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Mordfall Hinterkaifeck

51.749 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Mord, Bauernhof, Hinterkaifeck ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
Zu diesem Thema gibt es eine von Diskussionsteilnehmern erstellte Zusammenfassung im Themen-Wiki.
Themen-Wiki: Mordfall Hinterkaifeck

Mordfall Hinterkaifeck

02.11.2012 um 10:43
@margaretha
Zitat von margarethamargaretha schrieb: Beim Mädchen besteht wenigstens die Option in der Ehe vom Ehemann gezeugt worden zu sein.
... Und bei Josef steht fest, dass der Schlittenbauer als Vater in Frage kommt... er räumt ja selbst ein, 5 Mal GV mit Vik. gehabt zu haben.

Was ich bei Cilli einfach sehr auffällig finde ist die Anzeige wegen Blutschande "um den Geburtstag" von Cilli.

Warum der Lenz 1919 die Anzeige wegen Blutschande gemacht hat, ist für uns heute ja problemlos nachzuvollziehen...

Die Anzeige aus 1914 / 1915 aber nicht. Viktoria war verheiratet, kriegt ein Kind. Die normalste Sache der Welt...
Irgendwas muss doch aber gewesen sein, ...
a) dass man sie angezeigt hat;
b) dass sie, im Gegensatz zu 1920, VERURTEILT wurden...

Ich weiss, die Strafe/Beweise bezogen sich auf den Zeitraum 1907-1910...
Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass jemand 1915 die Beiden angezeigt hat, weil er vom Inzest aus 1907-1910 wusste.
Dieser Anzeige muss ein aktuelles Geschehen zu Grunde liegen. Offenbar gab es aber nur für den Zeitraum 1907-1910 Beweise und für 1914 nicht.

Welches Ereignis brachte den Anzeiger dazu, 1914 eine Anzeige zu machen?
Das war das Jahr, indem Viktoria schwanger war... und genau das finde ich auffällig.

@Hauser
Zitat von HauserHauser schrieb:Wie habt ihr es bloß geschafft, das Waidhofen früher ein Wallfahrtsort war, bei so vielen sittlichen Verfehlungen.
Du meinst sicher, "wie haben die das blos geschafft..."

Wir kennen nur die Zustände auf HK, dass heisst ja nicht, dass es hinter jeder Haustür in Waidhofen und Umgebung "rund" ging.

Anzeige
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Mordfall Hinterkaifeck

02.11.2012 um 11:07
@Hauser
Wallfahrtsort? Du denkst also auch das RTL ein Dauergast auf dem Hof gewesen wäre?

@Heike75
Die Anzeige zu dem Zeitpunkt hat ein "G´schmäckle", richtig! Aber auch die Gabriels konnten rechnen und mussten annehmen das Cäzilia aus der Ehe stammt.

Ok, Sigl erzählt was von Karl sei weg gelaufen, LS auch, Karl Gabriels drei Stammrollen enthalten alle Laag als Wohnort, aber hängt das nur mit dem Mädel zusammen?

Wissen die 2 Herren wirklich so genau über die Gabriel Ehe Bescheid? Oder gabs halt einmal nen kleinen Zoff der am Abend wieder vergessen war?


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02.11.2012 um 17:06
Zitat von margarethamargaretha schrieb: Die Anzeige zu dem Zeitpunkt hat ein "G´schmäckle", richtig! Aber auch die Gabriels konnten rechnen und mussten annehmen das Cäzilia aus der Ehe stammt.
Natürlich hätte Karl der Vater sein können...
Ich halte Karl Gabriel sen. für den Anzeiger... aus 1914/1915.
Selbst wenn er nicht der Anzeiger war... die Schwiegertochter bringt den Enkel zur Welt und wird gleichzeitig wegen Inzest angezeigt, verurteilt und wandert in den Knast...
Zweifel an der "Enkelin" von der Gabriel-Seite wäre mehr als verständlich... Nur kann Keiner was dagegen tun... der Einzigste, der was tun gekommt hätte, fiel kurze Zeit zuvor - Karl Gabriel jun.

