fassbinder1925 schrieb:Wenn man mich jetzt aber fragen würde, ob ich das für einen Freispruch 1. Klasse oder für einen 2. Klasse halte, tendiere ich klar zum Ersten.
Du hast ja schon darauf hingewiesen, es gibt diese Kategorie
de jure nicht. De facto kann (muss es nicht) sie geben, beispielsweise im Fall
Kachelmann, als im Vergewaltigungsprozess das LG zwar frei sprach, aber in der mündlichen Urteilsbegründung deutlich machte:
„Der heutige Freispruch beruht nicht darauf, dass die Kammer von der Unschuld von Herrn Kachelmann und damit im Gegenzug von einer Falschbeschuldigung der Nebenklägerin überzeugt ist. Es bestehen aber nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme begründete Zweifel an der Schuld von Herrn Kachelmann. Er war deshalb nach dem Grundsatz ‚in dubio pro reo‘ freizusprechen.“
Quelle:
Wikipedia: Kachelmann-ProzessDas kann man als Freispruch "2. Klasse" sehen, im Gegensatz zum Freispruch "1. Klasse" wie bei
Genditzki:
Die Vorsitzende Richterin sprach in ihrer mündlichen Urteilsbegründung von einer „Kumulation von Fehlleistungen“, vom „Versagen sämtlicher Kontrollmechanismen der Justiz“ und stellte die Frage, „warum Manfred Genditzki damals überhaupt verurteilt wurde.“
Quelle:
Wikipedia: Manfred GenditzkiWir sind uns einig, dass im "Eiskeller-Fall" der Freispruch für T. weitaus näher an
Genditzki denn an
Kachelmann liegt und man ihn deshalb gerne als solchen "1. Klasse" bezeichnen kann. Dies gilt umso mehr, als sich das zweite Gericht bei T. für Fehler entschuldigt hat, was bei der (bayerischen) Strafjustiz nicht so häufig vorkommen dürfte.
fassbinder1925 schrieb:Mal für irgendwas angeklagt worden sein, ist überhaupt kein Beweisanzeichen. Weder ein starkes noch ein Schwaches. Und ich habe das Gefühl, das ist noch nicht bei jedem angekommen.
Es wäre allgemein denkbar, dass bei einem Freispruch der die Anklage begründende hinreichende Tatverdacht in Gestalt von Indizien weiter bestünde. Da aber Strafklageverbrauch eingetreten ist, gibt es keine Möglichkeit mehr, weiter zu ermitteln. Da die Schuld nicht erwiesen ist, hat der Freigesprochene als unschuldig zu gelten. Der Verdacht könnte erkenntnistheoretisch weiter bestehen, rechtlich ist er durch das Urteil ein "Nullum".
Hier sind aber wesentliche Verdachtsmomente aus dem Ermittlungsverfahren und dem ersten Prozess ausgeräumt worden, v.a. die belastenden Zeugenaussagen der Familie R.
sunrise2008 schrieb:Genau deswegen verstehe ich jetzt auch nicht, wieso das für dich in der Beurteilung wichtig ist- ein neues Gutachten hätte lediglich Hannas Verletzungen anders bewerten können; es hätte aber nicht dazu beitragen können, ST als Täter entweder zu bestätigen oder auszuschließen.
Das war erst mal nicht mir wichtig, sondern der Verteidigung von T.
Die hatten ja neue Gutachten in Anschlag gebracht, wonach der Tod des Opfers ein Unfall gewesen sein sollte. Und hätten gerne positiv den Beweis erbracht, dass T. die Hanna gar nicht getötet haben kann. Anstatt "nur" das Fehlen eines Nachweises festzustellen.
Mir ist es insofern wichtig, als es für mich einen Unterschied macht, ob wir es mit einem unaufgeklärten Tötungsdelikt oder mit einem Unfall zu tun haben. Hanna ist ja tot. Nachdem laut Gericht Ermittlungsfehler passiert sein sollen, umgarne ich die rechtsmedizinischen, bio- und hydromechanischen Gutachten aus dem ersten Prozess nicht mit einem Heiligenschein, sondern hätte gerne eine alternative Gegenmeinung dazu gerichtlich bewertet gesehen. Das ist ausgeblieben. Und ob die Gutachten wirklich von der Verteidigung veröffentlicht werden, ist ja wohl noch nicht klar.