Also erstmal distanziere ich mich schonmal im Vorfeld von den Aussagen Shinbets. Auf die Unterstützung der Menschen solchen Gedankenguts kann ich gut und gerne verzichten.
@greenkeeper Deine Geschichte ist ja nicht zwingend fern jeder Realität, ist ja nicht von der Hand zu weisen, dass sich Teile einer gewissen Streitkraft manchmal wie die Axt im Walde benehmen. Nicht alle, jedoch einige.
Auch hast du aufgezeigt, was zu den Gründen zählen kann, dass sich Aufständische den Taliban oder anderen Aufständischen, irregulären Kräften, Insurgents oder wie man sie auch immer nennen mag anschliessen. Auch ich kenne diverse Gründe, warum sie das tun. Ich hoffe allerdings, dass du diese Gründe und ihr daraus resultierendes Handeln jedoch nicht rechtfertigst.
Da du ja anscheinend in der Lage bist, dich in die Situation der Menschen vor Ort zu versetzen, frage ich mich allerdings, warum du es nicht schaffst, mal einen Blick über den Tellerrand zu werfen und versuchst, die Gründe zu verstehen, warum Soldaten in den Einsatz gehen.
Das politische Gezeter um Krieg oder bewaffneten Konflikt kotzt mich genauso an, wie fadenscheinige Gründe, die dem Volk verkauft wurden für die Rechtfertigung des Einsatzes. Fakt ist jedoch, dass wir DA sind, und da kommen wir nun mal so ad hoc nicht wirklich raus.
Auch ich mag, genauso wie du auch, den Krieg nicht. An der Notwendigkeit der Internationalen Militärpräsenz halte ich jedoch weiterhin fest. Es geht dort um das Volk.
Auch wenn ich mich jetzt wiederhole: Der deutsche Verantwortungsbereich beschränkt sich nicht nur auf die Region Kunduz, der ist viel weitläufiger. Dort ist es den Umständen entsprechen ruhig und die Deutschen sind so ziemlich die einzigen, die gewisse Teilerfolge, wenn auch minimal, vorweisen können. Da gibt es zum Beispiel Schulen, an denen ich zum Teil bei der Errichtung dabei war, die weiterhin unterrichten, und zwar beiderlei Geschlechts. Die Ärzte und Sanitäter unterstützen die vor Ort befindlichen Sanitätseinrichtungen und Ärzte sowohl materiell, als auch durch ihren persönlichen Einsatz. Andere Nationen machen das gelegentlich auch, jedoch meistens, wenn eine Kamera dabei ist. Wir geben einen Teil der Bevölkerung Arbeit, die sogar für afghanische Verhältnisse sehr hoch bezahlt werden. Auch ansässige Firmen werden für diverse Arbeiten engagiert.
Sicherlich will ich nicht alles hochloben, auch bin ich nicht für meine ach so humanitäre Ader bekannt. Ich gehe sicherlich nicht aus rein humanitären Gründen in den Einsatz, sage aber aus Erfahrung, dass den Menschen dort geholfen werden muss.
Auch für mich ist der finanzielle Anreiz da, ich will ja auch nicht jeden Cent umdrehen, wenn es darum geht, meine Familie über die Runden zu bringen. Ihr lasst euch eure Überstunden ja schliesslich auch bezahlen, oder?
Ich muss aber auch sagen, dass der finanzielle Anreiz mit der Zeit bei mir abgenommen hat. Da kamen andere Gründe hinzu.
Da geht es zum einen um meine Gruppe. Ich bin lieber selbst dabei und führe sie, als sie einem "fremden" zu überlassen, der sich den Stärken und Schwächen der Gruppe nicht bewusst ist und auch die Gruppe nicht weiss, was derjenige für ein Mensch ist. Ich kenne meine Gruppe und sie kennt mich. Meine Frau versteht das auch nur zum Teil, akzeptiert es jedoch weitestgehend. Allgemein verstehen das viele Leute nicht, da sie es selbst nicht kennen.
Ich habe auch den Arsch in der Hose, meine Soldaten keinen vermeidbaren Gefahren auszusetzen. Bei meinen Vorgesetzten habe ich auch eine gewisse Handlungsfreiheit, die ich mir im Laufe meiner Dienstzeit erarbeitet habe.
