Asylgesetzgebung: Muss sie angepasst werden?

Der nächste Karnevalszug wurde abgesagt, diesmal in Rheinberg, Kreis Wesel.

http://m.welt.de/politik/deutschland/article151024931/Rheinberg-sagt-Karnevalszug-wegen-Fluechtlingen-ab.html (Archiv-Version vom 14.01.2016)

@Brotherloui

Jeder hat so sein Opfer zu bringen...
Rheinberg im Rheinland ist ja auch keine Karnevalshochburg....

Aber glaubt ihr "wir schaffen das"?

Ob wir das schaffen, weiss ich nicht. Ich halte von dieser Phrase nix. Darum gehts mir auch nicht. Es geht um die Menschenrechte und Asyl ist ein Menschenrecht. Deutschland hat die Genfer Flüchtlingskonventionen unterzeichnet und ist deshalb verpflichtet, auch im Sinne des kantischen Kategorischen Imperativs, Asylsuchenden zumindest temporären Schutz zu gewähren. Jeder Flüchtling muss die Möglichkeit haben, ungestraft Asyl beantragen zu dürfen, jeder einzelne Fall muss individuell bearbeitet werden

Wikipedia: Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge

@collectivist
Da es sich mit meiner Meinung deckt:

Das Grundgesetz garantiert jedem Menschen, der sich auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland befindet und ih-rer Herrschaftsgewalt unterworfen ist, eine menschenwürdi-ge Behandlung (Art. 1 Abs. 1 GG). Das Grundgesetz garan-tiert jedoch nicht den Schutz aller Menschen weltweit durch faktische oder rechtliche Einreiseerlaubnis. Eine solche un-begrenzte Rechtspflicht besteht auch weder europarechtlich noch völkerrechtlich. Entsprechende unbegrenzte Verpflich-tungen dürfte der Bund auch nicht eingehen. Eine universell verbürgte und unbegrenzte Schutzpflicht würde die Institution demokratischer Selbstbestimmung und letztlich auch das völkerrechtliche System sprengen, dessen Fähigkeit, den Frieden zu sichern, von territorial abgrenzbaren und hand-lungsfähigen Staaten abhängt.

@Freewayrider
Nun da sind sich die Juristen teils gegensätzlicher Meinung. Warten wir mal ab, was das Verfassungsgericht sagt und wieviel Ideologie hinter dem Urteil steckt. Das ist - wenn ich mich recht entsinne - lediglich die (subjektive) Rechtsauffassung eines ehemaligen Verfassungsrichters. Die persönliche Meinung übertrumpft nicht die humanitären sowie humanistischen Grundsätze. Eine Meinung ist nur eine Maxime, die, wenn man Kant gelesen hat, subjektiver zweckgebundener Natur ist. Man kann nicht aus purem Egoismus die Grenzen dichtmachen. Es gibt Dinge, die müssen einfach eingehalten werden, ob es einem gefällt oder nicht

Mir ist gerade die Idee gekommen, warum die Meinung vieler Leute hier - die durchaus dem Durchschnitt der Bevölkerung entspricht - ein Trugschluss ist. Die Erklärung dieser Leute geht ungefähr so: Je länger die Regierung an Merkels Flüchtlingspolitik, die zum Scheitern verurteilt ist, weil es uns zu schwer belastet und zu teuer ist, zudem ein europäischer Alleingang, den wir nicht allzu lange durchziehen können, festhält, umso mehr stärkt das die äußerste Rechte (AfD, Pegida, NPD usw.), nicht zuletzt auch die Rechtsextremen. Ein innerer Frieden kann also erst wieder einkehren, wenn die deutsche Flüchtlingspolitik zur Besinnung kommt, und das geht nur ohne Merkel. Wenn also Merkel "gestürzt" wird, flutscht alles wieder in den ursprünglichen Zustand zurück und der innere Frieden wird wieder stabiler und sowas wie Köln kommt nicht mehr vor. Wir können endlich wieder beruhigt schlafen und der "Ausnahmezustand" ist beendet.

