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Mordfall Charlotte Böhringer

28.466 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Mord, München, 2006 ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
Zu diesem Thema gibt es eine von Diskussionsteilnehmern erstellte Zusammenfassung im Themen-Wiki.
Themen-Wiki: Mordfall Charlotte Böhringer

Mordfall Charlotte Böhringer

30.05.2020 um 20:02
@muscaria
@Andante

Das hat nichts mit, Herr Witting hält die Öffentlichkeit für dumm, zu tun. Er hat einfach auf die Frage der Presse geantwortet und dass genauso, wie das jeder Rechtsanwalt tun würde und zwar unter Einhaltung jeglicher Rahmenbedingungen, die wir nun mal haben.
Was dagegen Herr Witting mit seinem Mandanten bespricht, wissen wir nicht.

Und meine Erläuterungen oben betrafen ja auch hauptsächlich, zum besseren Verständnis, welche Einschränkungen ein Verteidiger zu tragen hat, was man sich noch nicht mal dem Mandanten gegenüber erlauben darf, also kann sich doch jeder ausrechnen, wie weit man sich gegenüber der Presse aus dem Fenster lehnen darf bzw eben besser nicht sollte.

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31.05.2020 um 10:33
Ich kann mich hier den Ausführungen von @Coconut19 anschliessen.

Wie ein Anwalt mit dem durchaus wichtigen Element der Öffentlichkeit umgeht, hängt natürlich auch von seiner Persönlichkeit ab. Ich sehe da z.B. schon einen grossen Unterschied zwischen Wittig und Strate, und bei beiden einen Unterschied zu mir. Ich selbst versuche immer darauf zu bestehen, dass ein Fall vor Gericht behandelt wird und die beweisbaren Fakten zählen, und nicht im "Forum der Öffentlichkeit." Andere sind die geborenen Medienstars, die, wenn ethisch fundiert, aber ihre Grenzen kennen und beachten. Was die Medien etc. dann aus einem Fall machen, und aus dem Anwalt, ist wieder ein ganz anderes Thema.

Und eines ist gar nicht so falsch: wenn ein Verteidiger sagt, "so hätte das Urteil nicht zustande kommen dürfen" kann das durchaus eine richtige Aussage sein, obwohl eventuell der Mandant schuldig ist. Denn es geht immer eben auch um die Rechtsordnung, die man verteidigt. Das ist, wo man oft bei Laien aneckt, die sagen: ist doch egal, Hauptsache der Schuldige wurde verurteilt. Ich sage: aber wenn man das Gericht damit durchkommen lässt, ist der nächste, der verurteilt wird am Ende ein Unschuldiger. Das ist eben eine der komplizierten Sachen in der Rechtsprechung, wo der Zweck eben nicht die Mittel heiligt.

Ich habe keine Probleme damit, wenn ein schuldiger Mandant auf korrektem Weg verurteilt wird. Ich habe zwar auch moralische Probleme, durchaus, wenn ein schuldiger Mandant auf grund eklatanter Fehler der anderen Beteiligten, sei es Polizei, Staatsanwalt oder Gericht, am Ende straffrei ausgeht, aber es gilt, wie, ich glaube Martin Luther, einmal sagte: besser zehn Schuldige gehen straffrei aus, als dass ein Unschuldiger verurteilt wird. Denn die Umkehr dieses Satzes wäre eine Katastrophe. Und daher ist es auch richtig, wenn ein Strafverteidiger alles versucht, um die Anklagebehörde und die Gerichte wirklich hart ranzunehmen.


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31.05.2020 um 11:01
Ich denke, hier steht nicht die Anwaltschaft an sich in der Kritik, sondern bestimmte Vertreter, die in spektakuläre Fälle involviert sind und die sich, da das Medieninteress daran natürlich groß ist, auf Anfrage auch öffentlich äußern. Manchmal suchen sie allerdings auch von sich aus, was sich am Ende nicht immer geschickt, vielleicht sogar als Bumerang erweist, die Öffentlichkeit, wie etwa die letzte Anwältin des vom Mordvorwurf an Peggy Knobloch freigesprochenen Ulvi K., die groß weitere Aktionen angekündigt hat, von denen aber bisher nichts gekommen ist. Dort herrscht zur Zeit das Schweigen im Walde.

