AryaStark schrieb:Du hattest ja geschrieben,dass du meist den richtigen Standpunkt in den zitierten Kontroversen vertritts aufgrund guter Recherche.
Öööhh, äääähhhmm, nee, also so würd ich das jetzt nicht formulieren. Das klingt verdammt arschig. Und "meist"? Hmmm...
AryaStark schrieb:Mich würde daher deine Meinung zu diesem Artikel interessieren
http://www.astrobio.net/news-exclusive/earths-moon-may-not-critical-life/ (Archiv-Version vom 18.10.2016)
In dem Artikel wird gesagt, daß das Team jetzt zu anderen Ergebnissen gekommen ist über ein simuliertes Rotationsverhalten einer Erde ohne Mond, als Jacques Laskar im Jahr 1993. Sie führen das auf die damalige schlechtere Rechnerleistung zurück. Also das ist ja nun nicht so, daß die Computertechnik 1993 so schlecht wie zu Zeiten der Mondlandung war. Und selbst zu Mondlandungszeiten konnten Computer Rechnungen mit mehr als nur zwei Nachkommastellen Genauigkeit leisten. Was sie nicht konnten, daß war, dies im Megamordstempo hinzubekommen, oder sehr viele Berechnungen gleichzeitig durchzuführen und in eine gemeinsame Berechnung einfließen zu lassen. Wie es etwa bei dem Dreikörperproblem der Fall ist - und man auch gleich noch eine Rotation der drei Körper sowie das Achsverhalten beiStörungen berücksichtigt. Aber auch da sollte die Computertechnik zu Laskars Zeiten eigentlich nur in der Frage der Zeit sowie der exakten Anzahl von Nachkommastellen jener Technik von Lissauer et al. unterlegen gewesen sein. Ich mein, 1993 gabs schon die ersten 3D-Spiele, die enorm viele gleichzeitige und abgestimmte Rechnungen vom Prozessor verlangten. Und zwar von nem Computer für den Privatgebrauch ausm Aldi. Diese Erklärung erscheint mir also gelinde gesagt schwach.
Dann schreiben sie, daß die Erde auch mit höherer Rotation oder bei gegenläufiger Rotation eine stabile Achse besitzen würde (zusammen mit Jupiters gravitativem Einfluß). Klar, kennen wir ja. Wenn ich ein Vorderrad vom Fahrrad an der Nabe in der Hand halte und jemand dreht das Rad ganz schnell, dann fällt es mir auch umso schwerer, das Rad seitlich zu neigen, je schneller es sich dreht. Es kommt also auf den Drehmoment an. In diesem Fall aber würde mich schon sehr interessieren, wie Lissauer die Achsneigung des Uranus erklärt. OK, der rotiert nur in 17 1/4 Stunden einmal um sich selbst. Dafür aber sind seine Masse und seinDurchmesser deutlich größer als bei der Erde. Sein Drehmoment liegt also
wesentlich höher als bei der Erde. Und dennoch weist er eine Achsneigung von 97,77° auf. Wie verdammt soll er dazu gekommen sein, wo seine Achse doch um ein Zigfaches stabiler sein müßte als der der Erde, selbst wenn sie für eine Rotation nur eine halbe Stunde bräuchte. Selbst die gravitative Stabilisierung durch den leidlich "nahen" Jupiter (für den Uranus ist selbst der Saturn deutlich weiter weg) dürfte den Kohl da nicht mehr fett machen
Na und dann die Venus. Die dreht sich ja rückläufig, also ist deren Achse sehr stabil. Klar, sieht man ja auch; ihre Achse ist nur um 2,64° eneigt, ungefähr 1/8 der irdischen Achsneigung. Doch halt, stimmt ja nicht! Sie rotiert ja rückläufig! Da die Rotationsrichtung aus der Staubscheibe stammt, die anfangs um die Sonne kreiste und aus der die Planeten entstanden, muß die Rückläufigkeit der Venus durch eine starke Achsneigung entstanden sein. Mit anderen Worten, die Achse der Venus ist um 177,36° geneigt. Und jetzt kommts: So ne Achsneigung um fast 180° passiert ja nicht auf ein Mal. Da müssen schon mehrfach Achsneigungen passiert sein, bevor eine Planetenachse sich so weit neigt. Für den Mars führt der Artikel z.B. eine einmalige Achsneigung von maximal 45° an. Wenn nun aber die Venus bei sagenwirmal 135° Achsneigung angekommen ist - wie schaffte sie es dann noch weitere 42,77° weiter bis zum heutigen Stand? Bei 135° Achsneigung dreht die Venus sich ja bereits deutlich rückläufig. Und wie Lissauer erklärt, bei rückläufiger Rotation ist die Achse stabil!
Meiner Meinung nach beweist der Uranus, daß ein Drehmoment bei Erdmasse und 10 Stunden für eine Rotation nicht ausreicht, die Achse zu stabilisieren, und ebenso beweist für mich die Venus, daß dies Rückläufigkeit ebenfalls nicht leistet.
