Tiergarten schrieb:Wenn Schnelligkeit ein zentrales Kriterium sein soll, dann könnte oder müsste die Kammer ja auch anderweitig an der Zeitschraube drehen.
Zum Beispiel wäre es unter dem Gesichtspunkt der Verfahrensbeschleunigung angebracht, mit einem Gutachten zur Unfallthese kurzerhand auf Prof. Püschel zurückzugreifen.
Ja, das Verfahren muss beschleunigt werden. Da sind wir uns einig!
Wahrscheinlich wird dem Gericht dieses Gutachten schon vorliegen. Daher braucht es nicht mehr erstellt zu werden. Dieses Gutachten werden die Richter aktuell schon durcharbeiten.
Außerdem betrifft Püschel nur die Frage des Unfalles. Andere Gutachter vertreten andere Ansichten. Die kann man nur in der Verhandlung dann weiter klären, in dem man den Gutachtern jeweils Fragen stellt.
Unabhängig von der Frage des Unfalles ist die Frage der Glaubwürdigkeit des Zeugen.
Hier ist der Zeuge psychisch auffällig. Er hat mittels Lügen kriminelle Handlungen durchgeführt. D. h. er hat hier deutlich mehr Erfahrung als ein normaler Zeuge, mit denen es ein Gericht normalerweise zu tun hat.
Tiergarten schrieb:Es ist schon bedenklich genug, wie ich auch @Rick_Blaine entnehme, dass die neue Kammer einen ohne eigene Anschauung vorab einer Glaubwürdigkeitsprüfung unterzieht.
Rick_Blaine schrieb:Es ist in so einem Fall eine gewisse Gratwanderung.
Gratwanderung ist eine schöne bildliche Darstellung. Ich sehen jedoch nicht daran, dass
@Rick_Blaine das als bedenklich ansieht. Dann würde man eher von einer Grauzone sprechen.
Wir haben zwei unterschiedliche Seiten, wo das Gericht beide Seiten beachten muss. Auf der einen Seite die Prozesslänge und die Länge der U-Haft. Aber auf der anderen Seite, was gibt es da den bezogen auf den Zeugen? Das Gericht bekommt vor der Verhandlung
vielleicht einen (falschen) Eindruck. Aber bedeutet dass, dass es diesen Eindruck nicht wieder verlieren kann? Genau das meinte doch
@Rick_Blaine im letzten Abschnitt.
Trotzdem kann es natürlich passieren. Berufsrichter werden jedoch immer schon vor der Verhandlung beeinflusst. Aber das gilt doch für die anderen Sachen gleichfalls. Die Berufsrichter lesen die Akten, die Anklageschrift etc.. Sie greifen auf Gutachten der StA zurück, lassen weitere erstellen. Diese Berufsrichter haben in normalen Fällen diese Anklage sogar schon zugelassen! Unserer Gesetzgebung ist einfach so und sie geht davon aus, dass Berufsrichter damit umgehen können und sich davon nicht beeinflussen lassen.
Wenn Dir (
@Tiergarten ) das nicht gefällt, dann müsstest Du die ganze Rechtsprechung in D in Frage stellen, nicht nur in diesem Verfahren. Dieses Art des Verfahrens stößt natürlich auch auf Kritik. Hier in D ist es so, die Richter müssen sich schon früh solche Informationen besorgen, es geht nicht anders.
Es ist ganz klar eine Gratwanderung aber auf der einen Seite ist der Abgrund viel tiefer und die Justiz ist in diesen Abgrund schon rein gerutscht, erst das zweite Auffangnetz hat sie noch retten können. Nun muss man alles tun um wieder hoch zu kommen.
Wie sind uns doch Beide einig, dass die Zeit mehr als in anderen Verfahren zählt.
Der Angeklagte sitzt momentan mehr als 2 ½ Jahre in U-Haft. Wenn man so einseitig vorginge, würde man bis September die Zeit einfach verstreichen lassen. Dann lädt man irgendwann im Verfahren den Zeugen. Dann stellt man fest, dass man es selber nicht beurteilen kann. Dann erst würde man den Gutachter bestellen, der vielleicht 2 Monate benötigt. Dann endlich würde er befragt werden und erst bei einem positiven Gutachten würde das Gericht über eine Entlassung aus der U-Haft nachdenken. Und dann werden wir schon im Jahr 2026 sein.
Das ist der Grund, weshalb sich das Gericht zu beeilen hat. Das fordern die Gesetze. Man kann es nie allen recht machen, aktuell ist die anstehende Haftprüfung das wichtigste und dazu wird eben das Gutachten benötigt. Solange keine anderen Richter die Haftprüfung vornehmen und die ganzen Verfahrensvorbereitungen durchführen, kann man dem nicht entkommen.