21.10.2025 Teil 1
Am Vormittag sagt die Beisitzerin Bartschmid aus dem ersten Prozess aus, sie soll zu den Aussagen der Mutter und der Schwestern R aussagen.
(
Während der Aussage bemerkt man, dass Bartschmid keine Sympathie für Rick hegt. Sie unterbricht das ein oder andere Mal ihre Ausführungen, wenn sich Rick und Georg beraten und blickt sehr intensiv zur Verteidigerbank. Sie wolle der Verteidigung nur die Möglichkeit geben alles mitzubekommen, meint sie dann.)
Richterin beginnt ihre Aussage mit der Mutter AR, diese sei zu drei Themenkomplexen (zur Person ST, zum 2.+3.10.22, Hausparty 17.11.2022) befragt worden.
Zur Person ST habe AR angegeben, ihre ältere Tochter VR habe ST in der Schule kennengelernt, eine engere Freundschaft bestehe aber erst sei 2021, auf einer der Hauspartys habe AR den Angeklagten kennengelernt, dieser sei schüchtern gewesen, aber habe „seinen Stand in der Gruppe“ gehabt und es habe keine Hänseleien gegeben. AR habe von Schwierigkeiten des Angeklagten mit Mädchen zu berichten gewusst, ST sei öfter abgeblitzt und habe AR erzählt, dass er auf Krankenschwestern und Frauen in medizinischen Berufen stehe.
Nach dem 03.10. sei ST beinahe täglich bei ihnen zu Hause gewesen, er habe teilweise im Auto vor dem Haus genächtigt, es habe gewirkt als ob er sich versteckt habe.
Zu den Daten des 02. und 03.10.22 habe AR keine Angaben machen können.
Frau Bartschmid berichtet, dass AR zur Hausparty ausgesagt habe, es sei „wie üblich“ abgelaufen, anwesend seien neben ihren Töchter und ihr noch Max und ST gewesen. Sie hätten sich unterhalten und es sei Musik gelaufen. Die Einvernahme von V sei nur kurz und oberflächlich Thema gewesen. Daraufhin sei der Satz „ja ich war´s, ich bin der Mörder von Aschau“ gefallen. Bis dahin sei wenig getrunken worden und ST habe es „ernst und nicht spaßig“ gemeint, wegen der Musik sei sie sich aber nicht sicher gewesen, ob die anderen das auch gehört hätten. AR habe ihm dann zu einem Anwalt geraten, sei geschockt gewesen und deshalb auf den Balkon um eine Zigarette zu rauchen. ST sei in der Aussage von AR hinterher gekommen und habe auch geraucht, entgegen seiner sonstigen Gewohnheit. Im weiteren Verlauf des Abends, habe ST so viel getrunken, dass er sich übergeben habe, dann habe ST und Max bei ihnen übernachtet und seien am nächsten Morgen gemeinsam zur Arbeit gefahren, berichtet Richterin Bartschmid über die Aussage von AR.
Max soll AR später erzählt haben, dass ST mit seinen Eltern telefoniert habe und „das sei nicht gut ausgegangen“.
Bei der ersten polizeilichen Vernehmung sei diese Situation nicht „aufgetaucht“, erst bei der Vernehmung am 24.01. habe AR angegeben, dass sie „vor ihrem inneren Auge einen Film habe ablaufen lassen“ und dann sei ihr diese Situation auf der Hausparty wieder eingefallen. AR habe außerdem angegeben, dass sich V im Gespräch mit ihr gewundert haben soll, dass ST schon von dem Mord erzählt haben bevor die Presse davon berichtet hatte. AR habe aber nicht angeben können, wann V das gesagt haben soll.
Nachfragen der Kammer
Die damalige Kammer habe schon nachgefragt, ob die Mutter und die Schwestern über die Gespräche miteinander gesprochen hätten. AR habe aber immer gemeint, es sei zwar untereinander über die Aussagen gesprochen worden, aber nur oberflächlich und über gestellte Fragen und inhaltlich hätten sie sich nie ausgetauscht. Richterin Bartschmid gibt an, dass AR damals auf den Widerspruch hingewiesen worden sei, dass sie bei der Polizei angegeben habe, dass V ihres Wissens nach immer die Wahrheit gesagt habe, obwohl ihr zwei Tage vorher von Verena via Sprachnachricht mitgeteilt worden sei, dass diese „einen Schmarrn“ erzählt habe. AR habe dennoch darauf bestanden, dass V die Wahrheit gesagt habe.
