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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

11.655 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Wald, Entführung, München ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
Zu diesem Thema gibt es eine von Diskussionsteilnehmern erstellte Zusammenfassung im Themen-Wiki.
Themen-Wiki: Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

25.06.2019 um 00:56
Zitat von JosefK1914-2JosefK1914-2 schrieb:Selbst wenn das Gericht das fehlerhaft zugeordnet hat, entlasten kann es die Gutachterin nicht.
Und warum ist derlei der Verteidigung von Mazurek nicht aufgefallen? Wenn die Gutachtengeschichte so fehlerhaft war, muss doch die Verteidigung die Finger in die Wunde legen. Wozu sonst gibt es Verteidiger?

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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

25.06.2019 um 06:29
Zitat von AndanteAndante schrieb:Und warum ist derlei der Verteidigung von Mazurek nicht aufgefallen? Wenn die Gutachtengeschichte so fehlerhaft war, muss doch die Verteidigung die Finger in die Wunde legen. Wozu sonst gibt es Verteidiger?
Das ist der Verteidigung sehr wohl aufgefallen. Der Finger wurde in die Wunde gelegt. Aber die Kammer hat anders entschieden.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

25.06.2019 um 21:25
Zitat von JosephConradJosephConrad schrieb:Was kam eigentilich beim "Staubgutachten" heraus?
Was im Staubgutachten steht, weiß ich leider auch nicht.

Es ist bekannt, das Werner M. sehr häufug umgzogen ist und in vielen Landesteilen gewohnt hat. Die Verteidigung hat den Untersuchungsantrag gestellt, weil sie der Meinung war, dass genau aus all diesen Landesteilen im Tonbandgerät auch spezifische Pollen stecken müssten, falls M. dass Gerät seit 1980 hatte. Es steht der Gedanke dahinter, dass M. das Gerät in Norddeutschland erworben hat und deshalb wahrscheinlich keine Pollen aus der Ammerseeregion darin sind.

Es gibt aber einen Denkfehler: Der Ammersee gehört in den Großraum München. Die in München oder am Ammersee vorhandenen Pollen dürften ziemlich gleich sein. Auch wenn M. das Gerät niemals in Süddeutschland hatte, wurde es doch intensiv in München im LKA benutzt. Allein dadurch wären Oberbayerische Pollen vorhanden, auch wenn es vorher niemals in dieser Gegend war.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

25.06.2019 um 21:52
@robernd
Gar nicht schlecht.
Vielen Dank, dass Du noch darauf geantwortet hast.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

27.06.2019 um 11:10
Trotzdem sind die zunächst entscheidenden Fragen rechtlicher Art:

Wenn die StA Ermittlungen gegen die beiden Schüler aufnehmen sollte, könnte sie das überhaupt nur wegen Delikten, die noch nicht verjährt sind. Wir haben das hier schon ausführlich diskutiert.

Anders als manche meinen, ist die StA nämlich nicht ausschließlich zu Aufklärungszwecken da. Sie ist vielmehr Strafverfolgungsorgan zur Verwirklichung des staatlichen Strafanspruchs. Und dieser staatliche Strafanspruch kann nur verwirklicht werden, wenn am Ende ein Täter auch bestraft werden kann. Ist das nicht der Fall, etwa weil der Täter tot oder die von ihm (mutmaßlich) begangene Tat eindeutig verjährt und damit nicht mehr verfolgbar ist, wird und muss die StA keine Ermittlungen einleiten, wie sich aus dem von mir bereits zitierten § 152 Abs. 2 StPO, dort aus dem Wort „verfolgbar“, ergibt.

Das heißt hier: Einzig nicht verjährt wäre Mord, und nur wegen Mordverdachts wären noch Ermittlungen möglich. Hingegen wäre eindeutig verjährt das Delikt, weswegen Mazurek verurteilt wurde, nämlich der erpresserische Menschenraub mit Todesfolge nach § 239 a StGB.

Folglich müssten sich genügend zureichende tatsächliche Anhaltspunkte im Sinne von § 52 Abs. 2 StPO dafür ergeben, dass die beiden Schüler einen Mord - und nicht nur einen erpresserischen Menschenraub mit Todesfolge - an Ursula begangen haben könnten, so dass die StA insoweit Ermittlungen aufnehmen könnte.

