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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

11.655 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Wald, Entführung, München ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
Zu diesem Thema gibt es eine von Diskussionsteilnehmern erstellte Zusammenfassung im Themen-Wiki.
Themen-Wiki: Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

19.01.2021 um 20:52
Ich habe erst vor wenigen Tagen bemerkt, dass dieser Thread wieder offen ist. Mein Dank geht an @robernd und @ErwinKöster für die Anonymisierung und Bereitstellung der Prozessunterlagen.

Gestern habe ich mir die Vernehmungsprotokolle des Herrn KP durchgelesen. Ich muss zugeben, dass ich teilweise Tränen in den Augen vom Lachen hatte. So ernst das Thema ist, die Erläuterungen von KP entbehren nicht einer gewissen Komik.

Man kann seine kriminelle Karriere so zusammenfassen: Egal, ob er gemeinsam mit seier Ehefrau Autos mit ungedeckten Schecks kauft, seinen Arbeitgeber bestiehlt, betrunken und ohne Führerschein Auto fährt, es dauert stets nur von zwölf bis Mittag bis er sich dafür zu verantworten hat. Insofern würde es zu ihm passen, dass er der erste aus der Tätergruppe ist, der durch sein ungeschicktes Verhalten die Aufmerksamkeit der Polizei erregt.

Was allerdings auffällt: Es ist bei KP egal, zu welchem Thema er sich gerade äußert, es gibt immer mehrere Varianten, die beliebig von ihm modifiziert werden. Auch bei Themen, die völlig irrelevant sind, sei es der Umzug seiner Schwiegereltern, der Brotfahrer, der nach Berlin umzieht und ihm ein Flugticket spendiert oder die Bekannte, die ein peinliches Missgeschick im Treppenhaus hat. Rund um die bekannten Fakten erzählt er eine Geschichte, die so zutreffen kann, sich genauso gut aber auch an verschiedenen Tagen und anderen Orten zugetragen haben kann.

Ich sehe mich durch die Protokolle in meiner Meinung bestätigt, dass KP zu unzuverlässig und zu chaotisch für eine Teilnahme an dieser Konspiration war. Interessant ist die Zeugenaussage, man hätte ihn am Tag der Entführung mit dem Spaten am Mofa an der Aumühle gesehen. Da frage ich mich, was will er zu diesem Zeitpunkt, wenn die Kiste längst an Ort und Stelle ist, noch mit dem Spaten? Für das Zuschütten des Deckels gibt es wohl bessere Werkzeuge. Hat er den immer dabei, weil ihm WM am Anfang gesagt hat, für den Job bringst du deinen Spaten mit? Das wäre echt dümmer, als die Polizei erlaubt. Es wurden weitaus wertvollere Gegenstände als der Spaten angeschafft und "abgeschrieben", sie wären nach der Entführung den Ermittlern in die Hände gefallen. Warum soll ausgerechnet der Spaten nicht mit den anderen Werkzeugen im Wald bleiben? Es war sicherlich geplant, die Leiter und die Schaufel noch wegzuschaffen, aus Schiss vor Entdeckung kam es nicht mehr dazu.

Wenn man sich vor Augen führt, dass die Vorbereitungen im Weingarten unbemerkt geblieben sind, zumindest niemanden soweit beunruhigt haben, dass man der Sache nachgegangen wäre, scheint mir Ps Beteiligung unwahrscheinlich.

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19.01.2021 um 20:56
Zitat von 245HCT74245HCT74 schrieb:Wie willst Du dann im Ansatz die Wahrscheinlichkeit für eine Indizienkette bestimmen, wenn die auf unterschiedlichen "Argumentationen" aufbaut? Was ergibt dann einen Indizienkette für eine Wahrscheinlichkeit, wenn sie auf 2 Argumentationen aufbaut, mit deren Einzelergebnis "Wahrscheinlich" und deren Indizien voneinander unabhängig sind?
Ich will das jetzt einfach mal rechnerisch darstellen. gehen wir mal von einer leicht überwiegenden Wahtrscheinlichkeit aus.

Das wäre 50-75%.