AR soll angegeben, dass sie sich noch gewundert habe, dass ST nichts auf den Anwaltsrat erwidert habe, wie dass er keinen Anwalt benötige oder ähnliches.
Woran von AR festgemacht worden sein soll, dass es von ST nicht spaßig gemeint gewesen sei. Laut den Angaben von AR sei ST im Vorfeld nicht aufgezogen worden und er habe ernst und in der Stimmung gedrückt gewirkt.
Ob AR die Aussage von Max, der ausgesagt habe, dass er ST „aufgezogen“ habe und daraufhin sei die Bemerkung gefallen, vorgehalten worden sei, weiß die Richterin nicht mehr.
Auf Nachfrage führt Bartschmid aus, dass ST Interesse an V gezeigt habe und AR das „unangemessen“ gefunden habe, als Grund habe sie die Beziehung zwischen Raffi und V angegeben. Was „unangemessen“ bedeute, wurde nicht konkreter ausgeführt.
Ob die Gesprächsumgebung/-situation geschildert worden sei, Richterin Bartschmid führt dazu aus, dass AR erinnert habe, dass ST auf der Couch gesessen habe. Es hätten sich bei der Couch ein Tisch und Stühle befunden, weiter habe AR nichts ausgeführt, auch nicht zu ihrer eigenen Position. Die Richterin glaubt aber, es sei nicht um die Sitzordnung sondern um die Lautstärke der Musik gegangen, bei der Frage ob alle das „Geständnis“ mitbekommen hätten.
Nachfragen Verteidigung
Georg hält der Beisitzerin vor, dass entgegen ihren Angaben im Urteil unter der Rn
399399
Die Zeugin … ab weiter an, schockiert auf diese Aussage reagiert und zu … esagt zu haben, dass er sich
einen Anwalt nehmen solle. S. T. habe zu keinem Zeitpunkt die Tat abgestritten oder andere Äußerungen
dazu getroffen. S. T. habe geantwortet, „wenn er/… ber verhaftet werden würde ….“. Er habe dann noch
irgendwas gesagt, das bekomme sie aber nicht mehr zusammen.
vermerkt sei, dass ST auf den Anwaltsrat geantwortet habe, während wiederum in der Beweiswürdigung unter Rn
12991299
Die Zeugin … (Ziff. D. II. 14.2.) hat darüber hinaus S. gegenüber erwähnt, dass er sich einen Anwalt
nehmen soll (hörte auch der Zeuge … Ziff. D. II. 14.10.), was dann, wenn sie die Äußerung als Spaß
aufgefasst hätte, nicht notwendig gewesen wäre. Wäre T.’s geständige Äußerung aus seiner Sicht nur ein
Spaß gewesen, hätte er im Übrigen darauf lebensnah eine Reaktion im Sinne des Bestreitens o.ä. zeigen
können, da bemerkbar war, dass … seine Aussage, „Ja, ich war’s, ich bin der Mörder von A.!“ eben nicht
spaßig fand. S. T. hat aber auf den Rat, sich einen Anwalt zu nehmen, nichts gesagt, die Tat nicht
abgestritten oder eine andere Äußerung getroffen – etwa, das war jetzt nur ein Spaß oder ich brauche
keinen Anwalt, da das ja nur ein Spaß war, was ich gerade gesagt habe oder ich brauch keinen Anwalt, weil
ich ein Alibi habe, zu Hause war und „Clash of clans“ gespielt bzw. ein YouTubeVideo angeschaut habe
oder geschlafen habe nach dem Joggen.
angeführt sei, dass ST nichts geantwortet habe.
