Wo fängt für euch sexuelle Belästigung an?

@Alarmi

Und wenn die Person im Anschluss behauptet, dass sie sich dazu genötigt fühlte teilzunehmen, obwohl Person A die Situation grundlegend anders interpretiert?

Ein "Nein, ich will das nicht" lässt eben wenig Raum für Interpretationen, während die Zustimmung doch sehr weit interpretierbar ist.

Atrox schrieb:Und wenn die Person im Anschluss behauptet, dass sie sich dazu genötigt fühlte teilzunehmen, obwohl Person A die Situation grundlegend anders interpretiert?

Dann muss nachgewiesen werden, dass das fuer Person A ersichtlich gewesen sein muss. War das nicht so, gibt es einen Freispruch. Niemand erwartet, dass Person A Gedanken lesen kann! Ist doch jetzt auch nicht anders! Und wenn Du nichts hast ausser zwei gegensaetzlichen Aussagen, dann muss es sowieso "im Zweifel fuer den Angeklagten" heissen.

Wer mit neuer Gesetzeslage aber ganz sicher gehen will, bricht sich sicher keinen Zacken aus der Krone, indem er mal kurz fragt "Willst Du wirklich mit mir schlafen?".

@Alarmi

Dann muss nachgewiesen werden, dass das fuer Person A ersichtlich gewesen sein muss.

Genau das ist aktuell leider nicht so klar - offenbar herrscht eine größere Rechtsunsicherheit, wenn das so kommt. Denn genauso könnte sich ein Richter auf den Standpunkt stellen, dass Person A hätte merken müssen, dass keine "eindeutige Einwilligung" vorliegt. Die Hoffnung wäre aber natürlich schon, dass im Zweifel für den Angeklagten weiterhin gilt.

Interessantes Interview dazu: https://www.welt.de/vermischtes/article171793773/Schwedisches-Gesetz-Freiwilligkeit-in-jeder-Phase-des-Geschlechtsverkehrs.html

DerMüller71 schrieb: Denn genauso könnte sich ein Richter auf den Standpunkt stellen, dass Person A hätte merken müssen, dass keine "eindeutige Einwilligung" vorliegt.

Kann natuerlich sein, dass ein Richter es so sieht. Es kam auch schon vor, dass ein Richter fand, ein Vergewaltigungsopfer haette einfach die Knie zusammenpressen sollen. Nicht jeder, der Richter ist, ist fuer diesen Job auch geeignet, und Recht haben heisst nicht Recht bekommen! Ist doch ein alter Hut!

@Alarmi

Kann natuerlich sein, dass ein Richter es so sieht. Es kam auch schon vor, dass ein Richter fand, ein Vergewaltigungsopfer haette einfach die Knie zusammenpressen sollen. Nicht jeder, der Richter ist, ist fuer diesen Job auch geeignet, und Recht haben heisst nicht Recht bekommen! Ist doch ein alter Hut!

Dass es solche Fälle gibt, macht die jetzt größere Rechtsunsicherheit ja auch nicht besser. Man sollte doch eher versuchen, die Rechtssicherheit zu verbessern.

@DerMüller71
Und wie willst Du das praktisch machen? Man kann ein Gesetz immer nur bis zu einem gewissen Grad formulieren. Und dann kommt die Interpretation des Gesetzes. Die macht jeder Anwalt und jeder Richter anders!

@Alarmi

Ich bin weder Jurist noch Politiker. Es ist nicht meine Aufgabe, mir da was auszudenken. Ich kann nur sagen, dass es so, wie es aktuell geplant ist, nicht viel Sinn macht (Risiko der Beweislastumkehr usw.) - nicht nur meine Meinung, sondern offenbar auch die von Juristen.

@DerMüller71
Das ist die Frage, ob das wirklich so ist! Hat irgendjemand von uns das ausformulierte Gesetz, uebersetzt von Schwedisch auf Deutsch, wirklich gesehen? Ich meine doch, dass wir uns alle nur an den Artikeln zu dieser Sache orientieren ohne zu wissen wie der Gesetzestext tatsaechlich lauten wird!

@Alarmi

Bisher ist es ja nur ein Entwurf. Wie es im Detail aussieht, weiß ja keiner so genau, der Gesetzesvorschlag ist zu vage. Ich kann nur das Interview oben empfehlen. Da lässt sicher immerhin die Generalsekretärin des Anwaltsverbandes in Schweden zum Thema aus.

@DerMüller71
Vielleicht dann erstmal abwarten wie das Gesetz denn tatsaechlich aussehen wird, bevor man darueber schimpft. :D

@Alarmi

Wenn das Gesetz da ist, ist es zu spät, sich dagegen zu wehren. Und die Eckpunkte sind ja bekannt. Es sieht eher wie ein politischer Schnellschuss aus.

Was mich daran zudem ganz persönlich stört (abseits der Juristerei) ist die (zumindest versuchte) Reglementierung der "normalen" Sexualität von Millionen von Menschen - den vernünftigen 99%.

