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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

11.655 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Wald, Entführung, München ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
Zu diesem Thema gibt es eine von Diskussionsteilnehmern erstellte Zusammenfassung im Themen-Wiki.
Themen-Wiki: Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

02.01.2021 um 21:47
PS: Und wer es sehr ausführlich haben möchte, kann hier eine ganze Dissertation zu kognitiven Täuschungen und ihren Einfluss auf Richter ansehen (ebenfalls aus der Schweiz):

https://www.zora.uzh.ch/id/eprint/165152/1/20050075.pdf

Schließlich gibt es dann auch die Medien und ihre Einflüsse. Hierzu findet man ebenfalls - gestützt auf Befragungen von Richtern und Staatsanwälten - Studien:

https://www.researchgate.net/publication/226506826_Der_Einfluss_der_Medien_auf_Richter_und_Staatsanwalte

Und dann ist auch noch der Einfluss der Politik nicht zu unterschätzen. V.a. auf die Staatsanwaltschaften, die keine formale Unabhängigkeit genießen:

https://www.welt.de/politik/deutschland/article144979267/Range-raeumte-mit-einem-Maerchen-auf.html

Um Probleme zu vermeiden wird telefoniert. Wer hat den Mut, einem Ansinnen des Herrn Ministers offen zu widersprechen? Und dann die nächsten Jahre im unbeliebtesten Referat zu malochen? Anstatt OStA zu werden? Es gibt diese Beamte, aber sie sind nicht die Mehrheit. Um am Ende heißt es dann: "Dieses Gespräch hat niemals stattgefunden."

Das alles sollte Anlass für gesunde Skepsis oder für gesunde Selbstkritik sein. Der Berufsethos alleine bewahrt nicht vor Einflussnahme, sei sie psychologisch, medial oder politisch. Die Einflüsse lassen sich auch nicht verhindern. Aber ihre Auswirkungen lassen sich vermindern, wenn man sie erkennt und nicht die Augen vor ihrer Existenz verschließt.

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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

02.01.2021 um 21:57
Zitat von ErwinKösterErwinKöster schrieb:P könnte theoretisch auch aus der am Weingarten vorbeiführenden Gießübler Strasse gekommen sein, da diese ebenso in die StStr 2055 einmündet. Kannst du das ausschließen?
Ja, weil der Zeuge explizit sagte, dass P. aus dem Kiesweg im Wald kam. Den DM-Markt gab es damals noch nicht, also konnte er das sehen.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

02.01.2021 um 22:20
Zitat von monstramonstra schrieb:Um Probleme zu vermeiden wird telefoniert. Wer hat den Mut, einem Ansinnen des Herrn Ministers offen zu widersprechen? Und dann die nächsten Jahre im unbeliebtesten Referat zu malochen? Anstatt OStA zu werden? Es gibt diese Beamte, aber sie sind nicht die Mehrheit. Um am Ende heißt es dann: "Dieses Gespräch hat niemals stattgefunden."
Die Weisungsgebundenheit von Staatsanwälten existiert ganz offiziell rechtlich, danke, ich hatte sie auch schon erwähnt, da braucht man nicht von „versteckten“ Einflüssen zu sprechen.

Was Richter angeht, sind die natürlich keine Automaten, sondern funktionieren wie jeder Mensch, lassen sich natürlich auch von Medien beeinflussen, können sich täuschen etc. Ich würde nie anderes behaupten. Hier geht es aber sondern um die von dir behauptete unbewusste latente Verurteilungsbereitschaft, die stärker ausgeprägt sei als die Freispruchsbereitschaft. Und da setze ich Fragezeichen, auch und gerade, was Schöffen angeht. Der Gesetzgeber hat vorgesorgt, indem er ein starkes, leider in der Öffentlichkeit oft übersehenes und unterschätztes Laienelement in die Rechtsprechung eingebaut hat.

Im Fall Mazurek muss mindestens ein Schöffe für die Verurteilung gestimmt haben. Die 3 Stimmen der Berufsrichter hätten nicht gereicht, um ihn zu verurteilen. Was nun? Will man diesem Schöffen, oder wenn die Entscheidung für die Verurteilung einstimmig war, beiden Schöffen völlige Blindheit unterstellen? Sie als bloße Abnicker einer von anderen getroffenen Entscheidung hinstellen?

Diese Schöffen waren an allen 56 Tagen der Hauptverhandlung dabei, die haben alles mitgekriegt, die haben alles gehört und gesehen, was da passiert ist. Und die haben sich eine Meinung gebildet. Das Ergebnis kennen wir. Ich glaube kaum, dass man da von einem überspannten Verurteilungswillen ausgehen kann.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

02.01.2021 um 22:32
Zitat von AndanteAndante schrieb:Im Fall Mazurek muss mindestens ein Schöffe für die Verurteilung gestimmt haben. Die 3 Stimmen der Berufsrichter hätten nicht gereicht, um ihn zu verurteilen. Was nun? Will man diesem Schöffen, oder wenn die Entscheidung für die Verurteilung einstimmig war, beiden Schöffen völlige Blindheit unterstellen? Sie als bloße Abnicker einer von anderen getroffenen Entscheidung hinstellen?

