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Doppelmord Babenhausen

26.215 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Mord, 2009, Nachbar ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
Zu diesem Thema gibt es eine von Diskussionsteilnehmern erstellte Zusammenfassung im Themen-Wiki.
Themen-Wiki: Doppelmord Babenhausen

Doppelmord Babenhausen

24.08.2019 um 07:33
Zitat von Deus_ex_MachinDeus_ex_Machin schrieb:Da hat wieder einmal der Wiederaufnahmespezialist Strate zugeschlagen. Der Mann ist wirklich jeden Cent wert.

Nach dem OLG, das natürlich auch in erstaunlicher Simplizität den Verwerfungsbeschluss des LG Kassel bestätigen dürfte, geht es dann zum BVerfG. Und da reicht man natürlich auch bei weitem nicht an Strates Genie heran.
Für den Fall dass das nicht ironisch gemeint war muss die Frage erlaubt sein warum Strates Genie augenscheinlich nicht ausreicht um zu verstehen, was jeder Laie verstehen kann. Der von Strate kritisierte Absatz der Ablehnung, leuchtet mir jedenfalls vollkommen ein:
Die Strafkammer in Darmstadt habe bereits einen Schusswaffensachverständigen gehört. Deshalb seien die von der Verteidigung präsentierten Schusswaffensachverständigen keine neuen Beweismittel. Es sei nicht dargetan, dass diese
Sachverständigen über überlegene Forschungsmittel verfügten. Deshalb sei der
Umstand, dass diese Sachverständigen zu anderen Schlussfolgerungen gelangen,
unbeachtlich.
Man hat es offenbar mit dem Trick versucht, die unbestreitbar verbesserte Videotechnik mit der die Schussversuche aufgenommen wurden als neue Methodik zu präsentieren. Das dürfte aber eben nur dann relevant sein, wen diese verbesserte Videotechnik tatsächlich ausschlaggebend wäre für die abweichenden Ergebnisse eines Gutachtens - also etwa wenn eine erhöhte zeitliche oder räumliche Auflösung zu Ergebnissen führen würden, die den ursprünglichen Gutachten widersprechen würden.

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24.08.2019 um 07:37
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Wohl gemerkt, das soll kein Strate-bashing werden. Er hat sich redlich bemüht. Meinen allerersten Wiederaufnahmeantrag habe ich vor vielen Jahren auch verloren. Ein Staatsanwalt versuchte mich dann mit den durchaus zutreffenden Worten zu trösten: "Du kannst nur dann gewinnen, wenn der Mandant und der Fall die entsprechenden Tatsachen bieten." So ist es wohl.
In dieser Hinsicht ist Strate natürlich kein Vorwurf zu machen. Aber kann es sein, dass er sich mit dem Fall verhoben hat? Es müsste ihm doch relativ früh klar geworden sein, dass der Mandant und der Fall nicht die entsprechenden Tatsachen bieten.


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24.08.2019 um 07:48
Zitat von falstafffalstaff schrieb:In dieser Hinsicht ist Strate natürlich kein Vorwurf zu machen. Aber kann es sein, dass er sich mit dem Fall verhoben hat? Es müsste ihm doch relativ früh klar geworden sein, dass der Mandant und der Fall nicht die entsprechenden Tatsachen bieten.
Das kann schon sein. Es ist mir auch schon einmal passiert, dass ich, nach Präsentation eines Falles durch eine Mandantin und erster Durchsicht der Lage hoffnungsvoll gedacht habe: da kann man was machen. Später hat sich herausgestellt, nein, da kann ich nichts machen. Das ist dann etwas peinlich, weil Mandanten oft glauben, der Anwalt ist ein, ja auch manchmal gut bezahlter, Halbgott, der es schon richten wird. Ich versuche zwar immer die Hoffnungen in Grenzen zu halten und deutlich zu machen, dass ein positiver Ausgang niemals garantiert werden kann, aber Mandanten hören gerne, was sie hören wollen.

