Brexit und danach?

Das EU-Postionspapier zu dieser Frage vom 12. Juni 2017:

https://ec.europa.eu/commission/sites/beta-political/files/essential-principles-citizens-rights_en_0.pdf (Archiv-Version vom 23.06.2017)

Derzeit klafft noch eine große Lücke, was wiederum bedeutet, dass keine Verhandlungen über ein Abkommen stattfinden können. Damit würde das UK im März 2019 unter WTO-Bedingungen Handel treiben (sofern es rechtzeitig die Lizenz erhält, sonst könnte Handel noch nach "Piratenprinzip" erfolgen). Besonderer Zankapfel wird die Rolle des ECJ sein, da Mayhem es als ihre rote Linie definiert hat, jeden Einfluss des ECJ über die nationalen Gerichte zu unterbinden. Hier könnte auch ein Präzedenzfall für die weiteren Verhandlungen liegen.

Am Montag will Mayhem ihre schriftlich ausformulierte Fassung vorlegen, die aber aller Voraussicht nach weiterhin unakzeptabel für die EU sein wird. Damit werden sich die Verhandlungen weiter verzögern, obwohl die Prognose war, dass sich in dieser Frage schnell Einigkeit wird erzielen lassen.

In der gleichen Woche, am Donnerstag, findet das parlamentarische Votum über die Queen's speech statt. Im für Theresa May ungünstigsten Fall könnte ihr schon dann das Vertrauen entzogen werden.

Quelle:

https://ec.europa.eu/commission/brexit-negotiations_en (Archiv-Version vom 22.08.2017)

Unter "Negotiating Documents"

In den Sondierungsgesprächen zwischen DUP und den Tories gibt es derweil eine Einigung in Grundsatzfragen für die kommenden zwei Jahre, die allerdings zu weiterem Unmut führt:

Original anzeigen (0,4 MB)

Der Vorschlag von Mayhem ist jetzt da:

https://www.gov.uk/government/publications/safeguarding-the-position-of-eu-citizens-in-the-uk-and-uk-nationals-in-the-eu/the-united-kingdoms-exit-from-the-european-union-safeguarding-the-position-of-eu-citizens-living-in-the-uk-and-uk-nationals-living-in-the-eu

Kurz zusammengefasst: die mit den christlichen Namen (Christophe, der Lehrer aus Frankreich, und Ignas) können bleiben. Lukas aus Österreich kann auch bleiben, obwohl er einen polnischen Namen hat, hat aber mehr Papierkram zu erledigen. Die mit den altenglischen Namen (Audra und Andriana) können auch bleiben. Ignas und Audra können sogar ein britisches Baby haben.

Nur Aisha (eine der Frauen Mohammeds), die "Selbstständige" (= Sozialhilfebezieherin) aus Deutschland, wird zurückgeschickt.

Hoffe, dass die EU da ganz genau hinschaut.

Der von Mayhem vorgeschlagene "settled status" (nach 5 Jahren, das entspricht derzeitigem UK-Recht auch für nicht-EWR-Bürger, weniger hätte sie also gar nicht anbieten können) erlischt nach 2 Jahren Aufenthalt im EWR/EU oder sonstwo.

Damit sind EWR-Bürger im UK an die Insel gekettet. Auf der anderen Seite können UK-Bürger, die im EWR wohnen (vorausgesetzt die EU macht kein besseres Angebot, was sie bereits getan hat), in 31 Ländern, und einem 8 mal stärkeren Wirtschaftsraum sich niederlassen.

Außerdem kann jeder UK-Bürger, von dessen Großeltern mind. einer in Irland geboren wurde (oder aufgrund irgendwelcher sonstiger Ausnahmen), irischen Pass und somit EU/EWR-Staatsbürgerschaft beantragen (zu einem Spottpreis im Vergleich zur Beantragung der britischen Staatsbürgerschaft).

https://www.dfa.ie/irish-embassy/great-britain/our-services/citizenship/born-outside-ireland/

Da außerdem der EuGH keinen Einfluss auf Einwanderungsfragen haben soll (denn das Volk hat ja für "Souveränität" gestimmt), kann das britische Parlament die Regeln jederzeit ändern.

Das ist absolute Rosinenpickerei, und ich hoffe, die EU wird sich das nicht bieten lassen.

Was May da macht, kann man machen ... Aber dann wird UK in ein paar Jahren (nachdem May abgewählt wurde) nach (qualifizierten) Arbeitskräften betteln, weil diese das Land verlassen haben in Richtung EU ...

Übrig bleiben diejenigen, die sich solche Umzüge eher nicht leisten können und die man lieber loswerden würde, also Unqualifizierte und Kleinkriminelle ...

