abgelenkt schrieb am 19.05.2025:Für sich genommen scheinen die Indizien jeweils unzureichend, es fehlt allerdings noch an einer Gesamtwürdigung, da es zumindest eine gewisse Anzahl von Indizien ist. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit des kumulativen Auftretens von "Spaßgeständnis", relativ früher ausführlicher Besprechung des gewaltsamen Todes eines Mädchens, dass man nicht persönlich kennen will, dass sich ein "Knastzeuge" für die Sache findet etc. (das mit der angeblich falschen Hose lasse ich mal weg, da gebe ich persönlich wenig drauf, schon weil die Zeugenaussagen unterschiedlich waren) , wenn er unschuldig ist (was ich nicht ausschließen will, ich rege nur an, diese Gesamtbetrachtung auch anzustellen)?
Spät aber doch! Natürlich musste ich deiner Aufforderung, eine Gesamtbetrachtung anzustellen, noch folgen und hab das als Anlass genommen, den gesamten Prozess für mich Revue passieren zu lassen. Ich gehe richtig in der Annahme, dass die Gesamtwürdigung sowohl
belastende als auch
entlastende Indizien beinhalten soll, oder? Indizien im
Spoiler- Im Detail wirkt das Fehlen auffindbarer Spuren, unter anderem Schleif-, DNA- oder Blutspuren, Haare oder Gegenstände am Tatort, als entlastend. Der vorgeschlagene Ablauf mit dem festgestellten Verletzungsbild muss Spuren hinterlassen haben. Dass die Spuren vom Nieseln vernichtet worden sind und am übernächsten Tag am Tatort nicht mehr auffindbar waren ist ausgeschlossen
- Der Tatort musste mangels Spuren, anhand von Indizien festgelegt werden. Dafür dass der Angeklagte zur selben Zeit wie das Opfer am Tatort eingetroffen sein kann, müsste er einen Umweg genommen haben für den es weder keine Anhaltspukte gibt. Außerdem ist der Tatort von verschiedenen Seiten einsehbar und eine viel befahrene Straße führt direkt vorbei, ein ortskundiger Täter hätte auch zu später Stunde erwarten müssen gesehen zu werden.
- Das kurze Zeitfenster für das es kein Alibi gibt, schränkt die Wahrscheinlichkeit zusätzlich ein. Er hätte nach seiner festgestellten Joggingrunde schnell zum Tatort, die Tat begehen müssen, alle Spuren beseitigen müssen und direkt nach Hause laufen, sich ins Haus schleichen und sofort mit dem Clash of Clansspielen beginnen müssen.Es würde keine Zeit zum Verschnaufen, für Unsicherheiten oder Zögern, geschweige denn für Fehler oder für jegliches Nachtatverhalten (wie Klamotten loswerden oder ähnliches), das ist besonders für einen Ersttäter untypisch.
- Dass an der Kleidung von ST absolut keine Anhaftungen, keine DNA oder Blutspuren gefunden werden konnten, spricht gegen eine Tatbegehung. Das Verletzungsbild würde Spuren an der Kleidung erwarten lassen. Bei der Unreife und Unordentlichkeit, die in seinem Zimmer vorgefunden wurde, lässt nicht erwarten, dass er die Kleidung selbst gereinigt hat, oder gewusst hätte wie das zu bewerkstelligen wäre. Die Beziehung zur und das Verhalten der Mutter, lässt weder vermuten, dass sie die Kleidung für ihn gereinigt hat noch, dass er die Kleidung unbemerkt entsorgen hätte können.
- Das außergewöhnliche Verletzungsbild im Zusammenhang mit der Statur muss zusätzlich als entlastendes Indiz gewertet werden. Einerseits ist es unwahrscheinlich, dass sich ein unerfahrener Täter ein körperlich überlegenes Opfer sucht. Andererseits muss berücksichtigt werden, dass das Zufügen des Verletzungsbildes (das nur mit einer großen Krafteinwirkung vereinbar ist) und das Schleppen in den Bach für einen kleinen, schmächtigen Täter, mit Rückenbeschwerden, nach erfolgter Joggingrunde, nicht nachvollziehbar umsetzbar wäre. Selbst wenn es nicht komplett auszuschließen ist, muss es dennoch als unrealistisch betrachtet werden, dass dem unerfahrenen Angeklagten die Verursachung einer beispiellosen Schulterdachfraktur und das 5malige Zufügen einer gleichartigen Wunde gelingt,. Die menschliche Schlagkraft nimmt in der Regel ab, in bestimmten Fällen auch zu, aber sie ist ohne besonderes Training nicht gleichbleibend.
