Unruhen in der Ukraine - reloaded
15.09.2015 um 20:13Anzeige
TDL schrieb:Auch das Verhalten von Janukowitsch mit der Flucht oder der Verzicht auf Waffengebrauch oder Stürmung/Räumung des Maidan und das damit einhergehende Zulassen des Maidan über Wochen hinweg könnten 2 verschieden Situationen beschreiben.Dass die Maidanproteste mitsamt den Barrikaden und der zunehmenden Bewaffnung und Einbindung rechter Krawallmacher überhaupt zugelassen wurde und nicht viel früher gewaltsam aufgelöst wurde über so eine lange Zeit, halte ich auch für bemerkenswert.
1. Er wollte auf jeden Fall offensive Polizeigewalt verhindern und hätte sie aber jederzeit anwenden können hat aber viel zu lange gezögert.
TDL schrieb:Die gesamte Gewalteskalation ging über Wochen und spitzte sich dann um den 18-22. Februar zu.Die überhastete und recht ungeplant wirkende Flucht könnte auch damit zusammenhängen, dass er dem Wort unseres Außenministers im Dreigespann mit Fabius und Sikorski vertraut hatte und sich an das mit jenen ausgehandelte Abkommen halten wollte.
Das ist für erfahrene Stäbe der Polizei und Innenministerium mehr als genug Zeit reelle Lageeinschätzungen zu machen
und Janukowitsch hätte seine Flucht viel besser vorbereiten können.
2. Er wollte offensive Polizeigewalt anwenden lassen, hatte aber in seinen eigenen Reihen oder bei der Polizei keinen Rückhalt mehr.Dem letzten Satz stimme ich dir zu. Oligarchen kaufen sich ganze Scharen Abgeordneter und bekleiden oft selbst Regierungsposten oder andere wichtige Ämter.
Mir scheint es so als wäre sehr plötzlich ein Ereignis das unter Punkt 2. fällt eingetreten.
Das Janukowitsch selbst die Massaker angeordnet hat oder gar geplant erscheint mir sehr unwahrscheinlich.
Die Machtverhältnisse in der Ukraine waren in der Vergangenheit immer sehr fragil und undurchsichtig.
Moses77 schrieb:Dass die Maidanproteste mitsamt den Barrikaden und der zunehmenden Bewaffnung und Einbindung rechter Krawallmacher überhaupt zugelassen wurde und nicht viel früher gewaltsam aufgelöst wurde über so eine lange Zeit, halte ich auch für bemerkenswert.Dieser Abschnitt ist an Geschichtsklitterung ja fast nicht mehr zu unterbieten.
Tenthirim schrieb:Dieser Abschnitt ist an Geschichtsklitterung ja fast nicht mehr zu unterbieten.Du wirst aber nicht leugnen können, dass man diese anfänglichen Proteste nicht auch vehementer und effektiver hätte bekämpfen und auch durchaus beenden hätte können, gerade wenn sie, wie du behauptest, anfänglich noch unbewaffnet stattfanden.
Die Korruptzei versuchte ja gerade eben anfangs jegliche Demonsstration (November) mit exzessiver Gewalt im Keim zu ersticken und zwar als die Rechten noch gar nicht an den Protestzügen beteiligt gewesen sind. Nur erwieß sich dieser Schritt als kontraproduktiv und die Situation lief ab diesem Moment für Janukowitsch immer mehr aus dem Ruder.
TDL schrieb:alleine der Zeitpunkt kurz vor den olympischen Winterspielen in Russland spricht da Bände, da jedem klar gewesen sein muss, eigentlich auch Janukowitsch, das Russland nicht direkt eingreifen kann um kein außenpolitischen Ansehen zu gefährden.Eben, das war schon perfekt orchestriert.
TDL schrieb:zur Verantwortung einer Regierung gehört es Realitäten wahrzunehmen, und die Realität ist das in der Ukraine nichts besser und alles schlechter geworden ist und das sich die EU und USA nicht einig sind wer das Land finanzieren soll.Der Punkt ist ebenfalls wichtig in der Betrachtung, niemand will sich die korrupte Ukraine (tut mir Leid, ist aber so) anscheinend als zusätzliche finanzielle Last längerfrisitg ans Bein ketten.
Der Zustand hät seit 1 1/2 Jahren an und wird sich demnach vor den nächsten Wahlen nicht ändern.
Es ist Zeit für eine gute Regierung in Kiew zu retten was noch zu retten ist und endlich das Gespräch mit den Separatisten zu suchen.
Moses77 schrieb:Die Zeit spielt ganz klar für Russland, das jetzt zynisch darauf warten kann, bis sich die Ukraine wieder aus der Not heraus an Russland wenden wird, solange nicht doch noch der Westen sich berufen fühlt, das komplette System der Ukraine durch finanzielle Maßnahmen weiter zu finanzieren oder gar zu sanieren und bereinigen.100% Zustimmung!
Moses77 schrieb:Du wirst aber nicht leugnen können, dass man diese anfänglichen Proteste nicht auch vehementer und effektiver hätte bekämpfen und auch durchaus beenden hätte können, gerade wenn sie, wie du behauptest, anfänglich noch unbewaffnet stattfanden.Die Polizeieinheiten von Janukowistchs taten am Anfang alles an der Grenze Möglichen, damit seine Regierung international nicht zu sehr in Misskredit geriet, da er bei der selbstverschuldeten schlechten Wirtschaftslage und angesichts der russischen Handelssanktionen und Erpressingsmaßnahmen, die eher einem Wirtschaftskrieg gegen die Ukraine glichen, schlicht nicht leisten konnte das Vertrauen der westlichen Länder vollends zu verspielen. Janukowitsch hielt nunmal an seiner balancierenden Taktik fest. Diese Ansätze scheiteren allerdings, denn die Niederschlagungsversuche wirkten neben anderen Niederhaltungsversichen (wie Exmatrikulationsdrohungen und Kontrollsperren auf Anweisung der Regierung) wie Katalysatoren für weitere Proteste und zusätzlich erntete er mit seiner Vorgehensweiße international scharfe Kritik.