Unverständlich, dass das Volk solch einer Versagerin, die UK abwirtschaftet, noch die Mehrheit verschafft.
Wenn sie sich schon mit Maggie Thatcher vergleicht, die hat Großbritannien mit einer Rosskur aus der Rezession geführt (wobei auch nicht alles gut war). May macht es wohl andersherum ;)

@Issomad

Die EU hat bereits gesagt, dass es unter diesen Bedingungen keinen Spielraum für einen Handelsvertrag oder irgendeine Form der Kooperation mit der EU geben wird. Die Zeit tickt, und die Folgen eines ungeordneten Austritts wären verheerend.

Da sie auch innenpolitisch stark unter Druck steht, ist es sehr zweifelhaft, dass sie einen solchen Kurs politisch überleben würde. Als einziges spricht für sie, dass sie nichts zu verlieren hat.

Die EU wird sich erst am 17. Juli dazu äußern, es wird aber vermutlich in einem Fiasko enden, wie aus den Äußerungen aus der Zeit hervorgeht, noch bevor die Details veröffentlicht wurden:

http://www.politico.eu/article/brexit-citizen-rights-uk-and-eu-on-collision-course-over-rights-of-eu-citizens/

Es sieht so aus, als würde kein Kompromiss zu Stande kommen.

Die EU hat ihn nicht nötig und alles unter 'signifikante Nachteile für GB im Vergleich zur EU Mitgliedschaft' ist für die EU inakzeptabel.
GB scheint dies nicht zu akzeptieren, weil May es wohl in ihrer jetzigen Position auch gar nicht mehr akzeptieren könnte.
Mag sein, dass jemand andere plötzlich das Ruder übernimmt und May zurücktritt, aber das sehe ich nicht kommen.

@shionoro

Persönlich würde ich einen Kompromiss sehr begrüßen. Ich habe noch etwas Hoffnung, dass sich auch im UK die vernunftorientierten Stimmen (neben Corbyn ist das auf Seiten der Tories v.a. Hammond) sich noch durchsetzen werden.

Die Chancen auf einen Kompromiss würde ich auf 50:50 einschätzen. Dieser würde zwar eine Demütigung des UK darstellen, aber ich habe weiterhin Hoffnung, dass die wirtschaftstarken Lobbygruppen, nicht nur im Süden, sondern auch im industriellen Norden, sowie auch die Regionen, am Ende sich gegenüber den xenophoben Nichtsnutzen noch durchsetzen können. Nicht alles wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird.

Aber vielleicht sehe ich den Brexit auch zu optimistisch.

Im Gegenzug zu dem aus seiner Sicht enttäuschenden Angebot zur Lage der EU-Bürger im UK besteht Barnier in einem "Positionspapier" jetzt darauf, dass der EuGH (engl. European Court of Justice = ECJ), das Recht behalten soll, das UK wegen Vertragsverletzungen auch nach dem Austritt mit Geldstrafen belegen zu können.

https://www.theguardian.com/world/2017/jun/29/eu-negotiator-says-ecj-should-still-be-able-to-fine-uk-after-brexit

Zur Erinnerung ist die Position von May in ihrer Lancaster House Rede vom Januar 2017 ("A stronger Britain") die folgende:

So we will take back control of our laws and bring an end to the jurisdiction of the European Court of Justice in Britain. Leaving the European Union will mean that our laws will be made in Westminster, Edinburgh, Cardiff and Belfast. And those laws will be interpreted by judges not in Luxembourg but in courts across this country.

Because we will not have truly left the European Union if we are not in control of our own laws.

https://www.gov.uk/government/speeches/the-governments-negotiating-objectives-for-exiting-the-eu-pm-speech

Der Europäische Rat sieht es nicht mehr als wahrscheinlich an, dass Vorhandlungen über ein Handelsabkommen, wie ursprünglich projektiert, im Oktober beginnen können.

Die britische Wirtschaft leidet jetzt schon unter dem Brexit....

Die britische Wirtschaft bekommt die Folgen des Brexit-Votums immer stärker zu spüren. Das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes verlangsamte sich zwischen Januar und März um 0,2 Prozent zum Vorquartal, wie das Statistikamt ONS nach endgültigen Berechnungen mitteilte.
Ende 2016 hatte die Wirtschaft noch um 0,7 Prozent zugelegt. Zum Vergleich: Die Eurozone wuchs dreimal stärker, ebenso deren größte Volkswirtschaft Deutschland. Hauptgrund für den Rückschlag: Die verfügbaren Realeinkommen der privaten Haushalte schrumpften um 1,4 Prozent und damit bereits das dritte Quartal in Folge. Eine solche Negativserie gab es seit den 1970er-Jahren nicht mehr.

http://www.n-tv.de/wirtschaft/Brexit-bremst-britische-Wirtschaft-ab-article19913941.html

Die japanische Sumitomo Mitsui Financial Group (SMFG) immerhin Nummer3 in Japan verlegt ihren Europasitz wegen des Brexits jetzt nach Frankfurt.......wird wohl nicht die letzte sein....

