fassbinder1925 schrieb:Im Fall Hanna, betrifft die Abänderung ja mehr die rechtliche Würdigung, als einen anderen Lebenssachverhalt.
Von welcher Abänderung redest Du denn? Meines Wisssens gibt es kein Statement der StA, dass sie irgendwas anders sieht, als im ersten Prozess. Geht es jetzt darum, dass der Inhalt des im Laufe des ersten prozesses ergangenen rechtlichen Hinweises gleich mit in die Anklage eingearbeitet werden soll?
Natürlich ist es so, dass StA aber auch die Verteidigung und die Nebenklage dadurch, dass es einen ersten Prozess gab, mehr Erkenntnisse haben, als zu Beginn des ersten Prozesses. Allein schon dadurch, dass AM erst im Laufe des 1. Prozesses auftauchte und dieses Gestädnis von ST zu Beginn des Prozesses noch gar nicht bekannt war.
Auf Null gesetzt ist nur die richterliche Würdigung und Entscheidung, aber ich denke nicht, dass alle anderen auch so tun müssen, als ob es den ersten Prozess nich gegeben hätte.
fassbinder1925 schrieb:Ob das rein rechtlich gehen würde, die Anklage dahingehend offiziell abzuändern und sie dann noch unter dieser Kammer zu verhandeln, finde ich schwer zu beurteilen. Ich würde es nicht ganz ausschließen wollen, da es ja nur um die rechtliche Würdigung geht. Für so konkrete Sachen müsste man denke ich Kommentare wälzen oder müssten vllt erfahrenere Leute was dazu sagen.
Nein, denke ich nicht, dass man dazu Kommentare wälzen muss, es reicht vollkommen aus, die StPO zu lesen.
§ 265 StPO - Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes oder der Sachlage
(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.
(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn
1. sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2. das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3. der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.
(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.
(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.
Quelle:
https://dejure.org/gesetze/StPO/265.htmlIn Verbdinung mit
§ 200 - Inhalt der Anklageschrift
(1) Die Anklageschrift hat den Angeschuldigten, die Tat, die ihm zur Last gelegt wird, Zeit und Ort ihrer Begehung, die gesetzlichen Merkmale der Straftat und die anzuwendenden Strafvorschriften zu bezeichnen (Anklagesatz). In ihr sind ferner die Beweismittel, das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll, und der Verteidiger anzugeben. [...]
fassbinder1925 schrieb:Ich hätte noch nicht davon gehört und ich wüsste auch nicht warum man das tun sollte, wenn man einfach einen rechtlichen Hinweis beantragen kann.
Ganz einfach: die Anklage dient erst mal dazu, dem Angeklagten und seinen Strafverteidigern deutlich zu machen, was ihm überhaupt vorgeworfen wird, damit diese Gelegenheit haben, sich auf den Prozess vorzubereiten. Es würde die Intention des Gesetzgebers bei diesen Vorschriften doch konterkarrieren, wenn die StA jetzt verpflichtet wäre, die Anklage wörtlich zu übernehmen und dann am ersten Tag des neuen Prozesses direkt nach Verlesung der Anklageschrift einen rechtlichen Hinweis zu beantragen, weil sich wesentlich Punkte geändert haben.
Dein Denkfehler ist denke ich, dass Du (oder besser wir alle hier) immer vom "1. Prozess" und vom "2. bzw. nächsten Prozess" sprechen. Tatsächlich geht es hier aber nur um einen neue Hauptverhandlung. Das Strafverfahren ist immer noch das gleiche. Werden in einem laufenden Strafverfahren neue Erkenntnisse bekannt, muss es natürlich möglich sein, die in die Ankalge einfließen zu lassen. Ggfls. muss durch die StA ein neuer Antrag auf die Zulassung der angeänderten Anklage eingereicht und diese Anklage zugelassen werden, aber prinzipiell ist es sinnvoll, und zwar aus Sicht aller am Strafverfahren beteiligten Parteien, dass die Anklage präzise das wieder gibt, was im Prozess verhandelt werden soll. V.a. der Angeklagte wäre doch extrem benachtieligt, wenn er das erst durch einen rechtlichen Hinweis erfahren würde.
Und die StPO dient nun mal vor allem dazu, die Rechte eines Angeklagten zu sichern.