Libertin schrieb:Ist im Prinzip ja so ein ähnlich gelagerter Fall wie bei den Jebel-Irhoud-Funden aus Marokko
Ja, ne relativ ähnliche Sache der Definitionsfragen. Auf der anderen Seite hat der Jebel-Irhoud-Fall weniger an der Sapiens-Frage gekratzt als Lomekwi am Homo-Status. Obwohl Irhoud als sensationelle Veränderung der Sapiens-Geschichte gehändelt wurde, sogar in Fach- bzw. fachnaher Publikation, war Irhoud doch nie eine Veränderung unser Vorstellung vom Aufkommen des Sapiens. Der Trick war, ist und bleibt, daß wegen der Artabgrenzungsdebatte (Sapiens, Präsapiens, Heidelbergensis) zusätzlich noch vom "anatomisch modernen Homo sapiens" gesprochen wird, und dessen "Aufkommen vor rund 200.000 Jahren" wird von keinem marokkanischen Schädel mit eindeutigen Heidelbergensismerkmalen auch nur ansatzweise infragegestellt - völlig egal, wie viel wir nun vom späten Heidelbergensis wegschneiden wollen, um sie zu einem frühen, anatomisch archaischen Homo sapiens umzudefinieren. Das Daumenkino der anatomischen Veränderungen von Bodo (600.000 Jahre, früher Heidelbergensis) bis Omo (200.000 Jahre, früher anatomisch moderner Sapiens) hat dank Irhoud nur eine Lücke weniger, ergibt aber keinen anderen "Film". Schei* drauf, wie die Viecher nun hießen.
Hier aber geht es um die Gattung Mensch generell, vor allem um uns als Kulturwesen. Homo habilis und Homo rudolfensis haben ne Australopithecinen-Anatomie (wenn auch ne fortgeschrittene), und vor allem habense nur geringfügig mehr Bregen inner Hirnschüssel gehabt. Das einzige, was sie wirklich "zum Menschen gemacht" hat, war eben der Olduvan-Pebble vom selben Grabungsfeld.
Beim Sapiens
kann diskutiert werden, ob wir auch "anatomisch archaische" Artgenossen namens Sapiens haben wollen oder nicht, und ob wir nicht gleich den ganzen Heidelbergensis mit ins Boot nehmen wollen (und damit Neandertaler und Denisovaner gleich mit). Beim Lomekwi-Fund sowie Habilis und Rudolfensis hingegen
müssen wir diskutieren, ob wir wegen der Werkzeugkultur ersteren mit ins Boot nehmen wollen oder letztere wegen "nichts außer der Werkzeugkultur" über Bord werfen. Wir können uns zwar entscheiden, ob wir "Werkzeugkultur" für die Definition von "Homo" beibehalten oder aufgeben wollen. Aber wir können für Habilis und Rudolfensis nicht eine andere Homo-Definition verwenden als für Lomekwi.