Richterin Bartschmid sieht darin keinen Widerspruch, da AR beide Versionen gesagt habe und das anzuführen sei. Dem stimmt Georg zu, aber es hätte im Urteil auf den Widerspruch aufmerksam gemacht werden müssen und begründet werden müssen, weshalb welche Version Eingang in die Beweiswürdigung findet.
Die frühere Kammer habe bei AR nicht nachgefragt, ob AR keine Bedenken hatte jemanden nach einem Mordgeständnis bei den eigenen Töchtern schlafen zu lassen.
Richterin Bartschmid glaubt, dass der Abend vom 17.11.22 nicht unter dem Eindruck der Vernehmung gestanden, da nur anfangs kurz darüber gesprochen worden sei.
Ob V an dem Abend belastet gewirkt habe, sei nicht nachgefragt worden.
„Versteckt“ sei laut Richterin Bartschmid damals von der StA und die Verteidigung näher hinterfragt worden, AR habe daraufhin 3-4 Mal die Woche angegeben. AR habe diese Angaben nicht an irgendwas festmachen können, sie habe das damals auch noch nicht so interpretiert. Erst nach der Verhaftung habe sie mit ihren Töchtern darüber gesprochen und es sei ihnen wie verstecken vorgekommen.
Wie habe AR wissen können, dass diese Erinnerung nach dem 03.10.22 eingetreten sei, wenn sie keinerlei Erinnerung diese Tage betreffend habe? Ob dieser Widerspruch angesprochen worden sei, oder ihr Vorhalte zu darauffolgenden Tagen, beispielsweise zum 07.10.22 (lost places) gemacht worden sei, das verneint die Richterin. Die fehlenden Erinnerung zum 02.+03.10.22 sei laut der Richterin Bartschmid auch der Grund dafür gewesen, dass ihr die Sprachnachrichten vom 17.11.22 nicht vorgehalten worden seien.
Auf Nachfrage erinnert sich Richterin Bartschmid, dass ST wohl wahlweise bei V oder bei L genächtigt habe, es habe durch AR nicht eruiert werden könne, wo ST am 17.11.22 geschlafen habe.
Nachfrage StA
Auf Nachfrage kann sich die Richterin nicht erinnern, dass AR etwas zur Messergeschichte ausgesagt habe.
Nachfragen Ruppert
Weitere Veränderungen von ST ab dem 03.10.2022 seien von AR mit „noch mehr Alkohol und noch mehr erbrochen“ angegeben worden. Richterin Bartschmid glaubt nicht, dass AR bei ST wegen dem „verstecken“ oder „schlafen im Auto“ mal nachgefragt habe, oder bis auf Schüchternheit weitere Gründe fürs „Abblitzen“ genannt habe.
Lea
L´s erste Vernehmung vor Gericht habe am 17.10.23 stattgefunden, auf konfrontative Befragung sei verzichtet worden, damit ein eventuelles Geständnis ein höheres Gewicht habe.
Laut Richterin Bartschmid habe L ST über V kennengelernt. Ihr sein nicht bekannt gewesen, dass ST Schwierigkeiten mit Mädchen gehabt habe, aber ihres Wissens nach, habe er keine feste Freundin gehabt.
L habe eine Situation im Auto geschildert, dabei habe V auf dem Fahrersitz, ST am Beifahrersitz und sie selbst sei hinten gesessen. ST habe seine Hand auf das Knie von V gelegt und sei nach „oben“ gewandert, ST habe nicht aufgehört obwohl V das nicht wollte. L habe schließlich seine Hand weggenommen. Ihre Angaben zu den Veränderungen von ST ab dem 03.10. seien deckungsgleich mit ihrer Mutter gewesen.
L habe angegeben, dass V gegen Mittag mit ST geschrieben habe, dabei sei das Tischtennis ausgemacht worden. Am Nachmittag hätten sie sich dort getroffen, L habe zwar nicht sagen können, wie die Örtlichkeit geheißen habe, aber sie habe die Location beschrieben. Beim Weggehen am Parkplatz, am Auto stehend, habe ST gefragt „wisst ihr schon, da ist eine Frau umgebracht worden“, Bereits bei der Aussage am 17.10. habe L erwähnt, dass sie nicht sicher sei, ob die anderen das auch gehört hätten, da diese weiter weg gestanden seien. Erst 2-3 Tage später habe L dann wirklich von Hanna erfahren, wurde von ihr ausgesagt.