Das könnte Ärger verursacht haben...
Ich frage mich was passiert wäre, wenn man im Blutschandeprozess 1915 der Vik. im Jahre 1914 ein inzestiöses Verhältnis nachweisen gekonnt hätte... hätten die Gabriels ohne Karl an der Sache rühren können? Soweit ich weiss nicht... werde trotzdem nochmal meine Bücher wälzen, ob es da vielleicht doch ein Paragräphchen gab, welches anwendbar gewesen wäre.


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Mordfall Hinterkaifeck

02.11.2012 um 18:00
Zitat von Heike75Heike75 schrieb:Ich halte Karl Gabriel sen. für den Anzeiger... aus 1914/1915.
Es kann aber auch sein, daß andere Personen angesäuert waren.
-entlassener Knecht
-entlassene Magd
-Martin Asam
-abgewiesener Heiratskandidat

Karl Gabriel sen. ist aber sicher eine mögliche Option. Gab es eigentlich nach Karl jun. Tod Bestrebungen seitens der Laager die Witwe mit dem Bruder Josef zu verheiraten? Damit das Land zusammen bleibt?

Zur Blutschande ist übrigens ganz interessant was da in der Bibel steht: (ausrotten und so)
http://bibeltext.com/leviticus/20-17.htm
http://www.bibleinfo.com/de/topics/blutschande


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02.11.2012 um 18:05
/dateien/31345,1351875930,Gabisbauern
Zitat von margarethamargaretha schrieb:Wallfahrtsort? Du denkst also auch das RTL ein Dauergast auf dem Hof gewesen wäre?
Nicht nur, im Wallfahrtsort hat sich Anno Dazumal auch einiges abgespielt: "Duell im Morgengrauen", "Der Pfarrer der nichts wusste", "Dersch in Aktion","The Werdie's", "Dienstbub auf Abwegen".
Zitat von Heike75Heike75 schrieb:Wir kennen nur die Zustände auf HK, dass heisst ja nicht, dass es hinter jeder Haustür in Waidhofen und Umgebung "rund" ging.
Hier ein Beispiel für gute Nachbarschaft vom 02.09.1922.


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02.11.2012 um 19:01
@margaretha
@Hauser
Na, hart am Fall. Danke für die Bibelstellen und meine Kenntnisse in bayrischem Lokalkolorit wurden auch erweitert. Wenn @Hauser mit Adlerblick das historische Schrobenhausener Wochenblatt auswertet, sind weitere Funde nur eine Frage der Zeit.

Ich hab nur noch einen § - aber eher für das Forumssofa:

"§ 179 RStGB a. F.
Wer eine Frauensperson zur Gestattung des Beischlafs dadurch verleitet, daß er eine Trauung vorspiegelt, oder einen anderen Irrthum in ihr erregt oder benutzt, in welchem sie den Beischlaf für einen ehelichen hielt, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft..."

Damals waren die Frauenspersonen halt noch vom Gesetzgeber geehrt und wurden vor mancherlei Tücken beschützt. (Man könnte herrliche Dialoge dazu erfinden.)


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02.11.2012 um 19:30
@pensionär smilie happy 012
Und es gäbe kein RTL, nur so Forensofas


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02.11.2012 um 20:26
@margaretha
"Naa, geh weider, mir heiratn in der Wirtschaft und den Pfarrer bring i von auswärts mit, i kenn da aan der macht des scho. Du muaßt nur jo sogn und drei Kreizerl aufs Babier machn. Und nacherzer - Du woaßt scho..."

Und Zack- 5 Jahre Zuchthaus vom Volksgericht.


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02.11.2012 um 21:58
Leute, hab grad herzlich gelacht... Ihr seid mir ne Truppe!
Zitat von HauserHauser schrieb:"The Werdie's", "Dienstbub auf Abwegen"
Zitat von pensionärpensionär schrieb:den Pfarrer bring i von auswärts mit
icon lol

@margaretha
Zitat von margarethamargaretha schrieb: Es kann aber auch sein, daß andere Personen angesäuert waren.
-entlassener Knecht
-entlassene Magd
-Martin Asam
-abgewiesener Heiratskandidat
Stimmt schon. Da bleibt aber der Karl mein Favorit... der könnte noch mehr wie angsäuert gewesen sein...
Zitat von margarethamargaretha schrieb: Karl Gabriel sen. ist aber sicher eine mögliche Option. Gab es eigentlich nach Karl jun. Tod Bestrebungen seitens der Laager die Witwe mit dem Bruder Josef zu verheiraten? Damit das Land zusammen bleibt?
Ironie an:
Sicher doch, aber ausgerechnet am Hochzeitstag war Vik. verhindert... sie konnte nicht aus Straubing weg.
Ironie aus.