- Weiters als entlastendes Indiz, ist die Persönlichkeit von ST zu werten, es konnte weder ein erhöhtes Aggressionspotential, eine sexuelle Störung, noch eine narzisstische Kränkung festgestellt werden, stattdessen hat er eine fatalistische Einstellung gezeigt, die eher darauf hindeutet, sein Schicksal als unabänderlich anzunehmen.
- Der leicht unterdurchschnittlicher IQ unterstützt in diesem Fall ebenso die Unschuldsvermutung, da weder das Fehlen jeglicher Spur am Tatort und an der Kleidung, das Fehlen verdächtiger Suchanfragen, noch die recht große Konsistenz in seinen Aussagen bei unterstellter Lüge, mit dem IQ und der Entwicklungsverzögerung in Einklang gebracht werden kann. Unterstützend gibt es auch Aussagen von Freunden, Arbeitskollegen und Mitinsassen, wonach er mit der gewissenhaftem, konzentriertem Erledigung von Aufgaben, sowie mit dem korrekten Wiederholen von Ausgedachtem/Geschichten Schwierigkeiten hat.
- Als weiteres Indiz für seine Unschuld, sind objektive Handydaten und Kameraaufnahmen zu werten, die am 03. und 04. Oktober 2022 erstellt wurden. Daraus geht hervor, dass ST seiner Freundin V erstmalig am 04.10. von dem Tod des Opfers berichtet hat, die Sprachnachricht enthält keinerlei Täterwissen, im Gegenteil sie enthält die Details, die den anfänglichen Zeitungsberichten und Zeugenaussagen entsprechen. Es geht auch eindeutig aus der Sprachnachricht hervor, dass ST Verena am 03.10. noch nichts berichtet hatte, obwohl sie sich getroffen hatten. Dadurch und durch Kameraaufnahmen vom Festhallen-Parkplatz kann Verenas Aussage bezüglich Täterwissen widerlegt werden.
- Die Indizien, die ein Unfallgeschehen wahrscheinlicher als einen Angriff machen, müssen natürlich auch als entlastend gewertet werde. Als erstes ist hier die Kombination aus Geodaten, Abkühlzeit und Notruf des Opferhandys zu nennen. Der Notruf geht um 02:32:09 Uhr raus wenige Sekunden nach dem Notruf zeigte sich bereits eine sprunghafte Abkühlung. Da im wasserdichten Iphone 12 nur ein „Innen“-Temperatursensor für den Akku und den Prozessor eingebaut ist, muss von einer Verzögerung ausgegangen werden, bis das Innere merklich abkühlt und der Sensor die Abkühlung registriert. Vor dem Notruf waren die GPS-Daten noch genau, zur Zeit des Notrufes fand das Handy fast 1 Minute kein GPS und erst ab 02:33:35 Uhr wieder, aber nur noch ungenaue GPS-Daten. Daher muss davon ausgegangen werden, dass das Handy schon vor dem Notruf gemeinsam mit dem Opfer im Wasser gelandet ist und von dort der Notruf abgegeben wurde. Die Anwesenheit eines Täters kann die beginnende Abkühlung in Kombination mit dem Verlust des GPS-Signals nicht erklären.