L habe angegeben, dass sie bei einer Messerbedrohung von ST gegen V zugegen gewesen sei. ST habe ein Messer gezogen und Verena bedroht, das aber spaßig gemeint. Das sei ein komplett neues Thema gewesen, es sei ein Raunen durch den Raum gegangen, da es eine „markante Aussage“ gewesen sei.
Zur Hausparty habe L angegeben, dass kurz über V´s Vernehmung gesprochen worden sei, ohne ins Detail zu gehen. ST habe dann gesagt „ja ich war´s, ich hab die umgebracht“
Die Aussage am 07.12.23 sei weitestgehend deckungsgleich gewesen, für den 03.10.22 habe sie den Verlauf gleich geschildert, sie habe lediglich Mädl statt Frau gesagt („wisst ihr schon, da ist eine Mädl umgebracht worden“). Die Skizzenerstellung, wer wo gestanden habe, sei kompliziert gewesen und sie habe dann gemeint, eigentlich müssten die es gehört haben. Es sei ihr aus einer früheren Aussage vorgehalten worden, dass „sie sich gegenseitig gefragt hätten, wie so etwas passieren könne“. Das habe L weder bestätigen noch konkretisieren können.
L´s Aussage zufolge hätte V erst R und dann sie nach Hause gebracht und sie habe dann zu Hause nach einem Mord gegoogelt, aber habe nichts finden können. ST sei nach L´s Aussage mit dem eigenen Auto gekommen.
Beim Thema Hausparty habe die Verteidigung einen falschen Vorhalt gemacht, als sie behauptet hätten, Max habe den Satz nicht gehört.
Als L nach ihrer Reaktion gefragt worden sei, habe sie angegeben, dass sie sich mit ihrer Mutter angschaut habe, sie sei schockiert gewesen und habe sich gedacht „aber das kann der ja jetzt nicht ernst meinen“. Auf die Frage wieso sie das bei ihrer ersten polizeilichen Vernehmung nicht angegeben habe, habe sie begründet, sie sei nervös gewesen und nicht direkt gefragt worden. Auf den Vorhalt, dass sie auf die direkte Frage der Beamten „smalltalk“ angegeben hatte, habe sie gemeint, sie habe das damals nicht am „Bildschirm“ gehabt.
Richterin Bartschmid erzählt, dass L bei der Polizei erfahren habe, dass nicht nur ST verdächtig gewesen sei, sondern auch ein Hr. Mikey, den sie aber nicht gekannt habe. Auf den Vorhalt der Sprachnachricht vom 05.10.22 an ihre Schwester, habe sie keine Erinnerung abrufen können.
Nachfragen Kammer
Wie ist L belehrt worden? → L sei schon beim ersten Mal belehrt worden, aber am 07.12. sei sie wegen V intensiver belehrt worden. Zum Messerkomplex habe sie sich auf den 55er bezogen, ausdrücklich um ihre Schwester nicht in Gefahr zu bringen. Richterin Bartschmid wird gefragt, ob die damalige Kammer nachgefragt habe, was die Schwestern untereinander besprochen hätten. V habe laut L wohl Angst gehabt „reingezogen zu werden“, daher habe L ihr geraten bei der Wahrheit zu bleiben. V würde sich „oft und gerne hineinsteigern“.
Nach dem genauen Satz von ST gefragt, gibt Bartschmid an, dass alle drei, Mutter und beide Töchter, genau den selben Satz „ ja ich war´s, ich hab sie umgebracht“ ausgesagt hätten. Die Verteidigung versucht die Richterin darauf aufmerksam zu machen, dass sie vorher einen anderen Satz angegeben hat, ohne Erfolg. Sie besteht darauf, dass alle 3 diesen Satz gesagt hätten und sie auch nichts anderes gesagt habe. Max hingegen habe etwas anderes erinnert „ich bin der Mörder von Aschau“. Sie überprüft nochmal ihre Notizen auf Anregung der StA, bleibt aber dabei, alle hätten genau den selben Satz vorgebracht.