Ich denke nicht (egal ob Karl der Anzeiger war oder nicht), dass sie noch DIE Frau für den Josef war.


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03.11.2012 um 12:13
Nachdem ja V. G. schon mit etwa 16 einer Nachbarin vom Inzest erzählte, wäre ja interessant ob das Thema vor der Heirat mit Karl auch in Laag bekannt war.


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03.11.2012 um 13:29
@margareth,a
vorstellen könnte ich es mir schon. Das Karl aber so keck war wie der Lenz und dem Gruber sagte, dass das nach der Hochzeit mit ihm aufhören muss, glaube ich eher nicht...

Eine solche Hoffnung könnte es aber gegeben haben "wenn die erstmal verheiratet sind..." Dann wurde man eines besseren belehrt (spätestens 1915).


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03.11.2012 um 14:43
von 1914/1915 oder den Ehezeitraum betreffend haben wir keine Beweise!
Vorausgesetzt es stimmt das Karl wirklich zurück nach Hause ging, könnte das aber damit zusammenhängen "mei Schwiegervater schnackselt mei Frau"


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03.11.2012 um 18:39
@margaretha
Zitat von margarethamargaretha schrieb: von 1914/1915 oder den Ehezeitraum betreffend haben wir keine Beweise!
Wie wahrscheinlich ist es, dass der Anzeiger 1914 eine Anzeige wegen Blutschande gemacht hat, weil er wusste, dass es zwischen 1907 bis 1910 Blutschande gab?
Warum hat er damit mindestens 4 Jahre (bis 1914) gewartet?

Ist es nicht naheliegender, dass der Anzeiger eine Anzeige gemacht hat, weil sich etwas zeitnahe zum "Anzeigedatum" (1914) zugetragen hat?
Es gab wohl nur Beweise für 1907-1910... damit kann das Gericht auch nur diesen Zeitraum aburteilen.
Zitat von margarethamargaretha schrieb: Vorausgesetzt es stimmt das Karl wirklich zurück nach Hause ging, könnte das aber damit zusammenhängen "mei Schwiegervater schnackselt mei Frau"
Das muss nichtmal sein...
Wenn er nicht der Anzeiger war, hat er doch bestimmt mitgekriegt, dass seine Schwiegertochter wegen Blutschande angezeigt, verurteilt und bestraft wurden... Also wusste er doch spätestens dann, dass da was nicht koscher war.

Wenn ich mir die Aussage der Rieger ansehe, fand wohl in den Jahren 1921/1922 weitere inzestiöse Handlungen statt.
Soll das heissen, dass Gruber 1910 aufgehört und 1921 wieder angefangen hat? Dazu die Anzeige aus 1914...

Da bin ich eher der Meinung, dass das nie wirklich aufgehört hat.


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03.11.2012 um 18:52
Zitat von Heike75Heike75 schrieb:Wenn ich mir die Aussage der Rieger ansehe, fand wohl in den Jahren 1921/1922 weitere inzestiöse Handlungen statt.
Soll das heissen, dass Gruber 1910 aufgehört und 1921 wieder angefangen hat?
Ja das wäre natürlich eine Möglichkeit t058645 icon lol
Zitat von Heike75Heike75 schrieb:Ist es nicht naheliegender, dass der Anzeiger eine Anzeige gemacht hat, weil sich etwas zeitnahe zum "Anzeigedatum" (1914) zugetragen hat?
Es gab wohl nur Beweise für 1907-1910... damit kann das Gericht auch nur diesen Zeitraum aburteilen.
Ja das klingt einleuchtend smileys-shaking-hands

Jetzt hatts gschaggelt:
Angenommen Karl jun. sah den Inzest, erzählte es dem Vater, der machte die Anzeige...er hat aber selbst nichts gesehen, und der Sohn als Zeuge war tot, dafür gab es Zeugen für 1907-1910.

