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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

11.655 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Wald, Entführung, München ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
Zu diesem Thema gibt es eine von Diskussionsteilnehmern erstellte Zusammenfassung im Themen-Wiki.
Themen-Wiki: Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

18.10.2019 um 09:32
Zitat von monstramonstra schrieb:Wir diskutieren hier mit @2r2n dem Opfer einer Straftat (einem Angehörigen). Das ist hier ein großes Privileg. Das Entführungsopfer Jan Phillipp Reemtsma hat mal (sinngemäß) darauf hingewiesen, dass die Strafe dazu dienen soll, dem Opfer ein "Willkommen zurück in der Gesellschaft. Dir ist Unrecht angetan worden. Das wird jetzt klar gestellt." zu geben. Hier haben wir einen Fall, in dem ist das nicht gelungen. Die Strafe verpufft. Und so oft kommt das nicht vor, dass das Opfer, das ja ein erhebliches (emotionales) Motiv hat, mit dem Rechtsfrieden auch Frieden zu finden, erheblich am Reparaturversuch des Rechtsstaats zweifelt.
2r2n hat jedes Recht, hier mit Respekt behandelt zu werden. Wie prinzipiell jeder Andere hier auch. Aber dies hier ist ein, bestimmten Prinzipien verpflichtetes, aber ergebnissoffenes Diskussionsforum, keine Plattform für Priveligierte.

Das eigentliche Opfer, 2r2n´s Schwester, ist tragischer Weise getötet worden. Ihr kann leider kein Frieden mehr verschafft werden. Die Nächsten eines primären Opfers sind selbstverständlich in gewisser Weise auch Opfer einer solchen Tat. Ob aber im vorliegenden Fall fehlende Befriedung ursächlich mit einer Fehlverurteilung zusammenhängt, kann und darf man zumindest bezweifeln. Zumal die Überzeugung,der Verurteilte sei auch der Täter, nicht gerade eine Minderheitsüberzeugung ist.
Zitat von JosefK1914-2JosefK1914-2 schrieb:Auch wenn Du es nicht wahrhaben willst, das Tonbandgutachten ist kein Indiz dazu mehr.
Das ist erstmal eine reine Annahme. Etwas anderes wäre es, wenn ein zweites, qualifiziertes Gutachten erstellt werden würde, das diese Annahme offiziell gutachterlich bestätigt. Dies wurde und wird nicht angestrengt, warum?

Warum wird der angeblich bekannte Verkäufer des Tonbandes nicht eingeführt?

Gebe es das Gutachten und wäre der Verkäufer bekannt, würde sich die Sachlage grundlegend anders darstellen.

Die medial verbreitete Suggestion, der/die Täter seien im Umfeld des Schullandheims zu suchen, wird im wesentlichen mit dem Besitz des von der Polizei bis dahin ignorierten Klingeldrahts durch zwei Schüler begründet.
Einer der beiden besaß einen Vater, der ein 25 km entferntes Unternehmen führte, das theoretisch Materialien verarbeitet haben könnte, deren Spuren an der Kiste gefunden wurden, in die das Opfer verbracht wurde.
In der vorhandenen Schulwerkstatt sei dann die große und schwere Kiste (die zuvor wohl aus dem Betrieb des Schülervaters in die Schule transportiert und dort unbemerkt deponiert worden sein müsste) über einen längeren Zeitraum (wohl viele Tage bis Wochen) ebenfalls unbemerkt in der Schulwerkstatt zusammengebaut und ausgerüstet und dann - ohne dass dies jemand mitbekommen hätte - aus der Schulwerkstatt an den Ort der Vergrabung transportiert worden sein.
Als bestärkendes weiteres "Indiz" dient die Information, der Unternehmer aka Vater eines der beiden verdächtigten Schüler sei ein "Strauß Spezi" gewesen, was natürlich den Verdacht auf Vertuschung eines Tötungsdelikts und die Verurteilung eines Unschuldigen förmlich aufdrängt.

Es sind solche, für mich unplausible und mit verschwörungstheoretischen Versatzstücken armierte, Konstruktionen, die mich irritieren und dazu bringen, ein paar meiner Gedanken hierzu zum besten zu geben.