Wohlgemerkt NUR WEGEN MORDES. Eines der in § 211 Abs. 2 StGB genannten Mordmerkmale braucht es dafür nun mal zwingend. Wenn bei Mazurek keines gefunden wurde, wo soll es für die Schüler herkommen?


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

27.06.2019 um 11:15
Zitat von AndanteAndante schrieb:Wohlgemerkt NUR WEGEN MORDES. Eines der in § 211 Abs. 2 StGB genannten Mordmerkmale braucht es dafür nun mal zwingend. Wenn bei Mazurek keines gefunden wurde, wo soll es für die Schüler herkommen?
Könnte die StA heute sagen, wir ändern unsere Meinung von damals, es war doch Mord (im Sinne der Aussage von Frau Zech unten) weil wir die Umstände der Entführung neu bewerten?
Zitat von ErwinKösterErwinKöster schrieb am 06.12.2017:Rechtsanwältin Marion Zech, die die Familie vertrat, bewertete die Tat anders als die Staatsanwaltschaft als Mord, nicht lediglich als Entführung mit Todesfolge. Das Vorgehen der Täter sei mit einer so großen objektiven Gefahr für das Leben des Kindes verbunden gewesen, dass man zumindest von einem bedingten Tötungsvorsatz ausgehen müsse.



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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

27.06.2019 um 11:35
@JosephConrad

Die StA ist natürlich nicht an die Feststellung des Gerichts gebunden. Es gibt ja auch zusätzliche Indizien, wo man durchaus einen Mord zumindest für möglich ansehen könnte (verdeckte Belüftungsrohre).

Ich denke @Andante betrachtet das alles zu eindimensional.

Nehmen wir mal folgenden fiktiven Fall:

  • Jemand wurde wegen eines Kaptaldelikts rechtkräftig verurteilt
  • Es gibt relativ klare Indizien, welche eine andere Hypothese nahelegt, deren Tatumstände aber zeigen, dass diese nicht mehr verfolgbar wäre


Was wäre hier zu tun? Ermittlungen einfach einstellen und den evtl. unschuldig verurteilten weiter im Gefängnis schmoren zu lassen?

Ich denke spätestens seit Radbruch gibt es diesbzgl. eine Antwort drauf.


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27.06.2019 um 12:03
Radbruch hat nirgendwo geschrieben, dass eine StA nicht verfolgbare Straftaten trotzdem verfolgen darf. Er kannte § 344 StGB, wonach ein Polizist oder Staatsanwalt bestraft wird, wenn er jemanden strafrechtlich verfolgt, der nicht mehr verfolgt werden darf, weil etwa die Tat verjährt oder der Betreffende wegen desselben Delikts rechtskräftig freigesprochen ist.

Wegen der gesetzlichen Verjährungsfristen als solche sind Beschwerden an den Gesetzgeber zu richten. Die StA hat sich nun mal an die kodifizierten Verjährungsfristen zu halten.

Ich sehe da auch nichts eindimensional, sondern ich gebe die bestehende Gesetzeslage wieder. Und danach ist, unabhängig vom vorliegenden Fall, eine StA nun mal von Gesetzes wegen keine Super-Ermittlungsinstanz, die immer dann tätig werden muss, wenn jemand es beantragt. Sondern sie muss und wird tätig werden in den Fällen, die ihr das Gesetz vorschreibt.

Eine ganz andere Frage ist, wenn jemand rechtskräftig verurteilt ist und das Urteil für ein Fehlurteil hält. Hierfür hat der Gesetzgeber nun mal das Wiederaufnahmeverfahren nach § 359 StPO vorgesehen. Er hat aber dort nicht gleichzeitig vorgesehen, dass die StA dem Verurteilten zur Vorbereitung des WAV Hilfe zu leisten hat, wie hier einige fälschlich meinen.

Noch mal: Ich gebe die bestehende Gesetzeslage wieder, an die sich die StA nun mal zu halten hat. Diese Gesetzeslage kann man natürlich für verbesserungsbedürftig halten. Dann aber muss man sich eben an den Gesetzgeber wenden.

Ich habe auch volles Verständnis dafür, dass die Familie von Ursula Zweifel an der Schuld von Mazurek hat und die Wahrheit wissen möchte. Worum es mir nur geht, ist, die sich hier für die StA ergebenden rechtlichen Grenzen der Wahrheitsfindung aufzuzeigen. Und ohne zureichende Anhaltspunkte für ein Mordmerkmal wird es keine Mordermittlungen geben können.

