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Mordfall Hinterkaifeck

51.749 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Mord, Bauernhof, Hinterkaifeck ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
Zu diesem Thema gibt es eine von Diskussionsteilnehmern erstellte Zusammenfassung im Themen-Wiki.
Themen-Wiki: Mordfall Hinterkaifeck

Mordfall Hinterkaifeck

15.04.2021 um 09:01
@DerGreif Klasse Ausführungen !
Zitat von DerGreifDerGreif schrieb:Wichtiger Hinweis am Rande: Die Tatsache alleine, dass AS und ggf. auch LS um ihr Kind getrauert haben können, macht weder sie noch ihn zum Mörder, kann aber ggf. ein Motiv sein oder zumindest in einem Motivbündel eine Riolle spielen.
Es geht ja um AS-jun. welche am 30.03 beerdigt worden sein soll.
Interessant fand ich immer, dass der LS in seiner Aussage aber noch folgendes angab:
Bemerken möchte ich noch, dass mir der verlebte Gruber am Donnerstag den 30. März 22 vorm. gegen 11 Uhr auf dem Felde zugerufen hat, dass er in der vergangenen Nacht von Einbrechern heimgesucht worden sei
Quelle: https://www.hinterkaifeck.net/wiki/index.php?title=Aussagen:_1922-04-05_Schlittenbauer_Lorenz

LS war am Tag der Beerdigung noch auf dem Feld ? Das hört sich für mich im Zusammenhang was du zu AS geschrieben hast sehr merkwürdig an. Was sollte auf dem Feld so wichtig sein, dass man es am Tag der Beerdigung seines Kindes machen muss ? Wäre eine Rache-Durstige Frau dann nicht auch ziemlich sauer auf ihren Mann ? Entweder ist das ziemlich respektlos oder er hatte gegenüber dem Tod eine andere Auffassung oder in seiner Aussage einfach nur gelogen.

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Mordfall Hinterkaifeck

15.04.2021 um 09:22
Zitat von DerGreifDerGreif schrieb:Jüngere geschichtswissenschaftliche Untersuchungen zeigen hier auch ein differenzierteres bild, dass diesem gängigen Klischee nicht entspricht.
Welche sind das? Könntest Du mir da ein paar Titel nennen? Das würde mich interessieren, wenn ich da auf dem falschen Dampfer bin....


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15.04.2021 um 11:26
Zitat von Tron42Tron42 schrieb:LS war am Tag der Beerdigung noch auf dem Feld ? Das hört sich für mich im Zusammenhang was du zu AS geschrieben hast sehr merkwürdig an. Was sollte auf dem Feld so wichtig sein, dass man es am Tag der Beerdigung seines Kindes machen muss ?
Das fragte ich mich auch, zumal ich dachte, dass eine geschlossene Schneedecke lag. Dabei habe ich folgende Aussage gefunden:
Do VORMITTAG, nachts leichter Schneefall, ackernder LS
Zitat von margarethamargaretha schrieb am 21.10.2018:Laut dem Bericht des StaaA. Pielmayer konnten sie in jener Nacht nicht einsteigen:
Nach den Erhebungen hat der Austrägler Andreas Gruber am 30.März 1922, ein Donnerstag, vormittags noch mit dem in der Nähe ackernden Landwirt Lorenz Schlittenbauer von Gröbern und später mit Landwirt Kaspar Stegmeier von Gröbern gesprochen und ihnen mitgeteilt, dass bei ihm in der Nacht nach den in dem leichten über Nacht gefallenen Schnee ersichtlichen Spuren ein Einbruch versucht worden sein soll, wobei die Diebe in die Motorhütte eingedrungen sein sollen, da sich in dieser noch Schneespuren fanden. ... Auch soll Gruber nach den Angaben dieser Zeugen angegeben haben, dass ihm ein Hausschlüssel abgehe.
https://www.hinterkaifeck.net/wiki/index.php?title=Dokumente:_1926-11-06_Zusammenstellung_des_Staatsanwaltes_Pielmaye
Ob es im landwirtsch. Sinne "wichtig" war, das Feld umzuackern, oder ob LS vllt mit seinen Gedanken allein sein wollte bei der Feldarbeit, werden wir nicht erfahren. Auch nicht, wie gross sich die Beerdigung eines ein Monat alten Kindes, dass im Dorf und vllt auch in der Verwandschaft kaum Einer "kannte", gestaltete. Ist denn die Uhrzeit der Beerdigung bekannt?