Daß die Rotationsrichtung von Planeten (hauptsächlich) durch die Kollision der Planetesimale bzw. später der Protoplaneten bestimmt ist, wie der Artikel ausführt, dagegen spricht, daß die Planeten unseres Sonnensystems nunmal die eine Drehrichtung bevorzugen. Die Kollision der Planetesimale war zu zahlreich, als daß deren Auswirkung nicht vom statistischen Rauschen gegenseitig nivelliert wäre. Und da die Kollision erst von Planetesimalen, später von Protoplaneten ein fließender Übergang ist, sehe ich hier dasselbe. Die Bevorzugung prograder statt retrograder Rotation der Planeten stimmt dem wie's scheint ja auch zu.
Danach geht es um Barnes' Erkenntnisse für einen Planeten am Rande der habitablen Zone mit einer eher geringen Atmosphäre. Wie etwa für den Mars. Völlig richtig ist, daß ein solcher Planet mit einer noch geringeren Achsneigung als der des Mars an beiden Polen weitaus größere Eiskappen ausbilden würde und somit in geologischen Zeiträumen das globale Klima deutlich niedriger ausfiele als auf dem heutigen Mars. Daß bei einer starken Achsneigung hin zu 90° eine dauerhafte Vereisung nur in Äquatornähe läge, da stimme ich ihm ebenfalls zu (freilich nicht wie auf dem Bild mit einem Flecken Eis irgendwo am Äquator, sondern mit einem Eisring um den ganzen Äquator). Was jedoch das globale Klimaverhalten in geologischen Zeitabständen betrifft, so sollte auch dieses zu einer deutlichen Abkühlung führen. Denn nur im Frühjahr und Herbst reduziert sich die Vereisung auf den äquatorialen Bereich, aber im Sommer wie Winter wäre neben dem Äquator auch eine ganze Hemisphäre vereist.
Das Problem dabei ist, daß ab einem bestimmten Prozentsatz, zu dem ein Planet mit Eis an der Oberfläche bedeckt ist, kippt das bisherige globale Klimasystem um, und der gesamte Planet vereist (Schneeball). Während ein Mars mit geringerer Achsneigung zwar zwei erheblich vergrößerte Polkappen besäße, würde dennoch der meiste Teil seiner Oberfläche jeden Tag von der Sonne beschienen, sodaß die Gefahr eines Schneeballs nicht besteht. Vereist hingegen jedes halbe Jahr neben dem flächenmäßig großen Äquatorialbereich nochmals die Hälfte des verbliebenen Bereiches, so besitzt ein solcher Mars weit mehr gleichzeitig vereiste Fläche, als er es bei 0° Achsneigung besäße.
Der Mars scheint mit seiner derzeitigen Achsneigung eher dicht am optimalen Punkt für ein möglichst warmes globales Klima zu liegen. Mit anderen Worten: jede Achsneigung könnte ihm ein schlechteres Klima einhandeln. Und das ist schon jetzt lausig und nicht gerade lebensfreundlich. Barnes, der in seiner Ausarbeitung Lissauers Beobachtungen noch nicht berücksichtigt hat und vom achsstabilisierenden Mond ausgeht, meint, daß ein solcher Mond für den Mars schlecht wäre. Er übersieht allerdings dabei, daß ein achsstabilisierender Mond nicht bedeutet, daß ein Planet eine Achsneigung nur vonwenigen Grad haben kann. Die Erde hat schließlich auch über 21°. Mit einer klimagünstigen Achsneigung und einem passend großen Mond wäre dem Mars durchaus geholfen (naja, beinahe, aber eben im Prinzip), weil seine Klimagünstigkeit damit auf Dauer gestützt würde. Ohne Mond hingegen kann der Mars wie jeder Exoplanet unter diesen Bedingungen immer wieder in die für Barnes schlechteste Achsausrichtungsmöglichkeit von nahe 0° (bzw. 180°)kommen. Und ebenso auch immer wieder in die Nähe von 90°, was wie ich dargelegt habe, m.E. noch schlimmer wäre als bei Barnes.
Nee,
@AryaStark, der Artikel überzeugt mich nicht ansatzweise. Und zwar, weil ich mich auf Fakten berufe, die nicht zu Lissauers und Barnes' Ausführungen passen. Verunsichert war ich beim Lesen aber durchaus. Prüfen, Recherche, Abgleichen von "Kontrollgruppen" ist in der Tat das wichtigste beim Lesen von neuen Forschungsergebnissen.
Dennoch bin ich nur Laie und mag hier noch vieles übersehen haben, was dann doch für Lissauer oder Barnes spricht. Je nun, ich kann halt nur mit den mir bekannten Fakten, Argumenten etc. meinen Standpunkt bilden und andere Standpunkte abgleichen. Und kann auch bei Recherche nicht alles finden. Vor allem, wenn ich nicht weiß, was ich alles berücksichtigen muß und also nicht weiß, welche Recherchen in welche Richtung ich noch anstellen müßte. Aber ich habe nen Standpunkt, und ich habe ihn soweit mir möglich ist gut abgesichert mit Fakten etc. Obs ein Reinfall sein wird wie weiland das mit der Nichtvermischbarkeit des Neandertaler- und Sapiens-Erbgutes, das wird die Zukunft zeigen.