Die höhere Wahrscheinlichkeit wäre: 0,75*0,75 = 56%
Die geringere Wahrscheinlichkeit wäre: 0,5*0,5 = 25%

Man sieht hier, mit dem schwächsten Glied kann man hier nicht viel werden. Die Tendenz geht hier schon in Richtung leicht überwiegend unwahrscheinlich. Daher ist der Begriff Kette irreführend, vermutlich wird das manchen Richtern nicht (mehr) bewusst sein.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

19.01.2021 um 21:08
Zitat von JosephConradJosephConrad schrieb:Hier sieht es aber so aus, als ob Das Original mehr Kontrast hatte, oder irre ich mich?
Das Original besteht nur aus schwarzen Punkten. Nichts ist grau. Damit ist der Kontrast natürlich maximal. Die Bearbeitung ist leicht unscharf. Damit gibt es auch Grauwerte. Die ergeben sich aus den Abständen der rein schwarzen Punkte. Der Informationsgehalt ändert sich dadurch nicht. Aber unsere Augen können besser damit umgehen.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

19.01.2021 um 21:10
Zitat von AndanteAndante schrieb:Was über die Anklageerhebung entschieden hat, wissen wir nicht, da wir die Anklageschrift nicht kennen.
Und wenn wir sie kennen würden, stünde nur die Summe aller Indizien drin. Nicht aber der eine Umstand, der den Anfangsverdacht zum hinreichenden Tatverdacht hat "kippen" lassen. Natürlich gibt es diesen Punkt im Verlauf der Ermittlungen, die neue Tatsache, wo der KHK oder StA sich sagen "Jetzt haben wir ihn!". Aber das ändert sich im Weiteren ja noch und deshalb ist dieser Punkt völlig belanglos.
Zitat von JosephConradJosephConrad schrieb:Der Beweiswert einer Indizienreihe -Ring ist, denke ich, ungefähr so wie ich gesagt habe.
"Indizienkette" und "Indizienring" müssen unterschieden werden. Beim Indizienring gibt es keine kausale Abhängigkeit der einen zur anderen Tatsache, sie existieren nebeneinander und nur in der Summe folgt daraus eine Tatsache. Hier also: Aussage P. + TK 248 + Gespräch über Verjährung + Tonbandexperiemente 1973 = M ist der Täter.


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19.01.2021 um 21:12
Zitat von HeinzHaferkampHeinzHaferkamp schrieb:Hat er den immer dabei, weil ihm WM am Anfang gesagt hat, für den Job bringst du deinen Spaten mit? Das wäre echt dümmer, als die Polizei erlaubt. Es wurden weitaus wertvollere Gegenstände als der Spaten angeschafft und "abgeschrieben", sie wären nach der Entführung den Ermittlern in die Hände gefallen. Warum soll ausgerechnet der Spaten nicht mit den anderen Werkzeugen im Wald bleiben? Es war sicherlich geplant, die Leiter und die Schaufel noch wegzuschaffen, aus Schiss vor Entdeckung kam es nicht mehr dazu.

Wenn man sich vor Augen führt, dass die Vorbereitungen im Weingarten unbemerkt geblieben sind, zumindest niemanden soweit beunruhigt haben, dass man der Sache nachgegangen wäre, scheint mir Ps Beteiligung unwahrscheinlich.
Ganz gut herausgelesen.

Und warum denkst du, schiessen ihm die Tränen in die Augen, bei den Schwiegereltern?


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

19.01.2021 um 21:27
Zitat von PalioPalio schrieb:Na, weil das damals so üblich war. Das Gutachten ist von 2008, das Buch, das du zitierst und das einen langsam einsetzenden Paradigmenwechsel erwähnt, ist von 2016. Es gibt eben eine Weiterentwicklung, was ja begrüßenswert ist
Ich habe ein Buch über den Zweiten Weltkrieg zuhause, das ist von 1993. Im Textauszug steht natürlich dass diese Entwicklung schon um die Jahrtausendwende eingesetzt hat, angeregt durch Philip Rose "Forensic Speaker Identification". Also ich bekomme keine klare Antwort. Dazu sei gesagt dass die numerische Einschätzung von 75% sehr wohlwollend erscheint, ich hätte den Grad dieser Wahrscheinlichkeit zwischen 50 und 75 angesiedelt. Das sieht in der Tat nicht gut aus. Und damit ist die Frage wohl beantwortet.


