Zur Voständigkeit der letzte Prozessbericht, eigentlich ist eh schon alles aus der Presse bekannt, aber geschrieben ist es halt auch schon.25.11.2025
Nach der Begrüßung übergibt die Richterin die, von der StA erhaltenen, Auswertungen der Handys der Familie R auch an die Verteidigung.
Dann nimmt sie noch Stellung zum Beweisantrag der Nebenklage, auch wenn sich die Nebenklage aus dem Prozess zurückgezogen hat. Der Beweisantrag werde abgelehnt, da ein Tatnachweis nicht geführt werden kann und es daher unerheblich sei, ob Unfall oder Verbrechen. Auch die hydro- und biomechanischen Gutachten seien „prozessual überholt“ und daher komme es auf diese nicht mehr an.
Die StA und Verteidigung werden zu ihren Stellungnahmen, die Besprechung des letzten Prozesstages betreffend, gebeten.
Der StA meint, sie verzichten auf eine weitere Beweiserhebung.
Georg spricht für die Verteidigung und meint, die Verteidigung verzichtet auf Beweisanträge.
Dann wird für 15 Minuten unterbrochen, damit Verteidigung und Kammer Gelegenheit haben, die Auswertung der R- Handys zu sichten.
Nach der Pause erklärt die Richterin, dass die Handys von L, V und A für den Zeitraum der hiesigen Vernehmungen ausgewertet wurden, vor allem habe es sich um Sprachnachrichten, die verschriftlicht worden sind, gehandelt. Die Vorsitzende meint, in den Nachrichten sei es mehrfach darum gegangen Erinnerungslücken vorzutäuschen, eine der Nachrichten wird verlesen.
Die Nachricht ist am 21.10.2025 um 13:40 Uhr von A an L gesendet worden, nachdem A im Prozess ausgesagt hatte:
Hallöchen, i bin jetzt bei da Vreni in Traunreut...i hab lange warten müssen, drin war I a Stund ... die Richterin is eigentlich deppat...des war jetzt die Hölle für mi...i hab hoit a zu viele Sachen gesagt und die Richterin hat den Kopf geschüttelt...wir drei werden jetzt, wie die drei großen Lügner hingestellt... vor allem die Vreni, wir werden so hingestellt als ob wir Schuid san, die wollen den ST einfach nur freisprechen...des kann ja woi ned sein..sag halt einfach du kannst dich nicht erinnern, die schauen di halt dann blöd an, aba des muss ma aushalten, hab i a...besprich di a mit dein Anwalt, wie du am besten vorgehst ...und später besprech ma des numoi alles
Die Richterin fragt nochmal bei ST nach ob er noch persönliche Angaben machen möchte, es würde sie z.B. interessieren, ob er wieder eine Ausbildung/Anstellung habe finden können. Seine Anwälte lehnen für ihn ab.
Die Vorsitzende erklärt, dass die Plädoyers unter Ausschluss der Öffentlichkeit erfolgen müssen, weil ein Teil der Beweisaufnahme nicht öffentlich erfolgt sei. Alle sind einverstanden, dass Fr. Sattelberger und die beiden Pressevertreter der StA, sowie die Eltern von ST die Plädoyers verfolgen dürfen.
Es habe noch ein Antrag eines nicht näher genannten Pressevertreters gegeben den Plädoyers beizuwohnen und die Verteidigung schlägt vor auch die restliche Familie von ST im Raum zu lassen. Das scheint der Vorsitzenden zu viel, ihrer Meinung nach sei es dann nicht mehr „nicht öffentlich“. Nach einer kurzen Besprechungsunterbrechung verkündet sie, dass es bei den oben genannten bleibe und die Öffentlichkeit wird rausgebeten.
Plädoyers
Die Plädoyers waren schneller vorbei als gedacht und es wurde bekannt, dass sich die Kammer auch nur 45 Minuten beraten wird. (
Zu den Plädoyers hab ich nur Gerüchte mitbekommen, aber da man gesehen hat, dass Fr. Sattelberger der Presse ein Interview gegeben hat, verweise ich darauf )
URTEIL
Freispruch plus Entschädigung für die Haftzeit und die erlittenen Hausdurchsuchungen, Prozesskosten und notwendige Aufwendungen für die Prozesse und Revision trägt die Staatskasse. Zur Begründung. Die Richterin meint, sie wisse, dass das schnelle Ende zu vielen Spekulationen geführt habe und sie möchte eine Aufklärung versuchen. Am 29.09.2025 habe sie das Verfahren damit eröffnet, dass es unabhängig davon, ob es ein Unfall oder ein Verbrechen gewesen sei, immer furchtbar sei, wenn ein junger Mensch sterbe. Man solle auch nicht glauben, dem Gericht seien die Umstände egal, sie hätten tiefstes Mitgefühl mit den Angehörigen. Auch dafür, dass sie das Urteil möglicherweise unbefriedigend finden könnten, sei es, weil sie daran glauben, dass ST verantwortlich sei, warum auch immer, oder weil sie sich eine Klärung der Umstände von diesem Prozess erhofft hätten.