Ich hatte hier schon mal eine Übersicht eingestellt, was täterbezogene und was tatbezogene Mordmerkmale sind. Bei den täterbezogenen Mordmerkmalen (zB Mordlust) müsste man einen TV haben, in dessen Person sie verwirklicht sind, denn nur wenn man den TV kennt, kann man ihm subjektiv dieses Mordmerkmal zuordnen.

Bei den tatbezogenen Mordmerkmalen (zB Grausamkeit der Tötung, Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln) wären auch Mordermittlungen gegen Unbekannt möglich.

Man kann sicher davon ausgehen, dass die StA sorgfältig prüft, ob sie hier zureichende Anhaltspunkte für die Verwirklichung eines oder mehrer Mordmerkmale hat, die sie dann vor Gericht auch beweisen könnte. Man muss aber auch damit rechnen, dass die StA diese Frage ggf. verneint.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

27.06.2019 um 12:20
Zitat von AndanteAndante schrieb:Ich sehe da auch nichts eindimensional, sondern ich gebe die bestehende Gesetzeslage wieder. Und danach ist, unabhängig vom vorliegenden Fall, eine StA nun mal von Gesetzes wegen keine Super-Ermittlungsinstanz, die immer dann tätig werden muss, wenn jemand es beantragt. Sondern sie muss und wird tätig werden in den Fällen, die ihr das Gesetz vorschreibt.
Ich denke nicht.

Klar gibt Radbruch nicht direkt eine Antwort, das Recht müssen natürlich die StA und Richter in Sinne eines Rechtsstaats weiter bilden. Nein, der Gesetzgeber ist nicht allein gefragt, dazu hat Radbruch auch damals Antworten gegeben. Es gibt eben immer Fälle, wo das einfachrechtliche Recht der Sache nicht gerecht werden kann. Wenn dann jedes mal der Gesetzgeber einspringen müsste, würde der Gesetzgeber ständig etwas ändern müssen.

Die vorhandene Gesetzeslage gibt auch schon ohne Radbruch genügend Möglichkeiten, die Ermittlungen weiter zu führen. Diese Diskussion hatten wir auch schon.

Hier nochmal der Auszug den ich hier vor einigen Beiträgen schon gepostet wurde:
Liegt ein Sachverhalt vor, bei dem nach kriminalistischer Erfahrung die wenn auch geringe Wahrscheinlichkeit besteht, dass eine verfolgbare Straftat begangen worden ist, besteht ein Anfangsverdacht (§ 152 Abs. 2 StPO). Dieser löst die Strafverfolgungspflicht aus. Es ist nicht notwendig, dass sich der Verdacht gegen eine bestimmte Person richtet.

Bleibt nach Prüfung der vorliegenden Anhaltspunkte unklar, ob ein Anfangsverdacht besteht, und sind Ansätze für weitere Nachforschungen vorhanden, so können die Strafverfolgungsbehörden diesen nachgehen. In solchen Fällen besteht keine gesetzliche Verfolgungspflicht. Ziel ist allein die Klärung, ob ein Anfangsverdacht besteht. Strafprozessuale Zwangs- und Eingriffsbefugnisse stehen den Strafverfolgungsbehörden in diesem Stadium nicht zu.
Ob und inwieweit die Strafverfolgungsbehörden sich in diesen Fällen um weitere Aufklärung bemühen, richtet sich nach Verhältnismäßigkeitserwägungen; wegen der besonderen Gefährlichkeit der Organisierten Kriminalität werden sie ihre Aufklärungsmöglichkeiten bei Anhaltspunkten für solche Straftaten in der Regel ausschöpfen.
https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_bes_text?anw_nr=1&gld_nr=2&ugl_nr=2056&bes_id=3255&val=3255&ver=7&sg=0&aufgehoben=N&menu=1

Wie Du dem obigen Text entnehmen kann, für einen Anfangsverdacht reicht schon die geringe Wahrscheinlichkeit (hier für Mord) aus. Und selbst wenn der Anfangsverdacht sich erstmal nicht erhärten lässt, bedeutet das nicht unbedingt der Stillstand der Ermittlungen, die StA hat also schon ausreichende Mittel zur Verfügung (wenn sie nur wollte).