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19.01.2021 um 21:38
Zitat von roberndrobernd schrieb:Weiterentwicklung? Welche?
Die von mir verlinkte BKA-Broschüre ist von 2004, also alt genug, um sie bis 2008 zur Kenntnis zu nehmen. Manchmal hilft es tatsächlich erst einmal zu lesen, bevor man Fake-News in die Welt setzt. Und die Autoren sind hochkarätig genug, damit auch die größten Zweifler zumindest an deren Qualifikation nichts aussetzen können.

Ich weiß nicht genau, wie oft ich dieses Buch hier schon zitiert habe. Aber 10x dürfte es schon sein.

Und Ich weiß nicht, was du mir sagen willst.

Ich habe den angeblichen ganz aktuellen (bezogen auf die Entstehungszeit des Buches) "Paradigmenwechsel" dem von @ErwinKöster verlinkten Buch entnommen, das 2016 erschien.

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Bis dahin gab es also noch kein Umdenken. Deine Broschüre ist davor erschienen, sie beinhaltet eine Empfehlung, die anscheinend nicht umgesetzt wurde.

Wenn ich Homepages von Sachverständigen anklicke, ist die Einteilung der Wahrscheinlichkeitsangaben immer noch die verbale Form:

http://www.schriftgutachten.de/html/ergebnis.htm

http://www.schriftgutachten.eu/Welche-Formulierungen-enthalten-die-Schlussfolgerungen-in-Handschriftengutachten.html

http://sv-dr-schott.de/wahrscheinlichkeiten.html

http://www.foranthrop.com/Lichtbildvergleichsgutachten/mobile/
Wie bereits angesprochen, sind mathematische Häufigkeitsangaben zur Ausprägung der Merkmale kaum möglich, da entsprechende Studien fehlen.
Also doch keine Weiterentwicklung? Weder 2004, 2008, 2016? Der Standard, den Fr. Dr. Boss anwandte, gilt anscheinend noch immer.

Bedauerlich, aber ich kann es auch nicht ändern.


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Ram13 ehemaliges Mitglied

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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

19.01.2021 um 21:51
Zitat von roberndrobernd schrieb:Die von mir verlinkte BKA-Broschüre ist von 2004, also alt genug, um sie bis 2008 zur Kenntnis zu nehmen. Manchmal hilft es tatsächlich erst einmal zu lesen, bevor man Fake-News in die Welt setzt.
Da muss ich Dir uneingeschränkt Recht geben.

Wollen wir doch mal gemeinsam den letzten Absatz des Klappentextes lesen ("Zum Inhalt"):

"Das Buch soll die kollegiale Auseinandersetzung über die Grundlagen der täglichen Fallarbeit in den forensischen Wissenschaften fördern, auch um dadurch den hohen Anforderungen an den Sachbeweis zu entsprechen."

Man darf vielleicht an dieser Stelle den Titel des Werkes erwähnen:

"Probabilistische Schlussfolgerungen in Schriftgutachten"

Im Vorwort steht weiter (ebenfalls letzter Absatz):

"Diese Ausarbeitung stellt hierzu einen wertvollen Beitrag dar, indem über anerkannt wissenschaftliche Modelle eine Grundlage der Disziplin und eine standardisierte Möglichkeit der gutachterlichen Schlussfolgerung angeboten wird"

Ich fasse zusammen:

Es geht um Schriftgutachten. Es stellt eine Grundlage zur kollegialen Auseinandersetzung dar. Es handelt sich um ein Angebot.

