@paxitoStimmt, der Punkt mit handelnd vs. nichthandelnd kam von mir, bezogen auf ontologische Wirksamkeit. Es ging mir dabei aber nicht um eine essentialistische Ontologie à la „nur Menschen handeln“, sondern um die erkenntnistheoretisch-pragmatische Frage: Wer oder was setzt reale, überprüfbare Wirkungen in Gang?
Wenn du sagst, „Ideen handeln“, zitierst du implizit schon Dawkins’ Memtheorie oder Luhmanns systemtheoretischen Autopoiesebegriff – kein Problem, das ist ein legitimes Spielfeld. Nur: Diese Theorien setzen ja bereits voraus, dass Menschen als Knotenpunkt von Kommunikation bzw. Replikation überhaupt existieren und wirken. Ohne Bewusstsein kein Träger, ohne Träger kein „Meme“, ohne Interpret keine Systemreferenz.
Ja, auch Menschen sind unter Kausalität gestellt – das ändert aber nichts daran, dass sie konventionell und empirisch unterscheidbare Handlungsträger sind. Die Unterscheidung zwischen „wirkmächtiger Gedanke“ und „denkender Mensch“ ist keine metaphysische Willensfreiheit, sondern schlicht erkenntnismethodische Trennschärfe.
Natürlich kann man den Spieß umdrehen und Systeme oder Ideen zur eigentlichen „Agentur“ erklären. Aber dann ist man in einem zirkulären Spiel, bei dem man Ursache und Wirkung von Bedeutung nicht mehr sauber trennen kann – und das ist epistemologisch irgendwann beliebig.
Mein Punkt:
Du kannst den Begriff „Gott“ nicht einfach als „kulturelles Handlungsmem“ auf dieselbe Stufe stellen wie konkrete physische oder soziale Akteure. Die Idee von Gott ist existent – aber sie wirkt nur, weil Menschen sie für echt halten. Und das ist der Unterschied: Ohne Gläubige kein Wirken. Aber ohne Masse = trotzdem Gravitation. Ohne Gläubige = kein Gott, aber immer noch ein Apfel, der vom Baum fällt.
In diesem Sinne: Gott ist ein hochgradig erklärungsbedürftiges Konzept – und kein erkenntnistheoretisches Nullsummenspiel wie die Gravitation oder das zweite Gesetz der Thermodynamik.