rabunsel schrieb:Nein für diese Extra-Runde gibt es keinerlei Anhaltspunkte, sie wurde schlicht erfunden, damit ST als Täter in Frage kommen kann.
XluX schrieb:Glaubst Du nicht, die Ermittler hätten das mit der Extrarunde nicht als allererstes protokolliert und vor Gericht wiedergegeben, wenn ST es so ausgesagt hätte?
Grillage schrieb:Glaubst Du wirklich, der Basti hätte den Polizisten von seiner Extrarunde erzählt, auf der er Hanna W. ermordet hat?
Ne, der hat behauptet, er sei vom Parkplatz direkt nach Hause und habe sich dort gleich ins Bett gelegt.
Vor dem Landgericht Braunschweig ist Ende Mai 2022 der Bundespolizist Martin G. wegen Mordes an seinem Freund Karsten Manczak zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Dies geschah, obwohl die Leiche von Manczak bis heute nicht gefunden wurde.
Und noch eine Auffälligkeit kennzeichnet diesen Fall: Das Gericht zeigte sich von der Täterschaft des Angeklagten überzeugt, obwohl es keinen nachweislichen Beleg dafür gab, dass Martin G. sich zur Tatzeit am Tatort aufhielt.
So wurde der Polizist dort von keinem Zeugen gesehen, es gab auch keine DNA-Spuren. Dem Gericht reichte es -neben einer Fülle weiterer Indizien, die für seine Täterschaft sprachen-, dass ein von G. angemieteter Fiat 500 im Zeitraum des Verschwindens von Karsten M. in unmittelbarer Nähe des Tatorts stand; Martin G. sei zeitlich und räumlich in der Lage gewesen, den Mord zu verüben.
Die gegen das Urteil eingelegte Revision wurde im April 2023 vom Bundesgerichtshof verworfen. Damit ist das Urteil rechtskräftig.
Warum erwähne ich diesen Fall? Nun, in einem Punkt sehe ich eine Verbindung zu dem hier diskutierten mutmaßlichen Verbrechen: nämlich was die Frage der Anwesenheit eines Verdächtigen am Tatort anbelangt.
Muss der Aufenthalt zum Tatzeitpunkt im Tatortbereich immer explizit belegt werden - in Form von Beweisen/Indizien wie Spuren oder Sichtung durch Zeugen? Oder genügt es, wenn aufgrund aller Umstände gesichert erscheinen muss, dass ein Beschuldigter neben Motiv und anderen Faktoren auch zeitlich und räumlich die Gelegenheit hatte, die Tat zu begehen?
Im konkreten Fall heißt das: Es gibt keine Zeugen und keine Spuren, die den Aufenthalt von ST am 3. Oktober 2022 ab etwa 2.30 Uhr im Bereich zwischen Brückerl und Kreuzung Kampenwandstrasse/Burgweg belegen.
Es gibt aber belegte Hinweise darauf, dass ST sich im fraglichen Zeitraum als Jogger in derartiger Nähe des Tatortes aufgehalten hat, dass er diesen definitiv gegen 2.30 Uhr erreichen konnte. Er war mithin zeitlich und räumlich in der Lage, Hanna zu töten.
Wenn man in beiden Fällen die gleiche Messlatte anlegt, bedeutet dies aus meiner Sicht, dass eines der Kriterien für eine Verurteilung nicht zwingend der durch Zeugen oder Spuren belegte Aufenthalt eines Beschuldigten am Tatort bilden muss, sondern dass dafür bereits der Nachweis der räumlichen und zeitlichen Gelegenheit reichen kann. Und diesen Nachweis sehe ich bei Sebastian T. mindestens ebenso erfüllt wie bei Martin G. (verstärkt übrigens durch die Erkenntnis, dass die Angeklagten in beiden Fällen über kein Alibi für den relevanten Tatzeitraum verfügten).
Ansonsten hätte das Gericht ja auch bei G. sagen müssen: Es spricht zwar alles für seine Täterschaft, aber weil der ultimative Beweis des Aufenthalts am Tatort in Form von DNA und Zeugenaussagen fehlt, lassen wir ihn laufen.