Wenn Du im Zusammenhang mit dem Posting von @Palio (ich zitiere das Posting an dieser Stelle)
Zitat von PalioPalio schrieb:Na, weil das damals so üblich war. Das Gutachten ist von 2008, das Buch, das du zitierst und das einen langsam einsetzenden Paradigmenwechsel erwähnt, ist von 2016. Es gibt eben eine Weiterentwicklung, was ja begrüßenswert ist.
erwiderst:
Zitat von roberndrobernd schrieb:Weiterentwicklung? Welche?
Die von mir verlinkte BKA-Broschüre ist von 2004, also alt genug, um sie bis 2008 zur Kenntnis zu nehmen. Manchmal hilft es tatsächlich erst einmal zu lesen, bevor man Fake-News in die Welt setzt.
Dann muss man leider feststellen, dass Du es bist, der a) nicht liest und b) "Fake-News" (gemeint ist wohl schlicht: Unwahrheiten; Fake-News sind das ganz sicher nicht. Bitte informiere Dich über die Bedeutung von Wörtern, bevor Du sie benutzt!) verbreitest.

Das von dir verlinkte Buch ist ein Praktikerhandbuch. Es soll als Orientierung für die dienen, die sich beruflich und somit praktisch (also im Gegensatz zum Urheber der "Gegendarstellung") mit dem Gegenstand des Buches beschäftigen. Das Buch ist a) keine Dienstanweisung und enthält b) keine verbindlichen Regelungen für Sachverständige. Und: Maßgeblicher Gegenstand sind Schriftgutachten.

Es ist (wie es in den verschiedensten Disziplinen jeden Tag vorkommt) der Versuch, eine Vereinheitlichung für bestimmte Verfahren zu finden. Hier ist es ganz konkret ein Vorschlag zum Aufbau eines Gutachtens für Schriftproben.

Ob die Gutachterin das Buch des BKA gelesen hat, weißt weder Du, noch ich, noch sonst jemand hier. Was sie von dem Buch hält, wissen wir auch nicht. Warum sie die dort gemachten Vorschläge nicht berücksichtigt, wissen wir ebenfalls nicht. In dem Gutachten musste sie es auch nicht erklären.

Was ich weiß: Das LKA-Gutachten musste nicht in der Form ausgearbeitet werden, wie es in dem von Dir verlinkten Buch vorgeschlagen(!) wird.

Jemand, der tatsächlich irgendwann mal studiert hat, weiß das eigentlich auch. Er weiß auch, dass es nicht nur einen Weg gibt. Und wer schon mal ein Gutachten tatsächlich schreiben musste, der wird feststellen, dass es etliche Angebote und gut ausgearbeitete Hinweise gibt, die verschiedensten Gutachten zu schreiben.

Das größte Problem ist allerdings, dass die meisten hier noch immer nicht verstanden haben, was das Fazit "wahrscheinlich" eigentlich bedeutet und wo es auf der verwendeten Skala zu finden ist.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

19.01.2021 um 22:10
Zitat von Ram13Ram13 schrieb:Ob die Gutachterin das Buch des BKA gelesen hat, weißt weder Du, noch ich, noch sonst jemand hier. Was sie von dem Buch hält, wissen wir auch nicht. Warum sie die dort gemachten Vorschläge nicht berücksichtigt, wissen wir ebenfalls nicht. In dem Gutachten musste sie es auch nicht erklären.

Das größte Problem ist allerdings, dass die meisten hier noch immer nicht verstanden haben, was das Fazit "wahrscheinlich" eigentlich bedeutet und wo es auf der verwendeten Skala zu finden ist.
Warst du nicht derjenige, der mit der Bedeutung zu dem Begriff "Gutachten" so seine Problemchen hatte.
Zitat von Ram13Ram13 schrieb:Was ich weiß: Das LKA-Gutachten musste nicht in der Form ausgearbeitet werden, wie es in dem von Dir verlinkten Buch vorgeschlagen(!) wird.

Jemand, der tatsächlich irgendwann mal studiert hat, weiß das eigentlich auch. Er weiß auch, dass es nicht nur einen Weg gibt. Und wer schon mal ein Gutachten tatsächlich schreiben musste, der wird feststellen, dass es etliche Angebote und gut ausgearbeitete Hinweise gibt, die verschiedensten Gutachten zu schreiben.
Dafür rührst du aber ganz schön hier am Ruder.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

19.01.2021 um 22:21
Es ist allgemein bekannt: Die Gutachterin hat es als "wahrscheinlich" erachtet, dass das TK 248 an der Erstellung der Tätertonfolge beteiligt war (siehe S. 295 des Urteils).