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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

18.10.2019 um 09:48
Zitat von trailhamstertrailhamster schrieb:Das ist erstmal eine reine Annahme. Etwas anderes wäre es, wenn ein zweites, qualifiziertes Gutachten erstellt werden würde, das diese Annahme offiziell gutachterlich bestätigt. Dies wurde und wird nicht angestrengt, warum?
Im Zivilverfahren haben das beide Parteien beantragt. Das Gericht hat sich über diese Anträge hinweg gesetzt und die Gutachterin zur Erläuterung ihres Gutachtens eingeladen.

Bei einer "Erläuterung" blieb es eigentlich nicht, vielmehr gab sie die wesentlichen Kritikpunkte an ihrem Gutachten auch zu, welche sie diese in ihrem urspünglichen Gutachten mit keinem Wort in die notwendigen Erwägung einzogen hatte. Die wesentlichen Punkte sind hier schon zig-mal behandelt worden, die meisten haben es auch als Laie offenbar verstanden. Sie hätte in Wirklichkeit unter den zugegeben Gesichtspunkten erneut ihre Hausarbeit machen müssen und ganz gezielt die Wahrscheinlichkeitsbetrachtung unter den zugegeben physikalischen Effekten erneut begründen müssen. Diese Hausaufgabe hat sie - aus welchem Grund auch immer - unterlassen. Daher ist das Gutachten in Wirklichkeit nur noch reine Makulatur, da nun der wesentlichste Teile des Gutachten fehlt.

Es war auch daher kein Winder, dass das Gutachterbüro so schnell eine sehr klare Aussage @2r2n gegeben hat, normalerweise geben solche Büros im Vorfeld nicht so schnell eine solch klare Antwort:
"Ich halte die sichere Beantwortung der Frage, ob das Gerät ein Tatmittel war zudem tatsächlich für nahezu nicht zu beantworten. Die Anzahl der unbekannten Einflüsse und Variablen ist schlicht zu hoch."
Diese Antwort war von vornherein vorhersehbar.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

18.10.2019 um 09:49
Hat sich eigentlich jemals ein Profiler mit dem Fall beschäftigt? Nach allem was hier bis jetzt andiskutiert und angedacht wurde hielte ich das für eine äusserst sinnvolle Massnahme. Denn letztendlich dürfte es bei diesem Fall, in dem auf Grund von Indizien verurteilt wurde, die Gesamtschau das Bild machen. Wenn es so sein sollte, dass Lebensumstände und Persönlichkeit des Täter in die Tatvorbereitung und die Tatausführung einfliessen, dann würde mich vor allem der Bereich interessieren in dem es um die Lösegeldübergabe ging, aber auch die Begutachtung und Einschätzung alle anderen Aspekte durch eine geschulten Profiler wären in dieser Hinsicht wahrscheinlich hilfreich und zielführend.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

18.10.2019 um 10:02
Zitat von trailhamstertrailhamster schrieb:Es sind solche, für mich unplausible und mit verschwörungstheoretischen Versatzstücken armierte, Konstruktionen, die mich irritieren und dazu bringen, ein paar meiner Gedanken hierzu zum besten zu geben.
Da würde ich dir recht geben. Verschwörungstheorien wollen wir hier nicht. Eine sachkundige Diskussion ist für alle Beteiligten gewinnbringend. Es wurde vorgeschlagen, über die Indizien zu diskutieren, die Mazurek ins Gefängnis brachten.
Dazu habe ich ein paar Punkte genannt. Und eine Antwort darauf wäre jetzt passend.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

18.10.2019 um 11:04
Zitat von 2r2n2r2n schrieb:Es wurde vorgeschlagen, über die Indizien zu diskutieren, die Mazurek ins Gefängnis brachten.
Dazu habe ich ein paar Punkte genannt. Und eine Antwort darauf wäre jetzt passend.

Ich stecke noch nicht so drin, dass ich hier Indizienhopping mitmachen könnte. Dazu kann ich leider nichts sagen.
Ich würde thematisch gern beim Anstrich der Kiste bleiben. Da sehe ich auch, wenn überhaupt, die einzige Möglichkeit, real ohne Hilfe der Ermittlungsbehörden vielleicht noch mal etwas herausfinden zu können.
Es gibt hier ja auch einige recherchebegeisterte Teilnehmer.

