Doppelmord in Herne: Täter Marcel H. in Haft

Ich habe nochmal über die Unterschiede zwischen ausgrenzen und mobben nachgedacht, bzw. wie man das definieren kann. Hier meine Gedanken dazu:

Ausgrenzen:
Aktiv jemanden nicht in eine Gruppe aufnehmen, ihn bei Unterhaltungen und Aktivitäten nicht dabei haben wollen, weil der Ausgegrenzte in der Regel Eingenschaften hat, die in einer Gruppe alle oder Einzelne stören. Beim Sport z.B. kenne ich es aus Schulzeiten so, dass unsportliche Mitschüler bis zum Schluss stehen blieben, wenn Mannschaften gewählt wurden - sehr demütigend, aber oft nur begrenzt auf eben diesen Sportbereich. Dann z.B. weil jemand Eigenschaften hat, mit denen andere nicht umgehen können, das können Verhaltens, körperliche, optische oder olfaktorische Eigenschaften sein. Viele Menschen z.B. reagieren auf unangenehmen Körpergeruch empfindlich und meiden denjenigen. Das ist überhaupt nicht ungewöhnlich. Aber auch rein optische Defizite reichen oft aus, um ausgegrenzt zu werden, man will halt nicht auffallen mit jemandem, der einen offensichtlichen Makel hat, zu viel spricht, zu laut lacht, sich nicht zu kleiden weiß oder, oder.... Dieses Ausgrenzen ist meiner Erfahrung nach eigentlich nicht bösartig, sondern in den Eigenschaften des Ausgegrenzten zu suchen, die er vielleicht nicht oder nur bedingt ändern kann. Es geschieht einfach, weil Andersartigkeit eben nicht jedermanns Sache ist, und sich Gleiches gern zu Gleichem gesellt.

Mobben
Aktiv jemanden ausgrenzen, und zudem u.U. auch verbal oder körperlich attackieren, und zwar AUCH, ohne dass der Gemobbte erfährt, warum niemand etwas mit ihm zu tun haben möchte - er wird ausgegrenzt, basta. Manchmal mit Begründung oder gehässigen, oft erlogenen, abfälligen Bemerkungen, mit dem Ziel, dass derjenige total verunsichert wird, was in der Regel einen extremen Angriff auf das Selbstwertgefühl darstellt und den Gemobbten extrem verunsichert. Dadurch verhält er sich immer gehemmter und zieht sich zurück, wird in der Tat zum Sonderling, weil die Verunsicherung so immens ist. Das Mobben in dieser Form würde ich als zutiefst bösartig bezeichen, mit dem Ziel jemanden fertig machen zu wollen, weil er sich gerade anbietet, weil eine Gruppe Macht ausüben will, oder einfach aus Neid, um z.B. einen Konkurrenten abzuhänge. Das Mobben hat also letztendlich zum Ziel, dass der Mobber sein Selbstwertgefühl steigert, indem er jemand anderes erniedrigt. Das ist ein bewusster böser Akt.

Manchmal ist es vielleicht so, dass aus dem anfänglichen Ausgrenzen aufgrund persönlicher Eigenschaften ein Mobbing entsteht, weil sich die Person einfach anbietet, nachdem sie schon nicht mehr dazu gehört, und weil die Andersartigkeit vielleicht auch dazu provoziert, gerade bei Jugendlichen.  

Ich könnte mir vorstellen, dass es bei M.H. so gewesen ist. Zumindest lassen die Informationen, die zu seiner Biografie bislang veröffentlicht wurden, diesen Rückschluss zu. Ob sie der Wahrheit entsprechen, oder nur viel aufgebauscht wurde, wissen wir derzeit ja nicht. Letzendlich sucht jeder, auch derjenige, der keinen Bock mehr auf Gruppen hat, seinen Platz im Leben. Was ist, wenn dieser angestrebte Platz nun auch noch platzt wie eine Seifenblase - eine erneute Ausgrenzung sozusagen mitten auf der Zielgeraden. Das ist glaube ich, wie ein roter Knopf, der einmal zu viel gedrückt wird.

Mich würde noch interessieren, was genau M.H. so an der Bundeswehr faszinierte, warum er dort unbedingt hin wollte, ob er sich dazu mal geäußert hat. Habe irgendwie ein mulmiges Gefühl, wenn ich mir vorstelle, er wäre tatsächlich eingezogen worden.

@AveMaria
Zum Thema Bundeswehr habe ich zwei Vermutungen.
Er hätte sich dort vielleicht beweisen können, neu anfangen und vielleicht endlich mal dazu gehören.

Zum anderen hätte die Bw ja auch ein Sprungbrett sein können. Er wollte ja dort Sanitäter werden und dann Medizin studieren.

Ach und noch ein Grund könnte einfach der sichere Verdienst sein. Der ist ja nicht niedrig und während des Studiums läuft die Besoldung weiter.
Das könnte auch ein Anreiz gewesen sein.

@AveMaria
Und nochmal: Oder es ist andersrum gewesen. Warum wird das nie in eure Überlegungen mit einbezogen?