Was "wahrscheinlich" bedeuten könnte, darauf nimmt Fußnote 12 am Ende des Gutachtens Bezug:

mdjnia8prjvb E2F458FD-FE22-48D0-BA6E-C48

Eine Kategorie "wahrscheinlich" gibt es bei der Veröffentlichung BKA (S. 33) nicht. Die BKA-Schriftenreihe ist sicherlich nicht verbindlich, aber ihre Wahrscheinlichkeitsliste ist jedenfalls viel vernünftiger, als die im LKA-Gutachten.

3elt1aedslsw Wahrscheinlichkeitsliste

Quelle: Siehe Beitrag von robernd (Seite 468)

Eine Wahrscheinlichkeitsangabe ohne Wahrscheinlichkeitsangabe wie im LKA-Gutachten ist irreführend, jedenfalls semantisch ohne jeden Wert. "Wahrscheinlich" ist erst einmal alles, von "nur ein ganz kleines bisschen" über "indifferent" bis an "an Sicherheit grenzend".

Deshalb zu Recht die Nachfrage beim LKA: "Wie wahrscheinlich ist wahrscheinlich?" Und wenig hilfreich die Antwort: "Na, wahrscheinlich halt."

Übertragen entspräche "wahrscheinlich" eigentlich der "indifferenten Wahrscheinlichkeit" - was aber in einem krassen Gegensatz zum offensiven Auftritt vor Gericht und erst recht der Schlussfolgerung der Gerichts ("eindeutig", anderes Tonbandgerät sei "fernliegend") liegt.

Oder ist "wahrscheinlich" 50:50? Oder 60:40? Oder nicht doch "überwiegende Wahrscheinlichkeit"? Rätsel über Rätsel.

Dem letzten Satz in Fußnote 12 stimme ich übrigens zu: Es ist nicht sinnvoll, diese Begriffe in prozentuale Angaben zu übertragen, jedenfalls nicht hier.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

19.01.2021 um 22:30
Zitat von monstramonstra schrieb:Oder ist "wahrscheinlich" 50:50? Oder 60:40? Oder nicht doch "überwiegende Wahrscheinlichkeit"? Rätsel über Rätsel.

Dem letzten Satz in Fußnote 12 stimme ich übrigens zu: Es ist nicht sinnvoll, diese Begriffe in prozentuale Angaben zu übertragen, jedenfalls nicht hier.
Die hilft nur die bayerische Polizei selber - dein Freund und Helfer!
Aus gutachterlicher Sicht war dieses Gerät mit hoher Wahrscheinlichkeit bei den tatrelevanten Anrufen verwendet worden. Im Mai 2008 wurde der 58-jährige Werner M. in Kappeln festgenommen. Dieser hatte Anfang der 1980er Jahre ebenfalls im Wohnort der entführten Ursula gelebt.
Quelle: https://www.polizei.bayern.de/lka/wir/geschichte/index.html/308283 (Archiv-Version vom 21.04.2021)


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

19.01.2021 um 23:04
@julina32

Ok. Eine multiprozessuale Höherstufung auf der Wahrscheinlichkeitsskala von "wahrscheinlich" auf "hoch wahrscheinlich". Vermutlich aufgrund göttlicher Eingebungen... ;-)


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

19.01.2021 um 23:32
Zitat von Ram13Ram13 schrieb:Ob die Gutachterin das Buch des BKA gelesen hat, weißt weder Du, noch ich, noch sonst jemand hier.
Ah! Ist das so?