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15.04.2021 um 12:04
Zitat von Tron42Tron42 schrieb:LS war am Tag der Beerdigung noch auf dem Feld ? Das hört sich für mich im Zusammenhang was du zu AS geschrieben hast sehr merkwürdig an. Was sollte auf dem Feld so wichtig sein, dass man es am Tag der Beerdigung seines Kindes machen muss ? Wäre eine Rache-Durstige Frau dann nicht auch ziemlich sauer auf ihren Mann ? Entweder ist das ziemlich respektlos oder er hatte gegenüber dem Tod eine andere Auffassung oder in seiner Aussage einfach nur gelogen.
Dass LS am Tag der Beerdigung noch auf dem Feld war, war damals sicherlich nicht unüblich.
Diesen Fall habe ich selbst noch in den 80er-Jahren mehrfach hautnah miterlebt.


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15.04.2021 um 12:22
Zitat von Kuno426Kuno426 schrieb:Ob es im landwirtsch. Sinne "wichtig" war, das Feld umzuackern, oder ob LS vllt mit seinen Gedanken allein sein wollte bei der Feldarbeit, werden wir nicht erfahren. Auch nicht, wie gross sich die Beerdigung eines ein Monat alten Kindes, dass im Dorf und vllt auch in der Verwandschaft kaum Einer "kannte", gestaltete. Ist denn die Uhrzeit der Beerdigung bekannt?
Guter Punkt. So wäre es mir nicht in den Sinn gekommen. Danke für den Hinweis.
Nachbarn wäre eine Schwangerschaft bestimmt aufgefallen. Im Dorf als Nachbar bekommst du das mit ... denke ich.
Beerdigung : Mir ist dazu leider nichts bekannt. Vll jemand anderem ?
Zitat von APBTAPBT schrieb:Dass LS am Tag der Beerdigung noch auf dem Feld war, war damals sicherlich nicht unüblich.
Diesen Fall habe ich selbst noch in den 80er-Jahren mehrfach hautnah miterlebt.
Ich würde sagen, dass es auch heute noch so ist. Hängt aber mit der Frage zusammen was man auf dem Feld macht und zu welcher Jahreszeit. Muss man eine Wiese mähen um die Tiere zu füttern, dann hat man wohl auch keine andere Wahl.
Ob man jetzt unbedingt Ackern muss... hmm.
Eine Erklärung wäre Kunos Hinweis.


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15.04.2021 um 13:32
Zitat von Tron42Tron42 schrieb:LS war am Tag der Beerdigung noch auf dem Feld ? Das hört sich für mich im Zusammenhang was du zu AS geschrieben hast sehr merkwürdig an. Was sollte auf dem Feld so wichtig sein, dass man es am Tag der Beerdigung seines Kindes machen muss ?
Das würde ich nicht überbewerten wollen. Ich denke, dass es dafür viele gute Gründe gegeben haben kann und sehe darin kein belastendes Inidiz.
Zitat von brigittschebrigittsche schrieb:Welche sind das? Könntest Du mir da ein paar Titel nennen? Das würde mich interessieren, wenn ich da auf dem falschen Dampfer bin....
Gerne:
- Woods, Robert, Children Remembered. Responses to Untimely Death in the Past, Liverpool 2007
- Lee, Robert, Early death and long life in history: establishing the scale of premature death in Europe and its cultural, economic and social significance, in: Historical Social Research 34 (2009), 4, S. 23-60

