Brexit und danach?

@PoppinFresh

Ich kenne sehr wenige, die für den Brexit waren, und die bereuen es mittlerweile oder sind sich nicht sicher, ob die Entscheidung gut war.

Die meisten in meinem Bekanntenkreis hassen den Brexit. Das Thema ist ständig in den Nachrichten, es gibt nichts anderes mehr, und nervt einfach nur. Da sowieso niemand einen Plan hat.

Den typischen Brexit-Wähler muss sich man sich als ungebildeten, verbohrten Xenophoben vorstellen, der keine Ahnung hat, wofür er da gestimmt hat. In der Regel hat er die Stadt, geschweigen dann das Land, wo er geboren ist, kaum verlassen, und kennt Europa auch nicht aus dem Urlaub.

Ein wichtiger Faktor war tatsächlich die koloniale Vergangenheit (don't tell us what to do), daneben Argwohn gegenüber den Kontinent, v.a. auch gegenüber Deutschland.

@Anaximander

Danke, für deine kurze Einschätzung. Das deckt sich ziemlich genau mit den Aussagen, der wenigen Menschen, die ich in England kenne.

@PoppinFresh

Ergänzend kann man noch dazu sagen, dass jeder sehr starke Ansichten über den Brexit hat, in welche Richtung auch immer.

Und natürlich, die Flüchtingskrise hat einiges zu dem Votum beigetragen. Für viele verbindet sich Flüchtlingskrise mit Freizügigkeit und diese dann auch wieder mit Terrorismus, "dann man kann es irgendwo nachlesen". Natürlich Blödsinn, aber ausreden kann man es einer Person, die daran glaubt, auf keinen Fall.

10 Downing hat britische Industrie- und Finanzvertreter darauf vorbereitet, dass die Verhandlungen über eine gütliche Einigung und künftige Handelsbeziehungen bereits im September an der "Scheidungssumme" scheitern könnten. Eine entsprechende Entscheidung sei zwar noch nicht getroffen, und es stehe auch ein Stück weit Taktik dahinter, man spricht allerdings von einer "deutlichen Möglichkeit".

http://www.telegraph.co.uk/news/2017/07/01/theresa-may-could-storm-brexit-talks-divorce-bill/

Das klassische Scheidungsproblem..da tut man der alten den Gefallen und reicht die Scheidung ein,stellt den Unterhalt ein und statt dankbar zu sein weigert sie sich weiter zu kochen , putzen und waschen und will nicht mal der beine....... dieses undankbare Luder Europa......

Das House of Lords argumentiert, dass die Scheidungssumme nicht einklagbar sei. Das Wiener Übereinkommen (art 70) sieht zwar vor, dass Verpflichtungen aus Bündnisverträgen auch nach deren Aufhebung Bestand haben, allerdings nur wenn der Aufhebungsvertrag keine eigenen Regelungen vorsieht. Art. 50 Lissabon soll dagegen vorsehen, dass die Parteien zu einer Einigung kommen, damit sei das Wiener Übereinkommen nicht anwendbar. Aus meiner Sicht ist das Quatsch, da Art. 50 keinerlei Aussagen macht zu Verpflichtungen, die aus dem Bündnisvertag entstehen, damit bleibt das Wiener Übereinkommen anwendbar, außer wenn es eine Einigung gibt, welches dann auch die Scheidungssumme umfasst.

Außerdem sei die Scheidungssumme nicht einklagbar, da der Internationale Gerichtshof in Den Haag nur von Nationalstaaten, also nicht von der EU angerufen werden kann. Dies sehe das EU-Recht vor, welches aber nur vorsieht, dass in Fragen der Interpretation des EU-Vertrages selber die Mitgliedstaaten sich nur an den EuGH wenden dürfen, in diesem Fall geht es aber um eine Verpflichtung, die im Rahmen des EU-Vertrages eingegangen ist.