Diese Schöffen waren an allen 56 Tagen der Hauptverhandlung dabei, die haben alles mitgekriegt, die haben alles gehört und gesehen, was da passiert ist. Und die haben sich eine Meinung gebildet. Das Ergebnis kennen wir. Ich glaube kaum, dass man da von einem überspannten Verurteilungswillen ausgehen kann.
Jeder hat da seine eigene Sichtweise. Manche glauben, das die Richter böse, voreingenommen oder so "erzogen sind" sind ...
Zitat von 2r2n2r2n schrieb am 03.06.2019:Die drei Berufsrichter waren schon vor Verhandlungsbeginn von der Schuld Mazureks überzeugt. Das kann man aus dem Prozessverlauf ableiten und aus der Art und Weise, wie herablassend sie mit Gegenwind umgingen. Banales Beispiel: Bei einem Verhandlungstag ging die Audio-Anlage nicht und ich habe kurz erklärt, was der Haustechniker machen muss, damit sie wieder geht. Ich hab mich also schon wieder unpassend eingemischt. Das hat den jüngeren Berufsrichter offenbar so gestört, dass er mir gegenüber zynische Bemerkungen fallen ließ. Es hat den Richtern nämlich überhaupt nicht gefallen, dass jemand seine Rolle in dem schon vorbestimmten Gerichts-Spektakel nicht einnimmt.
Der Ausgang war keinesfalls offen, sondern schon in der Prämisse gestartet, dass Mazurek verurteilt werden muss. Die Verlesung der passenden Pfaffinger Aussagen haben juristisch genügt für die Verurteilung. Wenn der Mann noch gelebt hätte, wäre das nicht möglich gewesen, weil er dannn widersprochen hätte. Es war also rein juristisch klar, dass es für den Schuldspruch reicht. Die beiden Schöffen haben sich den Berufsrichtern untergeordnet, weil sie keine Ahnung hatten.
Die Audio-Anlage ging übrigens wieder, nachdem der Haustechniker den richtigen Schalter fand.
und
Zitat von monstramonstra schrieb am 28.02.2019:Ich kenne die bayerische Justiz ganz gut. Auch von Innen. Das Problem: Es gibt keine Fehlerkultur und eine strikte Ausrichtung auf die Bedürfnisse der herrschenden Staatspartei. Wird angeklagt, dann können sich die Ermittlungsbehörden und die Kammer nicht geirrt haben. Die bayerische Justiz irrt sich nicht.

Richter und Staatsanwälte werden systematisch "erzogen", indem Staatsanwälte zu Richtern werden und Richter zu Staatsanwälten. Wer nicht pariert, der landet in Geschäftsbereichen, die vor Akten überquellen. Verwaltungsrichter kann nur werden, wer vorher Verwaltungsbeamter war. Genommen werden nur die besten Absolventen. Nicht, weil diese willige Beamte sind und ihr Fach gut beherrschen (das auch), sondern weil sie gezeigt haben, dass sie gegenüber den Anforderungen des Landesjustizprüfungsamtes extrem anpassungsfähig sind.

So sind viele Richter und Staatsanwälte Angehörige einer elitären Kaste, die in Bayern schon seit den Verwaltungsreformen von Montgelas existiert. Ihr Selbstbewusstsein und ihr Anpassungsvermögen ist anders, als in anderen Bundesländern. Man ist Staatsdiener und damit Anwalt des Freitstaats. Es gibt Deutschland - und es gibt Bayern. Bayern ist anders. Die hinter Verwaltungsroutinen versteckte Selbstgerechtigkeit und -herrlichkeit so mancher Staatsanwälte und Richter hat mich nicht nur einmal ziemlich erschreckt. Die Bereitschaft, auch abstrusesten Konstrukten zu folgen, wenn es von ihnen erwartet wurde, ebenfalls.

Die Neigung zu schnellerer Verurteilungsbereitschaft und zu härteren Strafen in Bayern ist nicht nur Bauchgefühl und Politikersprech "Härter Zulangen ist halt die bayerische Art", sondern auch empirisch nachweisbar.



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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

02.01.2021 um 22:44
Zitat von ErwinKösterErwinKöster schrieb:men und kriegst 6 raus. Überdies ist der Aumühlenzeuge leider kein TK 248, sondern eben nur eine Zeugenaussage
Was heißt „nur“? Wir hatte doch schon erörtert, dass zugelassene Beweismittel im Strafprozess sowohl Sachverständigenbeweis (von mir aus „Gutachten“, wenn manchen diese Bezeichnung lieber ist) als auch Zeugenbeweis sind. Vom Gesetz her ist kein Beweismittel „stärker“ oder „schwächer“ als das andere, es kommt halt darauf an, wie das Gericht sie jeweils würdigt.