ERGÄNZUNG: https://uol.de/einblicke/22/o-ewich-is-so-lang-der-tod-in-der-fruehen-neuzeit

Es gibt auch eine sehr neue deutsche Untersuchung zu der Thematik, die @jaska gefunden hat, deren Ergebnis ich allerdings (noch) nicht kenne, weil ich noch keine Gelegenheit hatte, sie mir zu beschaffen und zu lesen:
- Julia Nebe, Kindersterblichkeit in der gesellschaftlichen Perzeption an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert: Eine Analyse von ausgewählten Totenzetteln (Düsseldorfer Texte zur Medizingeschichte)
Allerdings verweist hier der Vorstellungstext des Buches auch darauf, dass die These von der Gleichgültigkeit gegenüber dem Kindstod in der jüngeren Forschung in die Kritik geraten ist:
Dem war nicht immer so, die Säuglings- und Kindersterblichkeit war in der Vergangenheit hoch, gleichzeitig wurde dem Tod eines Kindes scheinbar mit Indifferenz begegnet oder er wurde sogar als postnatale Familienplanung gewertet. Diese These ist in den letzten Jahren in die Kritik der historischen Forschung geraten. Hier setzt Julia Nebes Arbeit an, in der sie anhand eines Samples ausgewählter Totenzettel von Kindern den Wandel der Eltern-Kind Beziehung im ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhundert herausarbeitet und so die Kindersterblichkeit in ihrer gesellschaftlichen Perzeption analysiert.
Quelle: https://www.amazon.de/-/en/Julia-Nebe-ebook/dp/B07SQ64LPD

Ob Nebe jetzt die Kritik bestätigt oder die neueren Thesen stützt, kann ich nicht sagen. Ich werde das mal wieder auf meine To-Do-Liste setzen.


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15.04.2021 um 13:51
@DerGreif
Danke sehr !!! Das ist bestimmt auch für andere User hier interessant.....


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15.04.2021 um 14:30
@DerGreif
Ich greife Deinen Buchlink mal auf, hatte damals auch eine Leseprobe gefunden.
Auf hinterkaifeck.net hatte ich damals meine Zusammenfassung geteilt, die sicher nicht vollständig subjektiv ist.
Dennoch wird klar, dass allein die Datenbasis von Frau Nebe keinen wissenschaftlichen Grundsätzen entspricht und es eher nicht erlaubt, allgemeingültige Rückschlüsse zu ziehen.
Darüberhinaus fehlt soweit ich weiß eine sehr deutliche Conclusio zu dem, was anhand der Buchbeschreibung zu erwarten war.

Hier meine damalige Zusammenfassung:
Buch:
Kindersterblichkeit in der gesellschaftlichen Perzeption an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert
Julia Nebe

...

Erst mal zu Nebes Datenbasis:

Nebe hat ausgewertet (ungefähre Zahlen):
* Sammlung Stadtarchiv Düsseldorf: 23.400
* Diözesanbibliothek Münster: 20.000
* Sammlung Gemeinde Pulheim: 21.100
* Sammlung Verein Computergenealologie: 150.000


Für ihr Projekt zur Analyse von Totenzetteln von Kindern verbleiben 474 Exemplare, von denen 138 statistisch ausgewertet wurden, weil sie den festgelegten Kriterien entsprachen.

Allein dies zeigt schon, dass Kinder in den Totenzetteln unterproportional repräsentiert sind, war die Kindersterblichkeit doch in den untersuchten Zeiträumen enorm hoch. Wenn aus den o.g. Sammlungen nur 474 Totenzettel von Kindern übrig blieben, so sind das gerade mal 0,2%.