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

20.01.2021 um 07:39
Zitat von PalioPalio schrieb:Wenn ich Homepages von Sachverständigen anklicke, ist die Einteilung der Wahrscheinlichkeitsangaben immer noch die verbale Form:
Wahrscheinlichkeiten sind eigentlich mathematisch definiert, bedingte Wahrscheinlichkeiten können selbstverständlich in Prozenten ausgedrückt werden. Das BKA Projekt ist wie gesagt von 2004, der Bayesche Satz stammt aus dem 18. Jahrhundert. Wo steht außerdem dass ein Gutachter bei seiner Tätigkeit irgendwelche "Dienstanweisungen" oder " Empfehlungen" befolgen muss, ausser es handelte sich um ein so genanntes" Gefälligkeitsgutachten"? Er ist selbst dafür verantwortlich auf dem neuesten Stand der Wissenschaft zu sein. Wenn die Gutachterin das BKA Elaborat ignoriert hat, obwohl es ihr bekannt gewesen sein müsste, dann wäre zumindest eine plausible Erklärung nicht schlecht. Ein Gutachten muss nämlich auch schlüssig sein.
Zitat von monstramonstra schrieb:Es ist allgemein bekannt: Die Gutachterin hat es als "wahrscheinlich" erachtet, dass das TK 248 an der Erstellung der Tätertonfolge beteiligt war (siehe S. 295 des Urteils).
Woher nimmt sie die Berechtigung apodiktisch zu schreiben, dass die Wahrscheinlichkeit nicht in Prozenten ausgedrückt werden KANN? Ihre Alternative zu dieser plausibleren Darstellung war der etwas peinliche Dialog mit dem Richter, was denn nun eigentlich "wahrscheinlich" hieße. Die Antwort "Wahrscheinlich heißt wahrscheinlich" heißt gar nix. Es wurde weder die wesentlich präzisere Aufschlüsselung des Begriffs verwendet, wie sie das BKA verwendet hat (s.o.) noch die numerische Kategorisierung als Hilfsmittel. Obwohl diese Methoden nachträglich zur Verfügung gestanden wären. Besser Unklarheit als Klarheit?


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

20.01.2021 um 08:18
Zitat von HeinzHaferkampHeinzHaferkamp schrieb:Wenn man sich vor Augen führt, dass die Vorbereitungen im Weingarten unbemerkt geblieben sind, zumindest niemanden soweit beunruhigt haben, dass man der Sache nachgegangen wäre, scheint mir Ps Beteiligung unwahrscheinlich.
Wie hoch schätzen Sie Wahrscheinlichkeit ein, Herr Haferkamp, aber bitte nicht prozentual.
Willkommen zurück im Jungle.

Was hier über Seiten durcheinander gebracht wird, ist der Begriff der mathematischen Wahrscheinlichkeit und der juristischen Wahrscheinlichkeit.

Die aus der juristischen Wahrscheinlichkeit ergehendes Urteilsvermögen ist klar im ZPO § 286 festgelegt:
§ 286
Freie Beweiswürdigung
(1) 1Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. 2In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.
Quelle: https://dejure.org/gesetze/ZPO/286.html

Hier eine andere Formulierung:
Die nach ZPO § 286 erforderliche Überzeugung des Gerichts von der Wahrheit erfordert keine absolute oder unumstößliche Gewissheit und auch keine "an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit", sondern nur einen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit, der Zweifel Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (vergleiche BGH, 1970-02-17, III ZR 139/67, BGHZ 53, 245 und BGH, 1977-04-11, VIII ZR 286/75, VersR 1977, 721).
Quelle: https://www.reguvis.de/xaver/wertermittlerportal/start.xav?start=%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27wertermittlerportal_xav_id_21388%27%5D#__wertermittlerportal__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27wertermittlerportal_xav_id_21388%27%5D__1611125872540

Die Definition der juristischen Verwendung des Begriffs Wahrscheinlichkeit ist:
In Urteilsbegründungen liest man bezüglich der Beweiswürdigung oft verschiedene »Grade« von Wahrscheinlichkeiten ("Beweismaß"), ohne dass diese näher quantifiziert werden oder es dafür zahlenmäßige Definitionen gibt.