Die Standortentscheidung spricht eindeutig für Europa: Japans drittgrößte Bank Sumitomo Mitsui Financial Group (SMFG) wird einem Pressebericht zufolge ihre Europa-Zentrale wegen des Brexits von London nach Frankfurt verlegen - und sich damit die Vorteile des freien Binnenmarktes innerhalb der Eurozone erhalten.
Mit diesem Schritt sei auch ein Umzug von Beschäftigten verbunden, berichtet die in Tokio erscheinende Wirtschaftszeitung "Nikkei". Details zur Anzahl der betroffenen Arbeitsplätze nannte das gewöhnlich gut unterrichtete Blatt nicht. Derzeit arbeiten rund 1000 SMFG-Mitarbeiter in London.

Der anstehende Umzug reiht sich ein in eine Serie ähnlicher Entscheidungen, mit denen sich japanische Schwergewichte auf den beschlossenen EU-Austritt der Briten vorbereiten: Die beiden größten japanischen Wertpapierhändler Nomura Holdings und Daiwa Securities haben sich bereits für Frankfurt als ihren künftigen Standort in der EU entschieden.

http://www.n-tv.de/wirtschaft/Sumitomo-Mitsui-verlegt-Europa-Zentrale-article19915938.html

@querdenkerSZ

Frankfurt ist aber nicht der einzige Gewinner, Dublin hat mehrere Banken dafür gewinnen können, die betroffenen Bereiche in die irische Hauptstadt zu verlegen:

https://www.theguardian.com/politics/2017/jun/29/ireland-says-dozen-london-based-banks-to-relocate-to-dublin-over-brexit#comments

Bislang hört man wenig von Paris oder Madrid, vielleicht wird darüber aber auch nur in den französisch- oder spanischsprachigen Zeitungen berichtet.

@Anaximander

Frankfurt ist aber nicht der einzige Gewinner, Dublin hat mehrere Banken dafür gewinnen können, die betroffenen Bereiche in die irische Hauptstadt zu verlegen:

stimmt aber ist eigentlich auch egal wohin die Banker sich verdrücken.....die Briten werden unter dem Brexit leiden....

@querdenkerSZ

Die Banken, die Teilbereiche nach Dublin auslagern, könnten eher daran interessiert sein, grundsätzlich am Standort London festzuhalten. Diejenigen Banken, die Hauptquartiere nach Frankfurt verlegen, könnten daran interessiert sein, langfristig komplett nach Frankfurt umzuziehen. Wenn sich die Tendenz fortsetzt, und Mardid und Paris weitgehend leer ausgehen, könnte der Brexit für Frankfurt ein Erfolg werden. Die Konzentration von Banken an einem Ort würde weiteres Kapital anziehen.

Den Banken wurde bereits mitgeteilt, dass sie ihre Passporting-Recht verlieren werden. Zwar ist London der Motor der englischen Wirtschaft, aber überwiegend wird dort Labour gewählt. In der verarbeitenden Industrie außerhalb Londons, mit sehr viel mehr Tory constituencies, sind die Kontingenzpläne für die Verlegung in die EU dagegen eher mittelfristig, für die kommenden 2-3 Jahre, angesetzt. Unter der Hand wurden da wohl Versprechungen abgegeben.

Das spricht stark dafür, dass die Regierung fest mit einer Übergangsregelung rechnet, bei der zwar die Finanzdienstleistungen wegfallen, die europäischen Produktionsketten aber noch nicht vollständig aufgehoben werden. Dies würde dann auch eine Verlängerung der Freizügigkeitsregelung und weiter erfolgende Zahlungen bedeuten.

Für die EU heißt das, dass deren Verhandlungsposition besonders stark ist. Die britische Regierung ist nicht nur völlig unvorbereitet auf ein Scheitern der Gespräche, da weder Zollpersonal ausgebildet noch die Grenztechnologie in Nordirland getestet werden, sondern sie würde sich auch massiven Schadensersatzklagen ausgesetzt sehen. Da nach der Wahl Austeritätsmaßnahmen nicht umgesetzt werden konnten, könnte das schnell den Zahlungsausfall bedeuten. Das UK wäre dann in einer ähnlichen Situation wie Griechenland, kann aber als ehemaliges Mitglied auf weniger Solidarität hoffen. Es würde seine Souverenität vollständig an die europäischen Gläubigerstaaten verlieren, und das Brexit-Mantra "Take back control" wäre nicht wie gewünscht umgesetzt worden.

BMW möchte bis Ende September entscheiden, ob es seine Produktion vollständig vom UK abziehen wird:

http://uk.reuters.com/article/uk-britain-eu-bmw-mini-idUKKBN19M3KL

In der Geschäftssprache heißt das, die Entscheidung ist gefallen, allerdings ist noch nicht klar, ob Holland oder Deutschland den Zuschlag für die neue Produktionsstätte erhält.

@Anaximander

Lebst du in England?

@PoppinFresh

Nicht mehr lange.

@Anaximander

Kannst du eine Einschätzung, der englischen Gemütslage geben!?
Wie stehen die Menschen, welche du im Alltag triffst und mit denen du arbeitest, zu der derzeitigen Situation?