Mordfall Hinterkaifeck
gestern um 11:31@margaretha
Danke für Deine Erwiderungen.
Mit den Würgespuren gebe ich Dir Recht. Das lässt sich nach Aktenlage wohl nicht mehr klar sagen. Im Prinzip das gleiche Problem wie mit den Stanzspuren in den Schädeln. Explizit beschrieben nicht bei jedem Schädel, und die Bemerkung "in den Schädeln der Ermordeten" lädt zu zwei Interpretationen ein.
Heutzutage wäre in einem medizinischen Befund das Verständnis so, was nicht dokumentiert ist, ist nicht untersucht worden. Der Mediziner müsste das Gegenteil beweisen, was i.d.R. dann schwierig ist bei fehlender Dokumentation. Die Beweislastumkehr zulasten des Mediziners gibt es noch nicht so lange. Zu der damaligen Zeit hat man Befunde generell salopper und weniger schematisch dokumentiert als heute, die Einschätzung eines Fachmanns hat man erstmal hingenommen und fertig. Die Akten sind sowieso unvollständig. Das würde man nur klären können, wenn nochmal exhumiert würde.
Es war ja m.W. auch nie ganz klar, welche der beiden Frauen weggelaufen war. Die alte Gruberin? Mag ich mir nicht so recht vorstellen, sie wird sich nach den all den Jahren mit der Situation so arrangiert haben, wie man das ja oft in solch belasteten Familien sieht. Aber auch für sie könnte ich es nicht ausschließen. Ich vermute aber eher die Viktoria.
Ich war irgendwie immer der Meinung, dass es kein Zufall gewesen sein kann, dass die Tat ausgerechnet am Abend bzw. in der Nacht geschah, nachdem Frau Rieger ihren Dienst angetreten hatte. Und, zusätzlich, dass sie den spärlichen Unterlagen zufolge mit eher weniger Gewalt, wenn man das so sagen darf, getötet worden ist als die anderen. Das ist merkwürdig. Vermutlich war es so, dass der Bub und die Magd die letzten waren. Aber beim Buben scheint es dann noch brutaler zugegangen sein als bei der Magd. Das spricht für mich zumindest sehr stark gegen einen fremden Täter. Für einen fremden Täter wäre die Magd eher auf dem gleichen "Gefährdungsniveau" gewesen wie die anderen Frauen. Für den Gewaltausbruch gegen den Jungen hätte es zumindest für einen fremden Täter keinen wirklichen Grund geben müssen. Wenn man Frauen würgt, um sie am Schreien zu hindern, hätte er dann nicht dem Buben auch ein Kissen aufs Gesicht drücken können? Warum mit voller Wucht in den Kinderwagen? Das ist auffällig. Es beweist natürlich nicht, dass der Familienvater der Täter war. Genauso wenig wie es beweisen würde, dass Herr Schlittenbauer der Mörder war.
Die Konstellation mag sehr selten sein. Aber Hinterkaifeck gabs halt auch nur einmal. Während Familienauslöschungsdramen durch Familienmitglieder ja mehrfach im Jahr passieren.
Der Wissenstand in der Rechtsmedizin ist vor 100 Jahren nicht wirklich mit heute zu vergleichen. Mein Rechtsmedizinstand ist auch 30 Jahre her und ich müsste mal gezielt in die Fachliteratur/Medizingeschichte gehen, um zu schauen, wie weit man bei solch feinen Differenzierungen vor hundert Jahren tatsächlich war. Und wenn: die Frage bleibt unklar, ob Gruber die ganze Zeit bei den anderen gelegen hat, und er quasi dort auf seinen Totschläger/Mörder getroffen ist oder ob er evtl. einige Stunden an wärmerer Stelle lag, bis man in einem zweiten Durchgang die Auffindesituation arrangiert hat. Dazu müsste man exakt wissen, wo überall Blut von Gruber war und ob das da nur verschleppt wurde oder ob er es woanders verloren hat. Denn auch die Schläge gegen ihn werden ihn umgehend handlungsunfähig gemacht haben. Exakte Dokumentation der Leichenflecke gibt es ja auch nicht.
