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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

11.655 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Wald, Entführung, München ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
Zu diesem Thema gibt es eine von Diskussionsteilnehmern erstellte Zusammenfassung im Themen-Wiki.
Themen-Wiki: Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

02.01.2021 um 11:50
Zitat von AndanteAndante schrieb:Rick_Blaine schrieb:
Wie bekannt, denke ich nicht einmal, das Tonband war so entscheidend. Was freilich m.E. unbestritten sein sollte ist, dass das ganze Verfahren ohne den Herrn Pfaffinger nicht stattgefunden hätte. Und umgekehrt: selbst wenn nie ein Tonband gefunden worden wäre, Pf.s Aussage allein, gefolgt von all den Indizien, die daraufhin gefunden und bewertet wurden, die hat den Ausschlag gegeben.

So ist es.
Wenn das so wäre, dann müsste euch @Andante @Rick_Blaine @Palio ja Angst und Bange sein bei dem Gedanken an unsere Polizei und Staatsanwaltschaft. Denn diese hätten dann schon 81 den Fall abschließen und zur Anklage bringen können inkl. einer Verurteilung von KP und WM. Später kam ja nur noch das Tonbandgerät hinzu, was für euch ja nicht notwendig für eine Verurteilung ist. Insofern müsstet ihr ja davon überzeugt sein, dass die Polizei und die Staatsanwaltschaft damals die Mörder von Ursula entkommen haben lassen. KP hätte deswegen ja auch nie seine gerechte Strafe bekommen. Insofern unterstellt ihr ja ein Versagen von Polizei und Staatsanwaltschaft, oder? Insofern unterscheidet euch das ja nicht grundlegend von denjenigen, die dem Gericht ein falsches Urteil unterstellen. Wenn wir 2004 hätten und uns dazu austauschen würden, dann müsstet ihr diejenigen sein, die hier im Forum von einer Fehleinschätzung der Untersuchungen sprechen würden und darauf pochen, dass WM verurteilt werden müsste, obwohl die Untersuchungen von staatswegen abgeschlossen sind. Jetzt ist es umgedreht und die Zweifel betreffen das Gericht. Für mich liegt da systemisch gesehen nicht der große Unterschied. Ihr geht davon aus, dass damals schlecht gearbeitet wurde und einige von uns gehen davon aus, dass später schlecht gearbeitet wurde. Beides ist doch legitim.

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02.01.2021 um 11:56
Zitat von monstramonstra schrieb:Gäbe es einen Entlastungsbeweis, den das LG übersehen oder falsch eingeschätzt hätte, dann hätten wir schon ein eklatantes Fehlurteil - das noch nicht mal (mangels Novität) für eine Wiederaufnahme reichen würde. Hier ist Grundlage der Zweifel (die ja nicht vom blinden Mazurek-Fan-Club vertreten werden) einerseits die Interpretation interpretationsoffener Indizien und andererseits das Gewicht, das ihnen das Gericht für den Tatnachweis zumisst.
Die USA ist eben stärker in Verruf, da neben der reinen Statistik, ein eklatantes Fehlurteil auch mit dem Mord an einem Unschuldigen enden kann. Beispielsweise an jemandem (Willingham) vollzogen, der seine beiden Kinder verbrannt haben soll. Das Gericht kam zusammen mit Gutachten, Aussage der Mutter und Fotos von alten Iron Maiden Covern an der Wand zu dem Schluss, dass die Muster auf dem Boden nach dem Brand, von einem Brandbeschleuniger stammen muss. Das ganze natürlich nach der "festgestellten" Gesinnung des Verurteilten in der Form eines Pentagrams. Die Dramatik wurde dadurch befeuert, da das entlastende korrekte Gutachten nicht mehr vor der Exekution zugelassen wurde.