@DerMüller71
Was ich im Moment in dem Gesetz nur sehen kann, ist, dass man sich nicht mehr zwingend koerperlich wehren muss und es trotzdem eine Vergewaltigung sein kann. Das waere nichts anderes als das "Nein heisst Nein"-Gesetz. Offensichtlich war es vorher so, dass der Taeter Dir sagen konnte "Wenn Du Dich wehrst, schlag ich Dich windelweich", und wenn Du Dich dann nicht gewehrt hast, wurde es gesetzlich nicht als Vergewaltigung gewertet! Und das kann's nicht sein!

@Alarmi

Was ich im Moment in dem Gesetz nur sehen kann, ist, dass man sich nicht mehr zwingend koerperlich wehren muss und es trotzdem eine Vergewaltigung sein kann. Das waere nichts anderes als das "Nein heisst Nein"-Gesetz. Offensichtlich war es vorher so, dass der Taeter Dir sagen konnte "Wenn Du Dich wehrst, schlag ich Dich windelweich", und wenn Du Dich dann nicht gewehrt hast, wurde es gesetzlich nicht als Vergewaltigung gewertet! Und das kann's nicht sein!

Richtig, das kann es nicht sein. Und das ist es auch heute schon nicht. Nun kenne ich die genaue Rechtslage in Schweden nicht, aber zumindest in Deutschland wäre das eine klare Vergewaltigung. Siehe § 177 StGB. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das in Schweden bisher anders ist.

@DerMüller71
Laut dem einen Artikel muss man sich koerperlich wehren. Ok, mein Beispiel war ein wenig zu krass. Nehmen wir mal eine andere Situation an - das Opfer liegt einfach nur da, ganz starr, wehrt sich nicht, protestiert nicht, macht aber auch null mit. Laut aktueller Gesetzeslage ist das in Schweden keine Vergewaltigung. Finde ich aber schon, dass es eine ist. In so einer Situation hat der Taeter dann mit dem neuen Gesetz Pech! Dann haette er fragen und eine ausdrueckliche Einwilligung einholen muessen. Tut er das nicht, begeht er eine Vergewaltigung.

@Alarmi

Selbst in diesem Fall wäre es in Deutschland vermutlich eine Vergewaltigung. Siehe § 177 StGB II Nr. 3

"der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert"

Sprich in Deutschland gilt schon jetzt, dass der Täter hätte explizit nachfragen müssen. Keine Ahnung, wie das aktuell in Schweden ist und wie Richter in der Praxis entscheiden. Das Problem ist ja immer, einen solchen Sachverhalt im Nachhinein zu bewerten, da in der Regel keine Zeugen dabei sind.

@DerMüller71
In Schweden scheint es aktuell nicht so zu sein. Und das soll dieses Gesetz aendern.

@Alarmi

Ich zweifle daran, dass es in Schweden nicht auch schon so ist. Und scheinbar will man darüberhinausgehende Regelungen erreichen. Aber vielleicht kennt sich ja jemand mit dem dortigen Recht aus - das Land hat ja schon bisher recht umfangreiche Regelungen (siehe Fall Assange).

Ist nun jedoch ohnehin schon Off-Topic. Für mich gibt es dazu aktuell nicht mehr zu sagen :)

DerMüller71 schrieb:Ich zweifle daran, dass es in Schweden nicht auch schon so ist. Und scheinbar will man darüberhinausgehende Regelungen erreichen.

Mit der neuen Regelung möchte Schweden derartiges Unrecht:

http://m.maz-online.de/Lokales/Brandenburg-Havel/Sex-mit-Gewalt-aber-keine-Vergewaltigung

unterbinden. Einen ähnlichen Fall gab es wohl auch in Schweden.


Ich finde das Gesetz gut. Vor allem wenn man bedenkt, dass die Vergewaltigungsopfer in den meisten Fällen im absoluten Nachteil sind.

@doree
Was lernen wir daraus? Niemals vor Gericht sagen, dass es haette sein koennen, dass der Taeter von der Freiwilligkeit ausging! Was genau versteht man an "Hoer auf" und "Nein" nicht!? Das ist ja unfassbar!

@doree

Mir ist unklar, wieso so etwas nicht als Vergewaltigung gewertet wird. Sprich ich sehe das eher als Problem der Rechtsauslegung und weniger als Problem der Gesetzgebung an. Die Frau hat es doch ganz offensichtlich abgelehnt und es war zu erkennen, dass sie es nicht will. Die Details des Urteils kommen hier leider nicht heraus.

Sprich das neue Gesetz wäre überhaupt nicht notwendig, wenn man die bestehenden Regeln auch sinnvoll anwendet - ohne Beweislastumkehr. Ich kann nur nochmal auf das Interview oben verweisen, das ist sehr aufschlussreich. Z.B. auch Rambergs Meinung:
"Der Bedarf an einem neuen Gesetz und die politische Reklame dafür sind, vorsichtig gesagt, übertrieben. Die bestehenden Gesetze, in denen bereits festgelegt ist, das Sex freiwillig sein muss, reichen aus."