Natürlich sind solche Vertreter nicht repräsentativ für die Anwaltschaft, aber es besteht eben die Gefahr, dass sich Leser oder Zuhörer anhand der Berichterstattung in solchen Fällen über das generelle Agieren von Anwälten eine Meinung bilden und dadurch Vorurteile entstehen, vergleichbar dem Vorurteil, dass sich alle Beamten dumm und dusslig verdienen und den ganzen Tag Däumchen drehen.

Deshalb finde ich es gut, dass ihr, @Rick_Blaine und @Coconut19, darstellt, dass ein Straffall eben nicht in der sog. Öffentlichkeit verhandelt wird, sondern im Gerichtssaal, und dass DORT eben ALLES Fallrelevante zur Sprache kommt und nicht selektiv und interessengesteuert in den Medien.


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31.05.2020 um 11:40
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Martin Luther, einmal sagte: besser zehn Schuldige gehen straffrei aus, als dass ein Unschuldiger verurteilt wird
Das soll Friedrich II. von Preußen gewesen sein (es gibt viele "Kuckuckszitate", siehe http://falschzitate.blogspot.com ). Der König als erster Vertreter des aufgeklärten Rechtsstaats, der Folter und Inquisitionsprozess abgeschafft hat, das klingt schon recht ehrenvoll. Luther wäre da hemdsärmliger gewesen, Hexenprozesse fand er nicht sehr problematisch...

Für die Untertanen Friedrich II. wäre eine solche in die Praxis umgesetzte Rechtsprechung natürlich eine Zumutung. Auch heute noch. Würde es doch bedeuten, nahezu 100%ige Sicherheit zu verlangen. Und weil es die nicht gibt, liefe man schnell Gefahr, nur noch freizusprechen, jedenfalls soweit die Tat geleugnet wird und denkbare Zweifel bestehen.
Zitat von AndanteAndante schrieb:Ich denke, hier steht nicht die Anwaltschaft an sich in der Kritik, sondern bestimmte Vertreter, die in spektakuläre Fälle involviert sind und die sich, da das Medieninteress daran natürlich groß ist, auf Anfrage auch öffentlich äußern.
Es fallen bestimmte Unterschiede in Intensität und Duktus auf. Das hängt auch vom Mandanten ab. Bei prominenten Mandanten wie Schauspielern oder Politikern ist es z.B. notwendig, Entlastendes auch in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Das Bild in der Öffentlichkeit ist hier oft viel wichtiger als der Strafausspruch. Hier fällt dem Verteidiger die Aufgabe zu, der öffentlichen Rehabilitation des Mandanten zu dienen.

Zudem sind Staatsanwaltschaften (Edathy, Kachelmann, Tauss, Wolbergs, Rebecca Reusch, Maria Baumer, usw.) in den letzten Jahren wesentlich offensiver in die Öffentlichkeit gegangen (auch mittels Aussagen von Ermittlern usw.), dass der Verteidiger berufen ist, hier seinen Mandanten zu schützen (und Unterlagen aus der Akte zu "verstreuen", worauf auch die StA Aktenteile "verstreute"). So eskalierten sich wie früher nur aus den USA bekannt ungute "Schlachten" um die öffentliche Meinung, die den Boulevard erfreuten, dem Rechtsstaat aber nicht dienten.

@Andante
@Rick_Blaine

Warum werden in Fällen wie hier bei Bence T. alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft (inkl. BVerfG), obwohl die Erfolgsaussichten gegen Null gehen? Was ist der Sinn? Ich vermute mal, das gehört zum Standard-Reportoire des Verteidigers, schon weil es ja um das Schicksal des Verurteilten geht. Schließlich ist ein Verteidiger auch erfolgreich, wenn von 20 Verfassungsbeschwerden 19 erfolglos sind - und die 20. wird angenommen. Das heftet sich jeder gerne an die Brust.

Und wenn ich mir so manche Schriftsätze Strates ansehe, dann habe ich den Eindruck, dahinter steht eine unausgesprochene Botschaft an das Gericht: Ich weiß, ich habe keine große Chance. Bitte kucke es Dir mal an, vielleicht... Wenn nicht, ok.