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02.01.2021 um 12:00
@julina32

Wer sagt dir denn, dass die Richter keine Skepsis bzw. keinerlei Zweifel gehabt hätten? So ein Urteil ist immer das Ergebnis eines Entscheidungsprozesses, und der Entscheidungsprozess selber ist im Regelfall durchaus langwierig und schmerzhaft.

Wie sich das hier einige vorstellen, dass nämlich die Berufsrichter und Schöffen mit der Meinung in den Prozess gehen „Der war´s“, sich nach der Hauptverhandlung zur Beratung zurückziehen, sich dort die Hände reiben und unisono „Juchhu, jetzt haben wir ihn!“ jubeln, dann rausstürmen aus dem Beratungszimmer und Sekunden später hohnlächelnd der Vorsitzende das Urteil verkündet, ist eine vollkommen falsche laienhafte Vorstellung.

Hier stand am Ende eines lange Beratungs- und Entscheidungsprozesses letztlich die hinreichende Überzeugung von der Schuld Mazureks, die den einen oder anderen Zweifel überwog, und das ist angesichts der Indizienlage sicher nicht zu beanstanden.


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02.01.2021 um 12:04
Zitat von AndanteAndante schrieb:Wer sagt dir denn, dass die Richter keine Skepsis bzw. keinerlei Zweifel gehabt hätten? So ein Urteil ist immer das Ergebnis eines Entscheidungsprozesses, und der Entscheidungsprozess selber ist im Regelfall durchaus langwierig und schmerzhaft.

Wie sich das hier einige vorstellen, dass nämlich die Berufsrichter und Schöffen mit der Meinung in den Prozess gehen „Der war´s“, sich nach der Hauptverhandlung zur Beratung zurückziehen, sich dort die Hände reiben und unisono „Juchhu, jetzt haben wir ihn!“ jubeln, dann rausstürmen aus dem Beratungszimmer und Sekunden später hohnlächelnd der Vorsitzende das Urteil verkündet, ist eine vollkommen falsche laienhafte Vorstellung.

Hier stand am Ende eines lange Beratungs- und Entscheidungsprozesses letztlich die hinreichende Überzeugung von der Schuld Mazureks, die den einen oder anderen Zweifel überwog, und das ist angesichts der Indizienlage sicher nicht zu beanstanden.
Wie das wirklich in dem Fall war, wissen nur diejenigen, die in dem Beratungszimmer sassen. Genährt werden die Zweifel dann daran,
dass beispielsweise das phonetische Gutachten als unantastbar gilt. Und dann wird schon eher klar, wie die Mühlen mahlen.


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02.01.2021 um 12:08
Zitat von julina32julina32 schrieb:Die USA ist eben stärker in Verruf, da neben der reinen Statistik, ein eklatantes Fehlurteil auch mit dem Mord an einem Unschuldigen enden kann.
Die USA führen uns auf Abwegen.

Ich halte aber unser System für deutlich vorteilhafter, rechtsstaatlicher und letztlich auch immuner gegen Fehlurteile. Von den Rechtsfolgen (Todesstrafe, Haftdauer) mal abgesehen.

Überlegungen, unser System zu "optimieren", sind aber auch nicht so einfach umzusetzen.

So hätte eine Einführung einer zusätzlichen Berufungsinstanz, die den gesamten Prozess noch einmal neu bewertet, auch eklatante Nachteile. Und es wäre in einem Fall wie Mazurek genauso möglich, einen Freispruch der 1. Instanz in einer 2. Instanz aufzuheben und zu verurteilen. Und in Ländern mit einem solchen System, hätte es dann wohl nur 5 oder 10 Verhandlungstage gegeben - und keine 50.