Ich denke, wir sollten diese Diskussion nicht erneut führen, Deine Ansicht (mehr ist es nicht) ist bekannt, die Gesetzeslage, welche sich mit Deiner nicht wirklich deckt, ist hier ausreichend aufgezeigt worden.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

27.06.2019 um 12:58
Zitat von JosefK1914-2JosefK1914-2 schrieb:Nein, der Gesetzgeber ist nicht allein gefragt, dazu hat Radbruch auch damals Antworten gegeben. Es gibt eben immer Fälle, wo das einfachrechtliche Recht der Sache nicht gerecht werden kann.
Dann ist der einfache Richter oder der einfache Staatsanwalt aber nicht berufen, sich sein eigenes Recht nach Gusto zu machen, und Gustav Radbruch hat derlei nun wirklich nie gesagt.

Ich begreife nicht, warum es einigen so schwer fällt, die Gewaltenteilung zu akzeptieren, wonach die vom Volk gewählten Parlamentarier die Gesetze beschließen und Exekutive und Judikative sie auszuführen haben. Nicht jedes Gesetz gefällt jedem, aber deshalb ist es trotzdem anzuwenden und zu befolgen, auch wenn der jeweilige Richter es für blöd oder ineffektiv hält.

Die allerwenigsten Gesetze sind verfassungswidrig, und wenn einem Gericht mal ein Gesetz unterkommt, was anzuwenden ist, das Gericht es aber für verfassungswidrig hält, muss das Gericht die Sache dem Verfassungsgericht vorlegen. Es darf nicht einfach entscheiden, dass es dieses Gesetz nicht beachtet.

Will das Volk die Gesetze nicht, die die Volksvertreter machen, muss das Volk halt andere Leute in die Parlamente wählen. So ist die Laube, und da nützt auch der ständige Hinweis auf Radbruch nichts.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

27.06.2019 um 13:06
Zitat von AndanteAndante schrieb:Dann ist der einfache Richter oder der einfache Staatsanwalt aber nicht berufen, sich sein eigenes Recht nach Gusto zu machen, und Gustav Radbruch hat derlei nun wirklich nie gesagt.
Es geht hier nicht nach "Gusto", sondern es geht um Recht, dass sich aus Rechtsstaatlichkeit und dem Grundgesetz ergeben.

Findest Du eigentlich im Gesetzt den Begriff "Rechtssicherheit"? Nein, sie wurde nie vom Gesetzgeber so definiert sondern ist aus gerichtlicher Rechtsfortbildung entstanden. Willst Du das auch nach "Gusto" nach eigenem Recht der Gerichte ansehen?


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27.06.2019 um 16:41
@JosefK1914-2

Die Rechtssicherheit ist ein elementarer rechtsstaatlicher Grundsatz. Ohne sie könnten weder Verträge geschlossen werden noch steuerliche Festsetzungen erfolgen noch Sozialleistungen definitiv gewährt noch Leute freigesprochen oder verurteilt noch Zwangsvollstreckungen betrieben noch Firmen gegründet werden.

Irgendwann sind behördliche und gerichtliche Entscheidungen bestands- bzw. rechtskräftig und können mit Rechtsmitteln nicht mehr angefochten werden. Das ist gesetzlich vollkommen bewusst so vorgesehen und eben Ausfluss dessen, dass vom Gesetzgeber Rechtssicherheit gewollt ist und nicht noch mal und noch mal und noch mal über hundert Jahre ein- und dieselbe Frage immer wieder behandelt werden muss. Dabei wird im Interesse der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens in Kauf genommen, dass eine rechtskräftige Entscheidung falsch sein kann.

Man kann ja die Anzahl der Rechtsmittel gesetzlich verdoppeln, statt max. 3 gerichtliche Instanzenzüge eben 10 oder 20. Das ist eine politische Entscheidung (und natürlich eine Finanzierungsfrage). Aber ist eine Frage rechtskräftig entschieden, kann eine andere Behörde oder ein Gericht sie nicht einfach noch mal entscheiden, nur weil es Lust darauf hat oder die rechtskräftige Entscheidung falsch findet und die Frage anders entscheiden möchte.

Rechtskraftregelungen finden sich in vielen Gesetzen. Man unterscheidet dabei die formelle und die materielle Rechtskraft. Materielle Rechtskraft bedeutet, dass derselbe Lebenssachverhalt, wenn über ihn rechtskräftig entschieden worden ist, nicht noch mal zur Entscheidung der Gerichte gestellt werden kann (zB § 325 ZPO). Formelle Rechtskraft bedeutet, dass Entscheidungen nur dort, wo das ausdrücklich geregelt ist, mit den dafür vorgesehenen Rechtsmitteln angegriffen werden können (zB § 705 ZPO).