Der Fehler dieses Denkens liegt in mMn darin, dass sich, nicht zuletzt auch durch die Vorfälle in Kön, das Klima dermaßen aufgeheizt hat und die Leute sich zumindest im Denken und in den Gesprächen miteinander - so wie auch hier im Forum - längst so weit radikalisiert haben, dass die Politik als Ganze 5 - 10% nach rechts gerutscht ist. Denn wenn Merkel abeglöst wird, kriegen wir trotzdem nicht den status quo ante zuirück, da so viele Asylverschärfungsgesetzesvorlagen in der Pipeline sind, dass wir am Ende ein Asylgesetz haben, das mit dem Asyl, so wie es einstmals gedacht war, nicht mehr das Geringste zu tun hat, weil es mehr oder weniger festlegt, dass und warum wir zwar auch noch Asylanten aufnehmen, aber nur noch in homöopathischen Dosen.

Merkel zeichnet sich aus meiner Sicht dadurch aus, dass sie dem einstigen Kurs der CDU/SPD-Koalition als Einzige treu geblieben ist. Als plötzlich eine regelrechte "Asylantenschwemme" ankam, war sie die Einzige, die am alten Kurs beharrlich festhielt, während alle anden - inzwischen auch Gabriel, wie ich lese...
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/fluechtlingskrise-merkel-kriegt-druck-von-der-spd-a-1072274.html
...der Reihe nach umfielen. Jetzt scheint es so auszusehen, als wäre sie nach und nach immer weiter nach links gerutscht und stände plötzlich links von der SPD.

Was für ein Schmarrn! In Wirklichkeit ist die ganze politische Landschaft um eben diese 5 - 10% nach rechts gerutscht und steht daher nun sichtbar rechts von Merkel, selbst die SPD.

Aber wenn Merkel weg ist, wird die ganze Szenerie nicht wieder in den Usprungszustand zurückflutschen. Man mag dann zwar noch stark genug sein, um auch bei den nächsten Wahlen wohl wieder auf eine Große Koalition zu kommen, aber eben nur um den Preis, dass die CDU/CSU (natürlich noch mehr die CSU) da steht, wo die AfD vor einem Jahr stand.

Damit würde die Bundesrepublik den Schritt nachvollziehen, den besonders Osteuropa schon längst vorangegangen ist.

Keine wirklich erfreulichen oder auch nur beruhigenden Aussichten...

@collectivist

Ja, es ist nur die Meinung eines (sehr renomierten) Verfassungsrechtler, welcher der Merkel eigentlich immer sehr wohlgesonnen gegenüber stand.

Nachtrag: Denn wenn Merkel erst weg ist, werden nur noch (national)populistische politische Entscheidungen getroffen, weil man glaubt, damit die Stammtische zu befriedigen und ihrer Stimmen sicher zu sein. Nicht die Politik hätte Merkel dann geopfert, sondern "das Volk". Nein, das Volk hätte sie nicht geopfert, sondern gestürzt.

So etwas gab es eigentlich seit 1945 noch nie bei uns. Selbst Brandt wurde nicht vom Volk gestürzt, sondern von der politischen Klasse, indem man ihn über einen DDR-Maulwurf stolpern ließ. Ist also in keiner Weise vergleichbar mit dem casus Merkel, meiner Meinung nach die beste Bundeskanzlerin (naja, wir hatten ja nur eine, also sagen wir die einzige Frau Bundeskanzler), die wir je hatten. Und das sag ich als CDU-Hater. Wer vor ihr hatte es je geschafft, auch die Zustimmung der Nicht-CDU-Wähler zu haben? Leider ging das nur bis vor 6 Monaten so...

Also fast schon ein Nachruf. :D

@Freewayrider

Freewayrider schrieb:Ja, es ist nur die Meinung eines (sehr renomierten) Verfassungsrechtler, welcher der Merkel eigentlich immer sehr wohlgesonnen gegenüber stand.