Was mir bei Urteilen, ja generell juristischen Entscheidungen oft fehlt, ist ein höherer Grad an Wissenschaftlichkeit und ein geringerer Grad an vermeintlicher Gewissheit, deren wissenschaftliche Unsicherheit dann durch richterliche Selbstgewissheit aufgewogen werden. Damit macht man sich sprachlich unangreifbar, mit einem "es kann nur so und nicht anders gewesen sein". Aber das entspricht ja nicht der Realität. Vielleicht gäbe es dann ein paar Verurteilungen weniger, aber das sollten wir aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit in Kauf nehmen.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

02.01.2021 um 12:14
PS: Die juristische Selbstgewissheit, hier in Gestalt von Richtern, ist ein generelles Problem des Berufsstandes. Ich höre sehr oft "Da ist die Sachlage oder Rechtslage ganz klar!" - Und wenn man nachsieht, in Akten, Gesetzen oder Rechtsprechung, dann ist es eben nicht klar. Manchmal sogar das Gegenteil.

Diese Kritik trifft im Übrigen auf Verteidiger genauso zu, die im Brustton der Überzeugung Dinge behaupten oder Ansichten äußern, die haltlos sind.


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02.01.2021 um 12:15
Zitat von monstramonstra schrieb:Was mir bei Urteilen, ja generell juristischen Entscheidungen oft fehlt, ist ein höherer Grad an Wissenschaftlichkeit und ein geringerer Grad an vermeintlicher Gewissheit, deren wissenschaftliche Unsicherheit dann durch richterliche Selbstgewissheit aufgewogen werden. Damit macht man sich sprachlich unangreifbar, mit einem "es kann nur so und nicht anders gewesen sein". Aber das entspricht ja nicht der Realität. Vielleicht gäbe es dann ein paar Verurteilungen weniger, aber das sollten wir aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit in Kauf nehmen.
Die Wissenschaft hilft dir allerdings nicht weiter, wenn es um die Beurteilung der Glaubhaftigkeit einer Zeugenaussage oder der Glaubwürdigkeit eines Zeugen geht.

Wir wären dann wieder beim Lügendetektor, der aber aus guten Gründen, jedenfalls heutzutage (noch) nicht, als Beweismittel im Strafprozess gilt.

Der einzige Weg, „Unwissenschaftlichkeit“ in Bezug auf den Faktor Mensch zu vermeiden, ist die Abschaffung des Zeugenbeweises. Und in der Tat, ohne Zeugenbeweis, also ohne den Komplex KP, wäre Mazurek mit Glanz und Gloria freigesprochen wordem.


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02.01.2021 um 12:18
Wir dürfen uns alle mal wieder bei @ErwinKöster bedanken. Er hat inzwischen die Anonymisierung des vorletzten Teils der KP-Vernehmungen (bis Seite 213 von 271) fertiggestellt. Ich habe lediglich die optische Bearbeitung zur besseren Lesbarkeit gemacht. Auch das ist keine Bechäftigung, die einen tief befriedigt.
Die aktuelle Version findet ihr wie bereits früher auf
www.radonmaster.de/werner-mazurek/zum_strafurteil

Wenn alles komplett ist, will ich versuchen, Urteil und Vernehmungen direkt im zugehörigen Wiki unterzubringen.


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02.01.2021 um 12:51
Zitat von AndanteAndante schrieb:Die Wissenschaft hilft dir allerdings nicht weiter, wenn es um die Beurteilung der Glaubhaftigkeit einer Zeugenaussage oder der Glaubwürdigkeit eines Zeugen geht.
Mit „Wissenschaft“ kommt man übrigens auch an anderer Stelle nicht weitet: Wenn es um die Interpretation von mündlichen oder schriftlichen Äußerungen von nicht nur von Zeugen, sondern auch vom Angeklagten selbst geht

Beispiel hier der abgehörte Gesprächsinhalt zwischen Mazurek und jemand anderem, wo es um Verjährungsfragen und dem Tod von Ursula als „Betriebsunfall“ geht. Wie soll Wissenschaft da weiterhelfen, zu erkunden, wie dieser Gesprächsinhalt zu verstehen ist?