Deutschland hat bereits angekündigt, die Scheidungssumme in Den Haag einzuklagen. Aus meiner Sicht muss das UK die Scheidungssumme so oder so begleichen. Da die EU den Art. 50 formuliert hat, geht ich mal davon aus, dass entsprechende Anfängerfehler vermieden wurden.

https://www.publications.parliament.uk/pa/ld201617/ldselect/ldeucom/125/125.pdf

http://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/ALL/?uri=CELEX:12008E344

Beim 2. Absatz fehlt was. Der ICJ erlaubt tatsächlich nur Klagen von Nationalstaaten, das EU-Recht wiederum soll nach HoL ausschließen, dass ein Nationalstaat innerhalb der EU in EU-Fragen ein internationales Gericht, das über dem EuGH steht, anruft. In Wirklichkeit bezieht sich das aber nur auf die Interpretation von EU-Verträgen, nicht auf bestehende Verpflichtungen, die sich aus der Anwendung der EU-Verträge ergeben haben.

Man muss kein Jurist sein, um den schweren Fehler des HoL zu erkennen.

Daneben dürften auch ausländische Investoren einen starken case haben, das UK auf Schadensersatz aufgrund der Vertragsänderungen zu klagen, insbesondere im Bereich der finanziellen Passporting-Recht wird das als aussichtsreich angesehen:

http://verfassungsblog.de/brexit-lawsuits-but-not-as-you-know-them/

Großbritannien kündigt einseitig die Fischerei-Konvention von 1964 (also vor dem ECC-Beitritt des UK) auf. Es will in Zukunft keine europäischen Fischerboote in "unseren Gewässern" dulden:

http://derstandard.at/2000060653864/Briten-ziehen-sich-vor-Brexit-aus-Fischerei-Konvention-von-1964

Das könnte wiederum zu mehr "salt and vinegar" auf dem Verhandlungstisch führen.

@Anaximander
Ich befürchte, GB will alles tun um einen Hard Brexit zu provozieren. So kann man sich dann hinstellen und den "Erfolg" feiern. Man muss keine Kompromisse eingehen und kann ganz populistisch jedes Versagen (inkl. der Wirtschaft) auf die "böse EU" schieben.

Ich seh sehr schwere Zeiten auf GB zukommen...

@Fichtenmoped

In Europa hatten wir ja jetzt schon länger keinen Handelskrieg mehr:

Wikipedia: Kabeljaukriege

Das UK hat auch schon neue Pläne entwickelt, wie man die Fischindustrie schützen kann:

Original anzeigen (0,4 MB)

Zwischen 2015 und 2017 sind die Investitionen in die britische Automobilindustrie wegen des Brexit von Jahr zu Jahr halbiert worden (2017 extrapoliert aufgrund der ersten 6 Monate). :

https://webcache.googleusercontent.com/search?q=cache:UEm_0OW5b48J:https://www.ft.com/content/0c3427b2-5ce1-11e7-9bc8-8055f264aa8b%3Fmhq5j%3De1+&cd=2&hl=en&ct=clnk&gl=uk&client=firefox-b

Verlinkt nach google chache da hinter paywall

Investment in the UK car industry has fallen to just £322m in the first half of 2017, in a sign that companies are delaying or cancelling spending ahead of the UK leaving the EU.

Investment in the UK car industry last year was £1.66bn, which was down from the £2.5bn in investment recorded in 2015, as carmakers and their suppliers delayed non-essential investment following the EU referendum last June.

But investment looks to have fallen even further in the first six months of 2017, according to figures compiled by the Society of Motor Manufacturers and Traders industry body.

If the same levels of investment are seen in the second half of the year, it would bring total annual spend on the UK car industry to just £644m — less than half of the amount invested last year and nearly one-quarter of the amount invested two years ago.

With no major carmakers due to make spending decisions on new models in the first half of this year, the amount of investment in the six-month period had been expected to be relatively low. But the reported drop is sharper than many in the industry had expected.

...

The vast majority of the £322m spent in the first half of 2017 came from a £240m investment to install new tooling in Toyota’s Burnaston plant in Derbyshire.

