Optimist schrieb:woher stammen all deine geschichtlichen Angaben, könnten diese also konkret mit neutralen Quellen belegt werden? Bibelkritiker wären für mich kein hinreichender Beleg.
Ich kann dir die Quellen schon nennen, das ist gar kein Problem und wie ich gesagt habe, stehen ja in der Bibel (NT) selbst entsprechende Andeutungen, die man als Bestätigung ansehen kann.
Du kannst ganz einfach selber "forschen".
Für "6 n.Chr" gibt es eine
ÜbersichtDu kannst nach dem "jüdischen Krieg", nach der Zerstörung des Tempels googeln, alles kein Geheimnis.
135 n.Chr war das Ende des
Bar Kochba-Aufstandes (manche nennen hier auch 136 n.Chr).
Hier eine
kleine Auflistung- 66–74 Jüdischer Krieg, viele Juden wurden nach dem Krieg versklavt oder verließen ihre verwüstete Heimat und kamen in alle Teile des römischen Reiches.
- 115–117 Diasporaaufstand
- 132–135 Bar-Kochba-Aufstand gegen die Römer, Vernichtung des letzten größeren jüdischen Siedlungsgebiets
Hier ist ein Link der
Universität Dortmund, Fach Evangelische Theologie in dem die bekannten Daten zusammengefasst dargestellt sind - zwar etwas grob, aber vielleicht wirst du meine Äusserungen dort schon entdecken können.
Hier ein kleiner
Wiki-Artikel.
Dieser Text bindet auch die Quelle "
Martin Hegel, Die Zeloten, Untersuchungen zur jüdischen Freiheitsbewegung in der Zeit
von Herodes I. bis 70 n. Chr., 2. verbesserte und erweiterte Auflage, Leiden 1976." mit ein.
Mir liegt dieser Text vor, einen Link kann ich dir aber nicht geben - vielleicht findest du Textausschnitte bzw. eine PDF im Internet.
Das ist eine grosse Analyse aus den 70er Jahren. Dort stehen viele Details drin mit denen ich meinen Ansatz aufbauen konnte.
Das sind alles Theologen und so taucht da mittendrin auch mal "Jesus" und seine "Urchristen" auf, aber es geht ja nicht darum, dass diese Quellen meinen Ansatz vertreten.
Die letztendliche Hauptquelle ist wohl
"Flavius Josephus, Jüdischer Krieg".
Du kannst aber die Quellenangaben der Uni und die von "Martin Hegel" einsehen, "Flavius Josephus" ist dort nicht die einzige Quelle.
Bei der gesamten Quellenlage musst du etwas Eigeninitiative mitbringen, denn diese Gottes-Reich/Messias-Gruppe wird hauptsächlich ignoriert und aus dem Ignorieren heraus abgewertet.
Du musst dir also selbst einen Respekt vor der religiösen Einstellung dieser Leute aufbauen.
In vielen christlichen Links bekommst du die Aussage, dass dies Banditen, Räuber, Aufständische waren, wodurch sie durch ihre Gewalthaltung charakterisiert werden.
Sie waren definitiv gewalttätig, keine Frage, aber sie waren es auf Basis ihrer Betonung des Gottes-Reich/Messias-Themas. Das ist das Entscheidende.
Auch die generationenlange Existenz dieser Gruppe und die Bedeutung dahinter, insbesondere für den Start einer neuen Religionsausrichtung, musst du dir selbst klarmachen. Diese Aufgabe wird dir kein christlicher Theologe abnehmen.
Mit der Quellenlage hast du im Grunde Basismaterial zur Verfügung, mit dem du gute Fragen stellen kannst.
Motto:
"Wieso wird dieses und jenes Detail der Gruppe nicht im NT thematisiert, wenn es doch das Umfeld dieser Zeit war?",
"Wieso spielt Jesus die Erwartungen dieser Leute nach, nimmt aber keinen Kontakt auf, spricht sie nicht unmissverständlich an, korrigiert sie nicht",
usw. usf.
Optimist schrieb:Deine Meinung dazu würde mich auch interessieren:perttivalkonen schrieb:Würde der Verfasser des Lukas-Evangeliums dieses nun frühestens 135 n.Chr. verfaßt haben, so wäre dies wenigstens 65 Jahre nach Ende des ersten Krieges. Und da frage ich mich, wie sinnig das sein soll, die Endzeitrede betont auf so einen Krieg zu beziehen, der bereits ein Menschenleben weit zurückliegt.
....
Definitiv kann das Lukasevangelium nicht erst im zweiten Jahrhundert entstanden sein
Das religiös Wesentliche an dem ersten jüdischen Krieg würde ich als "Hoffnung auf Gottes-Unterstützung" kennzeichnen und das hat einen Grund:
Militärisch gesehen konnte die Gottes-Reich/Messias-Gruppe eine einzige römische Legion vernichten (was die Kampfstärke verdeutlicht), anschliessend hat ROM
drei Legionen (60.000 Mann) aufgestellt und den Krieg für sich entschieden.