Das entspricht meinen eigenen Erfahrungen. So durften Tara, Winsider und ich in Vorbereitung auf die Ausstellung eine private Totenzettelsammlung einer Familie ganz in der Nähe von Waidhofen anschauen, die sich von ca. 1870 bis heute erstreckt. Das waren in der Summe sicher gut 1.500 Totenzettel und bei der sorgfältigen Durchsicht blieb mir kein einziger Totenzettel eines Kindes in Erinnerung. Das war damals auch nicht mein Schwerpunkt und ich lasse mich da gerne von den anderen beiden korrigieren. Aber wären dort Kinder im Verhältnis der jeweils herrschenden Kindersterblichkeitsrate vertreten gewesen hätte das auffallen müssen.

Wenn man sich also wie Nebe rein auf die vorhandenen Kinder-Toteszettel beschränkt, so ist das für die gestellte Aufgabe völlig legitim. Aber es erlaubt keinerlei Rückschlüsse auf die damals gültigen Trauer-Gewohnheiten.

Ebenso finde ich die Analyse der verwendeten Sprüche und Bilder auf den Totenzetteln nicht unumstritten. War die Auswahl der Motive doch nicht wie heute unendlich sondern vom jeweiligen Portfolio der Druckerei abhängig. Inwiefern man dann die letztendliche Auswahl der Motive und Sprüche als Datenbasis für eine Analyse heranziehen kann bleibt für mich fraglich. Die Datenbasis scheint zu gering und die Aussagekraft nicht wirklich gegeben.

Nebe stellt fest, dass gerade die Altersgruppen 0-1 Jahr und 2-5 Jahre unterrepräsentiert sind. Sie schreibt dazu auf Seite 82 wörtlich:
"Es widersprach der allgemeinen Sitte, Totenzettel für Säuglinge zu verfassen. Dieser Tatbestand liegt in der Ursache begründet, dass sich die grundlegende Funktion eines Totenzettels in dem Charakteristikum der Gebetserinnerung begründet sieht. Im Gegensatz zu verstorbenen Säuglingen müssen erwachsene Verstorbene zum Zweck der Reinigung von ihren Sünden nach ihrem Tod erst einige Zeit im Fegefeuer verbringen. Um den Aufenthalt im Fegefeuer zu verkürzen war der Erwerb von Ablässen, Messen, Gebeten Almosen und Messopfern durch den Fürbitter ein probates Mittel.
Durch den Prozess der Taufe jedoch werden die Säuglinge von ihrer Erbsünde befreit, so dass eine Reinigung durch das Fegefeuer obsolet ist. Ohne die Möglichkeit, vor ihrem Tod eine Sünde zu begehen, gehen die Säuglinge als Engel direkt in den Himmel ein."

Nun ist mir nicht klargeworden, wie viele der 214.500 Totenzettel in die relevante Zeit fallen, insofern ist die nächste Zahl sicher höher. Aber:
Wenn ich mir 0,06% einer Menge rausgreife und damit die Beispiele finde, wo Eltern das Geld aufbringen konnten für Totenzettel und offenbar Wert drauf legten, ihre Trauer in dieser Form darzustellen, so analysiere ich eben deren Trauerverhalten und deren Motiv-/Trauerspruchauswahl. In diesen Fällen war die Trauer groß und die Fassungslosigkeit spürbar.
Nicht mehr und nicht weniger.
Quelle: https://forum.hinterkaifeck.net/index.php?topic=6098.msg126785#msg126785


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15.04.2021 um 15:01
@jaska
Zitat von jaskajaska schrieb:Hier meine damalige Zusammenfassung:
Danke.

Der user Guenther hat auch noch eine kurze Zusammenfassung des Fazits dargestellt:
So, habe nun das Büchlein zur gesellschaftlichen Perzeption von Kindersterblichkeit (Julia Nebe) kurz duchgeblättert, leider keine Zeit, alle Details zu lesen. Kommt später...

Kurz aber zum Fazit:

Grundlage der Analyse sind Archive aus verschiedenen Teilen Deutschlands mit sog. "Totenzetteln". Die Autorin verweist auf Sammlungen mit vielen tausend Exemplaren (Beispiel: Düsseldorf, 18.000, bis 1743 zurückreichend). Diese Totenzettel kommen offenbar nur in kath. Gemeinden vor.