Jeder Zivilrechter kennt im übrigen zur Genüge Verträge zwischen Leuten, bei denen irgendwann zwischen den Vertragsparteien Streit über die Frage entsteht, wie diese und jene Vertragsklausel zu verstehen ist. Um in so einem Streit zu entscheiden, hilft dem Zivilrichter die Wissenschaft ziemlich wenig.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

02.01.2021 um 13:01
@robernd
@ErwinKöster

Ein frohes neues Jahr und herzlichen Dank für Eure viele Arbeit mit den Akten.


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02.01.2021 um 13:01
@Rick_Blaine

Du schreibst seit Monaten, dass eine Verurteilung Mazureks aufgrund zahlreicher weiterer Indizien auch ohne TK 248 passiert wäre. Wir haben gestern ausführlich erklärt bekommen, wie ein Ermittlungsverfahren und ein Zwischenverfahren ablaufen muss, wobei ich besonders auf den letzten Satz hinweisen möchte:
Zitat von AndanteAndante schrieb:Der Verfasser des Artikels sollte auch wissen (und den Lesern erklären), dass die Wahrscheinlichkeit von Freisprüchen deswegen relativ niedrig ist, weil die StA vorher in eigener Zuständigkeit prüft, ob sie voraussichtlich mit der Anklage durchkommt. Fälle, die sie für wacklig hält und wo sie meint, dass ein Freispruch aus Mangel an Beweisen herauskommen wird, klagt sie gar nicht erst an, sondern stellt das betreffende Ermittlungsverfahren vorher ein. Dadurch kommen von vornherein nur recht wasserdichte Fälle bis ins Anklage- und dann auch bis ins Hauptverhandlungsstadium.
Meine Frage dazu wäre, warum ein auch ohne TK "wasserdichter" Fall nicht bereits 1982 angeklagt wurde? Denn die anderen Indizien gegen Mazurek waren ja damals alle vorhanden.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

02.01.2021 um 13:08
Zitat von ErwinKösterErwinKöster schrieb:Meine Frage dazu wäre, warum ein auch ohne TK "wasserdichter" Fall nicht bereits 1982 angeklagt wurde? Denn die anderen Indizien gegen Mazurek waren ja damals alle vorhanden.
Nein, zB war der abgehörte Gesprächsinhalt nicht vorhanden, der für die Richter eine Rolle spielte, sonst stünde das nicht im Urteil.

Warum aber nicht bereits damals sowohl KP (der ja damals Beschuldigter neben WM war) wie auch WM angeklagt wurden, muss man, das schrieb ich ja schon öfter, die damals beteiligten Staatsanwälte fragen. Nur die können sagen, warum sie nicht angeklagt haben.

Vielleicht ergibt sich dazu was aus den damaligen Einstellungsverfügungen betreffend die Ermittlungsverfahren gegen WM und KP. Diese müssten in den Ermittlungsakten sein bzw. WM kennt sie. Ich kenne sie nicht.


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02.01.2021 um 13:20
Zitat von AndanteAndante schrieb:Mit „Wissenschaft“ kommt man übrigens auch an anderer Stelle nicht weitet: Wenn es um die Interpretation von mündlichen oder schriftlichen Äußerungen von nicht nur von Zeugen, sondern auch vom Angeklagten selbst geht

Beispiel hier der abgehörte Gesprächsinhalt zwischen Mazurek und jemand anderem, wo es um Verjährungsfragen und dem Tod von Ursula als „Betriebsunfall“ geht. Wie soll Wissenschaft da weiterhelfen, zu erkunden, wie dieser Gesprächsinhalt zu verstehen ist?