Der Aumühlenzeuge hat gesagt, was er gesagt hat. Das Gericht hat diese Aussage - im Verbund mit anderen Aussagen von Zeugen, die unabhängig voneinander von Spatenfahrten des KP kurz vor der Entführung berichten, UND mit dem eigenen Geständnis des KP - so bewertet, dass KP das Loch (mit-)gegraben und dazu den Spaten benutzt hat. Ein Spaten als Grabewerkzeug ist nicht ausgeschlossen gewesen. Diese Schlussfolgerung kann man persönlich falsch finden. Aber grobe Verstöße gegen Denkgesetze, die Gesetze der Logik, der Wissenschaft sind in ihr ersichtlich nicht enthalten.
Zitat von JosephConradJosephConrad schrieb:Manche glauben, das die Richter böse, voreingenommen oder so "erzogen sind" sind ...
Ja, das Gericht war beim guten Mazurek ganz furchtbar böse und voreingenommen. War ja auch ein bayerisches Gericht, wie kann es da anders sein.....

Geschenkt, auf solchen Allgemeinplätzen muss man sich jetzt nicht weiter tummeln. Entweder trifft das Urteil in der Sache zu oder es trifft nicht zu. Und da spricht doch sehr viel für die Richtigkeit dieses Urteils.


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02.01.2021 um 23:03
Zitat von AndanteAndante schrieb:Hier geht es aber sondern um die von dir behauptete unbewusste latente Verurteilungsbereitschaft, die stärker ausgeprägt sei als die Freispruchsbereitschaft.
Korrekt. Wobei das mehr eine These wie eine Tatsachenbehauptung ist. Wer jemanden - vorläufig auf Grundlage der staatsanwaltschaftlichen Anklage und der Ermittlungsakten - für hinreichend tatverdächtig hält, der hat natürlich eine gewisse Tendenz. Die Schöffen gehören da nicht dazu.
Zitat von AndanteAndante schrieb:Will man diesem Schöffen, oder wenn die Entscheidung für die Verurteilung einstimmig war, beiden Schöffen völlige Blindheit unterstellen? Sie als bloße Abnicker einer von anderen getroffenen Entscheidung hinstellen?

Diese Schöffen waren an allen 56 Tagen der Hauptverhandlung dabei, die haben alles mitgekriegt, die haben alles gehört und gesehen, was da passiert ist. Und die haben sich eine Meinung gebildet.
Natürlich sind die Schöffen nicht blind. Die würden vermutlich intervenieren, wenn das vorgeschlagene Ergebnis überhaupt nichts mit dem zu tun hat, was im Saal passiert ist. Da ich selbst Schöffen kenne, weiß ich aber, dass sie zumeist die Berufsrichter sehr respektieren und bei vielen Rechtsfragen nicht mitreden können. Der Einfluss der Berufsrichter ist aufgrund ihres exklusiven juristischen Wissens und ihrer Erfahrung sehr groß. Zudem lenkt der Vorsitzende das Verfahren. Und ich denke, dass es immer auch Gruppendynamiken gibt, je länger ein Verfahren ist, desto vertrauter wird man. Das lässt sich nicht vermeiden.

Ein Schöffe wird deshalb - so meine Vermutung - sich eher dann gegen die Meinung der Berufsrichter stellen, wenn er eher zur Sturheit oder gar zum Querulantentum neigt. Der konstruktiv und eher defensiv ausgerichtete Schöffe (Nichtakademiker) dürfte sich dem Willen der Berufsrichter nicht entgegenstellen.

Völlig neu gemischt werden die Karten natürlich, wenn sich die Berufsrichter nicht einig sind. Dann schlagen sich die Schöffen auf die eine oder andere Seite. Da werden sie dann bedeutend.


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02.01.2021 um 23:07
Zitat von PalioPalio schrieb:Ja, weil der Zeuge explizit sagte, dass P. aus dem Kiesweg im Wald kam. Den DM-Markt gab es damals noch nicht, also konnte er das sehen.
Es ist schon sehr schwer vorstellbar, dass P. tagelang mit einem Spaten herumfährt, den er für eine illegale Tätigkeit benutzt, genauso wie dass er damit in unmittelbarer Nähe des Lochs fährt. Warum fordert er geradezu heraus dass ihn jemand sieht.

Hier sind zwei Bilder von der Stelle, wie sie 1981 ausgesehen hat. Nr. 2 kennzeichnet den Eingang. Ob man von einem weiter entfernten Auto bei den überhängenden Büschen tatsächlich sehen kann, dass der Mopedfahrer genau aus der schmalen Einfahrt kam? Wird schon gestimmt haben.

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02.01.2021 um 23:16
Zitat von JosephConradJosephConrad schrieb:2r2n schrieb am 03.06.2019:
Die drei Berufsrichter waren schon vor Verhandlungsbeginn von der Schuld Mazureks überzeugt. Das kann man aus dem Prozessverlauf ableiten und aus der Art und Weise, wie herablassend sie mit Gegenwind umgingen. Banales Beispiel:.......
Der Ausgang war keinesfalls offen, sondern schon in der Prämisse gestartet, dass Mazurek verurteilt werden muss. Die Verlesung der passenden Pfaffinger Aussagen haben juristisch genügt für die Verurteilung. W
Da verstehe ich MH nicht. Natürlich wurden die Pfaffinger- Aussagen verlesen (nicht nur die „passenden“, sondern alle). Sie wurden nämlich, da KP nicht mehr persönlich vernommen werden konnte, wie in solchen Fällen dann nur übrigbleibt, als Urkundsbeweis in den Prozess eingeführt.