Ich stelle es immer so dar: "Aus meiner beruflichen Erfahrung etc. etc. denke ich, wir haben eine 90-75-50-25% Chance zu gewinnen. Die Entscheidung liegt bei Ihnen, ob wir es probieren sollen oder nicht." Entscheidet sich der Mandant nun, dass wir es versuchen, werde ich alles tun, was ich kann, um ein positives Ergebnis zu erreichen. Allerdings versuche ich nie Hoffnungen zu wecken, an die ich selbst nicht glaube. In Fällen, wo ich von vornherein weniger als 50% Wahrscheinlichkeit sehe, bin ich immer sehr skeptisch. Meitens folgen die Mandanten meiner Einschätzung, aber manchmal sagen sie einfach auch: "wir haben nichts zu verlieren, probieren wir es." Ich sehe das wie ein Arzt, der kann auch nicht garantieren, dass ein Krebspatient auf jeden Fall geheilt wird und noch 50 Jahre leben wird, aber er wird dennoch versuchen, das Beste zu erreichen.

Hier glaube ich Strate, dass er eine Erfolgsmöglichkeit gesehen hat. Wie er die Wahrscheinlichkeit eingeschätzt hat, wissen nur er und die Darsows.


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24.08.2019 um 07:52
@falstaff
Wenn er sich verhoben hat, dann war dies nicht das erste Mal.
Ich denke, er wusste und weiß, dass die Chancen so gering waren, wie den Lotto-Jackpot zu knacken.
Aber seien wir ehrlich. Eine so präsente Kampagne zu unterstützen bringt ja auch Publicity.
Nun wird es wohl zunächst keine Fotos neben Anja D. in Turnschuhen mehr geben.
Sie hat mein Mitgefühl. So viel Energie, für nichts und wieder nichts.


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24.08.2019 um 07:53
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Hier glaube ich Strate, dass er eine Erfolgsmöglichkeit gesehen hat. Wie er die Wahrscheinlichkeit eingeschätzt hat, wissen nur er und die Darsows.
Aber verrennt er sich jetzt nicht völlig, wenn er es bei der nächsten Instanz versucht? Das ist doch komplett aussichtslos, wie du bereits dargestellt hast. Ich will nicht sagen dass er sich damit lächerlich macht und mir ist auch klar, dass es das Anwaltsethos verlangt, dass man alles versucht was möglich ist. Aber in Fachkreisen wird man sich doch wundern, warum er einen derartig substanzlosen Fall bis zum bitteren Ende vertritt...


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24.08.2019 um 07:59
Zitat von falstafffalstaff schrieb:Aber verrennt er sich nicht jetzt völlig, wenn er es bei der nächsten Instanz versucht? Das ist doch komplett aussichtslos, wie du bereits dargestellt hast.
Vor Gericht und auf hoher See ist man allein in Gottes Hand, wie es so schön heisst. Ich sage nie zu Mandanten, dass es 100% sicher ist, dass wir gewinnen, genausowenig sage ich, es gibt keinerlei Chance, ausser es ist aus rechtlichen Gründen völlig ausgeschlossen. Dann nehme ich das Mandat natürlich nicht an. Aber wo es um die Interpretation von Tatsachen geht, da gibt es in der Justiz niemals eine völlige Gewissheit.

Die Beschwerde vor dem OLG hat vermutlich noch weniger Aussichten auf Erfolg als der Antrag beim LG Kassel. Aber ich verstehe, wenn die Mandanten jetzt sagen: wenn wir schon bis hierher gekommen sind, dann versuchen wir es weiter. Und, man muss ja auch ehrlich sagen, wenn niemand sagen würde, wir gehen in die nächste Instanz, gäbe es auch keine Urteile höherer Instanzen, die Urteile niedrigerer Instanzen aufgehoben haben. Dann wären OLG, BGH usw. ohne Beschäftigung.

Ich hatte vor Kurzem so einen Fall. Ich sehe keine Möglichkeit eine Revision zu gewinnen und habe das meinen Mandanten auch gesagt. Ich kann nicht mit gutem Gewissen einen Antrag schreiben, von dem ich sicher bin, dass er erfolglos sein wird. Aber ich nehme es ihnen nicht übel, wenn sie sich einen anderen Anwalt suchen, der anderer Meinung ist.