Jeder Zivilrechter kennt im übrigen zur Genüge Verträge zwischen Leuten, bei denen irgendwann zwischen den Vertragsparteien Streit über die Frage entsteht, wie diese und jene Vertragsklausel zu verstehen ist. Um in so einem Streit zu entscheiden, hilft dem Zivilrichter die Wissenschaft ziemlich wenig.
Wenn ich deine Verteidigungsstrategie in Bezug auf Angriffe gegenüber den Richtern (Aufsatz eines Geprellten, auch nur Menschen) oder der phonetischen Gutachterin (die Beziehung zum leitenden LKA-Mitarbeiter heisst nicht, dass die LKA Gutacherin etwa parteiisch wäre) lese, dann steckt da ein Appell an Empathie hinter. Diejenigen, die mehr Skepsis in den Tatsachenentscheidungen der Richter einfordern, fordern zusätzlich zu ihrer Lebensweisheit und Sachverstand auch ein höheres Maß an Empathie ein. Mit wem, richtig, mit dem Handeln des Angeklagten und Zeugen und in die ihrer eigenen Fehlbarkeitseinschätzung.

Zum Telefonmitschnitt beispielsweise. Warum sprach er nicht von "unserem Betriebsunfall" und warum wurde der Bezug auf "wir" nicht in der Weise interpretiert, dass der Gesprächspartner ein Mittäter oder Mitwisser sein muss!

Die Unschuldvermutung gegenüber einem Angeklagten gilt doch bis zur Verurteilung und in dem Urteil steht wenig entlastendes.
Ich vermisse beispielsweise auch eine Begehung, die feststellt ob bezeugtes "Zeitungsschnibbeln" einsehbar war.
Zitat von AndanteAndante schrieb:Wir wären dann wieder beim Lügendetektor, der aber aus guten Gründen, jedenfalls heutzutage (noch) nicht, als Beweismittel im Strafprozess gilt.
Damit die Funktion des Lügendetektor ein für alle Mal jedem klar wird. Er wird im Ermittlungsverfahren von ausgebildeten Ermittlern in den USA bei Befragungen von Beschuldigten oder POI (Person of Interests) benutzt.

Es ist eher als ein "psychologisches Hilfmittel" als ein tatsachenbestimmendes Instrument anzusehen. Deswegen kann man sich Wahrsagerzitate oder skurrile Trefferquoten dazu sparen. Alleine die Androhung mit dem Test hat schon viele Täter einknicken und gestehen lassen, während ein Ermittler ohne weiterhin einfach belogen worden wären.
Das sollte man einfach positiv verbuchen. Ein Idealbeispiel von einem Geständnis in Folge eines nicht bestandenen Tests ist das Geständnis von C.Watts (auf youtube zu sehen).


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02.01.2021 um 13:41
Zitat von AndanteAndante schrieb:Mit „Wissenschaft“ kommt man übrigens auch an anderer Stelle nicht weitet: Wenn es um die Interpretation von mündlichen oder schriftlichen Äußerungen von nicht nur von Zeugen, sondern auch vom Angeklagten selbst geht
Du hast einen etwas verengten Blick auf die Wissenschaft. Oder übertreibst. Es geht eher um eine wissenschaftliche Herangehensweise an Erkenntnis und die entsprechende Sprache.

Wenn ein Zeuge etwas sagt, ist es wissenschaftlich ein Fakt, dass er das und was er gesagt hat. Es ist aber noch kein Fakt, dass das, was er beobachtet haben will, auch so passiert ist. Ein Wissenschaftler würde also nie sagen, die Beobachtung ist Fakt. Aber sie stimmt mit anderen Beobachtungen überein, sie ist plausibel, sie entspricht den Messwerten. Und im Grunde macht das Gericht nichts anderes.

Nur ist wissenschaftliche Wahrheitssuche etwas Unabgeschlossenes und gewonnene Erkenntnisse ("Wahrheiten") sind immer widerlegbar (Falsifizierbarkeit). Im Prozess ist irgendwann Schluss. Und dann wird der Erkenntnisstand qua richterlicher Überzeugung zur prozessualen Wahrheit. Die dann - vorbehaltlich der Revision - rechtskräftig wird. Und mit diesem letzten Schritt verlässt die Jurisprudenz die Wissenschaftlichkeit und schafft eine Form von objektivierter Fiktion oder freundlicher: Eine Konstruktion.

