christian01 schrieb:Da gäbe es schon noch mehr, beispielsweise der Fall Bauer Rupp "überbietet" die o.g. noch um Längen...
naja, das sehe ich anders.
Richtig ist, dass im Fall Rupp die Beschuldigten durch fragwürdige Vernehmmethoden zu einem falschen Geständnis gedrängt wurden und die Verurteilung auf Grundlage dieses falschen Geständnisses erfolgte. Soweit in der Tat ein Justizskandal.
ABER:
Im Fall Rupp war es ja so, dass die Beschuldigten bereits vor diesem falschen Geständnis, vor der fragwürdigen Beschuldigtenvernehmung, ein Geständnis abgelegt hatten! Dieses lautete, dass sie Rupp mit einem Schlag mit einem Kantolz getötet hatten und dann noch in gleicher Nacht in seinem Wagen in einem Gewässer versenkt hatten. Die Polizei überprüfte damals mit Tauchern die angegebene Stelle, konnte aber nichts finden. Erst darauf begann die Vernehmung per Reid-Methode, die dann zu dem falschen Geständnis führte.
Tatsächlich wurde Rupp in seinem Wagen im Fluss versenkt gefunden. Nur 300m entfernt von dem damals im ersten Geständnis angegebenen Ort! Und er wies keine anderen Verletzungen am Körper auf, nur sein Hals/Nacken war so stark durch Fischfraß skelettiert, dass in dieser Region nicht untersucht werden konnte, ob er dort verletzt war.
Aus meiner Sicht enthielt das erste Geständnis, das, welches noch nicht durch die Reid-Methode belastet war, soviele Punkte, die sich nach Fund der Leiche von Rupp bestätigt haben, dass ich persönlich glaube, dass dieses der Wahrheit entsprach. Dass dort Ort nicht ganz korrekt angegeben wurde, scheint mir angesichts dessen, dass das Rupp im Auto in der Nacht versenkt wurde, wenig bedeutsam, nachts haben die Täter sich vielleicht nicht im Ort geringfügig geirrt, 300m Differenz ist nicht so extrem. Es konnte zwar keine Verletzungen eindeutig erkannt werden, aber dass Fischfraß an der Stelle beginnt, wo eine Wunde vorhanden ist, erscheint mir plausibel. Und das war hier eben an der Stelle, wo laut Geständnis Rupp verletzt wurde.
Daher mag ich den Fall Rupp nicht so dramatisch sehen. Dass da Menschen aufgrund eines falschen, fragwürdig herbeigeführten Geständnisses verurteilt wurden, ist sicher ein Skandal. Aber aus meiner persönlichen Sicht wurden trotzdem die richtigen Täter verurteilt, es traf meiner Ansicht nach keinen Unschuldigen! (der damals ebenfalls beschuldigte Schrotthändler Ludwig H., der nun eindeutig unschuldig ist, wurde ja schon damals freigesprochen)
Mit weniger Worten: im Fall Rupp haben die Beschuldigten meiner Ansicht nach damals im ersten Geständnis Täterwissen genannt, welches heute aus der Auffindesituation der Leiche bestätigt werden kann, und daher glaube ich, dass sie die Tat tatsächlich begangen haben.
Um nun den Bogen zurück zu spannen auf diesen Fall hier:
Ich hatte es hier schon mal hier
Beitrag von bla_bla (Seite 657) angesprochen, aber leider ist da noch keiner drauf eingegangen.
Aus meiner Sicht viel dramatischer als die "Beratungen" mit dem Staatsanwalt war in diesem Prozess die Definition, was verurteilungsrelevantes "Täterwissen" ist. Und da wüsste ich gerne, ob ich da einem Irrtum unterliege, und das seine Richtigkeit hatte oder aber hier ein (weiterer) Fehler im Prozess passiert ist:
Meiner Ansicht nach ist Täterwissen, welches Grundlage für eine Verurteilung darstellen kann, etwas, was gleichzeitig mehrere Kriterien erfüllen muss
1) es muss etwas sein, was nur der Täter weiss (vielleicht den Ermittlern schon zuvor bekannt war, aber jedenfalls nicht der Öffentlichkeit bekannt ist); es kann daher auch nichts sein, was zwar nicht öffentlich bekannt ist, aber trivial ist, leicht zu erraten ist oder dem unbedarften Beobachter als naheliegend erscheint
UND
2) Es muss etwas sein, was sich unabhängig von der Aussage, die dieses Wissen offenbart, überprüfen und bestätigen lässt
Im Prozess wurde als "Täterwissen" gewertet, dass ST zur Spekulation über den Tatablauf aufgefordert sagte, Hanna könne mit einem Stein erschlagen worden sein. Das erfüllt meiner Ansicht nach beide Kriterien nicht.
Erstmal wurde sowas hier auch schon in diesem Thread spekuliert, zu einem früheren Zeitpunkt, was Beleg dafür sein dürfte, dass es trivial, auch für einen nicht-Täter naheliegend ist. Und zudem konnte ja gar nicht durch die Spuren belegt werden, was genau die Verletzungen hervorgerufen hat. Es könnte zB. ebenso eine Eisenstange gewesen sein.
Wie kann das dann als "Täterwissen" gewertet werden?
Ebenso wurde im Prozess gesagt, dass ST dem Knastzeugen Täterwissen mitgeteilt habe. Aber wenn man das, was von der Aussage des Knastzeugen bekannt ist, jetzt mal durch ein strenges Raster presst und daraus alles rausstreicht, was zu dem Zeitpunkt, zu dem der Knastzeuge seine Aussage gemacht hat, bereits öffentlich bekannt war, weiter alles rausstreicht, was nicht öffentlich bekannt war, aber ST aus den Vernehmungen, aus dem, was man ihm seitens der Ermittler vorwarf, bekannt war (und was er ja dem Knastzeugen weitererzählt haben kann), dann bleibt meiner Ansicht nur die Aussage zum Motiv, seiner inneren Motivation zur Tat. Und das entzieht sich der Natur nach einer unabhängigen Überprüfung.
Auch da stellt sich mir die Frage: Wie kann das dann als "Täterwissen" gewertet werden?