Ob L erinnert habe in welchem Zusammenhang dieser Satz gefallen sei? → V´s Vernehmung sei Thema gewesen, L habe außerdem gewusst, dass ST in der Nacht gejoggt sei und sich deshalb als Zeuge gemeldet habe. L habe ST den Mord zwar nicht zugetraut, ST habe es aber auch nicht spaßig gemeint. Die Richterin wird darauf hingewiesen, dass der Messervorfall nicht neu gewesen sei, da er schon im Polizeiprotokoll von V angeführt gewesen sei.
Nachfragen Verteidigung
Georg möchte wissen, ob die Verteidigung von sich aus auf die konfrontative Befragung verzichtet habe, oder ob die Vorsitzende das zuerst angesprochen habe. Bartschmid meint, es sei „immer mal wieder“ von der Vorsitzenden Aßbichler hingewiesen worden, dass wenn es etwas zu gestehen gäbe, es sich positiv auswirken würde, wenn das Geständnis vor einer konfrontativen Befragung abgelegt werden würde, da es dann ein höheres Gewicht haben würde. Das sei auch protokolliert worden. Wann derartiges genau gesagt worden sei, könne sie nicht mehr sagen.
L habe angegeben, dass sie 2-3 Mal von der Polizei vernommen worden sei, 2022 und 2023. Die „Messergeschichte“ sei auch erst in der zweiten Vernehmung im Jänner erinnert worden. Nachgefragt was sie unter „Raunen“ verstehen würde und was sie daraus geschlossen habe, meint Richterin Bartschmid, sie habe nichts weiter daraus geschlossen nur dass es ein „markante Aussage“ gewesen sei. Im Übrigen sei ihre Meinung, dass Zuschauer in einem Gerichtssaal sowieso nicht zu raunen oder zu lachen hätten.
Als zeitlichen Anhaltspunkt habe L angegeben, dass es der 3.10. gewesen sei, weil R nur am Feiertag Zeit habe, weil er auf der Landwirtschaft des Onkels oder Vaters mithelfen müsse. Ob L vorgehalten wurde, dass sie bei der Polizei gesagt habe „sie glaube es war der 03.10.“ und dass im Chat von „Federball“ gesprochen wurde, weiß Richterin Bartschmid nicht mehr. Trotz Vorhalt der Widersprüche zu den Aussagen von V, R, und SW sei L bei ihrer Aussage geblieben. L habe ihr Handy im Prozess freiwillig übergeben und dieses sei ausgewertet worden. Der Chatverkehr mit V sei aber gelöscht gewesen, L habe angegeben das Handy sei sonst zu voll. Rick bohrt weiter, ob die Kammer nach einer Erklärung gefragt habe oder selbst eine hatte, warum nur der Chat mit der Schwester gelöscht war. Richterin Bartschmid gibt dazu keine Auskunft.
Verena
V´s 1. Aussage vor Gericht war am 19.10.23. V habe schon von Anfang an gezittert und agitiert gewirkt. Sie sei „sichtlich irritiert vom Auflauf im Gericht“ gewesen.
Sie habe angegeben, am Nachmittag sei Tischtennis gespielt worden und am Abend habe man sich nochmal getroffen, dort habe ST von dem Mord berichtet und V mit dem Messer bedroht. Direkt im Anschluss an diese Aussage habe V im Gericht einen psychischen und physischen Zusammenbruch erlitten. Nach dem Zusammenbruch sei nichts mehr aus ihr rauszubekommen gewesen. V habe schon beim ersten Termin einen Verteidiger gehabt.
Am 03.11.23 habe es eine audio-visuelle Vernehmung gegeben, es sei auch hier auf auf eine konfrontative Befragung vorerst verzichtet worden. Anfänglich habe es technische Probleme gegeben und die lange Wartezeit habe V dann zusätzlich gestresst. Ihre Aussage sei „ein arges Durcheinander“ gewesen, Richterin Bartschmid habe so eine Aussage bisher noch nicht erlebt.