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24.08.2019 um 08:03
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Die Beschwerde vor dem OLG hat vermutlich noch weniger Aussichten auf Erfolg als der Antrag beim LG Kassel. Aber ich verstehe, wenn die Mandanten jetzt sagen: wenn wir schon bis hierher gekommen sind, dann versuchen wir es weiter. Und, man muss ja auch ehrlich sagen, wenn niemand sagen würde, wir gehen in die nächste Instanz, gäbe es auch keine Urteile höherer Instanzen, die Urteile niedrigerer Instanzen aufgehoben haben. Dann wären OLG, BGH usw. ohne Beschäftigung.
Prinzipiell ist mir das klar. Aber mit der Begründung die das LG geliefert hat ist es doch völlig unwahrscheinlich, dass das OLG den ganzen Fall nochmal neu aufrollt. Die werden sich die Begründung für die Ablehnung ansehen und wenn sie darin keine logischen oder inhaltlichen Fehler erkennen können, dann werden sie die Entscheidung bestätigen.


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24.08.2019 um 08:06
Zitat von falstafffalstaff schrieb:Prinzipiell ist mir das klar. Aber mit der Begründung die das LG geliefert hat ist es doch völlig unwahrscheinlich, dass das OLG den ganzen Fall nochmal neu aufrollt. Die werden sich die Begründung für die Ablehnung ansehen und wenn sie darin keine logischen oder inhaltlichen Fehler erkennen können, dann werden sie die Entscheidung bestätigen.
Das ist das Problem mit höheren Istanzen: diese müssen, wenn man erfolgreich sein will, nicht nur den Fall mit neuen Augen sehen, sondern auch willens sein, anzunehmen, dass sich die untere Instanz geirrt hat. Je mehr Gerichte sich schon mit dem Fall beschäftigt haben, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Richter nun sagen werden: wer sind wir, die wir uns über so viele Kollegen stellen? Daher sinkt in jeder Instanz die Wahrscheinlichkeit erfolgreich zu sein.

Aber wie gesagt, man ist nicht Richter am OLG wenn man meint, die Kollegen an der Front machen keine Fehler :)


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24.08.2019 um 08:15
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Aber wie gesagt, man ist nicht Richter am OLG wenn man meint, die Kollegen an der Front machen keine Fehler :)
Wenn man einen Begriff aus der Investmentwelt verwenden wollte, könnte man das als "Human Arbitrage" bezeichnen: Ein Versuch, menschliche Ineffizienz auszunutzen. Ich kann es daher zwar nachvollziehen wenn man jetzt an die nächste Instanz geht, nur verstehe ich das Bohai nicht so ganz. Die Art und Weise wie Strate seine Argumente gegen die Ablehnung vorträgt erinnert mich streckenweise an Frau Darsows Urteilskommentare, auch wenn seine Argumente natürlich inhaltlich besser sind.


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24.08.2019 um 08:20
Zitat von falstafffalstaff schrieb:Die Art und Weise wie Strate seine Argumente gegen die Ablehnung vorträgt
Da schillert seine Persönlichkeit durch. Wer Strate kennt, erkennt ihn darin. Ich würde anders formulieren, aber ich habe eben auch eine andere Geschichte. Wichtig ist aber, dass seine Argumente Hand und Fuss haben. Man darf sich da auch nicht irre machen lassen, er ist ein guter und erfahrener Rechtsanwalt. Nur in diesem Fall kann auch er nicht gegen die Tatsachen des Falles angehen und sie beiseiteschieben.


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24.08.2019 um 08:51
Zitat von falstafffalstaff schrieb:Für den Fall dass das nicht ironisch gemeint war
Ich denke, ich habe in diesem Thread so viel mitdiskutiert, dass man meinen Sarkasmus deutlich erkennen kann.

Strate ist der Vorwurf zu machen, dass er auch dieses Verfahren als Selbstläufer in seinem Sinne inszeniert hat. Man schaue sich nur die Pressekonferenz zur Einreichung des WA-Antrags an:

Youtube: Pressekonferenz Doppelmord von Babenhausen
Pressekonferenz Doppelmord von Babenhausen
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24.08.2019 um 09:00
Zitat von Deus_ex_MachinDeus_ex_Machin schrieb:Ich denke, ich habe in diesem Thread so viel mitdiskutiert, dass man meinen Sarkasmus deutlich erkennen kann.
Sorry, ich konnte das nicht mehr persönlich zuordnen. Das Problem ist dass dein Beitrag exakt so auch von einem Strate-Groupie formuliert hätte sein können :-)