Für Frau Nebe ist allein schon der Umfang und die Qualität der Totenzettel ein erstaunliches Faktum. So sind z.B. trotz aller Standardisierung der Dokumente doch fast niemals die gleichen Sprüche/Texte verwendet worden.

Ihrer Meinung nach müssen die Thesen (Ariès, Shorter und Badinter werden von ihr dargestellt), eine generelle Indifferenz habe ggü. dem Kindstod bestanden, in Frage gestellt werden.

Sie stellt sogar die These auf, daß ggü. dem eigenen Kind widersprüchliche Gefühle wie Liebe und Haß nebeneinander existiert haben.

Im Fazit kann sie eine generelle Gleichgültigkeit von Individuen bzw. der Gesellschaft ggü. dem Kindersterben nicht bestätigen.

Ebenso bestehen offenbar keine klassenspezifischen Unterschiede in den Sammlungen.
Quelle: https://forum.hinterkaifeck.net/index.php?topic=6098.msg126764#msg126764

Ein abschließendes Urteil erlaube ich mir dazu nicht, ohne das Buch selber gelesen zu haben. Meines Erachtens liefern die vorliegenden wissenschaftlichen Arbeiten zu der Thematik aber selbst bei Zugrundelegung Deiner kritischen Beurteilung hinreichende Anhaltspunkte um klarzustellen, dass zumindest auch tiefe Trauer um Kinder vorkam. Berücksichtigt man weitere Umstände im konkreten Fall - AS hatte bislang nur ein überlebendes Kind, das schon 9 Jahre alt war, 3 weitere Kinder verloren gehabt, es war das erste gemeinsame Kind von ihr und LS und der Tod trat kurz nach der Geburt auf, dh postpartale Depression und/oder Psychosen können eine Rolle gespielt haben - dann ist es zwingend eine mögliche psychische Ausnahmesituation zum Zeitpunkt der Morde bei AS zumindest als eine Möglichkeit in Betracht zu ziehen, solange es keinen eindeutigen Ausschlussgrund dafür gibt.


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15.04.2021 um 15:45
@DerGreif
Zitat von DerGreifDerGreif schrieb:hinreichende Anhaltspunkte um klarzustellen, dass zumindest auch tiefe Trauer um Kinder vorkam.
Natürlich kam tiefe Trauer vor. Das habe ich nie bestritten.
Trauer und der Umgang damit sind aber nun einmal geprägt von der Gesellschaft. Vor 100 Jahre hatte der Tod einen völlig anderen Stellenwert im Alltag und ebenso der Blick auf Kleinkinder und Kinder.

Mit dem Beitrag des dortigen Users Günther habe ich das Problem, dass er schlicht die Datenbasis verheimlicht, die tatsächlich verwendet wurde. Von den grob 215.000 Totenzetteln nennt er nur 18.000 und diese Zahl ist nicht nur falsch sondern er unterschlägt auch die anderen Archive.
Dass Frau Nebe mitnichten 18.000 Totenzettel für Kinder zur Verfügung hatte für ihre Analyse ist ebenso eine Irreführung. Denn in Wirklichkeit blieben ihr gerade einmal 138 Stück.

Das heisst: von allen 215.000 Totenzetteln betrafen nur 0,2% überhaupt Kinder und Kleinkinder.