Nach Recherchen der Financial Times muss das UK nach dem Brexit mindestens 759 Handelsverträge mit 168 Ländern neu verhandeln, um im Handelsvolumen außerhalb der EU wieder den status quo zu erreichen:

https://www.ft.com/content/f1435a8e-372b-11e7-bce4-9023f8c0fd2e?mhq5j=e1

Anaximander schrieb:Nach Recherchen der Financial Times muss das UK nach dem Brexit mindestens 759 Handelsverträge mit 168 Ländern neu verhandeln, um im Handelsvolumen außerhalb der EU wieder den status quo zu erreichen:

Wenn Boris Johnson und Trump um einen Deal verhandeln... ich hab das Gefühl das wird für die EU nicht lustig.

@subgenius

Warum?

Die EU hat kein Freihandelsabkommen mit den USA, das TTIP kam nicht zustande. Die Probleme bei den unterschiedlichen "business models" sind zu groß.

Anaximander schrieb:Warum?

Wenn Trump einen Handelskrieg mit der EU beginnt sitzt GB wieder excelent im Sattel...
Trumps Regime wird der Versuchung einen Deal mit GB incl. strategischen Schaden gegen die EU einzugehen kaum auslassen.
Die eine Seite zu jeder Schandtat bereit und der t anderen steht das Wasser aus Dummheit bis zum Hals....

Wenn GB den Hard-Brexit wählt wird sie mit dem aktuellen Regierungspersonal Knete in den Händen von Trump sein.

@subgenius

Soll der Trump sagen, die Amerikaner sollen nicht mehr in die böse EUDSSR importieren?

Ein Handelsabkommen, das er kündigen könnte, gibt es nicht.

Um staatliche Sanktionen gegen die EU anzuordnen, müsste es schon einen quasi-kriegerischen Anlass geben. Wie gegen Nordkorea.

Ein Handelsabkommen EU-UK fürchte ich meisten, und zwar für das UK, denn die USA hat keine Produktregulationen, setzt statt dessen auf Schadensersatzklagen, damit könnten amerikanische Konzerne gewissermaßen die brit. Regierung vor sich her treiben, das UK würde sein Souverenität verlieren, für die es eigentlich gestimmt hat, und die Durchsetzbarkeit von Haftungsanprüchen im UK wäre ein Alptraum. Das UK hat wesetlich weniger Gewicht als die EU insgesamt.

Den Handel EU-UK dürfte das aber kaum berühren.

subgenius schrieb:Wenn Trump einen Handelskrieg mit der EU beginnt sitzt GB wieder excelent im Sattel...
Trumps Regime wird der Versuchung einen Deal mit GB incl. strategischen Schaden gegen die EU einzugehen kaum auslassen.
Die eine Seite zu jeder Schandtat bereit und der t anderen steht das Wasser aus Dummheit bis zum Hals....

Trump wird auch den Briten keinen tollen Deal anbieten; ansonsten wäre er schön blöd und könnte gleich abtreten, weil er auch bei seinen Anhängern unglaubwürdig wird ...
Und UK wird keinen 'Knebeltarif' annehmen ...

Beide Seiten werden jetzt nicht plötzlich ihre Politik ändern ...

Anaximander schrieb:Den Handel EU-UK dürfte das aber kaum berühren.

Doch.
London ist seit Ewigkeiten Haupttadt der Händler und Schmugler .. es wird ihnen eine Freude sein als Handelsproxy (Schmugler) für US-EU Handelsprobleme zu dienen.

Anaximander id=undefined schrieb:Soll der Trump sagen, die Amerikaner sollen nicht mehr in die böse EUDSSR importieren?

Die Argumentationen von Trump sind bereits jenseids solcher Details... (fast alle deutschen Autos in der USA werden auch dort gebaut).
Strategisch wird Trump von Steven Bnnon einen

subgenius schrieb:fast alle deutschen Autos in der USA werden auch dort gebaut

Ford produziert z.B. in Spanien, Nissan (noch) in Sunderland.