V sei dabei geblieben, es habe am 03.10. einen „kurzen Spaziergang“ gegeben. ST sei zu Fuß gekommen, habe die Kapuze tief ins Gesicht gezogen gehabt. Ihre Schilderungen seien sehr durcheinander gewesen. Er habe gesagt „in der Nacht ist ein Mädl umgebracht worden“, dann habe es eine Bedrohung mit dem Messer gegeben und ST habe gesagt „ich könnte dich auch umbringen“. Auch an diesem Tag habe sie nachdem sie das berichtet hatte, wieder zu weinen begonnen.
Dann habe sie vom 04.10. berichtet, da habe sie Schule gehabt und es habe der „lange Spaziergang“ stattgefunden. Von diesem Spaziergang habe es auch diverse Fotos auf dem Handy von ST (ein Bankerl in Autoform das vor der Tourist-Info steht, ein blaues Dirndl,) gegeben, da der Akku ihres Handys ausgefallen gewesen sei. Auch auf Nachfrage habe V keine konkrete Wegbeschreibung angeben könne, sie sei in sowas nicht gut. Am 05.10. habe ST ihr die Fotos dann geschickt. Plötzlich sei es um einen Ausflug zu einem lost place in Tegernsee am 07.10.22 gegangen. Von der Hausparty habe V berichtet, es sei „ein bisschen um Hanna gegangen“ und dann habe ST „ich war´s, ich hab sie umgebracht“ gesagt, sie erinnerte auch den Anwaltsrat durch die Mutter. Ob diese Aussage aufgezeichnet wurde, konnte Richterin Bartschmid nicht erinnern.
Nachfragen Kammer
Wie laut V die Heimfahrt vom Tischtennis abgelaufen sei? → V sei Fahrerin gewesen, sie sei mit R gekommen und habe diesen nach Hause gebracht. Die Geodaten seien V im ersten Prozess nicht vorgehalten worden. Sie sei zwar pauschal gefragt worden, ob sie sich sicher sei mit den Angaben, ihre eigenen Chatnachrichten seien ihr aber nicht vorgehalten worden, dies sei erst für den 05.12.23 geplant gewesen. Aber da habe sich V auf den §55 StPO für alle Themengebiete berufen. Belehrung sei jedes mal erfolgt und auch für den 05.12.23 sei eine audio-visuelle Befragung geplant gewesen.
V habe als Reaktion auf die „Messerbedrohung“ gesagt „ es war vielleicht nur ein Spaß, auch wenn sie es nicht spaßig fand“. V habe den „Hand auf Knie“-Vorfall der Erinnerung von Richterin Bartschmid nach nicht erwähnt.
Nachfragen Verteidigung
Auf Nachfrage wie sich der „psychische und physische Zusammenbruch“ gezeigt habe, gibt Richterin Bartschmid an, dass V gezittert habe, oft zu ST und auch in den Zuschauerraum geschaut habe, geweint habe und inadäquate Antworten gegeben habe. Sie habe immer nach dem Erwähnen der „Messergeschichte“ zu weinen begonnen. Frau Rick fragt irritiert, ob nicht eine Wand vor ST aufgebaut gewesen sei und ST gar nicht sichtbar gewesen sei. Richterin Bartschmid bestätigt das und meint sie habe auch nichts davon gesagt, dass V ST auch wirklich gesehen habe.
Am 05.12.2023 sei sie belehrt worden, ihr Verteidiger habe für V gesprochen, dass diese sich auf den §55 StPO beziehen werde. Ihr ist nicht bekannt, wieso der 55er komplett gewehrt worden sei, beispielsweise auch für den 17.11.2023.
Auf die Frage ob psychische Probleme der drei Zeuginnen bekannt gewesen seien, gibt Richterin Bartschmid an, dass AR zwar erwähnt habe, dass V auf eine Schule gegangen sei für „psychische & physische“ Beeinträchtigungen, aber keine Diagnostik erwähnt worden sei, dazu habe es auch keine Nachfragen gegeben.