Nach der Einarbeitung in die Akten, hätten sich für die Kammer zwei grundsätzliche Fragen herauskristallisiert. Zum Einen, ob es sich um einen Unfall oder ein Verbrechen handeln würde und zum Andern, ob ST dafür die Verantwortung trage. Da die Bewertung der Frage, ob Unfall oder Verbrechen sehr viel umfangreicher sei, habe man aus prozessökonomischen Gründen die Beantwortung der zweiten Frage vorziehen müssen.
Nach der Feststellung, dass ST für den Tod von HW nicht verantwortlich sei, stelle sich die Frage, ob Unfall oder Verbrechen, in diesem Verfahren nicht mehr.
Es sei ein typischer Indizienprozess vorgelegen, ein Indiz sei ein mittelbarer Beweis.Hauptstück des Indizienbeweises sei nicht die Indizientatsache, sondern der weitere Denkprozess, der notwendig sei und in der Gesamtbetrachtung einen Schluss auf die Haupttatsache zulasse. Das Vorliegen von Indizien sei in der Beweisaufnahme geprüft worden.
Dass der Angeklagte zu später Stunde joggen gewesen sei, sei etwas ungewöhnlich, aber fußt auf seiner eigenen Aussage bei der Polizei. Die Kameras am Chalet, sowie die Augenzeugen am Festhallenparkplatz bestätigen seine Angaben zeitlich und örtlich. Dafür, dass er sich in der Nähe des vermeintlichen Tatortes oder des Burghotels aufgehalten habe, oder dass er von zu Hause nochmal zu einer zweiten Runde aufgebrochen sei, gebe es keinerlei Erkenntnisse oder Hinweise. Sicher sei, dass er um 02:42 Uhr zu Hause CoC gespielt habe.
Dann möchte die Vorsitzende auf die „vermeintlichen Geständnisse“ gegenüber V, L und AM und zur Hausparty eingehen.
VerenaV habe am 17.11.2022 bei der Polizei angegeben, dass sie mit ST am 03.10.2022 gegen 19 Uhr 3-4 Stunden gewandert sei, noch am Auto habe er erzählt, dass H missbraucht und getötet worden sei, dass er selbst joggen gewesen sei und er habe ihr gezeigt in welcher Richtung das Opfer aufgefunden worden sei.
- Zum einen stellt sich da die Frage, woher er als Täter hätte wissen können, wo sich der Auffindeort befunden habe.
- Ansonsten wäre es, gesetzt den Fall, dass es richtig sei, zu der Zeit Täterwissen gewesen, da zu der Zeit noch nicht so viele Informationen bekannt gewesen seien. Deshalb sei es ja auch zur Festnahme gekommen.
- Allerdings widersprechen die Handydaten den Ausführungen der V. Am 03.10.2022 um 19 Uhr sei das Handy von V in Bernhaupten gewesen und dort auch bedient worden, unter anderem seien Sprachnachrichten versendet worden, daher sei ausgeschlossen, dass V ihr Handy zu Hause gelassen habe und sich selbst woanders aufgehalten habe.
- Die Fitnessapp zeigt außerdem keine entsprechende Anzahl von Schritten für den 03.10, anders als am 04.10.
- Auf der Kamera am Festhallenparkplatz sei sie außerdem am 03.10. auch nicht aufgetaucht, am 04.10. hingegen schon.
- Zur Krönung habe V den Datumsirrtum auch schon am 17.11.2022 festgestellt und ihrer Mutter, Schwester, Max und ST mitgeteilt.
- Ebenso habe sie L am 05.10.22 via Sprachnachricht erzählt, dass sie „gestern“ sprich 04.10.2022 von dem Tod erfahren habe. Das sei der Polizei auch schon früh bekannt gewesen.
Es gäbe also eine Vielzahl von Hinweisen, die der Aussage widersprechen und nahelgen, dass das Treffen am 04.10.2022 stattgefunden habe und somit kein Täterwissen gewesen sei.
LeaLea habe angegeben, dass sie am 03.10.22 nach einem Tischtennisspiel in Übersee zwischen 18:30 und 19 Uhr von ST erfahren habe, dass ein Mädchen umgebracht worden sei. Teilnehmer sollen V, L, Raffi und ST gewesen sein, auch SW sei im Gespräch gewesen.