Der Alkoholpegel des Opfers, der regelerechte Sitz der engen Kleidung im Vergleich zur weiteren Kleidung des Opfers, die Auffindeorte aller Gegenstände die dem Opfer zuzuordnen waren abgetrieben im Wasser und nichts im Gebüsch des Tatortes sind außerdem als Indizien für ein Unfallgeschehen zu werten. - In der Gesamtschau zu betrachten sind weiters, die vom Gericht als belastend eingestuften Indizien, angefangen mit dem nächtlichen Joggen und dadurch möglichen Aufenthalt am Tatort. Nach eigener Aussage joggt ST im Normalfall am Abend gegen 20 Uhr und nicht in der Nacht, an diesem Abend habe er nicht schlafen können und sei deshalb joggen gegangen. Das nächtliche Joggen muss daher als außergewöhnlich betrachtet werden. Das Laufhobby an sich konnte durch frühere Teilnahmen an Rennen und durch Aussagen von Zeugen bestätigt werden. Es konnte auch gezeigt werden, dass das Joggen kein Vorwand war, da er nachweislich eine größere Runde gelaufen ist. Außerdem konnte festgestellt werden, dass er vor dem Joggen ein Fitnessvideo gesehen hat. Videodaten und Zeugenaussagen bestätigen seine Routenangaben. Nur für den Umweg zum Tatort, der nicht vom Angeklagten angegeben wurde, gibt es keine Anhaltspunkte.
- Mehrere ZeugInnen gaben an den Jogger in der Nacht gesehen zu haben. Der erste Zeuge habe den Jogger auf der Kampenwandstr. Zwischen Aschau und Hohenaschau wahrgenommen, er habe eine lange Hose (evtl. Legging) wahrgenommen. Ein Zeuge der nachweislichen (Eiskeller-Kamera) um 02:18 Uhr den Eiskeller verlassen hat, hat gegen 02:21-02:25 Uhr ein Jogger in Laufkleidung auf Höhe Gasthof Baumbach gesehen, zur genauen Laufkleidung oder Statur konnten keine Angaben gemacht werden. Die Zeugin die um 02:20 Uhr den Eiskeller verlassen hat (wurde nicht nachgewiesen), hat den Jogger laufend auf dem Festhallenparkplatz gesehen, sie erinnerte eine kurze Hose. Ab 02:25, Uhr habe ein weiterer Zeuge den Jogger von der Kampenwandstraße kommend über den Festhallenparkplatz zu Festhalle laufen gesehen, dieser Zeuge erinnerte eine kurze Hose und eine Stirnlampe, die Statur sei hager und sportlich gewesen.
- Im Suchaufruf der Polizei wurde ein Jogger mit kurzer Hose gesucht und in Frage gestellt, ob es einen weiteren Jogger gegeben habe oder der Angeklagte die richtige Hose vorenthalten wollte. Bezüglich der Joggingkleidung stellte sich anhand der Zeugenaussagen kein einheitliches Bild dar, 2 Zeugen erinnerten eine kurze Hose, ein Zeuge eine lange, und eine Zeugin konnte keine Angaben machen. Die Chalet-Kamera zeichnet einen Jogger auf, jedoch ist die Qualität nicht ausreichend um eine Aussage zur Kleidung zu machen. Der Angeklagte, der sich selbst als der gesuchte Jogger gemeldet hat (mit Hilfe der Mutter), gab von sich aus an, dass er immer mit langer Hose jogge, aber dennoch glaube, dass er der gesuchte Jogger sei, da er zur angegebenen Zeit gejoggt sei und sonst keinen Jogger gesehen habe. Bei der ersten Vernehmung trug er eine dunkle Hose und meinte, diese sei der getragenen Hose ähnlich, den Beamten erschien diese Hose nicht zum Joggen geeignet. Zum zweiten Termin brachte er eine Hose mit, zu der er angab, dass es sich um ein derartiges Modell gehandelt habe, er wisse nicht ob es konkret diese Hose gewesen sei. Die Richterin stufte diese Hose anhand von Fotos als Trekkinghose ein. Es konnte nicht abschließend geklärt werden ob er die richtige Hose beibrachte.
- Außerdem wurde der Pornokonsum als belastendes Indiz diskutiert, aber konnte nicht beibehalten werden, da dieser vom psychiatrischen Gutachter in Art und Umfang als unauffällig eingestuft wurde.
- Weiters wurde das sexuelle Interesse an Frauen in Pflegeberufen behandelt, da hierfür der „sich kümmern“-Aspekt im Vordergrund steht und die Zeugen nur über Interesse an Krankenschwestern berichten konnten, lässt sich das nicht auf (zukünftige)Ärztinnen übertragen. Zumal die Ermittlungen ergeben haben, dass ST das Opfer nicht gekannt hat und daher auch nichts über ihren Beruf wissen konnte.