Ist MH entgangen, dass das aber beileibe nicht das Ende des Komplexes KP in der Hauptverhandlung war, sondern dass nach dem Verlesen noch eine ganze Latte von Zeugen vernommen wurde, angefangen von damaligen Vernehmungsbeamten des KP bis hin zu den Zeugen der Spatenfahrten? Das geschah natürlich, um die Pfaffinger-Angaben auf ihren Wahrheitsgehalt abzuklopfen. War MH denn bei alldem nicht dabei? Oder hat er es bloß nicht verstanden?


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02.01.2021 um 23:41
Zitat von ErwinKösterErwinKöster schrieb:Wird schon gestimmt haben.

Ja, klar wird das gestimmt haben. Denn einmal sagt es der Zeuge und andererseits ist die Gießübler Straße gar keine sinnvolle Alternative, die seine Spatenstrecke dort plötzlich schlüssig erklären würde. Da kommt man nunmal nicht vorbei, wenn man von Windach nach Utting fährt, um den Schwiegereltern einen Spatenbesuch abzustatten.
Zitat von ErwinKösterErwinKöster schrieb:Es ist schon sehr schwer vorstellbar, dass P. tagelang mit einem Spaten herumfährt, den er für eine illegale Tätigkeit benutzt

Das ist für mich gar nicht schwer vorstellbar. Zu dem Zeitpunkt war das in seiner Vorstellung noch gar nichts wirklich Illegales. KP ist auch keiner, der sich vorsieht und umsieht, der versucht eher, sich hinterher herauszuwinden, wenn er erwischt wurde. Außerdem hatte er keinen Führerschein und Graben war das Einzige, was er für das Team an Eigeninitiative beisteuern konnte. Es ging halt nur so, dass er mit Spaten am Mofa festgebunden dorthin fuhr.


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02.01.2021 um 23:42
Zitat von ErwinKösterErwinKöster schrieb:Es ist schon sehr schwer vorstellbar, dass P. tagelang mit einem Spaten herumfährt, den er für eine illegale Tätigkeit benutzt, genauso wie dass er damit in unmittelbarer Nähe des Lochs fährt. Warum fordert er geradezu heraus dass ihn jemand sieht.
Ja, da kann man genau so gut fragen, warum WM die Kiste mit Lesestoff bestückte, die 1:1 in seinem Haushalt vorkam, wie seine Tochter als Zeugin bestätigte. Oder wieso WM Alibiversionen lieferte, die alle nicht hielten. Oder wieso er erst leugnete, nach der Entführung von Ursula den Polizeifunk abgehört zu haben, dies später aber dann doch zugab. Oder wieso im Muffenstopfen ein Gürtelstück aus einem Gürtel war, der genau die Größe hatte, wie sie zur Statur von WM passte. Oder, oder, oder. Im Nachhinein erweist sich manches, was man macht, dann halt als Fehler.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

03.01.2021 um 00:37
Zitat von Sam789Sam789 schrieb:aber ein Urteil ist natürlich immer mit Blick auf das vom Gericht gefällte Urteil geschrieben und daher für mich keine neutrale Quellensammlung. Da sind für mich die Untersuchungsakten schon viel wichtiger.
Sensationell!

Besser kann man mit wenigen Worten nicht belegen, dass man von einer öffentlichen Verhandlung im Strafverfahren mal so gar keine Ahnung hat.

Das ist ungefähr so, als würde man sagen, dass man das Ergebnis eines Fußballspiels nicht als "neutrale Quellsammlung" ansähe, solange die Trainingsmethoden der Spieler nicht offen gelegt seien.

Frage: Hast Du schon mal Ermittlungsakten (und bitte, es heißt nicht: Untersuchungsakten) gelesen? Wenigstens mal so eine kleine Ermittlungsakte, die bei einem Kaufhausdiebstahl angelegt wurde? Oder gibt es da in den Vorstellungswelten nur CSI?


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

03.01.2021 um 02:41
Wenn ich das hier lese. Schöffen dürften sich in den meisten Fällen wohl dem vorsitzenden Richter anschließen.
Die Urteilsberatung findet hinter verschlossenen Türen statt.
Im Fall Mazurek waren mindestens 4 von 5 von seiner Schuld überzeugt.
Wie nun genau abgestimmt wurde, lässt sich jedoch nur vermuten.
Die Möglichkeiten von Schöffen sind sehr begrenzt. Die Akte kennen sie bis zum Verfahrensbeginn nicht.
Für mich ist und bleibt dieses Urteil ein Skandal!
Mazureks Schuld und Planung und Durchführung der Tat ist einfach nicht bewiesen.
Zu viele Lücken und Unklarheiten!
Ein Schuldspruch hätte so niemals ergehen dürfen.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