Daher zu dem Thema:
Göser vom LKA hat 1983 eine Stellungnahme abgegeben, korrekt?
Er hat beschrieben, welche Anstriche und Lacke verwendet wurden und da auch schon die Einzigartigkeit festgestellt?
Worin bestand seiner Beschreibung nach genau die Einzigartigkeit?

Soweit ich bisher herauslesen konnte:
-ausländische Kieselgur im Bitumen
-Silberbronze (warum genau?)
Noch mehr?

Danach wurden dann 1700 Firmen überprüft.
Nur deutsche Firmen?
Welcher Art waren die Firmen?
Was genau wurde erfragt? Hast du das Anschreiben dazu vorliegen?

Das Gutachten, aus dem @robernd zitiert hat, ist dann aber scheinbar noch ein anderes - erwähnt wurde das Prüfamt für bituminöse Baustoffe und Kunststoffe der Technischen Universität München. Stammt es von dort?

Zu welchem Ergebnis sind die Gutachter gekommen?
Wie viele verschiedene Produkte wurden beim Kisten- bzw. Abdeckhaubenanstrich verwendet?
Wie alt war der Anstrich, sofern man dies feststellen konnte?
Wurden für einige Lacke auch die entsprechenden Hersteller ausfindig gemacht? Oder für gar keinen? Konnte man hier evtl. das Alter des jeweiligen Anstrichs unterscheiden?
Welcher Anstrich befand sich genau wo und wurde wie aufgetragen?
Hatte keiner der gehörten Experten die Idee, dass es sich um ausländische Erzeugnisse handeln könnte?
Könntest du zur Kieselgur die entsprechenden Passagen einstellen? Wurde sie chemisch analysiert?
Vielleicht kann man das genaue Abbaugebiet der Kieselgur und sogar das Werk noch herausfinden? Was sagt Göser dazu, hält er das für möglich?


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

18.10.2019 um 11:18
Zitat von 2r2n2r2n schrieb:Das hab ich von 2008 bis 2010 versucht. Ist mir nicht gelungen. Abgesehen vom TK 248 Fiasko und der Pfaffinger-Neubewertung spricht vor allem gegen eine Aufklärung:
- Unbedingt notwendige Kenntnis des Weingartengebiets
- Unbedingt notwendige Mittäter
Ist alles bei Mazurek nicht vorhanden.
Zitat von 2r2n2r2n schrieb:Zu den lückenhaften Indizien möchte ich noch einmal sagen, dass nur folgende Menschen für die Tatplanung und -durchführung in frage kommen:
- Menschen, die sich bestens im Weingarten auskennen
- Leute, die ohne aufzufallen, dort gesehen werden können
- Ein Verbund von Konspiranten, also keine Einzelperson
- Personen mit einer Abenteuer-Motivation und Zeit
- Menschen mit einer eingeschränkten Mobilität
Ich denke, dass nicht alles o.g. "unbedingt" ist und die Täter genau so zwingend charakterisiert.

Wie hätte z.B. Herr Mazurek die Tat planen und begehen können?

Er war Anwohner, daher könnte er die räumliche Nähe genutzt haben um weiter seinen privaten und geschäftlichen Aktivitäten nachgehen zu können ohne groß aufzufallen, sobald er Aktionen im Zusammenhang mit dem Verbrechen durchfürt.

Als Anwohner könnte er dahe auch in Ruhe über längere Zeit den Weingarten erkundet- und sich Wege und den Vegrabungsort erschlossen haben.

Der Klingeldraht läßt auf mindestens einen Komplizen schließen. Interessant ist auch die weibliche DNA unter der Briefmarke eines Erpresserbriefes und die weibliche Person, die das Telegramm aufgegeben hat.
Nur weil diese im Umfeld von Herrn Mazurek nicht ermittelt wurden, kann es sie aber doch geben.

Ich glaube ja, dass die Farben an der Kiste aus dem Bereich "Bootsbedarf" stammen könnten. Es gibt spezielle Bitumenmischungen und Überstreichfarben hergestellt für genau diesen Zweeck. Daher noch einmal die Frage an @2r2n und @robernd: wurde in den Akten explizit in Erwägung gezogen, dass die Farben auch aus einem solchen Umfeld stammen können oder wurde das gar nicht erwähnt?