Interessanterweise hat er die Kanzlerin im September 2015 noch gelobt für ihre Nüchternheit und ihren kühen Kopf...

An diesem letzten heißen Sommertag kann sich unser Gespräch nur um ein Thema drehen: die Flüchtlingskrise. Der deutschen Politik Versagen vorzuwerfen, gehe am Kern des Problems vorbei. "Als Verwaltungsstaat reagiert man auf ein Problem, und dann lernt man. In dieser Phase befinden wir uns gerade." Es sei wohlfeil, zu glauben, auf alles Antworten zu haben. Dass Innenminister de Maizière von "Improvisieren" sprach, findet der Rechtsexperte völlig in Ordnung und lobt die Nüchternheit und den "kühlen Kopf" der Kanzlerin. "Pragmatismus in nicht nur eine englische, sondern eine demokratische Tugend."

http://www.welt.de/debatte/kommentare/article146079219/Staat-heisst-auch-Herrschaft-ueber-die-Grenzen.html

@Realo

Realo schrieb:Also fast schon ein Nachruf

Ich hoffe und bete das ses wirklich nur ein (unsinniger) Nachruf ist.

@canales

Ich schrieb ja dass er das Merkel immer sehr wohlgesonnen war

canales schrieb:Interessanterweise hat er die Kanzlerin im September 2015 noch gelobt für ihre Nüchternheit und ihren kühen Kopf...

Vielleicht hat ihm ein Besuch von Kameraden den Kopf heiß gemacht?

@Freewayrider

ich frag mich, was sich seit dem September letzten Jahres geändert hat...abgesehen davon, dass sich die Organisation verbessert hat.
Naja, vielleicht ist für ihn die Meinung abhängig von der Zahl der Flüchtlinge...den Begriff Rechtsbruch verwendete er im September 2015 jedenfalls nicht.

@canales

Er beurteilte ja auch die entwickelte Situation und nicht die Situation bis September letzten Jahres. Er sagte ja dass das Aussertzen der Dublin Ordnung vorübergehend sein darf aber nciht als Dauerzustand sein darf.
Aber vielleicht ist er auch nur ein Rechtsradikaler geworden und schmeißt jetzt Mollis mit den Terroristen von der AfD

@Freewayrider

Ach was, der hat halt seine Einschätzung geändert...ich denk mal die CSU wusste schon, weshalb sie gerade ihn zu einem Gutachten aufforderten.
Ist jetzt auch nichts Ungewöhnliches...auch Richter dürfen ihre Meinung ändern. Mich würde nur interessieren was dafür ausschlaggebend war.

Freewayrider schrieb: Er sagte ja dass das Aussertzen der Dublin Ordnung vorübergehend sein darf aber nciht als Dauerzustand sein darf.

Dublin 3 wird von der EU nicht mehr hingenommen, weil es die Binnenländer, insbesondere Deutschland und Österreich, massiv bevorzugt, weil die dann praktisch überhaupt keine Flüchtlinge aufnehmen müssten, und die ganze Last auf die Mittelmeerländer, die eh schon wirtschaftliche Probleme haben, sonst gäbe es kein Grexit-Szenario, abwälzt.

@Realo

Jep, das funktioniert nur, wenn anschließend eine Verteilung stattfindet und die Zahl so wie in den Jahren 2008 - 2010 stagniert. Da hat man leider sehr kurzfristig gedacht, als man Dublin 3 beschloss.

@canales

Die haben ihn extra gewählt weil er der Kanzlerin als wohlgesonnen galt, damit sie sich unangreifbar geben wegen der Wahl des Gutachters und er gilt auch über alle Parteien hinweg als einer der renomiertesten und sachlichsten Verfassungsrechtlern. Aber das weißt du doch selbst

@Realo
Die EU kann rechtlich nicht einfach ein abkommen aufkündigen, das steht ihr nicht zu. Als Deutschland die Außengrenze war hat es auch niemanden interessiert als hier eine Masse an Kosovoflüchtlingen kam. Da gab es auch keine Solidarität