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24.08.2019 um 09:51
@Deus_ex_Machin
Exakt. Diese Inszenierung war es, was bei mir immer das Gefühl einer Medienkampagne hinterließ und nicht der einer ob der guten Argumente selbstsicher agierenden Partei in einem Rechtsstreit.
Öffentlichkeit gehört bei Strate dazu. Was ich auf der einen Seite sehr schätze. Denn in nur wenigen Fällen sind wie bei deinen fast alle Dokumente verfügbar, so dass man sich ein umfassendes Bild machen kann. Umfassender jedenfalls als bei den meisten anderen, wobei eben auch nicht alles online kommt, aus welchen getaucht immer. Andererseits wird über Pressekonferenzen und Medienberichte schon mal Stimmung gemacht, eine Erwartungshaltung erzeugt. So haben im Internet viele Personen gemeint, wenn Strate sich um den Fall kümmert muss das unkoscher gelaufen sein, sonst würde der das nicht machen. Und das Gericht hat in deren Augen nur genau eine einzige Option, das (sichere) Unrecht in Ordnung zu bringen, indem es das Verfahren wieder aufnimmt und das erste Urteil revidiert. Entscheidet das Gericht gegenteilig, dann würde in der Wahrnehmung nicht etwa die Wahrheit bestätigt. Sondern das Gericht bestätigt die ganzen Zweifel: es hackt den anderen Krähen kein Auge aus, es hat nicht im Zweifel für den Verurteilten entschieden, lässt kaltherzig einen Unschuldigen im Knast und eine Familie getrennt...
Mit solchen Kampagnen geht man weg von der Wahrheitssuche und hin zu einer Stimmungsmache. Und das nehm ich übel.

Jemand, der vom Inhalt seines Wiederaufnahmeantrages überzeugt ist, braucht keinen Firlefanz und keine Öffentlichkeit.
Wäre aus meiner Sicht auch leichter für die Familie gewesen, nicht über Jahre Erfolgsdruck und Hoffnungen zu erzeugen, stattdessen im Hintergrund vorangehen (auch juristisch, wenn es hier noch realistische Möglichkeiten gibt).

Aber das ist ja nur meine persönliche Sicht auf dieses Bohei.

Zum Ergebnis des Antrages habt Ihr ja schon das meiste gesagt. Statt alte Dinge neu zu bewerten wäre das Geld besser ausgegeben worden, um Neues zu finden.


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24.08.2019 um 10:02
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Meinen allerersten Wiederaufnahmeantrag habe ich vor vielen Jahren auch verloren. Ein Staatsanwalt versuchte mich dann mit den durchaus zutreffenden Worten zu trösten: "Du kannst nur dann gewinnen, wenn der Mandant und der Fall die entsprechenden Tatsachen bieten." So ist es wohl.
Ja, genau so ist es. Zu Anwälten, die viel mit Zivilrecht zu tun haben, kommen auch oft Mandanten, die mit mit anderen unglückliche Verträge geschlossen haben und nun aus diesen Verträgen nun herauskommen wollen oder wo zwischen den Vertragspartnern Streit über die Vertragsauslegung entstanden ist.

Da seufzt so ein Anwalt auch nur und denkt „Wären die doch bloß vor Vertragsabschluss gekommen und hätten den Vertragstext prüfen lassen“. Da kann dann der beste Anwalt nichts retten, wenn schon im Vorfeld alles schiefgelaufen ist.


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24.08.2019 um 10:13
Zitat von jaskajaska schrieb:Andererseits wird über Pressekonferenzen und Medienberichte schon mal Stimmung gemacht, eine Erwartungshaltung erzeugt. So haben im Internet viele Personen gemeint, wenn Strate sich um den Fall kümmert muss das unkoscher gelaufen sein, sonst würde der das nicht machen. Und das Gericht hat in deren Augen nur genau eine einzige Option, das (sichere) Unrecht in Ordnung zu bringen, indem es das Verfahren wieder aufnimmt und das erste Urteil revidiert.
In gewisser Weise stimmt das. Allerdings muss man sagen, dass Dr. Strate sicherlich nicht der Strippenzieher hinter der medialen Öffentlichkeit war. Er gehört wie ich einer Generation an, der solcher Medienwirbel eigentlich noch recht fremd ist. Natürlich sonnt man sich auch ganz gern im Licht des Ruhms, wenn man erfolgreich ist. Aber ich empfinde es bei ihm nicht als übertrieben.