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31.05.2020 um 11:46
Zitat von monstramonstra schrieb:Warum werden in Fällen wie hier bei Bence T. alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft (inkl. BVerfG), obwohl die Erfolgsaussichten gegen Null gehen? Was ist der Sinn? Ich vermute mal, das gehört zum Standard-Reportoire des Verteidigers, schon weil es ja um das Schicksal des Verurteilten geht. Schließlich ist ein Verteidiger auch erfolgreich, wenn von 20 Verfassungsbeschwerden 19 erfolglos sind - und die 20. wird angenommen. Das heftet sich jeder gerne an die Brust.

Und wenn ich mir so manche Schriftsätze Strates ansehe, dann habe ich den Eindruck, dahinter steht eine unausgesprochene Botschaft an das Gericht: Ich weiß, ich habe keine große Chance. Bitte kucke es Dir mal an, vielleicht... Wenn nicht, ok.
Das mag vielleicht an einer geänderten Wahrnehmung in der Öffentlichkeit liegen. Standardrepertoire ist es sicherlich nicht. Man muss immer bedenken, dass in den allermeisten Strafverfahren nicht einmal eine Revision oder, wo möglich, eine Berufung eingelegt wird, weil die Sache einfach offensichtlich ist und auch der Mandant einsieht, dass es keinen Sinn macht.

Auf der Ebene der schweren Strafen sieht das dann schon anders aus, denn hier hat der Mandant eben auch ein hohes Interesse, und eigentlich auch nicht viel zu verlieren. Da ist die Revision schon typischer, wenn auch statistisch durchaus mit wenig Erfolgswahrscheinlichkeit. Das WAV hingegen ist schon eher exotisch.


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31.05.2020 um 12:32
Zitat von monstramonstra schrieb:Zudem sind Staatsanwaltschaften (Edathy, Kachelmann, Tauss, Wolbergs, Rebecca Reusch, Maria Baumer, usw.) in den letzten Jahren wesentlich offensiver in die Öffentlichkeit gegangen (auch mittels Aussagen von Ermittlern usw.), dass der Verteidiger berufen ist, hier seinen Mandanten zu schützen (und Unterlagen aus der Akte zu "verstreuen", worauf auch die StA Aktenteile "verstreute"). So eskalierten sich wie früher nur aus den USA bekannt ungute "Schlachten" um die öffentliche Meinung, die den Boulevard erfreuten, dem Rechtsstaat aber nicht dienten.
Da sind aber Ursache und Wirkung vertauscht. StAen und LKAs haben wenig Interesse, von sich aus an die Öffentlichkeit zu gehen. Sie sind verpflichtet, in Fällen von öffentlichem Interesse zu informieren, das ja, aber sie tun das bekanntlich in dürren, sachlichen Worten, möglichst ohne eigene Einschätzung, die eh nur vorläufig sein kann.

Aber sie können sich natürlich in solchen Fällen vor Medienanfragen kaum retten, insbesondere wenn in den Fall involvierte Verteidiger - oder auch Angehörige, wie es im Fall Rebecca Reusch massenhaft geschehen ist - öffentliche Statements abgegeben haben. Natürlich werden dann die Ermittlungsbehörden von den Medien gefragt, was sie dazu zu sagen haben, und dann müssen sie sich was abquälen, ohne die Ermittlungsergebnisse zu gefährden. Aber Lust darauf haben sie keine. Nebenbei Pressesprecher der StA zu sein ist nur für wenige Staatsanwälte ein Traumjob.


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31.05.2020 um 12:35
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:der Ebene der schweren Strafen sieht das dann schon anders aus, denn hier hat der Mandant eben auch ein hohes Interesse, und eigentlich auch nicht viel zu verlieren.
Genau, der Mandant sitzt ja bereits im Gefängnis und ob das erste oder 10 Rechtsmittel Erfolg hat oder nicht, es kann sich ja nur zum Besseren wenden, dass der Mandant frei kommt.

Und Freiheit ist nun einmal ein hohes Gut und da darf jeder darum kämpfen.