Die Bevölkerungspyramide weist für 1950 einen Anteil der Kinder bis 4 Jahre von 6% der Bevölkerung auf (eine zeitlich nähere Zahl finde ich auf Anhieb nicht). Bei 215.000 Totenzetteln (aus 1 Jahr) wären dann näherungsweise 12.900 Totenzettel für Kinder zu erwarten gewesen. Durch die hohe Kindersterblichkeit von mind. 10% wäre die erwartbare Anzahl noch deutlich drüber.
Frau Nebe schränkt die Anzahl der analysierten Totenzettel nochmal ein (mir liegt das Buch grade nicht vor, die Kriterien kann ich nachschauen, sofern vorhanden und sofern hier gewünscht. Sie verwendet nicht die 0,2% sondern nur 0,06%. Also gerade mal 1% von der zu erwartenden Anzahl.
Hinzu kommt, dass sich ihre zur Verfügung stehenden Totenzettel als Sammlunge über mehrere Jahrhunderte(!) erstreckt und damit noch einmal eine völlige Verwischung der Effekte beinhaltet, die sich eben im gesellschaftlichen Wandel auch in dem Trauerverhalten widerspiegelt.

Das mag für eine kleine Studie sicher nett sein und viel Arbeit war das sicher auch. Aus dieser Datenmenge auch nur irgendetwas herauslesen zu wollen ist schlicht nicht wissenschaftlich.


Frau Nebe schreibt ja selbst, dass das Trauerverhalten sich nicht an den Totenzetteln messen lassen kann, weil eben Kinder durch die kürzliche Taufe als frei von Sünde galten und ihre kleinen Seelen es gar nicht nötig hatten, dass Menschen sich ihrer im Gebet erinnern, um die Fegefeuerzeit zu verkürzen. Schon hier gibt Frau Nebe ja eine große Schwäche ihrer Analyse zu. Denn diejenigen, die dennoch über Totenzettel ihren verstorbenen (Klein-)Kindern nachgetrauert habeb, waren diejenigen, die sich dieser gesellschaftlichen "Vorgabe" widersetzten und die das nötige Geld hatten, um dieses Druckerzeugnis zu erwerben.
Frau Nebe kann nur die Fälle untersuchen (neue Datenbasis 100% = 138 Totenzettel), die von der Norm abwichen. Dass sich hierunter genau eine tiefe Trauer, ein öffentliches Trauen finden, das ist dann absolut zutreffend.
Aber es begründet keinerlei Basis für irgendwelche Verallgemeinerungen.



Dass Anna Schlittenbauer genau zum Zeitpunkt des Mordfalles eine Tochter beerdigen musste ist eine deutliche Auffälligkeit. Genau mit diesem Gedanken hatte ich hier vor 13 Jahren angefangen. Wenn die Trauer um diesen Todesfall als Motiv funktionieren kann, dann meiner Meinung nach nur bei ihr.
Dass ihr Mann von diesem Todesfall so aus der Bahn geworfen wurde, um einen Sechsfachmord durchzuführen inkl. einem Kind, von dem er annehmen musste, dass es seines war - das schliesse ich aus. Eben weil der Blick auf Kleinkinder gerade in der damaligen bäuerlichen Umgebung ein ganz anderer war. Womit wir am Anfang unserer Diskussion sind, weil meine erlebte, von Zeitzeugen gehörten, in Biografien und Abhandlungen gelesenen Informationen von den Deinen stark abweichen :)
Aber das gehört halt dazu.


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15.04.2021 um 20:36
Zitat von TimerleTimerle schrieb am 06.03.2021:was mich wundert ist, warum nimmt man so ein schweres unhandliches Werkzeug.
Weil die Haue von HK stammte, wahrscheinlich in der Nähe des Tatorts an der Wand hing und das erstbeste Mordwerkzeug war, das dem unbewaffneten Täter ins Auge sprang. Das ist übrigens ein weiterer deutlicher Hinweis auf eine wie auch immer geartete Beziehungstat. Sowohl ein Raubmörder als auch ein politischer Extremist hätte sicherlich eine bewährte Waffe mitgebracht. Allerdings bleibt es dann mysteriös, warum die Waffe anschließend versteckt wurde. Rückschlüsse auf den Täter ließ sie ja nicht zu. Vielleicht eine parallele Handlung zum Abdecken der Leichen?


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zilch ehemaliges Mitglied

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15.04.2021 um 21:59
Zitat von ErnstHellfritzErnstHellfritz schrieb:Zitat von TimerleTimerle schrieb am 06.03.2021:
was mich wundert ist, warum nimmt man so ein schweres unhandliches Werkzeug.