Ich habe auch schon an Wiederaufnahmeverfahren mitgewirkt, die wir sogar gewonnen haben. Klar war ich auch stolz, meinen Namen in der Zeitung zu lesen. Meine eine Generation jüngere Assistentin meinte, ich sollte die Artikel einrahmen und im Büro an der Wand aufhängen. Mir liegt das gar nicht, und so hängt da auch nichts, aber für sie, ein Kind der Internetgeneration war das eine ganz natürliche Idee.

Ich verstehe daher aber auch, wenn jüngere Leute, vor allem eben nicht-Juristen, meinen, möglichst grosse Öffentlichkeit ist wichtig. Das kommt ja auch aus einem Gefühl der Hilflosigkeit, und es ist sicherlich auch richtig, dass in den Gefängnissen dieser Welt so mancher einsitzt, der wirklich unschuldig ist, aber kein Mensch wird das je erfahren, weil die Medien diese Fälle gar nicht kennen. Man sieht dann auch, wie gewaltige Medienwirkung in manchen Fällen (muss ich O.J. Simpson erwähnen?) zu zweifelhaften Ergebnissen führen.

Aber es ist aus meiner Erfahrung komplett falsch und sogar böswillig, nun allen Strafverteidigern zu unterstellen, dass sie so etwas anheizen oder gar nur um der eigenen Publicity willen initiieren. In gewisser Weise ist die heute wahrnehmbare öffentliche Diskussion nur Ausdruck unserer sehr "öffentlichkeitsbewussten" Zeit.

Vor hundert Jahren war das nicht anders, aber eben räumlich extrem limitiert. Wenn da in Schongau ein Fall stattfand und die Bevölkerung das Gefühl hatte, das königlich bayerische Amtsgericht hat falsch geurteilt, hat man das auch diskutiert: auf dem Marktplatz, im Wirtshaus usw. Nur, in München schon hat man das gar nicht zur Kenntnis genommen. Heute geht man auf youtube und schon weiss ganz allmy... ich meine die ganze Welt, was da los ist.

Das ist so. Ob man das lamentieren soll, weiss ich nicht. Meine Tochter meint dann nur: "Du bist ja sooo altmodisch" :)

Man soll sich auch nichts vormachen: auch die "Gegenseite" bedient sich immer öfter der Medien, in Deutschland noch nicht so verbreitet wie z.B. in England, Italien oder den USA. Staatsanwälte dort lieben das Licht von Fernsehkameras...


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24.08.2019 um 10:13
Zitat von AndanteAndante schrieb:Da seufzt so ein Anwalt auch nur und denkt „Wären die doch bloß vor Vertragsabschluss gekommen und hätten den Vertragstext prüfen lassen“. Da kann dann der beste Anwalt nichts retten, wenn schon im Vorfeld alles schiefgelaufen ist.
Oh ja, wenn ich für diesen Gedanken jedes Mal 100 Euro bekäme...


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24.08.2019 um 10:31
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Man soll sich auch nichts vormachen: auch die "Gegenseite" bedient sich immer öfter der Medien, in Deutschland noch nicht so verbreitet wie z.B. in England, Italien oder den USA. Staatsanwälte dort lieben das Licht von Fernsehkameras...
Vielen Dank, @Rick_Blaine, das sind sehr kluge Ausführungen. Mich beschäftigt bei Justizfällen, die medial viel Beachtung finden, auch zunehmend der Gedanke, wann und welchen Mitteln Polizei, StA und Gerichte „aufrüsten“ werden, um sich in der heutigen Kampagnenwelt noch irgendwie zu behaupten. Denn natürlich haben sie manchmal das starke Bedürfnis, öffentliche Falschdarstellungen der Campagneros zu korrigieren.

Es gibt zwar die dürren, betont sachlichen Statements der Pressesprecher der Behörden. Im Vergleich zur Medienarbeit von Unterstützergruppen etc. bleibt derlei aber praktisch ungehört. Noch ist es Staatsanwälten hierzulande verboten, sich in Talkshows und vor die Kameras zu begeben und ihre Fälle zu erklären und darzulegen, warum aus ihrer Sicht der Angeklagte ein ganz schlimmer Finger ist und keineswegs so unschuldig, wie er tut.