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

18.10.2019 um 11:22
Zitat von 2r2n2r2n schrieb:Da würde ich dir recht geben. Verschwörungstheorien wollen wir hier nicht.
Die Strauß-Bezüge haben sich die Medien ausgedacht?
Zitat von 2r2n2r2n schrieb:Das hab ich von 2008 bis 2010 versucht. Ist mir nicht gelungen. Abgesehen vom TK 248 Fiasko und der Pfaffinger-Neubewertung spricht vor allem gegen eine Aufklärung:
- Unbedingt notwendige Kenntnis des Weingartengebiets
- Unbedingt notwendige Mittäter
Tonband: Das Tonband-Gutachten ist bislang von keinem offiziellen Gutachter widerlegt und der Verurteilte kann nicht belegen, dass es erst nach der Tat in seinen Besitz gekommen ist, wie er behauptet. Für entsprechende Behauptungen gibt es nicht nur keine Zeugen, sondern sogar Aussagen die sie aktiv bestreiten.

Pfaffinger: Die Bewertung der Pfaffingeraussagen sind umstritten, aber nicht widerlegt. Die Angabe, er sei ein absolut unglaubwürdiges, schwer alkoholkrankes Irrlicht gewesen, wird durchaus von einigen bestritten.

Kenntnis des Tatgebietes: Der Verurteilte lebte jahrelang in der Gegend, wieso sollte er sich nicht ausgekannt haben? Es handelt sich ja um kein 100 000 Hektar Gebiet. Man kann auch mit dem Auto durch den Wald queren und abends relativ sicher die Kiste aus einem Auto in den Wald verbringen. Der Vergrabungsort sowie der eigentliche Tatort sind so gewählt, dass man nicht jeden Fuchsbau dort kennen muss.

Mittäter: zwei sehr gut in Frage kommende Mittäter sind tot und hatten - korrigiere mich, wenn ich falsch liege - für den Tattag kein Alibi. Einer davon hielt sich mit seinem Auto hochfrequent und legitimiert in und an dem Waldgebiet auf.

Mich würde interessieren, mit wem der Verurteilte die Gespräche über die Verjährungsfristen geführt hatte.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

18.10.2019 um 11:28
Zitat von JosephConradJosephConrad schrieb:wurde in den Akten explizit in Erwägung gezogen, dass die Farben auch aus einem solchen Umfeld stammen können oder wurde das gar nicht erwähnt?
In dem veröffentlichten Gutachtenfragment fehlt leider der erste Teil der Aussage. Veröffentlicht wird nur der offensichtlich folgende Teil, wonach "ZUDEM" (zuvor angegebenen Einsatzbereichen) die Verbindung in Dachdeckerbetrieben sowie Straßenmarkierungsunternehmen Gebrauch findet.

Die besagten Bitumen/Aluminiumbronze sowie Silberbronze-Verbindungen sind meines Wissens durchaus häufiger Bestandteil von Unterwasserlacken im Rahmen der Schiffsbearbeitung.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

18.10.2019 um 11:39
Zitat von trailhamstertrailhamster schrieb:In dem veröffentlichten Gutachtenfragment fehlt leider der erste Teil der Aussage. Veröffentlicht wird nur der offensichtlich folgende Teil, wonach "ZUDEM" (zuvor angegebenen Einsatzbereichen) die Verbindung in Dachdeckerbetrieben sowie Straßenmarkierungsunternehmen Gebrauch findet.

Die besagten Bitumen/Aluminiumbronze sowie Silberbronze-Verbindungen sind meines Wissens durchaus häufiger Bestandteil von Unterwasserlacken im Rahmen der Schiffsbearbeitung.
Das sehe ich ja selbst und habe daher bei denjenigen nachgefragt, die Aktenkenntnis haben.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

18.10.2019 um 11:45
Zitat von trailhamstertrailhamster schrieb:Die Strauß-Bezüge haben sich die Medien ausgedacht?
Halte Vermutungen in diese Richtung in der Tat nicht zielführend - auch wenn Polizei und Justiz in Bayern in den 1980er Jahren stark auf die politischen Vorgaben der Staatskanzlei fixiert waren und diese exekutierten (siehe WAA usw.). Auch die Thesen von Herrn MR a.D. Schlötterer in seinem Buch halte ich für nicht abwegig (mündliche Äußerungen dagegen schon). Ohne einen echten Beweis dazu in der Hand zu haben bleibt es aber eine Verschwörungstheorie - ohne konstruktiven Ansatz.