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27.06.2019 um 17:01
Zitat von JosephConradJosephConrad schrieb:Könnte die StA heute sagen, wir ändern unsere Meinung von damals, es war doch Mord (im Sinne der Aussage von Frau Zech unten) weil wir die Umstände der Entführung neu bewerten?
Nein, Mazurek dürfte wegen derselben Tat nicht noch mal vor Gericht gestellt und diesmal schärfer bestraft werden. Das ergibt sich aus Artikel 103 Abs. 3 des Grundgesetzes, wonach niemand wegen derselben Tat mehrmals bestraft werden kann.

im Hinblick auf die Rechtssicherheit kann das eben auch zur Folge haben, dass jemandem, der rechtskräftig freigesprochen ist und bei dem sich erst hinterher zweifelsfrei ergibt, dass er der Täter ist, wie im Fall des Mörders der Frederike von Möhlmann, nicht noch mal der Prozess gemacht werden kann und dass der Mörder bis heute frei herumläuft.

Was Mazurek betrifft, sind bei ihm eben kein Tötungsvorsatz und kein Mordmerkmal festgestellt worden. Es muss doch jetzt zumindest in der Diskussion theoretisch die Überlegung erlaubt sein, ob und inwieweit dann, zumal nach so vielen Jahren, eigentlich möglich wäre, bei jemand anderem zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für Mord festzustellen und diesen Mord dann auch vor Gericht zu beweisen, ohne dass gleich in Bausch und Bogen jegliche Rechtsstaatlichkeit in D in Frage gestellt wird.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

27.06.2019 um 17:15
Zitat von AndanteAndante schrieb:Nein, Mazurek dürfte wegen derselben Tat nicht noch mal vor Gericht gestellt und diesmal schärfer bestraft werden. Das ergibt sich aus Artikel 103 Abs. 3 des Grundgesetzes, wonach niemand wegen derselben Tat mehrmals bestraft werden kann.
Das war jetzt ein Missverständnis: meine Frage war bezogen auf die beiden Schüler als theoretische neue Verdächtige:
Zitat von AndanteAndante schrieb:. Wenn bei Mazurek keines gefunden wurde, wo soll es für die Schüler herkommen?



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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

27.06.2019 um 17:33
@Andante

Du wirst aber nie im Gesetz finden, wann die es rechtstaatlich das Rechtssicherheitsprinzip nicht haltbar ist. Es sind immer Abwägungen zu treffen, nichts ist absolut. Rechtssicherheit ist ein Begriff, deren Folgen zwar in den Gesetzen zu finden ist, der Begriff selber wird aber rein nur aus der Rechtsstaatlichkeit abgeleitet.

Und diese ist letztendlich im GG nur in einem Artikel zu finden, dem Art 28. Es gehört eben zu einem Rechtsstaat, ohne dass es explizit genannt werden muss.

Kommen wir mal auf den vorliegenden Fall zurück, so gibt schon das vorhandene einfachrechtliche Gesetz/Richtlinie der StA auch schon ausreichend Spielraum. Dort steht:
Ob und inwieweit die Strafverfolgungsbehörden sich in diesen Fällen um weitere Aufklärung bemühen, richtet sich nach Verhältnismäßigkeitserwägungen
Verhältnismäßigkeitserwägungen sollten hier eben schon berücksichtigen, dass evtl. ein unschuldiger in Haft ist. Ich denke, dass sollte auch in Deinen Augen ein ausreichender Grund sein, dass hier die StA soweit wie möglich die Ermittlungen voran treibt. Ein direkter gesetzlicher Anspruch besteht hier nicht, aber die Notwendigkeit leitet sich aus dem Rechtsstaatprinzip schon ab.

Klar, das Ergebnis kann man hier nicht wissen, ob überhaupt zum Schluss etwas rauskommt, aber man dürfte kaum einen Grund haben, die Ermittlungen einzustellen, nur weil die Tat als solches verjährt sein soll also nicht mehr verfolgbar, das wäre mit Rechtsstaatlichkeit definitiv nicht mehr vereinbar.