Trortdem glaube ich nicht das der Inzest so oft praktiziert wurde, denn 2 Kinder in rund 20 Jahren die beide noch dazu auch einen anderen Vater als den Opa gehabt haben könnten ist recht wenig für die Zeit wo es keine Pille gab.


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03.11.2012 um 19:36
@margaretha
Zitat von margarethamargaretha schrieb:Trortdem glaube ich nicht das der Inzest so oft praktiziert wurde, denn 2 Kinder in rund 20 Jahren die beide noch dazu auch einen anderen Vater als den Opa gehabt haben könnten ist recht wenig für die Zeit wo es keine Pille gab.
Oder die Viktoria hat gut aufgepasst. Die Kalendermethode war damals schon bekannt... (Wenn auch nicht so richtig zuverlässig.)


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03.11.2012 um 20:31
@margaretha
Zitat von margarethamargaretha schrieb:Trortdem glaube ich nicht das der Inzest so oft praktiziert wurde, denn 2 Kinder in rund 20 Jahren die beide noch dazu auch einen anderen Vater als den Opa gehabt haben könnten ist recht wenig für die Zeit wo es keine Pille gab.
Genau das habe ich mich auch gefragt...

- Glück gehabt,
- Viktoria Rieger,
- Geld von der Schwester (von dem Keiner was wissen durfte - für einen neuen Motor war wohl eher nicht).

Und bevor es hier wieder zum moralischen Aufschrei kommt - es handelt sich um Spekulationen meinerseits - nicht mehr und nicht weniger.

@Himbeergeist
Zitat von HimbeergeistHimbeergeist schrieb:Oder die Viktoria hat gut aufgepasst. Die Kalendermethode war damals schon bekannt... (Wenn auch nicht so richtig zuverlässig.)
Oder die Ernte wurde vorm Scheunentor abgeladen ;-)


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04.11.2012 um 15:29
@Heike75
Zitat von Heike75Heike75 schrieb:Oder die Ernte wurde vorm Scheunentor abgeladen ;-)
Das wäre auch eine Möglichkeit.


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04.11.2012 um 22:40
Ich bin entsetzt! rotwerd
Vielleicht und das scheint mir das naheliegendsde, das der Inzest gar nicht (mehr) so häufig praktiziert wurde!


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04.11.2012 um 23:35
@margaretha
da könntest Du recht haben... Gruber war ja auch nicht mehr der Jüngste.


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05.11.2012 um 21:35
@pensionär

Zunächst mal vielen Dank für die kompetente Erörterung dieses Problemkreises.
Zitat von pensionärpensionär schrieb am 01.11.2012:Zur Frage einer möglichen Inflationsaufwertbarkeit der bereits erledigten Unterhaltsabfindung im vorliegenden Fall.
Ich habe mir mal die JW geordert - die liegt leider im Archiv und war nicht im Lesesaal griffbereit. Sollte ich am Mittwoch haben. Dann werde ich mir die zitierten Urteile zu Gemüte führen. Derweil habe ich juris bemüht - im Zeitraum 1919 bis 1930 konnte ich genau ein Urteil finden, dass sich mit dieser Problematik befass hat. Mehr sind da leider (noch?) nicht von der Datenbank erfasst.

Wie auch immer, diesen Fund möchte ich nicht vorenthalten:

Das Urteil stammt vom Reichsgericht, 7. Zivilsenat, Az. VII 147/22, und ist vom 23.3.1923. Das Urteil ist auch in der Sammlung RGZ 106 (1923), Nr. 110, auf den S. 396 ff. zu finden.