Mutter AR
(
Um einen einigermaßen realistischen Eindruck zu gewähren, muss erwähnt werden, dass AR nicht frei spricht, sie antwortet nur auf Fragen, die ihr von der Vorsitzenden gestellt werden. Meist antwortet sie allerdings damit, dass sie sich nicht erinnern kann. Man hat nicht den Eindruck, dass sie sich versucht zu erinner, auf Hilfestellungen oder Nachfragen reagiert sie zum Teil recht trotzig „ich weiß das halt nicht mehr“.)
ST sei mit ihrer älteren Tochter in die Klasse gegangen, die beiden hätten sich aber erst nach dem Abschluss angefreundet. Kennen gelernt habe sie ST bei sich zu Hause. ST sei mit V nur befreundet gewesen es habe keine Beziehung bestanden. ST sei „am Wochenende moi“ zu ihnen nach Hause gekommen, wenn Partys waren. Die Partys seien „hin und wieder auch mal so, aber mehr am Wochenende“ gewesen, abwechselnd in der Häufigkeit und meist von SA auf SO.
Häufig hätten die Freunde ihrer Töchter, auch ST, dann bei ihnen übernachtet, dafür haben sie zwei aufblasbare Betten, die für gewöhnlich bei L im Zimmer gestanden hätten, da dort mehr Platz zur Verfügung stehe. Die Namen der früheren Freunde, die an den Partys teilgenommen haben, wisse sie nicht mehr.
L sei auch mit ST befreundet gewesen. ST sei „sehr nett, ein lustiger junger Mann“ gewesen, man habe viel gelacht mit ihm. ST habe mehr als freundschaftliches Interesse an V gehabt.
Zum 02.+03.10.22 habe sie keine Erinnerung, sie könne auch nicht mehr sagen, wann ihre Vernehmung gewesen sei. Nachgefragt, ob ihr der Grund der Vernehmung bekannt gewesen sei, stammelt sie unsicher „wegen T… wegen H.“, sie kann nicht mehr sagen, woher sie den Grund gewusst habe. Ob ihr vielleicht V von ihrer Vernehmung erzählt habe? → „bestimmt“, aber erinnern könne sie sich an nichts davon, auch nicht ob ihr V etwas vom 02.+03.10.22 erzählt habe. Sie hätten aber in der Familie nie über Details aus den Vernehmungen gesprochen, auch nicht über Fragen, nur dass diese stattfinden.
V sei nervös vor ihrer Vernehmung gewesen „wenn ma des erste Mal wo is, is ma aufgeregt“.
Ob V etwas falsch ausgesagt hat, wisse sie nicht, auch der Chatverlauf hilft der Erinnerung nicht auf die Sprünge. An ihre eigene Vernehmung könne sie sich schon erinnern, auch wenn sie das genaue Datum nicht wisse. Sie glaubt, dass ihre Erinnerung damals besser gewesen sei. Die Vorsitzende hält ihr die Sprachnachrichten vom 17.11.22 vor, 5 Tage vorher habe sie ihrer Tochter gesagt, dass diese den Datums-Irrtum bei der Polizei aufklären soll und bei der Polizei behauptet sie selbst dann, dass ihre Tochter nur die Wahrheit gesagt habe. Ob sie das erklären könne? → AR kann sich nicht erinnern.
Wann die Hausparty stattgefunden habe wisse sie auch nicht mehr, sie würde das Treffen aber nicht als Hausparty bezeichnen. Anwesend seien V, L, M, ST und sie selbst gewesen. Da es unter der Woche gewesen sei, habe es „keine Musik, ein bissal vielleicht, nicht so extrem wie sonst“ gegeben. Sie erinnere keinen besonderen Grund für das Treffen. AR wird an die Vernehmung von V erinnert, darauf geht sie nicht weiter ein. Sie erzählt, es sei über den Fall Hanna gesprochen worden, „dass es schlimm ist“ an mehr könne sie sich nicht erinnern.
ST habe auf der „Couch gesessen, dann plötzlich wie aus dem Nichts praktisch“ sei von ST gekommen „ich geb´s zu, ich war´s“. Sie hätte das „ned so richtig wahrgenommen“, sei aber kurz schockiert gewesen, aber habe das „ned so ernst genommen“.
