Vermisster Fabian aus Güstrow tot aufgefunden
07.11.2025 um 13:52
Erst mal vorneweg: Es muss ein unermesslicher Alptraum für die Angehörigen sein. Es reicht ja schon, ein Kind zu verlieren - unter diesen Umständen und mit den anzunehmenden Verstrickungen dürfte es wirklich schier unerträglich sein. Den Angehörigen gilt mein tiefes Mitgefühl.
Mir fiel hier im Verlauf der letzten gefühlt 100 Seiten etwas auf, das ich gerne loswerden möchte. Ich zitiere jetzt nicht die einzelnen Beiträge, das wären viel zu viele, ich fasse zusammen. Oft ist zu lesen, wie Verhalten interpretiert wird, ob das nun normal oder nicht normal oder verdächtig ist. Daraus entstehen dann gerne mal sehr ausgedehnte spekulative Dinger, beizeiten nahezu in Endlosschleife durchdisskutiert. Für Verhalten gibt es aber keine Normtabelle. Was für den einen völlig normal ist, ist für den nächsten wahrscheinlich ungewöhnlich, weil er sich in einer Situation als eigenständiges Individuum mit anderen Werten, Abläufen, Prioritäten und Lebensumständen anders verhalten würde. Der andere wird aber im Alltag nicht weiter drüber nachdenken, er täte dieses oder jenes halt nicht und gut damit. Nun mische ein Tötungsdelikt rein - und plötzlich wird alles sonderbar und verdächtig. Ich gebe mal zwei konkrete Beispiele:
Das erste ist dieser Freundinnen-Spaziergang am Auffindetag. Der wird von vielen als extrem verdächtig empfunden. Begründung ist meist die, dass man - neben mit Kopfweh nicht draußen rumrennen und mit dem Vermisstenfall des Sohnes des Exfreundes auch angeschlagen sein - "generell" überhaupt keine 10 oder 15 km zum Hundespaziergang fährt. Warum denn nicht? Ich als Halterin von drei großen Jagdhunden mache das regelmäßig. Für mich ist das total normal - obwohl ich einen großen Garten und direkt hinten raus ein landschaftlich kaum zu toppendes Laufgebiet habe. Erstens ist Abwechslung nicht doof, ich guck einfach gerne Natur. Zweitens habe ich hier direkt hinten raus eine sehr hohe Wilddichte, was auch einer sehr hohen Konzentration der Hundeführung bedarf. Wenn ich komplett entspannt - eben auch mal quatschend mit einer Freundin zum Kopf freimachen oder einfach nur gute Freundinnenzeit - unterwegs sein will, dann fahr ich dahin, wo ich die Hunde wegen so gut wie null Wild sausen lassen kann und mich auf das Gespräch mit der Freundin konzentrieren kann. Das sind dann auch mal 15 km Fahrt. Und wenn die Freundin weiter weg wohnt, trifft man sich auch mal in der Mitte. Jahreszeitenbedingt ist da auch Matsch, mit Hunden läufst du eher nicht auf dem roten Teppich in Hollywood. Für mich also völlig normal, ich hab Gummistiefel. Ich bin deshalb - Überraschung ;-) - keine Kindermörderin. Fallbezogen wären aber zwei Punkte interessant, um überhaupt eine Einschätzung der "Normalität" zu bekommen. Fuhr die TV regelmäßig mit ihrem offenbar vorhandenen Hund weiter raus und lief sie öfters mit der Freundin? Wohnte die Freundin so, dass es ein Treffen ungefähr in der Mitte der Wohnorte war? Als singuläres Ereignis wäre es wirklich suspekt. Als Regelmäßigkeit wäre es einfach total normal. Ich denke, dass die EBs das durchaus schon abgefragt haben. Wir dürfen unsere eigene Definition von Normalität aber auch ab und mal abfragen - deine, meine, unsere Normalität ist nicht zwangsläufig die Normalität anderer.