Der Fall dort stellte sich wie folgt dar:

„Der Beklagte ist der uneheliche Erzeuger des am 16. Juni 1912 geborenen Klägers. Am 20. August 1918 schlossen die Parteien einen privatschriftlichen und sodann vormundschaftsgerichtlich genehmigten Vergleich, inhalts dessen sich der Beklagte zur Abgeltung aller Unterhaltsansprüche des Klägers zur Zahlung von 10 000 M verpflichtete. Die 10 000 M zahlte der Beklagte, und es wurden davon 7 000 M in Deutscher Reichs= (Kriegs=) Anleihe angelegt. Mittels Schreiben vom 31. Januar 1921 wurde seitens des Klägers in Rücksicht auf die Verteuerung aller Lebensumstände der Vergleich als unwirksam angefochten. […] Das Landgericht entsprach dem Klageverlangen. Das Berufungsgericht wies dagegen die Klage ab. Die Revision des Klägers blieb ohne Erfolg.“

Wir sehen also zunächst, dass dieser Fall durch den kompletten Instanzenzug ging und auch keineswegs einheitlich beurteilt wurde. Das LG* hatte der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht dieses Urteil jedoch aufgehoben. Das RG hat dann auch die Revision zurückgewiesen. Damit ist vom Ergebnis her eine Aufwertung der Abfindung in diesem Fall ausgeschlossen worden, was den Ergebnissen Deines „Büchleins“ entspricht. Auch die Argumentation des RG entspricht im Wesentlichen der von Dir zitierten.

Allerdings unterscheidet sich dieser Fall doch noch in einigen entscheidenden Gesichtspunkten von Hinterkaifeck:

Im vorliegenden Fall hatte der uneheliche Vater bereits vor der Abfindung Leistungen an den Sohn erbracht. Dies ergibt sich daraus, dass der Vergleich erst 1918 geschlossen wurde, als der Sohn 6 1/2 Jahre alt war, und aus dem Text des Abfindungsvertrages (Hervorhebungen von mir): „Zur Abgeltung aller Ansprüche, welche dem Kinde gegen seinen Vater zustehen, zahlt der letztere die Summe von 10 000 M z. H. des Vormundes; die bisher bewirkten Leistungen werden nicht darauf angerechnet.“ Hier wurden dem Sohn also 10.000 M zusätzlich zu den schon erbrachten Leistungen (eventuell eben die vierteljährliche Unterhaltsrente, § 1710 Abs. 1, 2 BGB aF, für 6 Jahre) gewährt. Das RG selbst bezeichnet die Abfindung mehrmals im Urteil als „reichlich“. Das RG wies auch ausdrücklich daraufhin, dass es nicht davon ausgehe, dass die Abfindung lediglich die Kapitalisierung der zukünftigen Rente darstelle, sondern dass dieser Betrag deutlich darüber hinausginge.

Ferner stellte das RG klar, dass die Leistung auch in vollem Umfang bewirkt, dh die Abfindung bezahlt worden sei.

Das Gericht argumentiert weiter mit der Abschlussfunktion gerade dieses Abfindungsvergleichs und betont in diesem Zusammenhang auch nochmals die „reichliche“ Abfindung.

Und schließlich formuliert das RG nochmals generell, dass ein Abfindungsvertrag als "Spekulationsgeschäft" nicht dem Anwendungsbereich der clausula rebus sic stantibus unterfalle.


Das RG weist aber auch darauf hin, dass eine nicht unbeträchtliche Anzahl an Autoren im Schrifttum den unehelichen Kindern auch bei einem Abfindungsvertrag einen Aufwertungsanspruch aus §§ 242, 157 BGB gewähren will: Philipp, BayRpflZ 21, 81, Czolbe, LeipzigerZ 21, Sp. 364, Fraeb, JW 22, 426, Behrend, JW 22, 1303, Gotthard, Dt. RichterZ 22, 77, Rosenthal und Dove, JW 21, 1086 flgd. zu Nr. 1, Krückmann, JW 22, 37 zu Nr. 2, Günzer, JW 22, 571, Rosenthal, JW 22, 1213 zu Nr. 1. Auch die zunächst positive Entscheidung des LG, die mit dem Urteil des RG letztlich revidiert wurde, spricht ebenso wie die von dem Schrobenhausener Wochenblatt zitierte Entscheidung des LG Neuburg aD dafür, dass die juristische Diskussion zum fraglichen Zeitpunkt, dh im Frühjahr 1922, keinesfalls abgeschlossen war, sondern ganz im Gegenteil noch intensiv geführt wurde. Allein schon deshalb kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Vik es in Erwägung zog, ihren Vater (der die Vormundschaft über den Josef innehatte) gegen LS vor Gericht ziehen zu lassen. Das zitierte Urteil des RG ist ja auch erst im März 1923 gefällt worden, konnte also eine entsprechende Entscheidung der Vik noch gar nicht beeinflussen. Umgekehrt bedeutet das auch, dass ein LS durchaus die Gefahr sehen konnte, wegen des Kindes nochmals zur Kasse gebeten zu werden.