Etwas tatnäher ist die These, Spuren führten in das in der Nähe gelegene Internat. Das gibt es Anhaltspunkte, über die zwar diskutiert werden kann (Stochastik), im Ergebnis sind es denkbare Möglichkeiten, etwas mehr als Vermutungen. Aber für einen Verdacht reicht das nicht.
Zitat von JosefK1914-2JosefK1914-2 schrieb:Mit einem solchen Fall ist die Rechtssprechung in Wirklichkeit überfordert. Die geht von einem Ideal aus, dass durch Fragetechnik etc. ein Gericht so etwas erkennt. Fakt ist: Es hat es nicht erkannt, obgleich es genügend Hinweise im Verfahren selber gab.
Überfordert? Muss nicht sein. Wir hatten hier vor einigen Seiten lang und breit über die Möglichkeiten richterlicher Gutachtenkontrolle diskutiert. Ich bin der Auffassung, auch ohne Physikstudium hätte ein Richter einige grundlegend kritische Fragen an die Gutachterin stellen müssen. Nämlich: 1. Ist die Aufgabe unter den gegebenen Umständen (Zahl der eingesetzten Übertragungswege, Alter und Veränderbarkeit der Beweismittel) überhaupt erfüllbar? 2. Lässt sie sich mit den angewandten Mittel und Methoden (visuelle Vergleiche von Oszilogrammen) erfüllen?
Es sind eher im konkreten Fall die Scheuklappen denn die Grundkonstruktion unserer Justiz. Die Fragwürdigkeit bzw. Untauglichkeit des Gutachtens hätte sich aufgrund alltäglichen technischen Wissens (auch im Digitalzeitalter) ergeben müssen. Zumindest wäre mehr Problembewusstsein angeraten gewesen.
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Mal schauen, so lange wir nicht wieder in eine Diskussion geraten, in der ein Wiederaufnahmeverfahren gewissermassen als Majestätsbeleidigung der allwissenden und unfehlbaren Justiz erscheint :)
Zitat von AndanteAndante schrieb:Wenn hier die Seite der Unterstützungsgruppe des Justizopfers Mazurek ist, sind Andersmeinige natürlich per se unwillkommen. Da hier aber allmy ist, sind Andersmeinige zugelassen. Das bedarf also keiner Diskussion mehr.
Richtig. Das ist der Rahmen einer Diskussion. Man kann sie im Übrigen auch gut führen, wenn man keine Überzeugung von der Schuld oder Unschuld des Verurteilten hat.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

18.10.2019 um 11:48
Zitat von monstramonstra schrieb:Richtig. Das ist der Rahmen einer Diskussion. Man kann sie im Übrigen auch gut führen, wenn man keine Überzeugung von der Schuld oder Unschuld des Verurteilten hat.
... oder selbst dann, wenn man von Schuld oder Unschuld überzeugt ist.


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18.10.2019 um 11:55
Zitat von 2r2n2r2n schrieb:Zu den lückenhaften Indizien möchte ich noch einmal sagen, dass nur folgende Menschen für die Tatplanung und -durchführung in frage kommen:
- Menschen, die sich bestens im Weingarten auskennen
- Leute, die ohne aufzufallen, dort gesehen werden können
- Ein Verbund von Konspiranten, also keine Einzelperson
- Personen mit einer Abenteuer-Motivation und Zeit
- Menschen mit einer eingeschränkten Mobilität
Den vorletzten Punkt sehe ich nicht in diesem Sinne als Vorbedingung an. Für die Tat kommen durchaus auch Personen ohne Abenteuer-Motivation in Frage. Es kann sich auch um Personen handeln, die in Geldnot sind und qua Lösegelderpressung diesen Zustand beseitigen wollen. Letzteres dürfte die Hauptmotivation aller Entführungen mit Lösegelderpressung sein, andere Motive sind eher atypisch.