- Von mehreren Zeugen wurde ein vermehrter Alkoholkonsum in den Wochen vor der Festnahme berichtet, ST selbst begründete das mit dem Tod des Kaninchens. Es lässt sich nicht abschließend klären, ob der vermehrte Alkoholgenuss als Reaktion auf die Tat gesehen werden kann, plausibel wäre der erhöhte Alkoholkonsum auch als Stressreaktion durch das Interesse der Polizei. Bekräftigt wird letztere Vermutung dadurch, dass der vermehrte Alkoholkonsum nicht nach dem Tod des Opfers, sondern nach den Befragungen durch die Polizei beschrieben wurde.
- 4 Personen, die Schwestern Verena & Lea,deren Mutter Angela und ein Bekannter Max belasten den Angeklagten mit der einstimmigen Aussage, dass der Angeklagte einen Tag vor der Festnahme auf einer Wohnungsparty scherzhaft meinte, dass er der Täter sei. Übereinstimmend ist berichtet worden, dass die Anwesenden, das als Witz verstanden haben, diesen Witz aber nicht passend gefunden hätten. Die Mutter habe daraufhin zwar dazu geraten einen Anwalt zu kontaktieren, aber es wurden keine weiteren Maßnahmen getroffen, die nahelegen würden, dass das „Geständnis“ ernst genommen worden wäre. Die „Party“ ging weiter, es wurde viel Alkohol getrunken und der Angeklagte übernachtete in der Wohnung bei Verena im Zimmer. Man muss davon ausgehen, dass sich die Gespräche des Abends hauptsächlich um die Vernehmungen des Angeklagten und von Verena drehten. Verenas Vernehmung hat am selben Tag stattgefunden und ihre Sprachnachrichten bezeugen, dass Verena durch die Befragungssituation sehr aufgeregt und gestresst war.
- Die Aussage von Lea, dass der Angeklagte am 03.10. am späten Nachmittag beim Tischtennisspielen schon von dem Tod des Opfers erzählt habe, konnte nicht bestätigt werden. Nach der Aussage von Lea seien, der Angeklagte, ihre Schwester Verena und ein Freund Raffi beim Tischtennisspielen in einem Strandbad am Chiemsee gewesen. Lea konnte im Prozess nicht benennen welches der 9 Strandbäder gemeint sei, da sie die Namen der Bäder und Ortschaften nicht gut kenne, sie konnte sich nur erinnern, dass man von der Platte den Chiemsee aus sehen konnte und dass es einen großen Kiesplatz gegeben habe. Der Angeklagte soll am Rückweg zum Auto über den Tod eines Mädchens gesprochen haben, nach der Aussage von Lea habe ihre Schwester und Raffi das auch gehört und geschockt reagiert, es sei dann auf der Rückfahrt untereinander darüber gesprochen worden. Diese Angaben konnten weder von Verena noch von Raffi bestätigt werden. Raffi bestreitet zudem, dass er am 03.10. überhaupt dabei gewesen sei. Er sei mit den Beteiligten und einer weiteren Person schon mal beim Tischtennisspielen gewesen, das sei aber an einem anderen Tag gewesen. Verenas Geodaten zeigen ab 16:22 Uhr zwar einen Aufenthalt in Übersee, wo es auch ein Strandbad gibt, laut Apple Maps hat man von der Tischtennisplatte in Übersee keinen freien Blick auf den Chiemsee, da sich diese hinter einem Gebäude befindet. Aufgrund der vielen Widersprüche kann dieser Aussage kein Glaube geschenkt werden und muss als widerlegt angesehen werden.
