Das rätselhafte Verschwinden von Kris Kremers & Lisanne Froon
um 00:28
Sorry, dass ich mich nochmal einklinke. Habe Scarlets Blog rauf und runter angeschaut. Also ich kann ehrlichgesagt nicht nachvollziehen, wie man die Haare für frisch hält. Ich sehe da mehrere Bereiche, die ich für verfilzt halten würde. Es sind keine groben Verschmutzungen drin und kein Blut, da stimme ich zu. Mehr dazu gleich.
Ohne allzusehr ins Detail gehen zu wollen, ich habe vor einigen Jahren mal jemanden gefunden, der seit 4 Monaten im Freien lag. Die Haare sahen noch am Besten aus, neben der Goretex-Jacke und der Uhr. Diese Person war in den ersten Tagen mit einem Riesenaufgebot gesucht worden, inkl. Hubschrauberüberflüge mit Wärmekamera, weil es um WEihnachten herum war, entsprechend kalt und man ihn zügig finden wollte. Das Auto stand 2 km weiter auf einem Wanderparkplatz. In den nächsten Wochen wollte man mit Polizeitauchern einige Seen in der Umgebung absuchen und tw. ablassen. Die Person lag 5 m neben einem mehrfach am Tag befahrenen Weg, wenn auch hinter einer Hecke, freie Sicht zum Himmel. Warum hat man da nicht gesucht? Weil der Hubschrauber ja drübergeflogen war. Und weil die Person in einem Bereich lag, der hinter einer Schranke war mit einem Schild dran "Zutritt für Unbefugte verboten". Ich hatte an dem Abend eine Fototour vor und habe das Suchplakat gesehen, es hing am Eingang dieses Gebietes. Ich dachte dann: ich gehe mal hoch auf den nächsten Hügel, 50 m hinter dem Schild, vielleicht sehe ich was. Und da lag er, von oben gut zu erkennen. Glück, Schicksal, Vorsehung, Ahnung - keine Ahnung. Ähnliche Geschichte paar Jahre später der Presse entnommen: Junger Pädagoge will Wandertour vorbereiten, kommt nicht nach Hause zurück, wird längere Zeit nicht gefunden, dann von einem Jäger. Lag 300 m neben Bundesstraße in freiem Feld, wohl umgeknickt und nachts dann zu Tode gekommen. Und Allmy ist nun wirklich voll von Fällen, wo man wohl nur wenige Meter beim Suchen an jemandem vorbeigelaufen ist. Vielleicht im Unfallmechanismus ja nicht ganz unähnlich: die Studentin T. G. aus Trier, über Jahre hier rauf und runter diskutierter Thread. Und das alles in Gegenden, wo eine Dutzend Meter weiter volle Zivilisation war.
Ich geb seitdem wenig auf dieses "da brauchen wir nicht zu gucken, da haben wir schon geguckt bzw. ist ein Hubschrauber drüber, da hätten wir ihn gesehen, da wird er nicht hin sein, an der Stelle kann eigentlich nix passieren, das wäre unlogisch". Wenn Menschen verloren gehen und Menschen suchen, dann passieren eben Fehler, vermutlich erst bei den einen, dann ggf. bei den anderen. Suchressourcen sind begrenzt und in so einem Gebiet gehört unglaublich viel Glück dazu - wenn man sich überlegt, wie lange man hier irgendwo mitten in Europa liegen kann, und da muss nichtmal ein Verbrechen dahinterstecken.
Ich bin mit einigen sehr intelligenten Menschen wandern gewesen und erstaunlich viele wissen nach kurzer Strecke nicht mehr, in welcher Richtung sie unterwegs sind, wie lange sie schon unterwegs sind, können ihre Verfassung, Kondition, eine Entfernung nicht einschätzen usw. usf., Karte, Kompass, nicht dabei oder man wüsste nicht damit umzugehen. Kein Plan B - weil man ja eh am späten Nachmittag zurück sein wollte. Die beiden sind in einem Vorbereitungszustand los, in dem in wahrscheinlich 9999 von 10000 Fällen nix passiert. Wie oft bekommt man Warnungen, hört nicht auf sie, und alles geht gut aus. Es hätte mir auch passieren können, ich zweifele überhaupt nicht daran. Ist ja noch bißchen Zeit, der Weg sieht machbar aus, da hinten nochmal gucken, etc. Ich wäre auch in dieser Situation davon ausgegangen, wenn ich keinen Empfang habe, brauche ich bei googlemaps nicht zu schauen, die Karte kommt ja frisch aus dem Netz.