Was dabei die Rechtsanwälte und deren Engagement angeht, es gibt einfach auch Fälle und Mandanten, die einen als Rechtsanwalt und Mensch nicht loslassen.
Das sind Fälle, da arbeitet man auch, wenn man eigentlich nur noch ins Bett will, noch zwei, drei Stunden weiter und zwar ohne die Stunden aufzuschreiben und in Rechnung zu stellen.
Da bleibt man dran und sucht den Fehler, warum eine Verurteilung erfolgt ist, die nach persönlicher Meinung, so nie hätte erfolgen dürfen.

Ich bin hier ja ebenfalls der Meinung, dass der Indizienkreis eben nicht rund ist, sondern nur rund wird, wenn man von Anfang an davon ausgeht, BT ist der Täter.
Diese Annahme ist aber eben falsch, weil man muss aus allen sog Indizien und Spuren dazu kommen, dann kann nur BT der Täter gewesen sein.

Eine Verurteilung hätte auf Basis dessen, was da ist, eben nicht erfolgen dürfen.

Und das gilt eben unabhängig von der Frage, war er der Täter oder nicht. Es sind die Grundsätze eines strafrechtlichen Verfahrens, die einzuhalten sind.
Und das kann auch den hartgesottensten Strafverteidiger zur Verzweiflung treiben.


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31.05.2020 um 12:42
Zitat von Coconut19Coconut19 schrieb:dass der Indizienkreis eben nicht rund ist, sondern nur rund wird, wenn man von Anfang an davon ausgeht, BT ist der Täter.
Diese Annahme ist aber eben falsch, weil man muss aus allen sog Indizien und Spuren dazu kommen, dann kann nur BT der Täter gewesen sein.
Mit Verlaub, genau so lese ich das Urteil und die Beweiswürdigung: Das Gericht ist aus allen vorhandenen Indizien, Zeugenaussagen, Spuren, Motivlage, fehlenden Alternativtätern, fehlendem Alibi zu den Schluss gekommen, dass nur BT der Täter sein kann. Natürlich hat es sich nicht von Anfang an hingestellt und gesagt, dass es BT verurteilen will.

Die Indizienlage wurde halt so vorgefunden, wie sie war, und damit kann nur BT der Täter gewesen sein. Für mich ist das Urteil in seinen Schlussfolgerungen rund. Das einzige, was für BT "spricht", sind seine Unschuldsbeteuerungen. Und sonst??


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31.05.2020 um 12:48
Zitat von Coconut19Coconut19 schrieb:Ich bin hier ja ebenfalls der Meinung, dass der Indizienkreis eben nicht rund ist, sondern nur rund wird, wenn man von Anfang an davon ausgeht, BT ist der Täter.
Diese Annahme ist aber eben falsch, weil man muss aus allen sog Indizien und Spuren dazu kommen, dann kann nur BT der Täter gewesen sein.

Eine Verurteilung hätte auf Basis dessen, was da ist, eben nicht erfolgen dürfen.
Das sehen halt viele Leute anders und ich übrigens auch. :-)


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31.05.2020 um 12:48
Hallo,
ich bin noch relativ neu hier, lese aber schon lange mit. Ich hab mir auch das Urtei und das erste WA- Gesuch zu diesem Fall bereits einige Male durchgelesen. Für mich sind auch einige Dinge nicht wirklich nachvollziehbar an diesem Fall.
Mich treibt aber eine ganz bestimmte Frage um, die mich interessiert um das ganze Prozedere nachzuvollziehen.
@Rick_Blaine
@Coconut19
Da ihr, wie ich aus den bisherigen Posts entnehme, ja Juristen seid, würde ich mich freuen, wenn ihr mir folgendes erklären könnt:

Wie ist das zu verstehen, dass eine Revision keine Tatsachen-Instanz ist ?
Nehmen wir mal an bei BT wäre die Revision erfolgreich gewesen. Wie wäre es dann weitergegangen ? Wäre dann einfach das Urteil aufgehoben worden und BT wäre frei ? Oder wäre neu verhandelt worden ( aber dann hätte es ja eine neue Beweisführung gegeben, also wäre es ja dann doch eine Tatsachen-Instanz).


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31.05.2020 um 12:53
Zitat von InnoceneInnocene schrieb:Wie ist das zu verstehen, dass eine Revision keine Tatsachen-Instanz ist ?
Das liegt an der Gewaltenteilung.