03.01.2021 um 03:09
Zitat von julina32julina32 schrieb:Darf man fragen aus welchem Erfahrungsschatz sich deine Annahme begründet.
Ja, die Erfahrungen haben sich in zig Jahren Tätigkeit als Rechtsanwalt und Strafverteidiger angesammelt, davon mehr als die Hälfte in den USA.
Zitat von ErwinKösterErwinKöster schrieb:Du schreibst seit Monaten, dass eine Verurteilung Mazureks aufgrund zahlreicher weiterer Indizien auch ohne TK 248 passiert wäre.
...
Meine Frage dazu wäre, warum ein auch ohne TK "wasserdichter" Fall nicht bereits 1982 angeklagt wurde? Denn die anderen Indizien gegen Mazurek waren ja damals alle vorhanden.
Ich schreibe aus meiner Sicht. Wäre ich Richter in dem Verfahren gewesen, würde ich die Beweise so gewichten. Ich ignoriere bei meiner Betrachtung zum Beispiel das Tonbandgutachten, da ich zur Kenntnis nehme, dass die Gutachterin nur von einer "Wahrscheinlichkeit" spricht, dass das Tonband verwendet wurde. Keine Gewissheit. Und die hier gemachten Argumente, denen ich mangels technischen Verständnisses nicht sonderlich folgen kann, bestärken mich allerdings in der Meinung, dass in diesem (!) Punkt genug Zweifel bestehen, dass ich ihn in meiner eigenen Beweiswürdigung weglassen sollte.

Warum der zuständige Staatsanwalt 1982 nicht angeklagt hat, kann ich nicht sagen. Allerdings ist es auch in meinen Augen so, dass die spätere Anklage noch besser fundiert war, aus diesen Gründen:
Zitat von AndanteAndante schrieb:Nein, zB war der abgehörte Gesprächsinhalt nicht vorhanden, der für die Richter eine Rolle spielte, sonst stünde das nicht im Urteil.
Zitat von PalioPalio schrieb:Dann fand sich noch das TK 248 als Beiwerk, wurde freundlicherweise von Mazurek mit viel Mühe extraverdächtig gestaltet und es addierten sich die abgehörten Gespräche dazu, bei denen alle (!) Beteiligten eine etwas zu große Identifizierung mit der Rolle des völlig zu Recht Tatverdächtigen zeigten. Damit konnte der Sack zugemacht werden
Zu der ewigen Diskussion über Richter im allgemeinen, bayerische Richter im besonderen und die hier agierenden Richter ganz besonders:
Zitat von AndanteAndante schrieb:Ich weiß nicht, woher du deine Weisheiten hast. Aus eigener richterlicher Erfahrung ganz sicher nicht.

Ein Richter gibt sich selbst kein Bienchen für ein bestimmtes Ergebnis, hier für eine Verurteilung, oder im Zivilprozess dafür, dass der Kläger gewinnt. Da strömen keine Glückshormone durchs richterliche Gehirn.

Ein Richter will anständige und saubere Arbeit machen. Der Weg ist das Ziel. Ziel ist, auch wenn das schwer vorstellbar für einige sein mag, nicht ein bestimmtes Ergebnis. Das ist sehr, sehr anders als bei der hiesigen Diskussion, wo für viele von Anfang an feststeht „Mazurek darf es auf keinen Fall gewesen sein, nur unter dieser Prämisse diskutieren wir und betrachten wir jedes Indiz, jede Aussage“.
Dem kann ich zustimmen. Wie die allermeisten Juristen habe auch ich eine zeitlang in der Ausbildung an einem Gericht gearbeitet und kann das weithin bestätigen. In der Regel ist das so. Ich habe auch einmal eine eher negative Erfahrung gemacht, als offenbar wurde, dass Staatsanwalt und Einzelrichter nicht nur dicke Freunde waren sondern auch offensichtlich vor der Verhandlung bereits über meinen Fall gesprochen hatten und damit das Ergebnis vorweggenommen war, aber das wurde in der von mir eingelegten Berufung dann auch korrigiert. Der Richter und ich werden sicherlich nie Freunde werden :) In unserem Fall hier haben wir es mit insgesamt 5 Richtern zu tun, und nirgends ist eine Voreingenommenheit in diesem Fall deutlich geworden. Den Rest der Diskussion brauche ich hier nicht zum xten Mal wiederholen.

Es ist gut, das noch einmal deutlich zu machen:
Zitat von PalioPalio schrieb:Es gibt, wie ich vermutet habe, kein Gutachten, mit dem ein Spaten als Werkzeug zum Ausheben dieser Grube ausgeschlossen wurde.
Selbstverständlich kann hier also ein Spaten benutzt worden sein und zwar von K. Pfaffinger.
Das hätte die ganze Löcher-Diskussion hier erübrigt.