Und letztlich zeigen das ja auch andere Fällen nicht so gehandhabt wird, wie Du es hier behauptest. Erinnern wir uns mal an den Fall Frederike von Möhlmann. Dort erfolgte ein DNA-Abgleich und die StA hat verkündet, dass der Freigesprochene mit hoher Wahrscheinlichkeit der Täter war. Deinen Gedanken entsprechend hätte man dort niemals einen DNA-Vergleich mit dem Freigesprochenen durchführen dürfen, weil er nicht mehr belangt werden konnte. Rechtstaatlichkeit hat eben manchmal doch den Vorrang vor rein formalem. Oder behauptest Du der StA hat sich da rechtswidrig verhalten?


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

27.06.2019 um 18:31
Zitat von JosefK1914-2JosefK1914-2 schrieb:Oder behauptest Du der StA hat sich da rechtswidrig verhalten?
Nein, hat er nicht. Nach dem Freispruch war ja klar, dass der Mord an Frederike ungeklärt ist. Es war also ein noch offener Fall. Mit dem DNA-Abgleich war er geklärt. Trotzdem hat natürlich die StA kein (neues) Ermittlungsverfahren gegen den Freigesprochenen eröffnen können, da wegen des Freispruchs die Tat halt nicht verfolgbar nach § 152 Abs. 2 StPO war. Da nützte es dem Vater nichts, dass das Zivilgericht im Schmerzensgeldprozess Ohne Wenn und Aber festgestellt hatte, dass der Betreffende die Tochter des Klägers umgebracht hat.

Auch wenn es im Einzelfall schwer zu akzeptieren ist, können in bestimmten Fällen halt gesetzliche Strafverfolgungshindernisse bestehen, an die die StA gebunden ist. Sie kann sich da nicht nach Gusto drüber hinwegsetzen. Derlei muss sie eben auch auch prüfen, wenn es um neue Ermittlungen und evtl. Verjährungsfragen im Fall Ursula Herrmann geht. Nur das wollte ich aufzeigen, damit nicht der wohlfeile Eindruck entsteht, die Ermittlungsbehörden würden sich bloß vor Aufklärungsmaßnahmen drücken wollen.

Da geht es auch nicht um Verhältnismäßigkeits- oder sonstige allgemeine Erwägungen, sondern um glasklare gesetzliche Ermittlungsverbote. Gegen Freigesprochene darf nicht wegen derselben Tat noch mal ermittelt werden, auch nicht gegen Leute, bei denen die in Frage kommende Tat auf den ersten Blick eindeutig verjährt ist. Wird trotzdem in solchen Fällen ermittelt, macht sich der Staatsanwalt oder Polizist strafbar wegen Verfolgung Unschuldiger nach § 344 StGB.

Das muss man so schlucken. Die Verjährung einer Straftat ist ein klassisches Strafverfolgungshinders, wie es sich aus dem Gesetz ergibt und wie es der Bundesgerichtshof, dem Gesetz folgend, bestätigt hat

https://www.jurion.de/urteile/bgh/1973-07-24/1-str-296_73/

Daraus folgt: Hier sind eindeutig nur noch Ermittlungen - und eine Anklage - wegen des nicht verjährten Deliktes Mord möglich. Also müssen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für ein Mordmerkmal vorliegen. Und wie gesagt, genau das muss und wird die StA hier prüfen.


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27.06.2019 um 18:47
@Andante

Naja, nach Deiner Denkart hätte ja nicht mal ein DNA-Abgleich stattfinden dürfen, denn das war sichtlich eine Ermittlung GEGEN den Freigesprochenen. Wir sprechen hier aktuell nur um Ermittlungen, nicht um die weitere Schritte, das scheinst Du zu vergessen.

Aber ich denke, wir werden hier nicht mehr zusammen kommen, die von mir zitierte Richtline handelt es sich um kein Ermittlungsverbot - wie Du es hier vor ein paar Seiten noch steif und fest behauptet hattes, aber wo Du einem schweren Logikfehler unterlegen warst.

Dort wird ganz klar gesagt, dass aus Verhältnismäßigkeitserwägungen weitere Ermittlungen erfolgen können. Strafbar gemäß § 344 Verfolgung Unschuldiger dürften die nicht sein, wenn es sich dort in den Richtlinien definierten Grenzen hält.