Dies gilt umso mehr, als ich im vorliegenden Fall durchaus geneigt bin, trotz der Argumente aus dem „Büchlein“ einer entsprechenden Klage des A.Gr. im Namen des Josef gewisse Chancen einzuräumen:

Im Vergleich zum Urteil des RG hatte der LS eine verschwindend geringe Summe gezahlt. Dies ist auch mehrfach in den Protokollen als auffällig vermerkt worden. Das RG weist in seiner Entscheidung in einem obiter dictum darauf hin, dass eine Aufwertung auch bei geschlossenem Abfindungsvergleich unter bestimmten Umständen möglich sei. Unter Berufung auf die Literatur führt das RG hierzu aus (S. 402): „Es ist zuzugeben, daß bei den bis in das Jahr 1919 hinein abgeschlossenen Abfindungsverträgen die Möglichkeit einer Geldentwertung wie diese seitdem eintrat, regelmäßig nicht in Rechnung gezogen sein wird, und darin mag auch für manche Vertragsfälle, namentlich, wenn die Abfindung des unehelichen Kindes nachweislich einfach durch Kapitalisierung der gesetzlich bis zur Vollendung der sechzehnten Lebensjahres reichenden Rente gefunden ist, ein geeignetes Mittel liegen, dem durch die Geldentwertung benachteiligten Kinde auf dem Wege ergänzender Vertragsauslegung zu helfen.“

Unter diesen Umständen und angesichts der durch die Mauscheleien im Zusammenhang mit dem Abfindungsvergleich eh schon unsicheren Rechtssituation erscheint es mir durchaus im Rahmen des realistisch Möglichen, einen entsprechenden Zahlungsanspruch gerichtlich durchzusetzen. Damit bleibt eine etwaige drohende Klage grundsätzlich auch als mögliches Mordmotiv erhalten. Schließlich kommt es hierfür auf die sogenannte Parallelwertung in der Laiensphäre an: Was dachte der LS, man könnte gegen ihn erreichen? Und was dachte Vik, würde ein Klage vor Gericht bringen? Ob das letztlich mit der – wie oben gezeigt – eh noch unklaren tatsächlichen Rechtslage übereinstimmte, ist insoweit also eher zweitrangig. Gleiches gilt ja auch für die Frage der tatsächlichen Rechtslage hinsichtlich der Erbfolge (wobei hier die Rechtslage zwar eindeutig war, aber eben offensichtlich auch nicht für die Gerichte völlig zu übersehen).
Zitat von pensionärpensionär schrieb am 01.11.2012:Für mich sieht das doch ganz stark nach einem zumindest hinsichtlich der Erfüllung des Vertrages nichtigen Umgehungsgeschäft aus, das dem Rechtsgedanken des § 1714 Abs. 2 a.F widersprach.

Natürlich mußte die Erfüllungsumme des Abfindungsvertrages nicht gerade aus dem eigenen Ersparten von L.S. stammen – [wenn ihm z. B. eine Tante aus Mitleid das Geld zur Abfindung geschenkt hätte und er das dem Vormund zur Begleichung der Abfindung ausgehändigt hätte wäre das okay gewesen]. Aber dass zur Mündelgeldanlage das Geld gerade aus der Tasche von V.G. (welcher Anteil ?/auch deshalb meine Zitate aus den Akten) stammen durfte, die ja das Geld nach und nach erhalten sollte, um den kleinen Josef aufzuziehen – das ging m. E. nicht und wäre ein Nullsummenspiel gewesen.