- Kurz nach Prozessbeginn kündigte ein Mithäftling (AM) des Angeklagten an, dass der Angeklagte ihm gegenüber die Tat gestanden habe. Laut AM leugnete ST die Tat erst, er habe aber weiter gebohrt, und ST hätte schlussendlich die Tat gestanden. Der Angeklagte habe über die Tat gesagt, dass der Angeklagte das Opfer bewusstlos geschlagen habe damit sich diese nicht wehren könne und sie hinterher in den Fluss geworfen. Zum Motiv sei ihm gestanden worden, dass der Angeklagte sexuelles Interesse am Opfer gehabt habe, von diesem zu einem früheren Zeitpunkt bekorbt worden sei und ansonsten nicht viel Erfolg bei Frauen gehabt habe. Es sei unbestritten, dass AM sich mit den Angeklagten unterhalten hat, auch dass der Angeklagte dem AM Einblick in seine Akte gewährte, da er Details der Ermittlungsarbeit wiedergeben konnte. Die Aussage zum Motiv kann als widerlegt angesehen werden, da alle anderen Zeugen glaubwürdig darlegten, dass der Angeklagte das Opfer nicht kannte. Als AM erfahren hat, dass die selbe Richterin auch seinen Prozess führen werde, habe er auf eine Vergünstigung gehofft und habe sich zu der Aussage entschlossen. Vorher habe er das „Geständnis“ im Interesse des Angeklagten geleugnet. AM ist des sexuellen Missbrauchs von Kindern ohne Körperkontakt, der Nötigung und des Besitzes jugendpornographischer Inhalte angeklagt und er habe unter anderem vorgegeben, unter Krebs im Endstadium zu leiden, um seine Opfer zu manipulieren. Dem Zeugen wurde neben anderene Diagnosen auch die Borderline und die dissoziale Persönlichkeit diagnostiziert, was die Beurteilung seiner Glaubwürdigkeit zusätzlich komplex macht.
Zusammenfassend liegt hier eine vage Aussage zu einem öffentlich bekannten Tatgeschehen von einem schwierigen Zeugen, der wiederholt zu seinen eigenen Gunsten gelogen hat. Es wäre nicht nachvollziehbar darauf ein Urteil aufzubauen.
Gesamtschau (meine Vorstellung davon)
Für die Gesamtschau muss man sich die Wahrscheinlichkeit ansehen, dass ein junger Mann, der häufig Pornos konsumiert, ungewöhnlicherweise an dem Abend in der Nähe des Tatorts joggt, nachdem er in das Fadenkreuz der Polizei gerät, zu viel trinkt, ein schlechtes Witz-Geständnis ablegt und unermessliches Pech bei der Freundeswahl beweist und erst von dem Schwesternpaar falsch mit Täterwissen bezichtigt wird und dann auch noch vom Mithäftling, der sich einen Vorteil von seiner vagen „Täterwissen“-Aussag erhofft. Vielleicht ein bisschen absurd, aber eigentlich gut nachvollziehbar.
Im Vergleich dazu, geht die Wahrscheinlichkeit gegen Null und für mich ist nicht vorstellbar, dass es dem Angeklagten mit seiner Statur und Intelligenz möglich gewesen sein soll, den vorgeworfenen Angriff, in der kurzen, ihm zur Verfügung stehenden Zeit, zu bewerkstelligen. Dabei das Opfer in mehrfach ungewöhnlicher Weise zu verletzen und keinerlei objektive Spuren zu hinterlassen oder zu übersehen. Auch seine Mutter stellt absolut nichts fragwürdiges fest und unterstützt ihn dabei, sich selbst bei der Polizei als Zeuge zu melden. Hinzu kommt nun, dass er vorhersehen hätte müssen, dass er weder am gut einsehbaren Tatort, noch am Hin- und Rückweg des vorgeworfenen Umwegs wahrgenommen wurde und stattdessen nur auf der Route gesehen wurde, die er bei der Vernehmung selbst, wiederholt angegeben hat. Auch, dass die Polizei und StA ein Jahr lang kein belastbares Indiz für die Täterschaft finden konnte und sich nur objektive, entastende Indizien finden ließen, demonstriert die Abwegigkeit.
abgelenkt schrieb am 19.05.2025:Die Wahrscheinlichkeit eines Zusammentreffens dieser Aspekte trotz Unschuld steigt natürlich, wenn man an komplette Voreingenommenheit/verschwörungsähnliches Zusammenwirken glaubt (so iSd Überschrift des hier nicht zitierfähigen aber natürlich durchaus interessanten Zeit Artikels "Sie brauchten einen Mörder." ) (was ich so ohne Weiteres nicht will).