Weil die Haue von HK stammte, wahrscheinlich in der Nähe des Tatorts an der Wand hing und das erstbeste Mordwerkzeug war, das dem unbewaffneten Täter ins Auge sprang. Das ist übrigens ein weiterer deutlicher Hinweis auf eine wie auch immer geartete Beziehungstat. Sowohl ein Raubmörder als auch ein politischer Extremist hätte sicherlich eine bewährte Waffe mitgebracht. Allerdings bleibt es dann mysteriös, warum die Waffe anschließend versteckt wurde. Rückschlüsse auf den Täter ließ sie ja nicht zu. Vielleicht eine parallele Handlung zum Abdecken der Leichen?
Interessante Überlegung. Ich tippe darauf, dass die Reuthaue nicht an der Wand hing, sondern unmittelbar zuvor noch im Einsatz war - schließlich kehrte A. Gruber gerade vom Holzhauen aus dem Wald zurück. Wäre auch nicht auszuschließen, dass sie ihm in einem Handgemenge abgenommen wurde.

Und das Versteck für die Waffe ist in der Tat merkwürdig. Man hätte sie mit unters Heu werfen können, um dem Wunsch des "Ungeschehenmachens" einfach nachzugeben. Aber man hat einen hohen Aufwand betrieben, um diese Haue verschwinden zu lassen.
Nicht zu vergessen sei dabei zweierlei: Die in unmittelbarer Nähe sich befindenden weiteren Spuren, wie Heukuhlen, aufgestreutes Heu, Speck- und andere Reste. Und die dazu noch aufgestellte Kreuzhacke im Futterbarren, offenbar eine Finte. Der/die Täter hatten wirklich Angst, dass die Hacke ihn/sie verraten könnte.

Dabei sei noch mal an den Knecht Siegl erinnert, der diese Hacke en detail beschreiben konnte, obwohl er gemäß eigener Aussage des Sommers über auf dem Kaifecker Hof beschäftigt war, als diese unbenutzt in der Scheunendurchfahrt hing...


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zilch ehemaliges Mitglied

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16.04.2021 um 10:15
Zitat von zilchzilch schrieb:Wäre auch nicht auszuschließen, dass sie ihm in einem Handgemenge abgenommen wurde.
Das nehme ich wieder zurück. Passt nicht zum Nachthemd. Er müsste diese Haue mit in die Scheune genommen haben. Das wiederum passt nicht zum vorgefundenen Flintenschrot und der nicht mehr aufgefundenen Flinte.


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16.04.2021 um 11:00
Zitat von zilchzilch schrieb:Und das Versteck für die Waffe ist in der Tat merkwürdig. Man hätte sie mit unters Heu werfen können, um dem Wunsch des "Ungeschehenmachens" einfach nachzugeben.
Zitat von zilchzilch schrieb:Der/die Täter hatten wirklich Angst, dass die Hacke ihn/sie verraten könnte.
Hi, macht das Sinn ?

Das Versteck der Reuthaue lässt vermuten, dass man den Ort kannte.
Ich sehe das hauptsächlich darin begründet, da man im gesamten Wohnraum ( Bis auf das Schlafzimmer ) keine zur Tatzeit nachvollziehbaren Suchungen/Durchwühlungen ect . fand.
Zudem wurde der Hof mit Spürhunden durchsucht. Es ist leider nicht bekannt wo, aber man könnte vermuten, dass diese auch im oberen Bereich suchten. Wenn dem so ist, dann sind Sie über die Tatwaffe "hinwegmaschiert" ohne dabei etwas zu riechen ( Blut ?)
Das Versteck hat somit alle Kriterien eines Versteckes erfüllt *g*
Zitat von zilchzilch schrieb:Das nehme ich wieder zurück. Passt nicht zum Nachthemd. Er müsste diese Haue mit in die Scheune genommen haben. Das wiederum passt nicht zum vorgefundenen Flintenschrot und der nicht mehr aufgefundenen Flinte.
Das verstehe ich nicht ? Was hat die Flinte mit dem Fall zu tun ?
Zitat von zilchzilch schrieb:weiteren Spuren, wie Heukuhlen, aufgestreutes Heu, Speck- und andere Reste
Warum müssen das unbedingt Spuren sein, die in Verbindung zur Tat stehen ? ;-)