Auch Richter könnten (nach abgeschlossenem Prozess, sonst würde es ja postwendend Befangenheitsanträge hageln) so etwas machen, vorausgesetzt, sie wären von den gesetzlichen Hemmnissen der Verschwiegenheitspflicht und zur Pflicht der Wahrung des Beratungsgeheimnisses befreit.

Aber können wir so eine Art von „Transparenz“ wirklich wollen? Die Medien wären sicherlich entzückt, wenn sich alle Prozessbeteiligten öffentliche Schlammschlachten liefern würden. Ob sie aber das Vertrauen der Bürger in die Justiz steigern würden, darf man bezweifeln.


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24.08.2019 um 10:35
Zitat von AndanteAndante schrieb:Noch ist es Staatsanwälten hierzulande verboten, sich in Talkshows und vor die Kameras zu begeben und ihre Fälle zu erklären und darzulegen, warum aus ihrer Sicht der Angeklagte ein ganz schlimmer Finger ist und keineswegs so unschuldig, wie er tut.

Auch Richter könnten (nach abgeschlossenem Prozess, sonst würde es ja postwendend Befangenheitsanträge hageln) so etwas machen, vorausgesetzt, sie wären von den gesetzlichen Hemmnissen der Verschwiegenheitspflicht und der Wahrung des Beratungsgeheimnisses befreit.

Aber können wir so eine Art von „Transparenz“ wirklich wollen? Die Medien wären sicherlich entzückt, wenn sich alle Prozessbeteiligten öffentliche Schlammschlachten liefern würden. Ob sie aber das Vertrauen der Bürger in die Justiz steigern würden, darf man bezweifeln.
Danke. "Noch" ist es in Deutschland zum Glück nicht erlaubt. In den USA hat man im Jodie Arias Fall gesehen, wohin es führen kann. Der den Fall leitende Staatsanwalt hat während dem Verfahren versucht, keine Kamera zu verpassen, die sich auf ihn richtete...

Das war ein ganz mieses Theater. Er hat zwar anschliessend auch standesrechtliche Probleme bekommen, aber viele Leute haben dieses Theater sehr genossen. Ähnlich war es im Fall Amanda Knox in Italien.

Da kann man nur sagen: wehret den Anfängen.


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24.08.2019 um 10:55
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Danke. "Noch" ist es in Deutschland zum Glück nicht erlaubt. In den USA hat man im Jodie Arias Fall gesehen, wohin es führen kann. Der den Fall leitende Staatsanwalt hat während dem Verfahren versucht, keine Kamera zu verpassen, die sich auf ihn richtete...
Ist einer der Staatsanwälte im Avery - Fall nicht auch den Lockungen der medialen Selbstvermarktung verfallen?

Ich sehe keinerlei Chance darauf, dass Staatsanwälte und Richter auch nur annähernd mit den medialen Aktivitäten privater Kampagnen mithalten können. Ein Verurteilter und dessen Angehörige und Mitstreiter können ihre komplette Energie auf ihre Kampagne richten und jahrelang Propaganda produzieren. Wenn Staatsanwälte und Richter gezwungen wären da gegen zuhalten, würden manche einen großen Teil ihres Berufslebens nur noch mit einigen wenigen Fällen verbringen. Mal davon abgesehen dass es die Unabhängigkeit der Gerichte gefährden würde, wenn sich Richter hinterher in Talkshows für ihre Entscheidungen rechtfertigen müssten. Damit würde man dem Affen ohnehin nur noch mehr Zucker geben - denn warum sollten die Campagneros Argumente in Stern TV akzeptieren, die sie zuvor bereits im Gerichtssaal abgelehnt hatten?


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24.08.2019 um 11:13
@Rick_Blaine
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Aber es ist aus meiner Erfahrung komplett falsch und sogar böswillig, nun allen Strafverteidigern zu unterstellen, dass sie so etwas anheizen oder gar nur um der eigenen Publicity willen initiieren.
Das liegt mir fern.
Mir ging es um Strate und wie ich das empfinde.


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