Dahinter verbirgt sich freilich eine subjektive Überzeugung, eine Bewertung, eine Abwägung. Je mehr das auch sprachlich deutlich wird, je mehr klar wird, dass hier tatsächlich gerungen, gesucht und ausgelotet worden ist, umso überzeugender ist die Darlegung dieser Überzeugung. Weil sie nachvollzogen werden kann. Nun neigen Gerichte aber dazu (vielleicht ist es auch nur das tradierte Juristendeutsch), nur um keinen Zweifel aufkommen zu lassen, und auch nicht den Anschein zu erwecken, sie hätten keine ernstlichen Zweifel (sonst in dubio) gehabt, ihre "Wahrheit" als zwingende Notwendigkeit, als die einzige nur denkbare Möglichkeit darzustellen. Und das trifft eben objektiv zumeist nicht zu.


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02.01.2021 um 14:01
Zitat von ErwinKösterErwinKöster schrieb:Meine Frage dazu wäre, warum ein auch ohne TK "wasserdichter" Fall nicht bereits 1982 angeklagt wurde? Denn die anderen Indizien gegen Mazurek waren ja damals alle vorhanden.
Wann meldete sich eigentlich der "Aumühlenzeuge" mit dem VW Käfer?


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

02.01.2021 um 14:14
PS: Ein Wissenschaftler, der sich isoliert mit der Bedeutung des Begriffs "Betriebsunfall" innerhalb eines gewissen Kontextes befasst, der legt natürlich auch aus. Aber er dürfte wesentlich zurückhaltender dabei agieren. Er hat kein Problem damit, wenn es zwei gleichrangige Deutungen gibt und etwas offen bleibt.

Und selbst wenn er dann das Gespräch im Gesamtkontext aller Indizien analysiert, könnte er zu dem Ergebnis kommen, dass es weder be- noch entlastend ist. weil es eben auch offen ist für eine Interpretation, die auf eine unbeteiligte Person hindeutet.

Die freie richterliche Beweiswürdigung, wie sie auch im Urteil zutage tritt, die vermischt fast immer die 1. Stufe der Analyse (Wie ist das Indiz isoliert zu betrachten? Welche Deutungen sind möglich?) und die 2. Stufe, die "Gesamtbetrachtung" (Ist im Gesamtkontext eine der jeweils möglichen Deutungen insgesamt wahrscheinlicher?). So entsteht unweigerlich der Eindruck, dass die Indizien von vorneherein unter dem Blickwinkel des Ergebnisses des Gesamtbetrachtung und damit sehr einseitig interpretiert werden.


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02.01.2021 um 14:53
Zitat von roberndrobernd schrieb am 03.09.2018:Mein größtes Problem ist, dass es überhaupt bemerkenswerte Tastengeräusche gibt. Jedes in meinen Augen sinnvolle und einfache Kopierverfahren liefert praktisch keine Tastengeräusche.
Was also wäre einfacher und wirksamer, als künstliche Tastengeräusche zu produzieren: Einfach nur Ruhe. Die lässt sich auch in 100 Jahren nicht zerpflücken.

So hat es der Entführer aber nicht gemacht. Warum nicht? Entweder war er primitiver ausgestattet als wir es uns denken oder er hat in Eile irgendetwas zusammengeschustert.
Um nochmal auf die Schaltgeräusche in den Anrufen zu kommen, mir ist da in den Sinn gekommen, dass es die gesuchten Tastengeräusche nicht von Tasten herrühren, sondern eventuell von einem Einhandschalter wie bei Grundig TK 141, TK 146 oder TK 147 Hi-Fi Stereo. Ein entsprechender Kassettenrecorder wäre zum Beispiel Young World BIC-202.