sicher
"an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit" (≥ 99,8 %[2], Vollbeweis[3])
"weit überwiegende Wahrscheinlichkeit"
"überwiegende Wahrscheinlichkeit" (> 50 %)
ausgeglichen wahrscheinlich (50 %)
weniger wahrscheinlich (< 50 %)
ausschließbar
Eine "überwiegende Wahrscheinlichkeit" ist im Zivilprozess meist nicht ausreichend, während dies bei einer Glaubhaftmachung ausreicht. Im Zivilprozess ist ein sog. Vollbeweis notwendig, wobei hierfür keine "unumstößliche Gewissheit" notwendig ist, sondern "ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit genügt, der etwaigen Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen"[4]. Das Fehlen von Grenzwerten oder Zahlenwerten (z.B. "mit 82-prozentiger Wahrscheinlichkeit") in Urteilen bis heute ist dem Umstand geschuldet, dass das Gericht dann auch eine Wahrscheinlichkeit ausrechnen müsste (was nicht so trivial ist), weshalb man lieber bei sprachlich oft schwammigen Formulierungen bleibt.
Quelle: https://www.colliseum.eu/wiki/Wahrscheinlichkeit

Fazit: Ich finde, dass Mazurek endlich reinen Tisch machen sollte, damit das Affentheater hier sein Ende findet.

JagBlack


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

20.01.2021 um 09:06
Zitat von JagBlackJagBlack schrieb:Fazit: Ich finde, dass Mazurek endlich reinen Tisch machen sollte, damit das Affentheater hier sein Ende findet.
Ja das solltest du ihm sagen. Wer will schon "Tatleugner" sein?


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

20.01.2021 um 10:01
Apropos Tatleugner, Herr Mazurek erhofft sich 2023 freizukommen. Ich frage mich, wie da seine Chancen stehen, immerhin ist er gesundheitlich recht angeschlagen. Es kommt aber wohl auch auf die Sozialprognose an, ob man ihn auf Bewährung wieder in die Freiheit entlässt. Vielleicht kommt ihm zugute, dass er schon länger "Freigänger" ist.


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20.01.2021 um 10:07
Zitat von JagBlackJagBlack schrieb:Was hier über Seiten durcheinander gebracht wird, ist der Begriff der mathematischen Wahrscheinlichkeit und der juristischen Wahrscheinlichkeit.
Hinzu kommen die Wahrscheinlichkeitsstufen in Gutachten.

Nach Meinung des Oberlandesgerichts Braunschweig reicht allein eine „sehr hohe Wahrscheinlichkeit“ in einem anthropoöogischen Vergleichsgutachten zur Täteridentifizierung nicht aus; vielmehr müssen zur Überzeugung des Gerichts von der Täterschaft des Angeklagtem noch weitere Umstände hinzutreten. Ähnlich sieht es das OLG Oldenburg zur Frage der Lichtbildidentifizierung bei einem Verkehrsverstoß und einer „sehr wahrscheinlichen“ Identifizierung des Betreffenden durch den Sachverständigen unter Hinweis auf die BGH-Rechtsprechung.

https://oberlandesgericht-braunschweig.niedersachsen.de/download/36135/Beschluss_vom_05.07.2006_2_Ss_81_05_.pdf
https://blog.burhoff.de/2019/09/urteil-iii-fahreridentifizierung-oder-sehr-wahrscheinlich-fahrer-ist-zu-wenig/

Bei einem Gutachten, das nur von einer „wahrscheinlichen“ Tonbandidentität ausgeht, gilt natürlich erst recht, dass weitere Indizien dazukommen müssen. Und das taten sie hja in Form der Zeugenaussagen, dass Mazurek zur Tatzeit ein ähnliches Gerät besaß und dass der Erwerb des fraglichen Exemplars auf dem Flohmarkt in Beverungen sich nicht bestätigt hat. Sag ich doch: allein das LKA-Gutachten war nie und nimmer ausreichend.

Klar dürfte auch sein, dass ein Gericht von einem Gutachter immer gern eine eindeutige Antwort hättr. Die kann ein Gutachter aber manchmal nicht geben. Dann muss er es allerdings sagen.

https://www.aerzteblatt.de/archiv/35933/Gerichtliche-Gutachten-Festlegung-ist-haeufig-nicht-moeglich


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

20.01.2021 um 10:07
Zitat von 245HCT74245HCT74 schrieb:Die höhere Wahrscheinlichkeit wäre: 0,75*0,75 = 56%
Die geringere Wahrscheinlichkeit wäre: 0,5*0,5 = 25%

Man sieht hier, mit dem schwächsten Glied kann man hier nicht viel werden. Die Tendenz geht hier schon in Richtung leicht überwiegend unwahrscheinlich. Daher ist der Begriff Kette irreführend, vermutlich wird das manchen Richtern nicht (mehr) bewusst sein.
Was man hier sieht, ist lediglich Rechenmurks ohne nähere Erklärung.