Die Legislative, also das von uns allen gewählte Parlament, ist für die Gesetze und damit auch für die Ausgestaltung der Strafprozessordnung zuständig. An diese Gesetze sind Gerichte und Staatsanwälte gebunden.

Und wenn die Legislative, also der Gesetzgeber, beschlossen hat, dass laut Strafprozessordnung die Revisionsinstanz keine Tatsacheninstanz ist, müssen Richter das hinnehmen. Wer dieses Gesetz geändert haben will, muss halt andere Leute in die Parlamente wählen, die sich so eine Gesetzesänderung auf die Fahnen schreiben.


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31.05.2020 um 13:04
@Andante
Danke für deine Antwort, aber so richtig hast du mir meine Frage damit leider nicht beantwortet. Dass die Legeslative die Gesetze macht, ist mir schon klar. Ich wollte darauf hinaus, was das konkret heißt, dass eine Revision keine Tatsachen-Instanz ist.


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31.05.2020 um 13:04
Zitat von Coconut19Coconut19 schrieb:wenn man von Anfang an davon ausgeht, BT ist der Täter.
Deswegen wird er ja angeklagt. Dem Gericht wird er nicht als mutmaßlich Unschuldiger präsentiert, sondern als mutmaßlicher Täter.
Wenn die Staatsanwaltschaft jemanden anklagt, dann prüft das Gericht, ob der angeklagte Straftatbestand erfüllt ist. Dabei gilt natürlich die Hypothese, dass dies der Fall ist, der Angeklagte also die ihm zur Last gelegte Tat begangen hat.

Diese Hypothese steht also im Raum und wird objektiv geprüft. Und bei dieser Hypothese ist vorausgesetzt, dass der Angeklagte der Täter ist.

Das, was du ein Vorurteil nennst, ist das ganz Grundlegende eines solchen Strafverfahrens, nämlich eine den hinreichenden Tatverdacht begründende Tathypothese und zwingende Voraussetzung, um überhaupt jemanden anklagen und verurteilen zu können. Man ist also zumindest hypothetisch schon einen Schritt weiter, was noch nicht heißt, dass der Angeklagte bereits vorverurteilt ist.

Alles, was die Staatsanwaltschaft an Beweisen/Indizien vorträgt, wird dann nämlich genau angesehen, beleuchtet, erörtert. Jedes Indiz wird gewürdigt, ob es im Sinne der Hypothese verwertbar ist oder auch nicht, wenn der Angeklagte es im Prozess erfolgreich entkräften kann oder es nicht hinreichend sicher ist oder in mehrere Richtungen auszulegen.

Also Prüfen der Hypothese der Staatsanwaltschaft mit der Bedingung, dass der Angeklagte der Täter ist, bei der Prüfung gilt: Berücksichtigung der Fakten, Argumente und Gegenargumente.

Anschließend wird nach dem Ergebnis der Einzelbetrachtungen eine Gesamtschau vorgenommen und dann geguckt, ob hiernach kein Zweifel mehr an der Täterschaft besteht.

Wenn das Gericht also am Beispiel der Augsburgsfahrt die diversen Auffälligkeiten prüft und bewertet, dann muss es diese Anzeichen unter die Hypothese einer Täterschaft von Bence Toth subsumieren.

Verhält sich so ein Täter, der etwas verbergen will? Die Antwort ist ja. Kann er alles glaubhaft harmlos erklären? Die Antwort ist nein.
Wenn BT die Fahrt sofort bei der Vernehmung erwähnt hätte und sein Freund einen Besuch bestätigt hätte, dann hätte er das Indiz erfolgreich entkräften und eine Subsumtion unter die Tathypothese verhindern können. So ist es ihm nicht gelungen.

Und auf diese Weise macht man es mit jedem Indiz, so hat man es auch in diesem Fall völlig folgerichtig und begründet getan.

So kam die Verurteilung dann auch  denkfehler- und beanstandungsfrei zustande.