Sie sei im Anschluss eine Rauchen gegangen, aber nicht deshalb sondern einfach so. Könne sich aber nicht erinnern, ob ST eine geraucht habe, oder ob sie einen Anwalt erwähnt habe.
Im weiteren Verlauf des Abends, hätten M und ST sehr viel Alkohol getrunken. Sie könne nicht angeben, wie lang der Abend lief, M habe bei L geschlafen, aber sie wisse nicht mehr wo ST geschlafen habe.
Auf Nachfrage der Vorsitzenden, wie sie jemanden der gerade einen Mord gestanden habe im Zimmer ihrer Tochter schlafen lassen könne, meint AR sie hätten es ja nicht ernst genommen. Sie könne nicht angeben, warum sie es nicht ernst genommen habe, er habe es auch nicht spaßig gesagt. Sie könne sich entsinnen, dass V ihr von einem „Messervorfall“ berichtet habe, sie könne sich aber nicht erinnern wann das gewesen sein soll. Weder wann der Vorfall noch das Gespräch darüber gewesen sein könnte.
Die Vorsitzende gibt zu bedenken, dass es nicht glaubwürdig sei, dass sie von so prägnanten Vorfällen nichts behalten habe. Wie oft ihr denn schon Morde gestanden worden seien?
AR meint, sie hätte auch andere Probleme um die sie sich kümmern müsse und sie hatte mit der Sache abgeschlossen. Der Vorsitzenden reißt daraufhin etwas der Geduldsfaden, und sie weißt daraufhin, dass ST die größeren Probleme habe. Die Vorsitzende möchte eine Erklärung dafür, dass sie bei der ersten Vernehmung 5 mal gefragt wurde, worüber an dem Abend gesprochen worden sei, sie damals aber nichts erinnert habe. 2 Monate später dann sei ihr der genaue Satz wieder eingefallen. AR meint, sie sei bei der 1. Vernehmung „aufgewühlt und schockiert“ gewesen.
Die Vorsitzende fragt nach, ob sie ST bei der ersten Vernehmung vielleicht einfach nicht belasten gewollt habe?→ Nein, das sei nicht ihre Absicht gewesen. Die Vorsitzende meint, sie habe den Eindruck, dass AR hier nicht die Wahrheit sagt und fragt intensiv nach, ob ihr eigentlich bewusst war, dass die Aussage von V der Auslöser für die Festnahme von ST gewesen sei. Das sei auch überall in der Presse gestanden. AR schüttelt nur den Kopf.
Sie tausche sich mit ihren Töchtern aus, diese würden ihr auch alles erzählen, aber sie würde es ihren Töchtern überlassen mit wem sie sich abgeben wollen. V hatte nur „normales Interesse“ an ST, aber sie hätte nichts gegen ST als Partner für ihre Tochter einzuwenden gehabt.
Nach der psychischen Gesundheit ihrer Töchtern gefragt, gibt sie an. V sei in der alten Schule, in der 5. Klasse gemobbt worden (wegen der Naturlocken) und habe daraufhin nicht mehr in die Schule gewollt. Es sei im SBZ eine schwere Depression diagnostiziert worden, und V sei ca. ein Schuljahr im SBZ behandelt worden. 3-4 Jahre habe es immer wieder Rückfälle gegeben, in der Zeit vom 03.10.22 bis Ende des Jahres habe sie eine „schlechte Phase“ gehabt.
L habe sich in der 8./9. Klasse geritzt und nach der Scheidung der Eltern (März 22) sei eine mittelschwere Depression diagnostiziert worden. L sei im SBZ behandelt worden und habe Antidepressiva genommen.
Die Auskunftsverweigerung von V sei nicht besprochen worden, sie wisse auch nicht wie die Töchter zu dem Anwalt gekommen seien. Sie habe mit V über bevorstehende Vernehmung sprechen wollen, da V nervös sei, diese habe aber gemeint, sie solle sie in Ruhe lassen.