anspruch eben nicht, von eng umschriebenen Ausnahmen abgesehen, die im Fall der Krim nicht einschlägig sind. Die Gemeinschaft der Staaten, so die saloppe Fußnote der Völkerrechtslehre, ist kein Club von Selbstmördern.
Daraus lässt sich im Propagandakrieg etwas machen. Die landläufige Feststellung, das Völkerrecht habe den Krim-Bewohnern kein Recht zur Sezession gewährt, ist ganz richtig. Aber der mitgelieferte Schluss, also sei die Sezession völkerrechtswidrig gewesen, ist falsch. Seine irreführende Wirkung, auf die sich seine Urheber freilich verlassen können, bezieht er aus einer verfehlten Parallele zum innerstaatlichen Recht. Dieses gewährleistet außerhalb seiner konkreten Verbote stets ein prinzipielles Freiheitsrecht. Es erlaubt, was es nicht ausdrücklich untersagt. Deshalb bedeutet in seiner Sphäre die Feststellung, jemand habe ohne Erlaubnis gehandelt, stets zugleich das Verdikt, dieses Handeln sei rechtswidrig gewesen.
Die Logik eines solchen Entweder-oder gilt im Völkerrecht nicht. Es kennt Formen kollektiven Handelns, zu denen es sich neutral verhält. Die Sezession ist ein exemplarischer Fall. Ein allgemeines Verbot ginge ins Leere, da dessen mögliche Adressaten dem Völkerrecht nicht unterworfen sind. Aber eine Erlaubnis dazu wird in etlichen internationalen Dokumenten seit Jahrzehnten verneint. Auch als allgemeines Freiheitsrecht wäre sie völkerrechtlich nicht zu begründen.
mainstream0815 schrieb:Wirtschaftliche Drohungen und Druck dürfte auch bekannt sein im Zuge des Assoziierungsabkommens.Gabs auch aus Russland in dem Zuge! Von daher spricht es weder für die eine noch für die andere Seite!
peppermint schrieb:Den Menschen auf der Krim geht es gut.Nicht zuletzt deswegen, weil sie immer noch am Tropf der Ukraine hängen.
Russland hat die Krim annektiert, doch nun fällt es dem riesigen Reich schwer, die kleine Halbinsel zu versorgen. Noch hängt sie am Tropf der Ukraine. Das zeigt sich nicht nur bei der Stromversorgung.Die Ukraine könnte die Gasschulden / -verbindlichkeiten eventuell mal gegenrechnen / verrechnen.
Anfang September waren Jalta, Kertsch und Sewastopol stundenlang ohne Strom - die ukrainische Regierung hatte der Krim teilweise die Energieversorgung gekappt. Krim-Regierungschef Sergej Aksjonow sprach von Sabotage, das Staatsunternehmen Ukrinternergo in Kiew nannte hingegen Brennstoffmangel als Grund. Der Vorfall machte deutlich: Auch ein halbes Jahr nach der Annexion durch Russland hängt die Halbinsel weiter am Tropf der Ukraine.
canales schrieb:Das würde aber auch bedeuten, dass die Absetzung Janukovitschs nicht rechtswidrig war,Wir reden hier aber vom Völkerrecht und das Recht auf einer Session, nicht von der Verfassung!
peppermint schrieb:Die Menschen wissen um die Schwierigkeiten, die sie erwarten, und nehmen sie in Kauf.
peppermint schrieb: wir alle spekulieren nurDa die Krim nun zu Russland gehört, können wir über ihre Sichtweise ebenso nur mutmaßen, denn ich bin mir sicher, dass wir die Stimme der krimschen Bevölkerung, wenn überhaupt, niemals ungeschönt hören werden.
mainstream0815 schrieb:die Innere Souveränität wurde u.a. durch Support aus USA/EU der Ukraiine geraubt.Was für ein Blödsinn. Der Ukraine wurde ein Angebot gemacht. Ob dieses angenommen wird, oder nicht, war Gegenstand innerer Auseinandersetzungen. Die EU und die USA haben weder die innere Souveränität im Punkto Entscheidungsfähigkeit und Anerkennung derer, noch gegen die äußere Souveränität in der Anerkennung derer Grenzen verletzt. Auch haben die EU und die USA nicht gegen die Verfassung verstoßen.
mainstream0815 schrieb:Wirtschaftliche Drohungen und Druck dürfte auch bekannt sein im Zuge des Assoziierungsabkommens.Wirtschaftlichen Druck, oder auch meinetwegen Drohungen gibt es überall. Das ist eine Frage des Habenwollens. Gibst du mir etwas, gebe ich dir etwas. Gibst du mir nichts, gebe ich dir nichts. So einfach ist das und normal ist es noch dazu. Damit wird die Souveränität ja sogar noch unterstrichen. Weil man indirekt zugibt, dass man seinem Gegenüber als entscheidungsfähig betrachtet und ihn deshalb entsprechende Angebote machen kann. Wenn das nicht der Fall ist, nimmt man sich einfach das, was man haben will, siehe Russland.