TK 147


Young World BIC-202


JagBlack


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02.01.2021 um 15:21
Zitat von monstramonstra schrieb:Der Verteidiger hätte also einen Fachmann im Hintergrund gebraucht und hätte auch in der Lage sein müssen, dessen Argumente entsprechend zu "übersetzen". All das stand ja gegen das Vertrauen, das gemeinhin von der Richterschaft einer LKA-Gutachterin entgegengebracht wird. Sollte man hier "gefehlt" haben, dann wäre das wirklich nicht leicht zu erkennen gewesen.
Der Verteidiger hatte schon einen Fachmann im Hintergrund, der ihn mit jeder Menge Informationen versorgt hat. Und der Verteidiger hat auch mit den nötigen Schriftsätzen darauf reagiert. Es war ein Verwandter, der um die 300 handschriftliche Seiten abgeliefert hat. In denen hat er das LKA-Gutachten auf theoretischer Basis völlig zerlegt. Hier ein kurzer Auszug, damit ihr einen Eindruck gewinnt, wie tief der Mann eingstiegen ist:
Dateianhang: Lautsprecher_1-3.pdf (2886 KB)

Der Mann im Hintergrund war/ist ein exzellenter Theoretiker mit ähnlicher Ausbildung wie ich. Im Gegensatz zur LKA-Gutachterin hat er die Serviceanleitung des TK 248 gelesen, verstanden und aus dem Schaltbild die Beschaltung der Lautsprecher herausgesucht. Im Beispiel hat er daraus rechnerisch nachgewiesen, dass es Unsinn ist, ein Aufnahmemikrofon vor die Hochtonlautsprecher auf der Vorderseite des Bandgeräts zu stellen, weil die laut elektrischer Beschaltung gar keine mittleren Töne (Bayern3-Kennung) wiedergeben sollen. In Wirklichkeit ist es noch viel schlimmer. Zusätzlich zu dieser Theorie sind derartige Lautsprecher nur für Töne konstruiert, die weit höher sind (höher als 8 kHz) als die Töne der Verkehrsfunkkennung (um 1 kHz). Im übertragenen Sinne wäre es, als ob man beim Autotest lediglich die Höchstgeschwindigkeiten im Rückwärtsgang bewertet. Im Gegensatz zu mir fehlten dem Mann leider die Möglichkeiten, Messungen und Simulationen auszuführen.

Im Zusammenhang mit wissenschaftlich-technischen Argumenten lässt sich vor Gericht kein Blumentopf gewinnen. Auch dann nicht, wenn sie präzise und 100 % schlüssig sind. Unter Anwendung der in diesem Urteil üblichen Logik und Betrachtungsweise würden kein Auto und auch kein Computer funktionieren. Wahrscheinlich gäbe es nicht einmal die Pyramiden. Juristen sind so sehr auf ihr Fachgebiet fixiert, dass sie technischen Argumenten nicht folgen können (Ausnahmen bestätigen die Regel).

Auch bei Gutachten geht es kaum um Fakten sondern allein um das Rennomee eines Gutachters. Und dagegen haben Leute wie ich oder auch MH (2r2n) nicht die geringste Chance. Es wundert mich deshalb überhaupt nicht, dass MH (der Einzige im Gerichtssaal mit dem nötigen Sachverstand) so brutal herunter gebügelt wurde, dass ein Tinnitus die Folge war. Auch ich habe Vergleichbares in der Zivilverhandlung selbst erlebt. Und wenn der Richter sich zum Abschluss bei der Gutachterin öffentlich bedankt und mit Handschlag verabschiedet, hat das auch einen symbolischen Charakter. Er drückt damit seine Wertschätzung gegenüber allen anderen Beteiligten aus.