Aber wenn V.G. damit angefangen hätte, den Vertrag darüber zu anzuknacken, wäre ihr sofort ihr eigenes Vorverhalten entgegengehalten worden.

Ich kann es nicht lösen - aber sicher gibt es ja den einen oder anderen Crack im allgemeinen Vertragsrecht hier, der die Baustelle gleich wieder abräumen kann. (Sollte ich in der Suchfunktion eine Lösung oder eingehende Diskussion hierzu übersehen haben, bitte ich mir das nachzusehen).
Die Situation ist in der Tat recht kompliziert, wenn man sie mal unter diesem Gesichtspunkt näher beleuchtet. Ich werde das hier nur ganz grob skizzieren: Wie @pensionär hier zutreffend angemerkt hat, tendiere ich auch dazu, dass die Grundlage für die Zahlung der Vik an LS zur Begleichung der Abfindung ein das Nichtigkeitsverbot des § 1714 Abs. 2 BGB umgehendes Geschäft darstellt und insofern selber als Umgehungsgeschäft nichtig war nach § 134 BGB. Eine direkte Anwendung des § 1714 Abs. 2 BGB auf die Vereinbarung zwischen Vik und LS dürfte deswegen ausscheiden, weil die Vik gegenüber Josef nicht vertretungsbefugt war, selbst wenn man in der Vereinbarung der Vik mit LS im Prinzip eine Verabredung der Unentgeltlichkeit des Unterhaltsverzichts sehen wollte. Jedenfalls aber wäre die Leistung der Vik an LS ohne Rechtsgrund erfolgt.

Fraglich ist dann, wie die Zahlung der 1800 M einzuordnen ist. Entweder stellt sie die Erfüllung der Abfindungsverpflichtung dar oder die Erfüllung des Rückgabeanspruchs der Vik aus § 812 BGB. Normalerweise wird da dem Leistenden bei mehreren offenen Ansprüchen ein Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt. Geht man danach, wäre dann die Zahlungspflicht aus dem Abfindungsvergleich erfüllt gewesen und der Vik würde nur der Anspruch aus § 812 BGB auf Rückzahlung der von ihr geleisteten 1800 M zustehen. Wenn man davon ausgeht, dass der LS seiner Zahlungsverpflichtung aus dem Abfindungsvertrag noch gar nicht nachgekommen ist, dann wird die Situation für Josef noch deutlich besser, weil dann auch das Argument, dass der Vertrag schon erfüllt wurde und deswegen eine Aufwertung nicht mehr in Betracht kommt, wegfällt.

Nochmal anders sieht die Situation aus, wenn die Vik nur Botin des A.Gr. war, und dieser wiederum als Vormund und Vertreter des Josefs gehandelt hat. Dann wäre die Vereinbarung mit LS unmittelbar über § 1714 Abs. 2 BGB nichtig. Dank des Abstraktionsprinzips würde aber auch die Zahlung der 1800 M von A.Gr. an LS zunächst grundsätzlich wirksam bleiben. Was wieder zu den genannten Problemen führt. Es sei denn, das Gericht würde hier eine „Durchschlagen“ auf das Verfügungsgeschäft annehmen, was ich gerade bei direkter Anwendung des § 1714 Abs. 2 BGB ausschließen würde.

Fazit: Aus einer etwaigen Nichtigkeit ließe sich zumindest ein Rückzahlungsanspruch in Höhe von 1800 M konstruieren. Und hier könnte auch eine etwaige Aufwertung dieses Rückzahlungsanspruchs wegen der Inflation möglich sein. Für eine endgültige Beurteilung fehlt es aber an den genauen Umständen der Geschäftsabwicklung Josef-A.Gr.-Vik-LS.


*Theoretisch denkbar wäre sogar, dass das RG hier den Fall des LG Neuburg verhandelt hat. Aus dem Urteil geht das leider nicht hervor. Dagegen spricht dass der Zeitraum zwischen Urteil des LG und Urteil des RG angesichts der zwischengeschalteten Berufungsinstanz mit knapp einem Jahr recht kurz erscheint und die Zeit zwischen erstem Anfechtungsschreiben und Urteil des LG dafür recht lang.


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