Das vernünftigste wäre gewesen, den Tatort bis heute zu versiegeln ;-).
Mit den Buben des Herrn Schlttenbauer hätte ich tatsächlich eher den 16 Jährigen im Blick. Evtl. hätte er am ehesten gegen einen vermutlich Stunden oder noch länger nach der Tat derangierten Gruber eine Chance gehabt. Eine solche Tat - Notwehrsituation - muss nicht zwangsläufig eine Belastungsstörung nach sich ziehen. Da kommt mir wieder der Spruch mit der Hand am rechten Fleck in den Sinn - der auch dem Sohn bei der Verarbeitung hätte helfen können.
Schlittenbauer wusste sicher vom Inzest und dann von der häuslichen Situation was zu wissen, erscheint mir naheliegend. Wie heute auch, wenn solche Familiendramen passieren, ist es ja meist doch so, dass es genug Leute gab, die was geahnt, gehört oder gesehen haben. Wenn auch normalerweise niemand mit solchen Taten rechnet.
Den anderen Punkt mit der Fau des Herrn Schlittenbauers muss ich nochmal nachsuchen. Das habe ich gerade nicht parat.
Danke für Deine Erwiderungen.
Mit den Würgespuren gebe ich Dir Recht. Das lässt sich nach Aktenlage wohl nicht mehr klar sagen. Im Prinzip das gleiche Problem wie mit den Stanzspuren in den Schädeln. Explizit beschrieben nicht bei jedem Schädel, und die Bemerkung "in den Schädeln der Ermordeten" lädt zu zwei Interpretationen ein.
Heutzutage wäre in einem medizinischen Befund das Verständnis so, was nicht dokumentiert ist, ist nicht untersucht worden. Der Mediziner müsste das Gegenteil beweisen, was i.d.R. dann schwierig ist bei fehlender Dokumentation. Die Beweislastumkehr zulasten des Mediziners gibt es noch nicht so lange. Zu der damaligen Zeit hat man Befunde generell salopper und weniger schematisch dokumentiert als heute, die Einschätzung eines Fachmanns hat man erstmal hingenommen und fertig. Die Akten sind sowieso unvollständig. Das würde man nur klären können, wenn nochmal exhumiert würde.
Es war ja m.W. auch nie ganz klar, welche der beiden Frauen weggelaufen war. Die alte Gruberin? Mag ich mir nicht so recht vorstellen, sie wird sich nach den all den Jahren mit der Situation so arrangiert haben, wie man das ja oft in solch belasteten Familien sieht. Aber auch für sie könnte ich es nicht ausschließen. Ich vermute aber eher die Viktoria.
Ich war irgendwie immer der Meinung, dass es kein Zufall gewesen sein kann, dass die Tat ausgerechnet am Abend bzw. in der Nacht geschah, nachdem Frau Rieger ihren Dienst angetreten hatte. Und, zusätzlich, dass sie den spärlichen Unterlagen zufolge mit eher weniger Gewalt, wenn man das so sagen darf, getötet worden ist als die anderen. Das ist merkwürdig. Vermutlich war es so, dass der Bub und die Magd die letzten waren. Aber beim Buben scheint es dann noch brutaler zugegangen sein als bei der Magd. Das spricht für mich zumindest sehr stark gegen einen fremden Täter. Für einen fremden Täter wäre die Magd eher auf dem gleichen "Gefährdungsniveau" gewesen wie die anderen Frauen. Für den Gewaltausbruch gegen den Jungen hätte es zumindest für einen fremden Täter keinen wirklichen Grund geben müssen. Wenn man Frauen würgt, um sie am Schreien zu hindern, hätte er dann nicht dem Buben auch ein Kissen aufs Gesicht drücken können? Warum mit voller Wucht in den Kinderwagen? Das ist auffällig. Es beweist natürlich nicht, dass der Familienvater der Täter war. Genauso wenig wie es beweisen würde, dass Herr Schlittenbauer der Mörder war.