Insgesamt hatte ROM damals wohl an die 30 Legionen zur Verfügung (ich hoffe das aus den Quellen richtig herausgelesen zu haben).
Für einen jüdischen Kämpfer war demnach die Perspektive ganz einfach: "römische Übermacht, gegen die der Nahe Osten nichts ausrichten kann". Hier wird "Gott" benötigt!
- bei diesem Krieg geht es von Seiten der Gläubigen aus, um Gottes-Unterstützung und um sonst nichts anderes.
- "Gott" soll eine grundlegende Veränderung für sein auserwähltes Volk herbeiführen -> Gottes Reich, Messias.
- Darin war natürlich eine Endzeitvorstellung enthalten und das Besondere an der Situation im belagerten Jerusalem war, dass sich hier Juden gegenseitig bekämpft haben. D.h. die Römer haben aussen die Stadt belagert und innen kam es zu apokalyptischem Verhalten und "freudigem Abschlachten".
(die Idee der Gott-Unterstützung startete bereits 6 n.Chr)
Ein Schreiber, der sich in irgendeiner zeitlichen Nähe befunden hätte, für einen Leser in einer zeitlichen Nähe etwas geschrieben hätte oder einen Bezug zu diesem Krieg hätte aufstellen wollen, hätte das gewusst und hätte diese Hoffnung angesprochen (und vermutlich entkräftet bzw. irgendwie kommentiert).
Das ist bei der Lukas-Stelle nicht der Fall.
Wenn ich mir anschaue, was in
Lukas 21 steht, dann würde ich sagen "ein gläubiger Schreiber malt sich Aussagen zu einer Endzeit aus, die auch für den Schreiber selbst eine Zukunft darstellen sollen".
Unter Lukas 21,7 werden "die Vorzeichen" angesprochen, die allesamt nichts mit diesem Krieg zu tun haben können.
Der Hinweis ab Lukas 21,20, dass "ganz Judäa lieber in die Berge fliehen soll" ist in Bezug auf den Krieg eigenartig, denn das haben sie mit der Felsenfestung
"Masada" ja eigentlich gemacht und sind kläglich untergegangen.
Auch "diese grosse Not auf Erden" kann man nicht auf den Krieg abbilden.
Worin soll der Bezug auf den Krieg bestehen oder wo soll im Text eine Erkenntnis rund um den Krieg enthalten sein?
Die Leute damals in Jerusalem hatten bestimmt eine Endzeitstimmung, aber die Sache umzudrehen und das Ansprechen einer Endzeit (mit Verwüstung der Lieblingsstadt Jerusalem) als "vom jüdischen Krieg entnommen" anzusehen, geht mir etwas zu weit.
Wenn man aus "Jesus"-christlicher Sicht zeitnah über den jüdischen Krieg nachgedacht hätte, dann hätte man das Gottes-Reich/Messias-Thema dieser Leute nicht übersehen dürfen, sondern es aus der neuen Friedens- und Liebes-Perspektive ansprechen müssen - genau das fehlt aber.
Wichtig ist auch die Situation des Tempels selbst. In Lukas 21 wird explizit angesprochen, dass "kein Stein auf dem anderen bleiben soll".
Das Lustige ist, im jüdischen Krieg wurde der Tempel geplündert und ist ausgebrannt.
Dass dort heute viele Steine nicht mehr da sind (das ganze Gebäude und noch mehr fehlt), hat ganz einfach mit späteren Bauprojekten zu tun, d.h. der Tempel wurde langsam abgetragen und anders verwendet.
Dieses "kein Stein auf dem anderen" hat im Lukas-Text viel eher etwas mit den "grossen Erdbeben" (die "Vorzeichen") zu tun, bei denen einfach alles zerstört und verwüstet werden soll.
Ich kann somit nicht erkennen, dass sich die "Jesus"-Figur mit dem "Ende des Tempels" auch nur irgendwie auf den jüdischen Krieg bezieht.
Ich glaube irgendwo habe ich gelesen, dass die Juden vor dem Jahr 0 eine Abneigung auf Herodes hatten, weil er diesen zweiten Tempel hat bauen lassen. Es gibt wohl im Judentum die Ansicht, dass der Messias nur kommen kann, wenn der Tempel zerstört ist, weil der Messias den Tempel wieder aufbauen soll.
Insofern ist die Angabe „der Tempel wird zerstört“ schlicht etwas, was zur „Jesus“-Figur als zukünftigem Messias passt, mehr nicht.
Interessant zum "Jüdischen Krieg" ist aus meiner Sicht eher, dass es in Bezug auf das behauptete (unsichtbare) "Jesus"-Urchristentum (in Jerusalem) und die Frage "weshalb taucht diese Gruppe im jüdischen Krieg nirgendwo auf?" zu so Sprüchen kommt wie "ja, die wurden zuvor von einem Engel angewiesen nach Süden abzureisen" (ich hoffe das ist halbwegs richtig wiedergegeben).
Bin ich der einzige, der da mit offenem Mund dasteht?
Was denkst du über die Lukas 21-Stelle, ist da aus deiner Sicht irgendetwas in Richtung "jüdischer Krieg"?