Vielleicht noch ein letzter Rat an alle, die hier so engagiert über die Justiz diskutieren: Verhandlungen sind öffentlich! Schaut Euch einfach mal an, wie es da so zugeht. Ich glaube, so manches Vorurteil hier würde sich in Luft auflösen, wenn man erst einmal selbst schaut, wie die Realität in der Justiz ist. Und damit meine ich bewusst nicht das Fernsehen und schon gar nicht so schöne Schmonzetten wie "Liebling Kreuzberg" oder so was. Das echte, schnöde Leben in einem Amtsgericht oder einem Landgericht. Ich mache das zum Beispiel mit meinen Praktikantinnen immer so, alles engagierte und fleissige Jurastudenten, aber man staunt, wie wenige von ihnen jemals einer Verhandlung beigewohnt haben. Daher sende ich sie immer am Anfang mal eine Woche lang ins Gericht und dann später, wenn sie etwas gelernt haben, wieder. Und so manches mal höre ich dann: "so hab' ich mir das aber nicht vorgestellt..."


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

03.01.2021 um 07:32
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Vielleicht noch ein letzter Rat an alle, die hier so engagiert über die Justiz diskutieren: Verhandlungen sind öffentlich! Schaut Euch einfach mal an, wie es da so zugeht. Ich glaube, so manches Vorurteil hier würde sich in Luft auflösen, wenn man erst einmal selbst schaut, wie die Realität in der Justiz ist
Das kann ich nur unterstreichen!

Ich habe schon öfter dar geworben, dass man sich mal freiwillig für eine Amtsperiode als Schöffe oder ehrenamtlicher Richter bei einem Sozial-, Arbeits- oder Verwaltungsgericht zur Verfügung stellt. Für die, die eine Affinität zum jeweiligen Gebiet haben, ist auch Landwirtschafts- oder Handelsrichter bei einem Landgericht ist sehr interessant und lehrreich.

Da ist man dann natürlich auch bei Beratungen dabei und kann sich ein Bild machen, wie es hinter den Kulissen zugeht.
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Ich mache das zum Beispiel mit meinen Praktikantinnen immer so, alles engagierte und fleissige Jurastudenten, aber man staunt, wie wenige von ihnen jemals einer Verhandlung beigewohnt haben. Daher sende ich sie immer am Anfang mal eine Woche lang ins Gericht und dann später, wenn sie etwas gelernt haben, wieder. Und so manches mal höre ich dann: "so hab' ich mir das aber nicht vorgestellt..."
:-) Das kennen Richter ganz gut, wenn sie (nach Anmeldung) mal eine Schul- oder Berufsschulklasse mitsamt Lehrer hinten im Sitzungssaal als Zuhörer dabei hatten. In solchen Fällen nehmen sie sich, da es die Anmeldung und der betreffende, geeignete Tag dann erlaubt haben, Zeit und erklären den jungen Leuten auf deren Fragen, was gerade passiert ist. Die jungen Leute haben viele interessierte Fragen zum Fall und zum Verfahren und erklären auch oft, dass sie sich das „so nicht vorgestellt“ hätten.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

03.01.2021 um 07:56
Zitat von AndanteAndante schrieb::-) Das kennen Richter ganz gut, wenn sie (nach Anmeldung) mal eine Schul- oder Berufsschulklasse mitsamt Lehrer hinten im Sitzungssaal als Zuhörer dabei hatten. In solchen Fällen nehmen sie sich, da es die Anmeldung und der betreffende, geeignete Tag dann erlaubt haben, Zeit und erklären den jungen Leuten auf deren Fragen, was gerade passiert ist. Die jungen Leute haben viele interessierte Fragen zum Fall und zum Verfahren und erklären auch oft, dass sie sich das „so nicht vorgestellt“ hätten.
So ist es, ich bin da auch oft dabei gewesen und habe Rede und Antwort gestanden. Ich fand es immer sehr bedauerlich, dass (zumindest zu meiner Schulzeit) das Thema Justiz in bayerischen Schulen so gut wie nie vorgekommen ist, auch nicht im sogenannten "Sozialkunde"-Unterricht. Man musste schon einen interessierten Lehrer haben, der eine Klasse mal in ein Verfahren mitgenommen hat. Und selbst der hat meistens zugeben müssen, dass die juristischen Dinge ausserhalb seines eigenen Wissensbereiches lagen. Dazu kommt, dass viele Deutsche und österreichische Schüler durch das Fernsehen immer amerikanische Verfahren besser kannten als die eigenen und erstaunt waren, dass z.B. die Anwälte nicht ständig "Einspruch!" rufen, wie im amerikanischen Verfahren (wo es auch nicht so oft passiert wie im Fernsehen) und dass der Richter nicht mit "Euer Ehren" angesprochen wird :)

Vielleicht hat sich das inzwischen geändert, ich hatte mal mit freundlicher Unterstützung des damaligen Landesjustizministers so etwas für Zivildienstleistende ins Leben gerufen, die ja einen Anspruch auf "Bildungsurlaub" hatten und daher für einen solchen Kurs "frei" bekamen. Das Interesse war unter den jungen Leuten durchaus da. Dann bin ich aber nach Übersee gegangen und weiss nicht was aus der Initiative geworden ist.

