XluX schrieb:Ich bin aber nicht der Meinung, dass eine Kammer, die fälschlicherweise einen Befangenheitsantrag abgelehnt hat, automatisch ihre komplette Kompetenz verloren hat - sondern traue ihr durchaus zu, dennoch neutral im eigentlichen Verfahren zu sein.
Ich hatte hier schon einmal in einem vorherigen Beitrag die Frage aufgeworfen, was in diesem Thread wohl losgeworden wäre, wenn die 1. Jugendstrafkammer nicht das Glaubwürdigkeitsgutachten gegen AM auf den Weg gebracht, nicht den dringenden Tatverdacht gegen ST aufgehoben und nicht dessen Freisetzung verfügt hätte - sondern stattdessen noch den mit neuen Erkenntnissen zur Unfallthese begründeten Antrag der Verteidigung auf Haftentlassung als ungerechtfertigt verworfen hätte.
Meine Vermutung: Dann wäre hier wohl heftig auf das neu zuständige Gericht eingedroschen worden, weil es wie die 2. Kammer erneut auf dem Weg zur Verurteilung eines angeblich Unschuldigen sei.
Und
@XluX wäre dann sicher ganz vorn mit dabei gewesen, hätte auf die unselige Entscheidung der 1. Kammer zur Ablehnung des Befangenheitsantrags gegen die 2. Kammer verwiesen und die Traunsteiner Jugendrichter allesamt als „rechtsblind“ gebrandmarkt.
XluX schrieb:Und ihre gebotene Neutralität hat die Kammer ja im ersten Schritt schon etwas unter Beweis gestellt, indem sie die offensichtlichen Fehler der alten Kammer nicht macht, sondern z.B. fehlende und zwindend notwendige Gutachten (z.B. zur Aussage von AM) nachfordert.
Genau: Jetzt ist die 1. Kammer nicht mehr „rechtsblind“, sondern hat Kompetenz und Neutralität unter Beweis gestellt, indem sie ein Gutachten initiierte, mit dem der Zeuge AM als unglaubwürdig ausgeschaltet und der Angeklagte ST auf freien Fuß gesetzt wurde.
Das heißt: Es wurden mehr oder weniger Weichen in Richtung Freispruch für Sebastian T. gestellt. Wer glaubt denn, dass ein Gericht, das Wochen vor Prozessbeginn den dringenden Tatverdacht gegen einen Angeklagten negiert und ihn aus der Haft freilässt, noch umschwenkt und zu einer Verurteilung wegen Mordes gelangt?
Bemerkenswert finde ich im Übrigen die Formulierung von
@XluX, wonach die 1. Kammer mit den getroffenen Maßnahmen ihre gebotene Neutralität nun „im ersten Schritt schon etwas unter Beweis gestellt“ habe. Soll ja wohl heißen: Das reicht noch längst nicht, da muss noch mehr kommen - bis hin zum Freispruch als ultimativem Beweis der Umkehr?
XluX schrieb:Woher kommt eigentlich dieser offensichtliche Hass auf ST und alles, was ihm helfen könnte, seine Unschuld zu beweisen?
Ich habe keinen Hass auf ST. Natürlich würde ich es ihm schwer verübeln, wenn er -wovon ich ausgehe, was aber noch nicht durch ein rechtskräftiges Urteil zweifelsfrei bewiesen ist- Hanna W. getötet hat und nicht zu dieser Verantwortung steht.
Ungeachtet dessen tut mir Sebastian T. auch leid.
Wenn die Beschreibungen zutreffen, war er ja das, was man salopp einen total verklemmten Typen nennt: Unfähig, ersehnte Kontakte zu Mädchen zu knüpfen, dröhnte er sich förmlich mit gewaltstrotzenden und frauenfeindlichen Pornos zu. Derart animiert, könnte er bei spontaner Gelegenheit den fatalen Versuch gestartet haben, sich auch einmal selbst gewaltsam einer Frau zu bemächtigen - was dann scheinbar total aus dem Ruder lief und ohne vorherige Absicht den Tod des Opfers zur Folge hatte.
XluX schrieb:Ich meine, ich hab auch schon ein paarmal rückwärts gelesen. Und es gab Zeiten, da hast Du völlig berechtigte und gute Fragen gestellt - z.B nach der seltsamen Wegstrecke, die überhaupt nicht nachvollziehbar ist.
Auf Deinen Beitrag mit dem Vorwurf der „Rechtsblindheit“ gegen die 1. Kammer bin ich bei der Suche nach einer ganz anderen Sache im Archiv gestoßen.
Grundsätzlich: Bei gezieltem Durchkämmen alter Beiträge kann man sicherlich bei Vielen -auch bei mir- Aussagen entdecken, die nicht der Weisheit letzter Schluss gewesen sein müssen.
Meine von Dir zitierte Frage, wie man feststellen konnte, dass ST in der Tatnacht nicht direkt zum Elternhaus, sondern noch einmal zur Kampenwandstrasse gelaufen sei, ist nie expressis verbis beantwortet worden. Würden sie es müssen, würden Ermittler und damalige Richter heute wohl lapidar erklären: indem festgestellt wurde, dass Sebastian T. Hanna kurz nach 2.30 Uhr am Bärbach umgebracht hat und dann um ca. 2.40 Uhr wieder in seinem Elternhaus gewesen sein dürfte…