Aber ihrer Aussage bei der Polizei: „wir waren schon alle drei ziemlich geschockt und haben uns gegenseitig gefragt, wie so etwas passieren kann...wir haben das schon alle mitbekommen“ widersprechen die beiden anderen Zeugen. Ebenso hat sich die Internetrecherche, die L angeführt hatte, als unzutreffend heraus gestellt.
Auch wenn es wahrscheinlich irgendein Treffen in Übersee gegeben habe, mit welchen Teilnehmern auch immer und was man da auch immer gemacht habe, Tischtennis, Federball, Wikinger -Schach. Die Angaben der L können nicht als werthaltig betrachtet werden.
HauspartyMax habe bei seiner Vernehmung bei der Polizei geschildert, dass auf der Party über die Vernehmungen und den Mord gesprochen worden sei. Man habe Späßchen gemacht und Max habe sich lustig gemacht und gemeint, „pass auf jetzt sitzt du gleich in U-Haft …“ draufhin habe ST darauf habe ST mit einem makabren Scherz geantwortet.
Das sei auch so vom Mitgefangengen G geschildert worden, der ST auf das Geständnis auf der Hausparty angesprochen hatte, nachdem er davon in der Presse gelesen hatte. ST habe ihm gegenüber auch bestätigt, dass es ein Scherz gewesen sei und der Mitgefangene habe ihn ermahnt, dass man darüber keine Scherze mache.
Die Richterin meint: „Das war ein makaberer Scherz mit ungeahnten Folgen.“
Nach der Meinung der Kammer, passt diese Schilderung von Max auch in den Gesamtkontext der Party. Wohingegen die Angaben von L und A nicht passen würden.
Angela:
- Nicht nur, dass A 5 Tage nach der Party, bei der Polizei angegeben habe, nichts gehört zu haben und es sei nur ganz kurz über den Mord gesprochen worden.
- Am 24.01. sei ihr dann plötzlich wieder eingefallen, dass er zusammenhanglos gesagt haben soll er sei der Mörder von Aschau. Sie sei auch geschockt gewesen und habe rauchen gehen müssen. Es sei nicht glaubhaft, dass sie 5 Tage nach der Party das nicht erinnert habe.
- Dass A es mit der Wahrheit nicht so genau nehme, konnte auch an anderer Stelle festgestellt werden, als sie von der Polizei danach gefragt wurde, ob sie glaube, dass V die Wahrheit gesagt habe? Habe sie angegeben, dass V ihr gegenüber angegeben habe, die Wahrheit gesagt zu haben, obwohl ihr V in den Sprachnachrichten nachweislich gesagt hatte, dass sie sich geirrt hatte.
Lea:
- L habe in ihren beiden Vernehmungen bei der Polizei keine Erinnerung an eine Aussage auf der Hausparty gehabt, ihr sei es überhaupt erst in der Hauptverhandung eingefallen. Als Grund dafür habe sie angegeben, bei er Polizei so nervös gewesen zu sein.
V habe am 18.11.2022 direkt nach der Party der Polizei mitgeteilt, dass ST gesagt habe „jetzt glaubt jeder, dass ich es war, ich war es aber nicht“ dabei hätte er fast zu weinen begonnen. Davon sei später nie mehr die Rede gewesen. Man habe einen zunehmenden Belastungseifer erkennen können, unter anderem seien ominöse Messerangriffe und sexuelle Übergriffe erfunden worden. Es sei wenig glaubwürdig, dass V nachdem sie von ST mit einem Messer bedroht worden sein soll, 3-4 Stunden mit ihm im Dunkeln wandern gehen würde. Die Schilderungen seien außerdem auch erheblich widersprüchlich gewesen.
Zu ST möchte die Vorsitzende noch sagen, ST sei sicher am 17.11.2022 erheblich betrunken gewesen, wie die anderen auch. Man könne das womöglich dahingehend auslegen, dass der Grund dafür ein schlechtes Gewissen und der Druck dadurch gewesen sein könnte. Dem Gericht erscheint es aber plausibler, dass der Grund für den vermehrten Alkoholkonsum eher in der Absage von Franzi zu sehen sei, wie es auch ursprünglich von Max angegeben worden sei.