Den letzten Punkt verstehe ich nicht ganz. Was meinst du damit? Ein Fahrzeug als Transportmittel für die Kiste war doch unabdingbar, mit dem Fahrzeug also Mobilität grundsätzlich vorhanden. Mobilität - und freie Zeit zur Verfügung - ergibt sich auch aus den Orten der Aufgabe der Erpresserbriefe.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

18.10.2019 um 12:14
Zitat von monstramonstra schrieb:Überfordert? Muss nicht sein. Wir hatten hier vor einigen Seiten lang und breit über die Möglichkeiten richterlicher Gutachtenkontrolle diskutiert. Ich bin der Auffassung, auch ohne Physikstudium hätte ein Richter einige grundlegend kritische Fragen an die Gutachterin stellen müssen. Nämlich: 1. Ist die Aufgabe unter den gegebenen Umständen (Zahl der eingesetzten Übertragungswege, Alter und Veränderbarkeit der Beweismittel) überhaupt erfüllbar? 2. Lässt sie sich mit den angewandten Mittel und Methoden (visuelle Vergleiche von Oszilogrammen) erfüllen?
Überfordert schon, wenn sie nicht in der Lage ist, solche offensichtlichen Fehler im nachhinein zu korrigieren.

@2r2n hat bisher alle Hebel in die Wege gesetzt, mit unserem bekannten "Erfolg".

Wenn die Justiz nicht solche offensichtlichen Fehler korrigieren kann, ist sie aus meiner Sicht mit dieser Problematik überfordert. Vielleicht habe ich mich da etwas falsch ausgedrückt. Eine Justiz muss auch in der Lage sein, Urteile, welche durch Scheuklappenblick zustande kamen, zu korrigieren. Da der BGH nicht auf materieller Richtigkeit prüft, fehlt im Instanzenweg hier eine Stelle, die solche Scheuklappendenken bemerkt.

Ich denke "Scheuklappenblick" dürften in der Justiz nicht ganz selten sein, ein kürzlich diskutierter Fall, bei dem aktuell ein WAA eingereicht wurde, scheint einen ähnlichen Hintergrund zu besitzen.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

18.10.2019 um 12:22
Zitat von JosephConradJosephConrad schrieb:Ich glaube ja, dass die Farben an der Kiste aus dem Bereich "Bootsbedarf" stammen könnten. Es gibt spezielle Bitumenmischungen und Überstreichfarben hergestellt für genau diesen Zweeck. Daher noch einmal die Frage an @2r2n und @robernd: wurde in den Akten explizit in Erwägung gezogen, dass die Farben auch aus einem solchen Umfeld stammen können oder wurde das gar nicht erwähnt?
Stimmt, das ist eine interessante Frage. Mich würde auch mal interessieren, aus welchem räumlichen Umkreis die 1700 befragten Firmen (zu was genau die befragt wurden, ist auch noch unklar, wie @Seps13 schon angemerkt hat) stammen. Die können ja nicht alle nur im Landkreis Landsberg am Lech ansässig gewesen sein.


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18.10.2019 um 13:25
Wenn ich mich nach meinem bisherigen Wissensstand selbst befrage wer als Täter in Frage kommt, so ist für mich Herr Mazurek immer noch heißer Kandidat. Aber auch andere Täter kommen für mich in Frage:

Die Spur in das LEH finde ich spanned, insbesondere mit dem politischen Bezug der Akteure und den von @2r2n gesammelten Informationen.
Bauchweh habe ich hier wegen:

1. Es sind im Weingarten viele Schüler unterwegs, im LEH und den Werkstätten auch noch Lehrer, Putzleute, Hausmeister, etc. Wie kann dann eine kleine Gruppe alles unbemerkt planen, herstellen und ausführen ohne irgendwie aufzufallen?

2. Wäre es den Jugentlichen gerade auch während der Ferien möglich gewesen, dort zu agieren?

3. Man benötigt eigentlich ein größeres Fahrzeug für den Transport der Kiste und jemanden, der es fahren kann.

4. Was war mit dem Telegramm der weiblichen Person?

Außerdem ist für mich auch noch Harald W. als Jäger ein Kandidat, insbesondere, da sein Fahrzeug am Tattag in der Nähe gesichtet wurde. Leider gibt es aber über ihn hier nur wenig Erkenntnisse aus den Akten.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

18.10.2019 um 13:29
Zitat von JosefK1914-2JosefK1914-2 schrieb:Überfordert schon, wenn sie nicht in der Lage ist, solche offensichtlichen Fehler im nachhinein zu korrigieren.
Hm. Mal angenommen, es ist ein offensichtlicher Fehler (so offensichtlich ist ein Gutachtenfehler zumeist nicht, @robernd hat viele 1000 Zeilen damit zugebracht, andere davon zu überzeugen):

Ist es eine Überforderung, wenn die gesetzlichen Rahmbedingungen nun mal so sind wie sie sind? Ist es eine Überforderung, wenn ein Gericht erkennen könnte - aber nicht erkennen will, weil es ein rechtskräftiges Strafurteil nicht in Frage stellen, sondern als bereits entschiedene Vorfrage anerkennen will?