Von einem Juristen ist es nicht zu verlangen, derartig komplexe Argumente zu übersetzen. Fakt ist, dass Verteidiger oder Richter weder den Inhalt des LKA-Gutachtens noch eine Gegendarstellung begreifen. Wenn das Gutachten eine Orgie von technischen Darstellungen ist, lassen sich diese mit vereinfachten Darstellungen nicht widerlegen. Dafür muss man noch tiefer einsteigen.
Das gilt nicht nur für Elektroakustik. Z.B. ist es beim Vergleich der Klebebänder genau dasselbe. Hier plappert das Urteil etwas über Isotopenverhältnisse nach, obwohl die Verfasser dieses Textes auch nach der Belehrung durch einen Gutachter keinen blassen Dunst davon haben, was das bedeutet.

Das gleiche Problem kennen wir auch hier in unseren Diskussionen. Die Juristen oder Amateur-Juristen unter euch verstehen von meinen technischen Ausführungen kaum ein Wort. Ebenso wenig wie vom LKA-Gutachten. Deshalb werden diese Ausführungen auch als bedeutungslos abgetan.
Anders herum ist es nicht sehr viel besser. Was interessieren mich Revisionen, wenn sie sachliche Fehler durchgehen lassen, weil es allein um juristische Formfehler geht. Auch diesen Leuten könnte es ja auffallen, dass am Anfang des Urteils genau das Gegenteil von dem steht, das hinten auftaucht.


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02.01.2021 um 15:42
Zitat von AndanteAndante schrieb:Mit „Wissenschaft“ kommt man übrigens auch an anderer Stelle nicht weitet: Wenn es um die Interpretation von mündlichen oder schriftlichen Äußerungen von nicht nur von Zeugen, sondern auch vom Angeklagten selbst geht
Natürlich kann Wissenschaft helfen. Und zwar dann, wenn derartige Äußerungen allem widersprechen, das anerkannte Wissenschaft oder Technik ist. Und davon gibt es im Fall UH einige.
Zitat von AndanteAndante schrieb:Beispiel hier der abgehörte Gesprächsinhalt zwischen Mazurek und jemand anderem, wo es um Verjährungsfragen und dem Tod von Ursula als „Betriebsunfall“ geht. Wie soll Wissenschaft da weiterhelfen, zu erkunden, wie dieser Gesprächsinhalt zu verstehen ist?
Hier wird die Wissenschaft nicht weiterhelfen. Der hohepriesterliche Geist aber auch nicht, weil es jeder Mensch anders sieht. Also: Bitte so einen Schwachsinn aus dem Urteil streichen. Oder gibt es einen Paragraphen, nach dem nicht öffentlich gesprochenes Wort vom Gericht bewertet werden muss?
Zitat von AndanteAndante schrieb:Jeder Zivilrechter kennt im übrigen zur Genüge Verträge zwischen Leuten, bei denen irgendwann zwischen den Vertragsparteien Streit über die Frage entsteht, wie diese und jene Vertragsklausel zu verstehen ist. Um in so einem Streit zu entscheiden, hilft dem Zivilrichter die Wissenschaft ziemlich wenig.
Ich kenne auch Notarverträge mit demselben Problem. Und zwar genau dann, wenn dort Passagen stehen, von denen der Notar keine Ahnung hat. Konkreter Fall, wenn er beim Grundstückskauf nicht weiß, was eine beschränkte Widmung ist. In diesem Fall haben sich danach die Vertragsparteien zusammengerauft, was gemeint ist.


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02.01.2021 um 16:02
Zitat von AndanteAndante schrieb:Warum aber nicht bereits damals sowohl KP (der ja damals Beschuldigter neben WM war) wie auch WM angeklagt wurden, muss man, das schrieb ich ja schon öfter, die damals beteiligten Staatsanwälte fragen. Nur die können sagen, warum sie nicht angeklagt haben.
Das dürfte recht einfach sein. Alle Ermittlungsbeamten waren der Meinung, das KP spinnt. Vielleicht hat sich das bis zur Staatsanwaltschaft herumgesprochen. Im viel späteren Zivilverfahren haben dieselben Ermittler ( S. und T.) noch festgestellt, dass man KP nicht glauben kann. Allein das Strafgericht war anderer Meinung.


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