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31.05.2020 um 13:08
Zitat von InnoceneInnocene schrieb:Wie ist das zu verstehen, dass eine Revision keine Tatsachen-Instanz ist ?
Nehmen wir mal an bei BT wäre die Revision erfolgreich gewesen. Wie wäre es dann weitergegangen ? Wäre dann einfach das Urteil aufgehoben worden und BT wäre frei ? Oder wäre neu verhandelt worden ( aber dann hätte es ja eine neue Beweisführung gegeben, also wäre es ja dann doch eine Tatsachen-Instanz).
In einer Revision wird nur geprüft, ob es im Verfahren Rechtsfehler gegeben hat, also z.B. ob das Gericht eine Rechtsvorschrift falsch angewendet hat, nicht beachtet hat, usw.

Die Tatsachen werden normalerweise nicht noch einmal überprüft, meist geht es darum, dass das Gericht sie faslch bewertet haben soll.

Wird einer Revision stattgegeben, kommt es darauf an, was das Problem war. In der Regel wird der Fall zurückverwiesen mit dem Auftrag, es diesmal richtig zu machen. In ganz extremen Fällen kann das auch zu einem ganz neuen Prozess führen, aber oft geht es z.B. nur um das Strafmass, welches das Gericht noch einmal neu überdenken muss etc. Das Revisionsgericht selbst wird keine neue Verhandlung führen.


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31.05.2020 um 13:14
@Rick_Blaine
Danke für die Info.
Dann waren also die Fälle mit dem Badewannenmord von Rottach-Egern und der Fall von Monika de Motgazon quasi Ausnahmen. Weil in den beiden Fällen ist es ja nach erfolgreicher Tevision zu einer erneuten Verurteilung gekommen. Im ersten Fall ist das Urteil geblieben, Monika de Motgazon wurde es ein Freispruch.


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31.05.2020 um 13:14
Zitat von Seps13Seps13 schrieb:Deswegen wird er ja angeklagt. Dem Gericht wird er nicht als mutmaßlich Unschuldiger präsentiert, sondern als mutmaßlicher Täter.
Richtig, die StA hält ihn nach dem Ergebnis all ihrer Ermittlungen für den Täter und glaubt, das auch beweisen zu können. Deshalb hat sie Anklage gegen genau diesen Betreffenden - und nicht gegen jemand anderen - erhoben. Das Gericht muss nun eben prüfen, ob die These der StA richtig ist und die von dort präsentierten Beweise ausreichen.
Zitat von Seps13Seps13 schrieb:Das, was du ein Vorurteil nennst, ist das ganz Grundlegende eines solchen Strafverfahrens, nämlich eine den hinreichenden Tatverdacht begründende Tathypothese und zwingende Voraussetzung, um überhaupt jemanden anklagen und verurteilen zu können. Man ist also zumindest hypothetisch schon einen Schritt weiter, was noch nicht heißt, dass der Angeklagte bereits vorverurteilt ist.

Alles, was die Staatsanwaltschaft an Beweisen/Indizien vorträgt, wird dann nämlich genau angesehen, beleuchtet, erörtert. Jedes Indiz wird gewürdigt, ob es im Sinne der Hypothese verwertbar ist oder auch nicht, wenn der Angeklagte es im Prozess erfolgreich entkräften kann oder es nicht hinreichend sicher ist oder in mehrere Richtungen auszulegen.
So ist es, und das Gericht hat im Fall BT ja auch eine sehr lange, schulmäßige Beweiswürdigung ins Urteil geschrieben. Es hat die in der Hauptverhandlung von der StA und von der Verteidigung vorgebrachten, für und gegen BT sprechenden Indizien beleuchtet, auseinandergenommen und bewertet und ist dann halt zu seinen Schlussfolgerungen bzw. zu seiner Überzeugung gelangt.


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Mordfall Charlotte Böhringer

31.05.2020 um 14:15
@emz
Danke, das ist sehr aufschlussreich. Dann hätte im vorliegenden Fall BT die Revision wahrscheinlich garnichts genützt, wenn ihr denn stattgegeben worden wäre. Vermutlich hätte es sich dann nur um die Frage Totschlag oder Mord oder schwere der Schuld oder nicht gehandelt. Unter dem Gesichtspunkt wäre natürlich eine Einlassung von BT in der Hauptverhandlung sinnvoll gewesen. Dann hätte man ggf. an diese Einlassungen anknüpfen können bei dem Revisionsantrag.


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