KnastzeugeAM habe am 16.10.2023 nachdem der erste Prozess schon gestartet war, seine Aussage bei der Polizei gemacht, wonach ST im Vorfeld immer abgestritten habe, mit der Tat etwas zu tun zu haben. Dann habe er bei Cappuccino und Spekulatius eine Beteiligung eingeräumt und angegeben er habe sie aus sexuellem Interesse missbrauchen wollen. Es habe mehrere Nachfragen seitens der Beamten gebraucht, bis er auch angegeben habe, dass der Angeklagte, das Opfer bewusstlos geschlagen habe, damit sie sich nicht wehren könne. Als Motiv für das Geständnis von ST habe AM die eigene Offenbarung des Haftgrundes angegeben, das hätte für ein Vertrauensbasis gesorgt.
Er habe auch selbst eingeräumt, sich Vorteile für sein Verfahren zu erhoffen.
- Die ersten Widersprüche seien schon bei der ersten polizeil. Vernehmung zu Tage getreten. Er habe die 10 Monate Wartezeit unterschiedlich begründet.
- Der Grund, dass er niemanden verpfeifen würde, sei nicht glaubhaft, da er in Bernau keine großen Probleme mit dem Verpfeifen gehabt haben dürfte. Die angegebene Verschwiegenheit, sei nicht objektiv zu verifizieren gewesen.
- In der hiesigen Aussage hätten sich deutliche Abweichungen gezeigt:
- Gipsarm-Angaben waren definitiv falsch.
- Die zeitl. Einordnung der eigene Offenbarung stimmte nicht mit den früheren Angaben überein.
- Seine eigene Reaktion auf die Angaben von ST wurde diametral geschildert, 2023 habe er angegeben so schockiert gewesen zu sein, dass er ST raus schicken musste um das zu verarbeiten, in diesem Verfahren habe er nach eigener Aussage keine Reaktion gezeigt und das Gespräch habe geendet, weil der Aufschluss zu Ende gewesen sei
- Auch die Angaben, ob ST H gekannt habe, unterschieden sich.
- Widersprüche hätten sich auch in der Kernaussage gefunden, das Motiv sei unterschiedlich benannt worden.
Die Kammer habe kein Täterwissen in den Angaben erkennen können, wisse aber, auch aus Erfahrung, dass die diagnostizierten Persönlichkeitsstörungen das Aussageverhalten ändern können. Da das die Sachkunde des Gerichts übersteigen würde, sei das aussagepsychologische Gutachten beauftragt worden.
Dr. Steller habe bei AM eine ausgeprägte Lügenkompetenz und Lügenbereitschaft erkannt. Außerdem sei den Akten zu entnehmen gewesen, dass AM eine Lügenhistorie habe. Er habe in früheren Verfahren nachweislich bei der Polizei und vor Gericht gelogen um sich einen Vorteil zu verschaffen, außerdem sei in seinem eigenen Verfahren auch Lügen und Manipulationen seinerseits zum Vorschein getreten.
Steller habe zwar Realkennzeichen dafür gefunden, dass es wohl mal zu einem Gespräch gekommen sei, im Gegensatz zum Inhalt des Gesprächs. Der Inhalt habe eigentlich nur aus 4 groben Punkten bestanden, ohen Detailtreue und ohne Realkennzeichen. Auch Steller habe in dem eigenen Verfahren ein mögliches Motiv zum Lügen gesehen. Außerdem sei es nach Steller bei AM auch vorstellbar, dass er sich das Gespräch selbst suggeriert habe, wegen der subjektiven Überzeugung Lügner entlarven zu können.
Zusammenfassend könne man der Aussage von AM nicht folgen und erst recht keine Anklage auf seine Angaben stützen.
Zum Schluss geht Vorsitzende Will auf den Pornokonsum ein. ST konsumiere Pornos, zwischenzeitlich auch in einem erheblichen Umfang. Bekannt sei jedoch nur, dass er Seiten aufgerufen habe, aber nicht wie lange verweilt wurde. Die Inhalte seien außerdem durchwegs strafrechtlich nicht relevant. Nach Ansicht der Kammer stehe die Pornopause vom 01.10 -08.10 in keinem Zusammenhang mit dem Vorfall am 03.10.
In der ausführlichen Beweisaufnahme habe sich kein einziges überzeugendes Indiz gefunden, auch in der Gesamtschau spreche nichts für die Schuld des Angeklagten und infolgedessen sei er freigesprochen worden und es stehe ihm eine Entschädigung zu.
In der Beweisaufnahme habe sich gezeigt, dass es während der Ermittlung zu vielen, fatalen Fehlern gekommen sei, die Konsequenzen dafür können aber nicht in diesem Prozess thematisiert werden, das müsse an anderer Stelle entschieden werden.
Die Vorsitzende entschuldigt sich im Namen des Rechtsystems für das große Unrecht, das ST von diesem zu erleiden hatte.
Der Saal applaudiert!