Das stimmt. Wobei ich in meiner Theorie den zweiten am Tatort höchstens als Totschläger klassifizieren würde oder das sogar unter Notwehr verbuchen würde.margaretha schrieb:Der Gedanke an und für sich ist schon interessant, aber wie mit jedem Täter , hab ich Probleme damit, dass Gruber-der nur wenige Stunden nachdem er selbst zum Mörder wurde, selbst auf seinen Mörder trifft. Wie wahrscheinlich ist das statistisch? Zwei aktive Mörder am gleichen Ort am gleichen Wochenende?
Die Konstellation mag sehr selten sein. Aber Hinterkaifeck gabs halt auch nur einmal. Während Familienauslöschungsdramen durch Familienmitglieder ja mehrfach im Jahr passieren.
Die Liegezeit war ja trotzdem recht lang und je nach Zeitdifferenz wäre das glaube ich heute noch schwierig zu differenzieren alleine aufgrund der äußeren Leichenveränderungen. Untersuchungen des Mageninhalts sind mir nicht bekannt, die hätten evtl. darüber Aufschluss gegeben, ob Gruber nochmal später bzw. was anderes als die übrigen gegessen hat. Das Abendessen wird für alle gleich gewesen sein. Hatte er das angeschnittene Dörrfleisch obenauf? War er mit seiner Verdauung schon Stunden weiter als die anderen? Das wäre interessant gewesen.margaretha schrieb:und unmittelbar vor seiner Anstellung in Neuburg längere Zeit als Hospitant bei Prof. D. Julius Stumpf war, der hätte doch anhand des Verwesungsprozesses bemerkt, dass Andreas Gruber später gestorben wäre.
Der Wissenstand in der Rechtsmedizin ist vor 100 Jahren nicht wirklich mit heute zu vergleichen. Mein Rechtsmedizinstand ist auch 30 Jahre her und ich müsste mal gezielt in die Fachliteratur/Medizingeschichte gehen, um zu schauen, wie weit man bei solch feinen Differenzierungen vor hundert Jahren tatsächlich war. Und wenn: die Frage bleibt unklar, ob Gruber die ganze Zeit bei den anderen gelegen hat, und er quasi dort auf seinen Totschläger/Mörder getroffen ist oder ob er evtl. einige Stunden an wärmerer Stelle lag, bis man in einem zweiten Durchgang die Auffindesituation arrangiert hat. Dazu müsste man exakt wissen, wo überall Blut von Gruber war und ob das da nur verschleppt wurde oder ob er es woanders verloren hat. Denn auch die Schläge gegen ihn werden ihn umgehend handlungsunfähig gemacht haben. Exakte Dokumentation der Leichenflecke gibt es ja auch nicht.
Das vernünftigste wäre gewesen, den Tatort bis heute zu versiegeln ;-).
Mit den Buben des Herrn Schlttenbauer hätte ich tatsächlich eher den 16 Jährigen im Blick. Evtl. hätte er am ehesten gegen einen vermutlich Stunden oder noch länger nach der Tat derangierten Gruber eine Chance gehabt. Eine solche Tat - Notwehrsituation - muss nicht zwangsläufig eine Belastungsstörung nach sich ziehen. Da kommt mir wieder der Spruch mit der Hand am rechten Fleck in den Sinn - der auch dem Sohn bei der Verarbeitung hätte helfen können.
Schlittenbauer wusste sicher vom Inzest und dann von der häuslichen Situation was zu wissen, erscheint mir naheliegend. Wie heute auch, wenn solche Familiendramen passieren, ist es ja meist doch so, dass es genug Leute gab, die was geahnt, gehört oder gesehen haben. Wenn auch normalerweise niemand mit solchen Taten rechnet.
Den anderen Punkt mit der Fau des Herrn Schlittenbauers muss ich nochmal nachsuchen. Das habe ich gerade nicht parat.