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18.10.2019 um 13:40
Zitat von trailhamstertrailhamster schrieb:Ob aber im vorliegenden Fall fehlende Befriedung ursächlich mit einer Fehlverurteilung zusammenhängt, kann und darf man zumindest bezweifeln
Diese Zweifel kann ich leicht ausräumen:

https://mobil.stern.de/panorama/stern-crime/fall-ursula-herrmann--die-zweifel-des-bruders-6339478.html

Der Artikel steht übrigens auch im threadeigenen wiki.
Zitat von trailhamstertrailhamster schrieb:Zumal die Überzeugung,der Verurteilte sei auch der Täter, nicht gerade eine Minderheitsüberzeugung ist
Nicht bei denen die sich intensiver mit der Problematik des Falls befasst haben.
Zitat von JosefK1914-2JosefK1914-2 schrieb:Überfordert schon, wenn sie nicht in der Lage ist, solche offensichtlichen Fehler im nachhinein zu korrigieren
Überfordert deshalb, weil die höherinstanzlichen Kontrollmechanismen eine Besonderheit vorsehen: Revisionsinstanz gegen Urteile 1. Instanz ist nicht das OLG sondern der BGH. Und der prüft nicht umfassend, sondern "nur" auf formellrechtliche Fehler, Widersprüche usw. Materielle Fehler, die im Ermittlungsverfahren begangen wurden und das LG überlebt haben, weil sie nicht offenkundig genug sind bleiben ohne Sanktion, wenn das Urteil "revisionsfest" formuliert ist.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

18.10.2019 um 13:45
Zitat von Seps13Seps13 schrieb:Göser vom LKA hat 1983 eine Stellungnahme abgegeben, korrekt?
Er hat beschrieben, welche Anstriche und Lacke verwendet wurden und da auch schon die Einzigartigkeit festgestellt?
Er hat ein halbes Jahr nichts anderes gemacht als zu forschen, Gutachten zu erstellen und dabei sowohl die Einzigartigkeit von Bitumen und Silberbronze herauszustellen als auch die Kombination dieser beiden Beschichtungen als sehr speziell zu beschreiben.
Ich muss jetzt mal sehen, welche Ergebnisse ich genau hier präsentieren kann, damit sie eine zusammenfassende Wirkung haben, denn es ist ziemlich viel, was darüber in den Akten steht...
Dazu brauche ich ein wenig Zeit.
Zitat von JosephConradJosephConrad schrieb:ch glaube ja, dass die Farben an der Kiste aus dem Bereich "Bootsbedarf" stammen könnten.
Auch hierüber will ich die Akten durchsuchen.
Zitat von trailhamstertrailhamster schrieb:Die Strauß-Bezüge haben sich die Medien ausgedacht?
Die Journalistin, die das als erstes im März diesen Jahres explizit zur Sprache brachte, war eine, die schon seit den 90er Jahren an dem Fall dran ist und 2005 die Aussage von Markus Epha zur Tatbeteiligung von Landheimschülern in der Münchner Abendzeitung veröffentlichte.
Zitat von trailhamstertrailhamster schrieb:Einer davon hielt sich mit seinem Auto hochfrequent und legitimiert in und an dem Waldgebiet auf.
Du meinst Harald W., der kannte Mazurek jedoch nicht. Er kam erst 1984 in Verdacht.
Zitat von trailhamstertrailhamster schrieb:Mich würde interessieren, mit wem der Verurteilte die Gespräche über die Verjährungsfristen geführt hatte.
Das war Dieter J, den ihn 1981 unwissentlich belastete. Zum einen, weil darauf hinwies, dass Mazurek ein Fernglas besaß, zum anderen, weil er der Kripo mitteilte, dass Mazurek in der Vergangenheit immer wieder mal den Polizeifunk abgehört hat. So etwas tun Konspiranten nicht.
Zitat von AndanteAndante schrieb:Den letzten Punkt verstehe ich nicht ganz. Was meinst du damit? Ein Fahrzeug als Transportmittel für die Kiste war doch unabdingbar, mit dem Fahrzeug also Mobilität grundsätzlich vorhanden. Mobilität - und freie Zeit zur Verfügung - ergibt sich auch aus den Orten der Aufgabe der Erpresserbriefe.
Es gibt so gut wie keine Entführungsfälle, in denen das Opfer im Nahbereich der Entführung untergebracht wird. Das machen nur Leute, die darauf angewiesen sind, dass sie ein Auto nur in Ausnahmefällen benutzen und sonst zu Fuß agieren. Der zu spät eingeworfene erste Erpresserbrief bestätigt diese Annahme.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