Für alle die, die meinen wir wären gefühlskalte Wesen, die nur darauf aus sind, wild Leute abzuknallen kann ich hier auch widersprechen. Einige Sachen gehen einem wirklich nahe, besonders, wenn Kinder im Spiel sind. Im Kosovo haben wir damals mal bei der Sanierung eines Waisenhauses geholfen. Aufgrund meines Eingangsberufes hab ich dort bei einem Kind mit teilweise schweren Verbrennungen im Raum eine Klimaanlage installiert. Der kleine liess nicht mal die Pflegerinnen an sich ran, stand jedoch als das Teil lief neben mir und zuppelte an meiner Hose, so dass ich ihn auf den Arm nahm. Da kann man die Tränen nicht unterdrücken, und ich bin wie gesagt nicht wegen meiner Humanität bekannt.
Allgemein ist es in Afghanistan schwierig über die Situation der Menschen, besonders der Kinder hinwegzusehen. Wer da war, weiss was ich meine. Jeder blockt es irgendwie auf seine weise ab, um es nicht zu nah an sich ran zu lassen.
Es kam auch mal die Frage auf, wie man sich fühlt vor Ort, vor allem wenn gerade Kameraden gefallen sind. Ein Kamerad hat das mal gegenüber einer grossen Tageszeitung im Interview widergegeben: Wenn man beim Fussball 1:0 hinten liegt versuchst du den Ausgleich zu machen und das Ding noch zu drehen! Was die Zeitung nicht schrieb war sein Nachsatz, in dem er sagte, dass es jetzt gelte, die Verantwortlichen zur Verantwortung zu ziehen. Liess sich wohl nicht so toll aufmachen als Schlagzeile, verkauft sich wohl besser, wenn man jemanden an Racheengel hinstellen kann.
Ich für meinen Teil kann ihn in dem Moment verstehen. Jedesmal wenn ein Kamerad fällt würde ich auch am liebsten jeden einzelnen Angreifer persönlich den Ar... aufreissen. Sind aber ganz normale Gefühle in der Situation. Wut, Trauer. Hat wohl jeder Mensch in gewissen Situationen.
Auch Trauer und Mitgefühl gegenüber den Hinterbliebenen haben wir, ganz besonders wir. Zwar ist jedem vorm Einsatz bewusst, dass es eventuell nicht gut ausgeht. Der Familie das Mitgefühl abzuschlagen mit Aussagen wie selbst schuld (was hier auch schon als Beitrag gepostet wurde) ist in meinen Augen einfach nur pietätlos. Wenn der Dachdecker vom Dach fällt und stirbt sagt ja auch keiner :selbst schuld, hätte sich ja einen anderen Beruf aussuchen können.
Pauschal kann man nicht sagen, warum es Soldaten immer wieder in den Einsatz zieht, natürlich nimmt jeder das Geld mit, klar. Ich hab aber in vielen Gesprächen in letzter Zeit rauskristallisiert, dass es nicht zwingend der Hauptgrund ist. Wie gesagt, jeder hat seine eigenen Gründe.
StUffz hat zu einem Teil gewisse Gründe, die sich mit meinen überschneiden, grösstenteils jedoch andere Sichtweisen, was auch gut so ist. Jeder respektiert seine Gründe. Ich weiss wovon ich rede, er ist in meiner Gruppe. Durch ihn kam ich auch auf dieses Forum.
Ich bin auch kein Soldat aus "Berufung", es ist halt für mich eine Arbeit, wie jede andere auch. Ich verurteile ja auch keine Bürokaufleute oder Maurer.
Ich habe auch schon einen Kosovoeinsatz einem Afghanistaneinsatz aus Liebe zu meiner Frau vorgezogen, und da gibt es weit weniger Geld. Mein Chef lies mir da die Wahl, was ich ihm auch zu Gute heisse.
Wie gesagt, es gibt verschiedene Gründe und die Lage ändert sich ja auch jedesmal, so ist jeder Einsatz neu und es gibt neue Gründe zu gehen oder auch nicht.
Wenn du dir aber schon die Mühe machst, einen Grund zu finden warum sich Teile der Bevölkerung den Aufständischen anschliessen, warum versuchst du es nicht auch mal andersrum?
P.S.: Achja, ich lass mich auch ungern als ISAF-Söldner bezeichnen. Ich verurteile dich ja auch nicht auf Grund deines Berufes.