Moses77 schrieb:Die Zeit spielt ganz klar für Russland, das jetzt zynisch darauf warten kann, bis sich die Ukraine wieder aus der Not heraus an Russland wenden wird, solange nicht doch noch der Westen sich berufen fühlt, das komplette System der Ukraine durch finanzielle Maßnahmen weiter zu finanzieren oder gar zu sanieren und bereinigen.Die Zeit spielt ganz klar gegen Russland. Das Land ist dem Zugzwang ausgeliefert die Seperatisten den sich stetig schnell erhöhenden ukrainischen Armee-/Rüstungsstandards auf Dauer immer mehr "nachzurüsten". Mit jedem zusätzlichem Jahresquartal der verstreicht, werden im Falle einer erneuten militärischen Eskalation die Verluste für Russland stets höher ausfallen, was den inneren gesellschaftlichen Druck auf Putin verstärken, sowie seine Verschleierungstaktiken implodieren lassen würde. Auf militärischer Ebene profitieren also die Ukrainer.
Tenthirim schrieb:Das Land ist dem Zugzwang ausgeliefert die Seperatisten den sich stetig schnell erhöhenden ukrainischen Armee-/Rüstungsstandards auf Dauer immer mehr "nachzurüsten".Dafür hat die Ukraine kein Geld. Die Menschen werden das nicht lange mitmachen und die aktuelle Regierung auch zum Teufel jagen. Ob und wie Russland schuld hat ist erstmal egal, denn
TDL schrieb:die Realität ist das in der Ukraine nichts besser und alles schlechter geworden ist
Sersch schrieb:Dafür hat die Ukraine kein Geld.Die Realität gibt es etwas anderes her.
Sersch schrieb:Die Menschen werden das nicht lange mitmachen und die aktuelle Regierung auch zum Teufel jagen.Das höre ich schon seit Oktober letzten Jahres. Noch im Dezember prognostizierte ein User (ich glaibe Chavez) dass die Ukraine Anfang 2015 pleite gehen würde. Von daher Ich hege sehr große Zweifel an solchen Pauschalprognosen.
Sersch schrieb:Dafür hat die Ukraine kein GeldDie Ukraine wird nächstes Jahr das Militärbudget erhöhen
Tenthirim schrieb:Die Zeit spielt ganz klar gegen Russland. Das Land ist dem Zugzwang ausgeliefert die Seperatisten den sich stetig schnell erhöhenden ukrainischen Armee-/Rüstungsstandards auf Dauer immer mehr "nachzurüsten". Mit jedem zusätzlichem Jahresquartal der verstreicht, werden im Falle einer erneuten militärischen Eskalation die Verluste für Russland stets höher ausfallenRussland muss nachrüsten weil die Ukraine ihre Rüstung verstärkt?
Tenthirim schrieb:Auf militärischer Ebene profitieren also die Ukrainer.Ja natürlich, die haben ja auch die größten Geländegewinne seit dem Maidanumsturz.
Tenthirim schrieb:Wirtschaftlich gesehen tut die Ukraine ebenfalls einen Vorteil für sich beanspruchen, da man die Ursachen für die eher schleppend vorangetriebenen Reformen sowie die ohnehin schon desolate Wirtschaftslage auf die Auswirkungen des russischen Hybridkrieges abwälzen kann (von der vorherigen Misswirtschaft durch die "russischen Marionette" Janukowitsch mal abgesehen).Es ist richtig das Tag ein Tag aus so im ukrainischen Fernsehen kommt, aber es wird dort niemand glauben.
Tenthirim schrieb:Gesellschaftlich und politisch ließ sich in letzter Zeit aus dem Krieg auch großes Kapital für die Regierung und proukrainische Gesellschaftteile schlagen. Der Krieg schuf die Möglichkeit und Basis einer sich immer weiter perfektionierenden ukrainischen Gegenpropagandamaschenerie, welche nun im Begriff ist allmählich in der breiten Gesellschaft konsequent Fuß zu fassen. Auch wenn die "Zustimmungswerte" (übringens sehr variabel) für die jetzige Regierung eher gering ausfallen, lässt sich der Trend hervorheben, dass mit jedem Monat sich die Zustimmungsrate für einen EU und NATO Beitritt stetig erhöht, während der prorussische Flügel in Politik und Gesellschaft entsprechend weiter erodiert.Darum treten auch immer Parteien aus der Regierungskoalition aus, die Nationalisten kommen mit Handgranaten zum Parlament oder liefern sich tödliche Schiessereien mit der Polizei in ihrem Stammland im Westen der Ukraine.
Zudem ermöglichte der Krieg das Zuasammenschweißen der gebildeten "ukrainischen Front" in der Neoliberale, Konservative bis hin zu Ultranationalisten unter gebührenden Bedingungen zusammenarbeiten und nicht ernsthaft Versuchungen unternehmen sich gegenseitig Steine in den Weg zu legen (wie es ohne dem Krieg im Osten sehr wahrscheinlich nicht der Fall gewesen wäre).