18.10.2019 um 13:48
Und was ich noch interessant fand, war die u.g. Zeugenaussage, egal ob das Tonband bei der Tat wirklich verwendet wurde oder nicht. Anscheinend hatte Herr Mazurek die Verkehrsfunkkennung seinerzeit auf Tonband aufgenommen und dann über UKW gesendet. Das war mMn. ausgerechnet die Melodie bei der späteren Tat. Da wäre die genaue Aussage aus den Akten interessant ...
Dagegen gab es gestern weitere Hinweise, dass das Tonbandgerät schon vor Ursulas Entführung im Besitz des Angeklagten war. Der Bruder der Zeugin hat bei der Polizei ausgesagt, er habe als Jugendlicher Anfang der 70er Jahre mit Werner M. mit einem Tonbandgerät experimentiert. M. habe ihm mit einem UKW-Störsender und dem Gerät Manipulationen am Radio-Verkehrsfunk vorgeführt. Das Tonbandgerät habe er jetzt auf einem Foto in der Zeitung wiedererkannt, heißt es im polizeilichen Vernehmungsprotokoll. Der Zeuge ist im Frühjahr gestorben.
https://www.augsburger-allgemeine.de/bayern/Fall-Ursula-Es-wird-eng-fuer-Werner-M-id6847756.html
Der regionale Verkehrsfunk wurde in Deutschland Anfang der 1970er Jahre geschaffen. Vorreiter war der Bayerische Rundfunk mit dem ab 1. April 1971 als Servicewelle gestarteten Programm Bayern 3. ...
Wikipedia: Verkehrsfunk

Am 1. April 1971 ertönt das vertraute Motiv plötzlich in einer Version, die so klingt, als habe man den "Alten Peter" auf Speed gesetzt. Radio BAYERN 3 geht an diesem Tag erstmals auf Sendung, das eher behäbige Pausenzeichen wird zum pfiffigen Signalton von Deutschlands erster Servicewelle speziell für Autofahrer. Die Idee dazu hatte Josef Othmar Zöller, der Gründervater von BAYERN 3: "Die Service-Information wird akustisch hervorgehoben durch einen besonderen Signalton, der von den Technikerinnen bereits nach ein paar Tagen liebevoll ‚Sigi‘ genannt wurde: Das Tatütatütatata – eine zum Signalzweck arrangierte Verfremdung der Alten-Peter-Melodie".
https://www.br.de/unternehmen/inhalt/organisation/bayern-3-verkehrsmelodie-sigi-v2-100.html


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

18.10.2019 um 14:05
Zitat von 2r2n2r2n schrieb:Es gibt so gut wie keine Entführungsfälle, in denen das Opfer im Nahbereich der Entführung untergebracht wird. Das machen nur Leute, die darauf angewiesen sind, dass sie ein Auto nur in Ausnahmefällen benutzen und sonst zu Fuß agieren.
Nicht unbedingt. Wenn die Entführer schlicht keine Möglichkeit hatten, das Opfer irgendwo in Räumen unterzubringen, wo sie den Zutritt kontrollieren konnten (verlassene Gebäude, Keller, Ruinen, Gartenhäuschen, Scheunen), kamen sie dann notgedrungen auf andere Ideen, wo das Opfer unbemerkt gelassen werden kann, bis das Lösegeld da ist.

Dass den Entführern hier ein Auto nur in besonderen Fällen zur Verfügung gestanden haben soll, ist jedenfalls keine sich zwangsläufig ergebende Schlussfolgerung.


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