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16.04.2021 um 12:26
Zitat von zilchzilch schrieb:... Und das Versteck für die Waffe ist in der Tat merkwürdig. Man hätte sie mit unters Heu werfen können, um dem Wunsch des "Ungeschehenmachens" einfach nachzugeben. Aber man hat einen hohen Aufwand betrieben, um diese Haue verschwinden zu lassen. ...
So kompliziert war es wahrscheinlich nicht. Der oder die Täter mussten den Fehlboden ja irgendwie aufhebeln. Das haben sie möglicherweise mit der Haue getan. Falls sie den Hof von innen verschlossen haben, dann sind sie über den Dachboden geflohen, somit lag der Fehlboden auch noch quasi auf dem Fluchtweg.


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16.04.2021 um 14:38
@Tron42
Zudem wurde der Hof mit Spürhunden durchsucht. Es ist leider nicht bekannt wo, aber man könnte vermuten, dass diese auch im oberen Bereich suchten. Wenn dem so ist, dann sind Sie über die Tatwaffe "hinwegmaschiert" ohne dabei etwas zu riechen ( Blut ?)
Das Versteck hat somit alle Kriterien eines Versteckes erfüllt *g*


Zu den beiden Spürhunden wollte ich noch was anmerken: Laut Andreas Schwaiger sind die Hunde oben gewesen und scharrten am Streuboden. "Da haben die Herren gemeint, dass da Blutspuren wären und sind dann gleich weggefahren." Wohl waren da auch Blutspuren, nur halt unterhalb der Bretter. Unegreiflich, da war die Polizei so nah dran und sind dann gleich weggefahren, nachdem die Hunde etwas gemeldet haben .....


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16.04.2021 um 14:49
Zitat von SchisslerSchissler schrieb:Laut Andreas Schwaiger sind die Hunde oben gewesen und scharrten am Streuboden. "Da haben die Herren gemeint, dass da Blutspuren wären und sind dann gleich weggefahren." Wohl waren da auch Blutspuren, nur halt unterhalb der Bretter. Unegreiflich, da war die Polizei so nah dran und sind dann gleich weggefahren, nachdem die Hunde etwas gemeldet haben .....
Beide Schwaiger haben viel erzählt *g*. Wohin soll das führen ?


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16.04.2021 um 15:35
Bei uns in der Gegend wurde einmal eine Frau erstochen (ich kannte alle Beteiligten). Der noch junge Täter lief weinend zu seinem Verwandten, welcher ihm neue Kleider gab, zu dem Opfer ging, die bei der Tat verlorene Geldbörse des Täters suchte und fand, um danach auch das Messer verschwinden zu lassen. Ähnliches stelle ich mir auch bei Hinterkaifeck vor. Sorry ist nur meine Meinung.


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16.04.2021 um 21:47
Zitat von AhmoseAhmose schrieb:Der oder die Täter mussten den Fehlboden ja irgendwie aufhebeln.
Ja, genau. Aber war der Aufwand gerechtfertigt? Immerhin kostete das wertvolle Minuten, die zu einer Tatentdeckung hätten führen können. Einfacher wäre es gewesen, die Haue auf der Flucht zu entsorgen.


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16.04.2021 um 22:06
@zilch
Das ist auch eine Frage die mich beschäftigt. Offensichtlich, hielt man sich noch im Hof auf. Nach der Tat. Viel einfacher wäre es gewesen, die Haue im nächsten Wald zu verstecken.


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