Das zweite Beispiel ist die Entstehung des unsäglich gruseligen Brandfotos. Nein, das ist nicht von einer Wildkamera. Meine Wildkamera nimmt sehr gut auflösend auf und macht untertags farbige Videos. Sie springt aber - wie alle Wildkameras - auf Bewegung an (weshalb ich den Betriebszeitraum auf nachts eingeschränkt habe, sonst wäre da mit Vogel- und Hundegehüpfe untertags Daueraufnahme). Ohne Bewegung kein Bild. Mit Bewegung aber alles. Ergo: Wenn die Bewegung eines Feuers auslöst, dann hätte der Feuerleger auch ausgelöst. Eine Wildkamera hat einen vorgegeben Auslöseradius, der bei nichtprofessionellen bezahlbaren Kameras nicht endlos ist. Meine hat z. B. 20 m, das ist schon nicht wenig. Auf die Örtlichkeit des Ablageortes bezogen ist die Wildkamera zumindest für mich komplett ausgeschlossen. Wenn z. B. die Wildkamera am Gehölzrand am Weg hängt, ein Reh im Vordergrund auslöst und das Feuer nur zufällig im Hintergrund erscheint und dann rausvergrößert wird, dann hast du einfach nicht mehr die (eh schon grobe) Auflösung des veröffentlichten Fotos. Da hast du wahrscheinlich nur noch 30 grüngraue und fünf orangene Pixel.
Nun wurde hier sehr oft wiederholt, dass man doch die Feuerwehr ruft, wenn man ein Foto mit Brand macht. Nicht zwingend. Man sieht es vielleicht erst mal nicht. Auch da gehe ich wieder von mir aus. Ich bin gerne und oft mit der Spiegelreflex unterwegs. Aber genau so, wie meine Kamera fokussiert, fokussiere auch ich. Hunde, Vögel, Pflanzen. Fokus auf dem Objekt, Tunnelblick, daneben seh ich GAR NIX. Es ist unglaublich, was ich beim Einlesen der Fotos abends oder auch mal erst zwei Tage später für Aha-Erlebnisse habe, die ich in Echtzeit nicht hatte - einfach, weil sie ausgeblendet und nicht im Fokus waren. Für andere vielleicht befremdlich, für mich aber völlig nachvollziehbar. Wenn ich dann eines dieser Ahas als kleinen Ausschnitt aus dem Hintergrund hochvergrößere, dann ist es halt auch genau so wie das Brandfoto. Ich kann total nachvollziehen, dass man es eben erst mal gar nicht live mitbekommt, sondern die Wahrnehmung erst beim Foto auslesen entsteht. Für die Feuerwehr ist man zu spät (ist ländlich in der Regel auch nicht der Grund für einen Riesenhype), aber wenn dann genau der Ort medial in einem Kindesvermissten-/ Kindestötungsfalles kaum zu übersehen ist, guckt man auf das Aha doch noch mal anders. Ich finde das Foto inklusive des Verhaltens des Aufnehmenden total plausibel. Selbst, wenn das anonym bei den EB landete (da kursiert ja auch einiges hier), finde ich es immer noch plausibel. Manche Leute erkennen vielleicht die Bedeutung, haben aber aber Gründe dafür, sich nicht auf den Rattenschwanz einzulassen. Ich war selber mal als Zeuge sehr nah, EBseits nicht gerade nett behandelt und direkt betroffen (ein damaliger sehr enger Freund hatte seine schwangere Ex-Freundin getötet und alles erst mal als Selbstmord inszeniert). Es war ein echter Alptraum. Muss man nicht öfters haben, ich wäre nach den Erfahrungen mit dem Foto auch eher anonym...
Wie man auf die Idee kommt, dass das Foto von der TV selbst stammt, ist mir unbegreiflich. Ich mag es nicht ausschließen, aber ich finde da halt kein Körnchen Sinnhaftigkeit.
Bei der Idee, dass das Foto sogar behördlicherseits gefaked ist, fällt mir die Kinnlade runter. Wie kommt man auf so was? Das ist doch rechtlich der Schuß ins eigene Knie, wenn eine vernünftige und haltbare Anklage zustande kommen soll, hält jemand unsere Staatsanwaltschaften für so dämlich?
Wahrscheinlich zu viel Text. Mein Danke jetzt schon an die, die den Text komplett lesen. Einfach bisserl weniger Boulevard-Medien, bisserl weniger KI-Erkenntnisse, sich bisserl weniger an abstrusen Theorien aufarbeiten, bisserl mehr selber und logisch nachdenken. Bisserl weniger Reinsteigern. Vielleicht auch konsequent erst mal alle (viele gute und auch viele ermüdende) Beiträge lesen, bevor man eine Frage zum hundertdrölfzigsten Mal stellt. Und bisserl mehr Toleranz gegenüber dem eigenen Normal und dem der anderen. Jeder hat ein Recht - nicht nur auf die Unschulsvermutung bis zum Schuldspruch durch das Gericht, sondern auch auf ein eigenes Normal.
In diesem Sinne.