Die Produktregel wendet man bei kombinierbaren Ereignissen an.

Man will wissen, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass zwei Ereignisse nacheinander eintreten oder in diesem Fall zwei Indizien zusammentreffen.

Dafür muss man aber die Wahrscheinlichkeiten des Auftretens des Indizes mit der Wahrscheinlichkeit des Auftretens eines weiteren Indizes multiplizieren und nicht die Übereinstimmungswahrscheinlichkeiten zwischen Tatmittel und Verdachtsmittel. Das ist etwas völlig anderes.

Bsp: Wenn ein Beschuldigtenfingerabdruck zu 80% zum Tatortfingerabdruck passt, müssten die nächsten Fragen lauten: Wie oft tritt dieser Fingerabdruck in der in Frage kommenden Bevölkerung auf? Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass man diesen Fingerabdruck mit einer Übereinstimmung von 99%, 80%, 60% am Tatort findet?
Da muss man doch ganz andere Informationen haben, bevor man irgendetwas rechnen kann. Bei der Multiplikation der Wahrscheinlichkeiten (in Brüchen oder Dezimalzahlen) später ist dann auch zu beachten, dass das Ergebnis kleiner wird. Und je kleiner das Ergebnis, desto seltener das Zusammentreffen der Indizien, desto größer die Verurteilungswahrscheinlichkeit.
Zitat von ErwinKösterErwinKöster schrieb:Woher nimmt sie die Berechtigung apodiktisch zu schreiben, dass die Wahrscheinlichkeit nicht in Prozenten ausgedrückt werden KANN?
Die Verwendung des TK 248 liegt lt. Gutachterin über dem Bereich "möglich". Das ist es, was sie zum Ausdruck bringen wollte und mehr ging auch nicht.

Die Forderung nach mehr Genauigkeit widerspricht außerdem der gleichzeitigen Kritik, sie habe Variablen außer Acht gelassen. Das war ihr klar, DARUM ja nur die ungefähre Einordnung. Was wäre hier für eine Aufregung und wilde Rechnerei zu erwarten, wenn sie eine Zahl genannt hätte?

Ich glaube, wir sollten uns hier nicht so aufspielen, das Ganze ist komplexer und schwieriger, als wir meinen. Und es war m.E. auch nicht entscheidungserheblich. Entscheidend ist der Bereich Pfaffinger mit den Zeugenaussagen.
Pfaffinger hat definitiv das Loch gegraben, davon durfte das Gericht überzeugt sein, ebenso wie von dessen Belastungswillen gegenüber Mazurek.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

20.01.2021 um 10:22
Zitat von AndanteAndante schrieb:Und das taten sie hja in Form der Zeugenaussagen, dass Mazurek zur Tatzeit ein ähnliches Gerät besaß und dass der Erwerb des fraglichen Exemplars auf dem Flohmarkt in Beverungen sich nicht bestätigt hat. Sag ich doch: allein das LKA-Gutachten war nie und nimmer ausreichend.
PS: Und die am Ende sich ergebende Überzeugung des Gerichts von Mazureks Täterschaft entstand natürlich nicht allein aus den Zeugenaussagen zum Tonbandgerät plus Tonbandgutachten, also dem Tonbandkomplex insgesamt, sondern aus vielen weiteren hinzutretenden Indizien, nachzulesen auf S. 291 bis 295 des Urteils

In diesem Gesamtgefüge ist das Tonbandgutachten, isoliert betrachtet, keineswegs DER tragenden Baustein für die Verurteilung. Ist mir ein Rätsel, wie man so was wirklich glauben und ernsthaft vertreten kann.


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