Das Argument kann ich nicht nachvollziehen. Wie sollte eine Voreingenommenheit etc. auf die tatsächliche Wahrscheinlichkeit Einfluss haben? Höchstens auf die Bewertung einzelner Indizien und die Relevanz, die man den Indizien zumisst. Diesen Einfluss sehe ich natürlich schon. Bisher bin ich nie von einer Verschwörung oder ähnlichem ausgegangen und hatte tatsächlich die Gesamtschau“ in Verdacht. Ich konnte mir vorstellen, dass eine Abwärtsspirale durch das Verena-Täterwissen Indiz gestartet ist. Dieses Indiz hat den Tatverdacht, meiner Meinung nach zu Recht, begründet. Daraufhin gab es Hausdurchsuchungen und die Vernehmungen wurden nochmal in Erinnerung gerufen. In den ersten Tagen nach der Festnahme lief es wie am Schnürchen, es konnten plötzlich Indizien in den Vernehmungen gefunden werden, es wurden viele Kleidungsstücke mit Anhaftungen gefunden und dem Labor übergeben, es konnte ein Pornohandy sicher gestellt werden und Lea und Angela schienen die Aussagen von Verena einigermaßen zu stützen. Es wirkte alles stimmig und in der Gesamtschau muss es ST gewesen sein. Dann kamen nach und nach Analyseergebnisse (Handyauswertungen, Laborergebnisse) zurück und eigentlich drehte sich der Fall komplett, aber aus systematischen Gründen wurde das nicht bemerkt. Denn, wie auch hier mantrahaft wiederholt, es kommt nicht auf ein einzelnes Indiz an sondern die Indizienkette und die Gesamtschau und man hat nicht bemerkt, dass irgendwann eigentlich keine belastbaren Indizien mehr übrigblieben. Ich finde man muss sich schon vor Augen halten, dass der Prozess ohne AM gestartet wurde.
Tatsächlich stelle ich das aber mittlerweile doch in Frage, durch das nochmalige Durchgehen bin ich auf Versäumnisse gestoßen, die sich nicht mehr mit Befangenheit erklären lasse.
Beispielsweise verstehe ich nicht, wieso die Aussage der Zeugin, die fast zur selben Zeit oder ganz knapp vor Hanna den Eiskeller verlassen hat und ST am Parkplatz gesehen hat (
SpoilerDann wird die erste Zeugin in den Saal gerufen. Es handelt sich um eine 28-jährige Frau, die am 3. Oktober 2022 um 2:20 Uhr aus dem Eiskeller und zu ihrem Auto auf dem Eiskeller-Parkplatz ging.
Quelle: https://www.ippen.media/netzwerk/lokales/bayern/zeugen-aus-dem-eiskeller-was-wissen-sie-ueber-hannas-letzte-stunden-92657111.html), nicht durch das bei der StA vorliegende Video bestätigt wurde. Die möglichen Tatzeit ist nur wenige Minuten lang, der ganze Fall ist nur auf Indizien aufgebaut und ich verstehe nicht, wieso man nicht jede Möglichkeit der Objektivierung nutzt. Auch wieso das nicht seitens der Verteidigung (vor Rick) verlangt wurde kann ich nicht nachvollziehen.
Ich gehe jetzt nicht davon aus, dass die Staatsanwaltschaft ein Alibi unterdrücken wollte, aber dass es aus verfahrensökonomischen Gründen weggelassen worden ist, kommt mir auch nicht sehr plausibel vor.
Aber richtig krass finde ich den Umgang mit Leas Aussage, nicht nur, dass allen Punkten ihrer Aussage von den anderen Zeugen widersprochen wurde. Nein! Der Staatsanwaltschaft und dem Gericht muss bekannt gewesen sein, dass sie von einem anderen Strandbad als dem in Übersee, das in den Geodaten von Verenas Handy auftaucht, spricht. Sie wurde nach Einzelheiten bezüglich des Strandbads gefragt und die genannten stimmen nicht mit dem Strandbad in Übersee überein, sondern sie beschreibt den Chiemseepark in Bernau-Felden (mehr als 10 km entfernt). Dann wurde aktiv verhindert, dass die Verteidigung das Indiz prüft und die Aussage wurde einfach zum „Täterwissen“ erklärt und so ins Urteil aufgenommen. Nochmal deutlich: Obwohl man wusste, dass sich Lea genau wie ihre Schwester geirrt hatte, wurde darauf ein Urteil über 9 Jahre Haft aufgebaut. Das geht für mich eindeutig über Befangenheit hinaus.