Jedenfalls, um das hier abzuschliessen: Weder Fernsehen noch allmy geben in der Regel eine wirklichkeitsnahe Darstellung des Justizbetriebs wieder. Und das ist schade, denn es sollte eigentlich jeden Staatsbürger interessieren, was sich da so tut. Fazit ist jedenfalls, auch bei Polizei und Justiz arbeiten Menschen und - Gott sei Dank - keine Automaten. Und ja, Fehlurteile existieren, sowohl fachliche - die werden oft auch als solche erkannt - aber auch solche, die auf Fehlinterpretationen beruhen. Und das ist für alle schlimm. Andererseits sollte man realisieren, dass sie weit seltener vorkommen, als manche meinen. Ich gebe meinen Praktikantinnen hier immer das Zitat eines der berühmtesten Richter Englands mit auf den Weg: "Es ist besser dass zehn Schuldige davonkommen als dass ein Unschuldiger verfolgt wird." (Sir William Blackstone)

Unterm Strich bleibt aber: das Wichtigste ist dabei, dass man gesunden Menschenverstand hat. Leider kann man den nicht an der Uni testen, aber das sollte eine Einstellungsvoraussetzung für Juristen sein. Wichtiger noch als eine Examensnote.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

03.01.2021 um 09:22
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Ja, die Erfahrungen haben sich in zig Jahren Tätigkeit als Rechtsanwalt und Strafverteidiger angesammelt, davon mehr als die Hälfte in den USA.
Ah, dann bist du der Fachanwalt für Einwanderungsrecht und Honorarkonsul in den USA, der hier mitschreibt?
Arizona war es glaub ich. Hat mir mal jemand gesagt.
War bestimmt ein schwieriges Business unter Trump, oder?
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Jedenfalls, um das hier abzuschliessen: Weder Fernsehen noch allmy geben in der Regel eine wirklichkeitsnahe Darstellung des Justizbetriebs wieder.
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Unterm Strich bleibt aber: das Wichtigste ist dabei, dass man gesunden Menschenverstand hat. Leider kann man den nicht an der Uni testen, aber das sollte eine Einstellungsvoraussetzung für Juristen sein. Wichtiger noch als eine Examensnote.
Eben
Zitat von AndanteAndante schrieb:Das kann ich nur unterstreichen!

Ich habe schon öfter dar geworben, dass man sich mal freiwillig für eine Amtsperiode als Schöffe oder ehrenamtlicher Richter bei einem Sozial-, Arbeits- oder Verwaltungsgericht zur Verfügung stellt. Für die, die eine Affinität zum jeweiligen Gebiet haben, ist auch Landwirtschafts- oder Handelsrichter bei einem Landgericht ist sehr interessant und lehrreich.

Da ist man dann natürlich auch bei Beratungen dabei und kann sich ein Bild machen, wie es hinter den Kulissen zugeht.
Zitat von Ram13Ram13 schrieb:Frage: Hast Du schon mal Ermittlungsakten (und bitte, es heißt nicht: Untersuchungsakten) gelesen? Wenigstens mal so eine kleine Ermittlungsakte, die bei einem Kaufhausdiebstahl angelegt wurde? Oder gibt es da in den Vorstellungswelten nur CSI?
Generalisierungen von Klischee zu Real Life bringen uns im dem Fall Herrmann nicht weiter. Natürlich läuft der Justizapparat in Deutschland zum Großteil wie er soll. Im Strafrecht sicherlich besser als im Zivilrecht. Im Zivilrecht ist es schwierig Betrüger dingfest zu machen, da stehen oft Aussage gegen Aussage und das öffentliche Interesse ist gering.

Hier geht es um die Ausnahme, das Aussergewöhnliche. Ob Bayern oder Schleswig-Holstein spielt keine Rolle.
Die schlechte Arbeit und Fehler begannen schon in der Spurensicherung. Zogen sich weiter über Aktenverlust und mit einem Spur-zu-Spurtreffer zu einem anderen brisanten Fall ,vergrößerte sich sicherlich noch mal der Ausnahmezustand. Hinzukommen eine schwache Indizienkette, die sich nach einer Jahrzehnten langen Pause (kurz vor der Verjährung) auf einen EX-Verdächtigen beziehen, dessen Hauptbelasungszeuge schon tot ist. Zum phonetischen Gutachten ist alles gesagt.

Nein, das ist nicht Hollywood a la Grisham, das ist ein Fall aus Deutschland.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

03.01.2021 um 09:23
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Jedenfalls, um das hier abzuschliessen: Weder Fernsehen noch allmy geben in der Regel eine wirklichkeitsnahe Darstellung des Justizbetriebs wieder. Und das ist schade, denn es sollte eigentlich jeden Staatsbürger interessieren, was sich da so tut. Fazit ist jedenfalls, auch bei Polizei und Justiz arbeiten Menschen und - Gott sei Dank - keine Automaten. Und ja, Fehlurteile existieren, sowohl fachliche - die werden oft auch als solche erkannt - aber auch solche, die auf Fehlinterpretationen beruhen. Und das ist für alle schlimm. Andererseits sollte man realisieren, dass sie weit seltener vorkommen, als manche meinen. Ich gebe meinen Praktikantinnen hier immer das Zitat eines der berühmtesten Richter Englands mit auf den Weg: "Es ist besser dass zehn Schuldige davonkommen als dass ein Unschuldiger verfolgt wird." (Sir William Blackstone)
Auch das ist richtig. Man sollte nicht meinen, dass sich Juristen ihrer - für jeden, übrigens auch für Justizkritiker, geltenden - begrenzten menschliche Erkenntnisfähigkeit stets komplett unbewusst wären. Der große Rechtsphilosoph Gustav Radbruch hat zu Recht gesagt „Ein guter Jurist ist nur der, der mit schlechtem Gewissen Jurist ist“. Und Radbruch ist an deutschen Universitäten keineswegs vergessen und wird durchaus noch gelehrt.