Wenn man sich die ersten drei Nachtbilder anschaut, dann finde ich, kann man eine gute Vorstellung haben, wie das geendet ist, und das macht einen sehr, sehr traurig um die beiden. Der Blick geht m.E. nach oben, einen steilen Abhang hoch, es nieselt oder es regnet. Ich vermute, dass Lisanne immobil wohl auf dem Rücken lag oder angelehnt und dieses Foto mehr über Kopf gemacht hat. Alle Fotos sind praktisch vom gleichen Standpunkt aus. Man kann sich genug medizinische Gründe vorstellen, warum das so ist, Beine gebrochen, Becken gebrochen, Querschnitt, Rippen gebrochen, Pneumothorax etc. Auch die nur phasenweise Aktivität kann man sich erklären. Commotio, Delir, zunehmender Schockzustand, Infektion bei ggf. offenen Frakturen, auch ein Subduralhämatom kann sich über Tage zunehmend hinschleppen, wenn es nur eine kleine Blutung ist. Mit solchen Verletzungen ist man nicht tagelang hellwach und aufmerksam, wenn man Pech hat, gehen 100 m weiter Leute vorbei und die bemerken einen nicht und umgekehrt döst man gerade vor sich hin oder man würde gerne schreien, aber das Lungenvolumen reicht überhaupt nicht mehr.
Das nächste Bild, das zweite in der Nacht, ist am logischsten damit zu erklären, dass ihr in dieser Position die Kamera nach hinten aus der Hand rutschte und sie über eine Minute brauchte, um sie wiederzufinden. Beim Hochnehmen löst sie versehentlich aus, das ist die Wange von hinten, dann geht der Knippsmarathon mehr oder weniger gezielt weiter. Kim liegt praktisch direkt vor ihr. Von der Perspektive der Kamera, nichtmal Armeslänge entfernt. Ich persönlich glaube, aber hier muss jeder zu einer eigenen Einschätzung kommen, dass sie sehr lange so immobil da gelegen haben, und Kim entweder zu diesem Zeitpunkt schon tot, oder auch gerade verstorben war oder eben just im Sterben lag. Vielleicht ist Lisanne beim Nachrutschen, Nachklettern oder wie auch immer zusätzlich noch sehr unglücklich auf sie draufgefallen. Ich glaube schon, dass man in so einer Situation, irgendwann in diesen Tagen, wenn man klare Momente hat, der Freundin Blätter aus den Haaren holt, als einen der letzten Dienste, die man sich erweisen kann.
Wan man sich die Bilder auf dem Mirador anschaut, dann sieht Kim schon irgendwie erschöpfter und zunehmend lustloser aus. Deutlicher wird das am letzten normalen Bild, wo sie auf dem Stein steht und zurückschaut. Da kann man evtl. auch soetwas wie Angst erkennen, Unsicherheit. Anscheinend ist auch schonmal ausgerutscht, die Hose ist ja hinten verschmutzt, gut möglich, dass man da schon die Handies wieder in den Rucksack gesteckt hatte, noch brauchte man sie nicht, und bevor man sie zerstört bei einem erneuten Ausrutschen und auf dem Po landet. Lisanne war da gerade noch so in Knippserlaune. Ab da nahm das Verhängnis seinen Lauf.
Mit den Signalelementen, dem Tütenast, dem Pringles-Hohlspiegel, vielleicht war das gar nicht nur für Hubschrauber gedacht. Erstens finde ich die Idee gar nicht so schlecht, hier haben sie versucht, jede kleine Chance zu nutzen. Zweitens haben viele sowieso unklare Vorstellungen, was man von einem Helikopter aus sieht, wenn man über einen Wald fliegt. Aber trotzdem, mit dem was man hatte, gut improvisiert, und die Nachfotos dokumentieren ja meiner Meinung nach einen zumindest teilweise freien Blick nach oben. Vielleicht war das aber tatsächliche eine Stelle, wo sie eine Zeitlang damit rechneten, dass man sie von etwas weiter oben sehen kann, man selbst liegt unter einem Abhang, wenigstens ein bißchen von den Elemten geschützt und ist nur wenige Meter mobil, man baut aber diese Konstrukte an ggf. besser einsehbarer Stelle auf.
Ich persönlich glaube, dass man sich das ohne Zutun anderer vorstellen kann. Aber die Geschichte hat schon auch so viele weitere merkwürdige Momente, dass man sich auch andere Szenarien gut vorstellen kann. Mich wundert es natürlich auch, dass man die Medien nicht eine Nachricht genutzt hat. Aber ich befürchte, da waren nicht mehr viele Momente, in den ruhiges Nachdenken und überlegtes Handeln möglich waren.
Sorry für den Senf nochmal...