Rigel92 schrieb:Aber vielleicht könnte noch ein Profi dazu etwas sagen (z.B. @Rick_Blaine)?
Ich hatte in den letzten Wochen hier nicht weiter geschrieben, da ich mit meinen eigenen Prozessen genug zu tun habe und hier doch sowieso schon alles klar schien - dass ST definitiv unschuldig ist. Ich sehe das zwar ganz und gar nicht so, aber wollte nicht stören.
Da ich aber nun angesprochen werde:
@Grillage hat die hier entscheidenden Gesichtspunkte bereits genannt. Die erfolgreiche Revision hat einen Rechtsfehler festgestellt, der nichts mit dem verhandelten Sachverhalt, Juristen sprechen hier von der "prozessualen Tat" zu tun hat.
Ausschlaggebend ist daher weiterhin nach § 264 StPO "die in der Anklage bezeichnete Tat." Wie diese sich am Ende darstellt, wird das Gericht am Ende der neuen Verhandlung feststellen.
Anders gesagt: die Revision ändert nichts am Sachverhalt. Nach § 200 StPO definiert die Anklage erst einmal, worum es im Verfahren geht. Das umfasst sowohl den Anklagesatz, als auch die Beweismittel, und mehr.
Ändert sich hier aber Entscheidendes, sowohl bei der rechtlichen Beschreibung, als auch bei der Sachlage, muss das Gericht nach § 265 StPO den Angeklagten rechtzeitig darauf hinweisen und ggf. die Hauptverhandlung aussetzen, also verschieben. Das ist zwar hauptsächlich zum Schutz des Angeklagten so vorgesehen, kann aber auch der Anklage dienen, wenn diese sich auf einen neuen Sachverhalt einstellen muss.
Wie fast immer in der Rechtsprechung kommt es jetzt also darauf an, wie genau eine eventuelle "Abweichung" vom ursprünglichen Sachverhalt definiert wird. Das zu beurteilen ist Aufgabe des Gerichts.
In der Regel ist also keine "neue Anklage" erforderlich, es sei denn, der nun ermittelte Sachverhalt hat gar nichts mit der ursprünglichen Anklage zu tun. Wenn Toni angeklagt war, am 1. Oktober auf dem Oktoberfest den Ottokar mit einem Masskrug erschlagen zu haben und nun festgestellt wird, dass Toni gar nicht auf dem Oktoberfest anwesend war, aber dass Toni am 3. Oktober in der Tram am Stieglmayerplatz der Ottilie einen Faustschlag versetzte, der sie verletzte, dann hat das gar nichts mehr mit der ursprünglichen Anklage zu tun und würde somit einen Freispruch von der ursprünglichen Anklage und ggf. eine neue Anklage nach sich ziehen.