Was aber nicht heißt, dass es, egal ob Jurist, Arzt, Handwerker, Sozialarbeiter, mit Verweis eben auf jene begrenzte menschliche Erkenntnisfähigkeit wünschenswert ist, sich ständig vor Entscheidungen zu drücken. Jeder von uns hat jeden Tag pausenlos Entscheidungen privater und beruflicher Art zu treffen, und von Gerichten wird nun mal erwartet, und der Steuerzahler bezahlt Richter schließlich dafür, dass die sich nicht drücken und nach den bestehenden Gesetzen entscheiden. Wie in jedem Beruf kommen da leider auch einmal Fehler vor, aber in den meisten Fällen halt nicht, und die Entscheidung im Fall Mazurek ist kein solcher Fehler.

Es bringt auch relativ wenig, ständig auf die Fälle Rupp und Wörz zu verweisen, wenn es um andere Verfahren geht und man die vermeintliche dortige Fehlentscheidung lediglich mit dem „Argument“ begründen will, dass es Justizirrtümer schließlich schon gegeben habe. Niemand käme auf die Idee, die richtige Durchführung einer Herztransplantation in der Uniklinik Heidelberg mit dem sehr dürftigen Argument zu bezweifeln, dass schließlich neulich mal in der Uniklinik Hamburg (als Beispiel, man kann auch Essen, Göttingen oder Greifswald nehmen) bei einer solchen Herztransplantation etwas schiefgegangen sei.

Da muss man dann doch schon, auch wenn es mühsamer ist, jeden Einzelfall betrachten, was hier möglich ist, da das komplette Urteil vorliegt und demnächst hoffentlich ja auch die kompletten Pfaffinger-Angaben.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

03.01.2021 um 09:29
Ja, die Pfaffinger Aussage ist interessant, nur leider sehr schlecht zu lesen


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

03.01.2021 um 09:45
Zitat von julina32julina32 schrieb:die sich nach einer Jahrzehnten langen Pause (kurz vor der Verjährung)
So kurz vor der Verjährung war das gar nicht, und außerdem haben es Fristen an sich, dass man sie sogar noch bis zum letzten Tag nutzen kann. Dafür sind Fristen da, wie du vielleicht als Bürger weißt, der am letzten Tag der Frist Einspruch gegen einen Behördenbescheid einlegt.

Zur Verjährung im Strafrecht: Verjährung heißt nicht, dass jemand bis zum Ablauf der Verjährungsfrist rechtskräftig abgeurteil sein muss. Vielmehr wird die Verjährung durch sehr viele Ermittlungshandlungen unterbrochen und läuft während dieser Zeit gar nicht weiter.

Das bedeutet hier: die dreißogjährige Verjährungsfrist nach Ursulas Tod wäre in 2011 abgelaufen. Erste neue, da bereits die Verjährung unterbrechende Ermittlungshandlungen gab es aber bereits 2007. Ab da war die Verjährung schon unterbrochen.

Man kann daher kaum sagen, dass der vorliegende Fall „kurz vor der Verjährung“ stand. Abgesehen davon, dass es regelmäßig null Argument für ein Fehlurteil ist, wenn kurz vor Ablauf einer Verjährung die Ermittlungen wieder aufgenommen werden.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

03.01.2021 um 09:51
Zitat von AndanteAndante schrieb:Zur Verjährung im Strafrecht: Verjährung heißt nicht, dass jemand bis zum Ablauf der Verjährungsfrist rechtskräftig abgeurteil sein muss. Vielmehr wird die Verjährung durch sehr viele Ermittlungshandlungen unterbrochen und läuft während dieser Zeit gar nicht weiter.
Es geht um die Summe an Fakten und Umständen zu dem Fall. Nicht um die Verallgemeinerung aus dem Daily Business und auch nicht um die Bewertung der Einzelelemente. Es ist ahnlich wie umgekehrt mit der Bewertung der Indizien der Gesamtschau, die ja nicht im einzelnen bewertet werden sollen :)
Die Ermittlungen haben zwischen den 80ern und 2007 keinen neuen Verdächtigen ergeben. Da ist auch nicht viel passiert, ausser den bekannten Abhörungen per Telefon. Warum hat man Pfaffinger und Mazurek eigentlich nicht schon vorher zu seinen Lebzeiten abgehört? War der "Lauschangriff" zuvor anders reguliert?


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