Und wie gesagt,dass Thema Mord ist hier mitnichten vom Tisch. Dass kann eine StA dann nach weiteren Ermittlungen durchaus anders sehen. Die Aussagen des Gerichts sind dann obsolet, wenn die neuen Ermittlungen etwas anderes ergeben, denn mit denen konnte sich das Gericht schon damals nicht befassen


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27.06.2019 um 18:59
§ 344 Abs. 1 StGB lautet wörtlich:


„Strafgesetzbuch (StGB)
§ 344 Verfolgung Unschuldiger

(1) Wer als Amtsträger, der zur Mitwirkung an einem Strafverfahren, abgesehen von dem Verfahren zur Anordnung einer nicht freiheitsentziehenden Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), berufen ist, absichtlich oder wissentlich einen Unschuldigen oder jemanden, der sonst nach dem Gesetz nicht strafrechtlich verfolgt werden darf, verfolgt oder auf eine solche Verfolgung hinwirkt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Satz 1 gilt sinngemäß für einen Amtsträger, der ........“


Also: Jemand, „der sonst nach dem Gesetz nicht strafrechtlich verfolgt werden darf“, ist auch jemand, dessen Tat verjährt ist. § 344 StGB schränkt eben die Ermittlungsbefugnisse der Strafverfolgungsbehörden ein. Daran sind diese Behörden gebunden. Und das ist natürlich im rechtsstaatlichen Sinne auch gut so.

Noch einmal: Ich vertrete hier nicht eine persönliche Meinung, dass im Fall Herrmann die StA ermitteln soll oder auch nicht. Ich versuche nur aufzuzeigen, an welche Regeln sich die StA hier zu halten hat. Vielleicht ist das für einige enttäuschend. Aber so sind die Gesetze. Wer andere Gesetze will, muss halt andere Volksvertreter.....aber das hatten wir ja schon.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

27.06.2019 um 19:09
Zitat von AndanteAndante schrieb:Also: Jemand, „der sonst nach dem Gesetz nicht strafrechtlich verfolgt werden darf“, ist auch jemand, dessen Tat verjährt ist. § 344 StGB schränkt eben die Ermittlungsbefugnisse der Strafverfolgungsbehörden ein. Daran sind diese Behörden gebunden. Und das ist natürlich im rechtsstaatlichen Sinne auch gut so.
Interessant, jetzt werden die Ermittlungsmöglichkeiten nur noch eingeschränkt, wie gesagt, vor ein Paar Seiten gingst Du noch von einem Verbot aus, gut dann wäre das mal endlich geklärt.

Aber wie gesagt, im vorliegenden Fall KANN eines der Mordmerkmale durchaus erfüllt sein. Die abgedeckten Belüftungsrohre hatte schon damals das Gericht nicht berücksichtigt. Ob eines wirklich erfüllt ist, kann man erst am Abschluss (neuer) Ermittlungen erkennen. Evtl. sogar erst in einem gerichtlichen Verfahren. Du versuchst hier aber schon eine Prognose, nur mit dem damaligen Urteil. Ist das nicht etwas vermessen?

Natürlich können die neuen Ermittlungen im Sande verlaufen, das wäre nach einer solch langen Zeit nicht ungewöhnlich, aber das kann man zum jetzigen Zeitpunkt doch noch gar nicht annehmen. Ich denke, das weiß jeder hier.


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27.06.2019 um 19:14
Zitat von JosephConradJosephConrad schrieb:Das war jetzt ein Missverständnis: meine Frage war bezogen auf die beiden Schüler als theoretische neue Verdächtige:
Ja natürlich könnte die StA, womöglich aufgrund neuer ihr von Michael Herrmann übergebener Unterlagen auf die Idee kommen, dass doch Verdacht auf Mord vorliegt, und dann ein entsprechendes Ermittlungsverfahren (gegen die Schüler als theoretische neue Verdächtige) eröffnen.

Man müsste jetzt mal durchspielen, was das für Mazurek bedeutet. Der absolute Glücksfall, der aber relativ unwahrscheinlich ist, für ihn wäre es natürlich, wenn ein Gericht definitiv feststellt, es handelte sich um Mord, und die Mörder waren die theoretischen beiden. Aber was, wenn die StA - oder das Gericht - das Verfahren gegen die theoretischen beiden irgendwann einstellt bzw. die beiden vom Mordvorwurf freispricht, weil kein Mordmerkmal festgestellt werden konnte und alles andere verjährt ist?

Also Einstellung des Ermittlungsverfahrens bzw. Freispruch für die beiden? Dann müsste M wohl nach wie vor den steinigen Weg über ein WAV mit neuem Privatgutachten über das Tonband etc. gehen.


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