Sonnenschein81 schrieb:@AveMaria
Und nochmal: Oder es ist andersrum gewesen. Warum wird das nie in eure Überlegungen mit einbezogen?

Was könnte andersrum gewesen sein? Er hat gemobbt und wurde zurück gemobbt? Okay, möglich ist es, wäre dann aber schon Kategorie eins - er zeigte von früh auf ein Fehlverhalten, das zum Ausgrenzen führt. ;)  Also, wenn wirklich ein ADHS mit in seine Problematik hineinspielte, wäre es nicht ungewöhnlich, dass er von klein auf ein Verhalten an den Tag legte, das nicht nett war, und andere massiv gestört hat. Aber das könnte auch bei anderen psychischen Verhaltensstörungen des Jugendalters nach ICD 10 GM 2017 zutreffen, oder bei Hochintelligenz.


@troublerin77
Ja, das mit dem Sanitäter und der Medizin hatte ich kurzfristig nicht mehr auf dem Schirm. Das relativiert meine Gedanken in eine positive Richtung. Danke dir.

Als ich Freitag die Bilder gesehen habe (ich hoffe das ist jetzt von der Wortwahl ok, da ja diese jedem bekannt sein sollten), war ich irritiert, verwundert und irgendwie haben sich in meinem Kopf ganz viele Fragezeichen gebildet. Äußerlich hatte ich eine größere Person erwartet, schlank ja, aber nicht so schmal. Nicht so klein. Frisuren ok....kann man ändern und man sieht dann auch anders aus.

Sicherlich kann man sich täuschen und sicherlich sieht man den wenigsten Menschen an, dass sie jemanden getötet haben.

Dennoch.....bei der Anzahl der Messerstiche....da muss doch Wut mit im Spiel gewesen sein. Wie seht ihr das? Ich kann es natürlich schwer einschätzen, kenne ihn nicht und war auch nicht im Gericht. Mordlust ist für mich ein Begriff, der vielleicht auch unvorstellbar ist.

Oder wollte er wirklich nur etwas tun, was man ganz sicher mitbekommt?

Es ist nur irgendwie für mich schwer vorstellbar, dass er das aus reiner Lust getan haben soll, nachdem ich die Bilder gesehen habe.

Mir geht es in keiner Weise darum, hier etwas zu verharmlosen, das möchte ich ausdrücklich betonen. Es sind nur Dinge, die mich gerade beschäftigen oder irritieren. Vielleicht durch die Statur oder das ganze Verhalten.

troublerin77 schrieb:Zum anderen hätte die Bw ja auch ein Sprungbrett sein können. Er wollte ja dort Sanitäter werden und dann Medizin studieren.

Ach und noch ein Grund könnte einfach der sichere Verdienst sein. Der ist ja nicht niedrig und während des Studiums läuft die Besoldung weiter.

Du kannst bei der Bundeswehr ohne Abi nicht Medizin studieren...ganz genau weiß ich es nicht, aber zuerst muss man Sanitätsoffizieranwärter werden und dazu benötigst mindestens ein Abischnitt von 2 (normal eher 1).

Jordy80 schrieb:Du kannst bei der Bundeswehr ohne Abi nicht Medizin studieren...ganz genau weiß ich es nicht, aber zuerst muss man Sanitätsoffizieranwärter werden und dazu benötigst mindestens ein Abischnitt von 2 (normal eher 1).

Ich weiß nicht ob es von Bundesland zu Bundesland einen Unterschied gibt aber bei uns ist es so, das man nach einer erfolgreichen Ausbildung gleich den nächstbesten Abschluss quasi "mitbekommt".
Ich weiß nicht ob er den erweiterten Realschulabschluss hat oder den "normalen" aber bei den erweiterten hätte er nach der Sanitäterausbildung dann sein Abi in der Tasche.

@AveMaria
Nö, er hat sich ausgegrenzt. So habe ich das verstanden. Und wenn das so war, hockt sich sicherlich kein Teenie-Klassenkamerad neben ihn und sagt: "Ey du, warum grenzt du dich aus, wir sollten reden". Die akzeptieren das und wollen ihre Ruhe von dem Nerd (und nichts anderes war er). Willst du diesen jetzt einen Vorwurf machen?

@Sonnenschein81
Komisch, wir haben das damals als Teenies gemacht. Nur weil sich jemand selbst ausgrenzt, ist es dann etwa okay, ihn zu mobben?

@Katakana
Hab noch mal gegoogelt, das sind die Voraussetzung:

Ein Studium bei der Bundeswehr unterscheidet sich jedoch in vielerlei Hinsicht von einem regulären Studium. Wer sich dafür entscheidet, absolviert vor und nach dem Studium die militärische Ausbildung zum Offizier. Vor Aufnahme des Studiums verpflichtet man sich außerdem, mindestens 17 Jahre für die Bundeswehr zu arbeiten. Nach dem Studium sind mehrmonatige Auslandseinsätze zu erwarten. Dafür wird man vom ersten Monat an bezahlt, am Anfang rund 1600 Euro netto. Doch auch beim Auswahlverfahren für die Sanitätsoffizieranwärter spielt der Abischnitt eine wesentliche Rolle. Bei besonders gutem Abschneiden in den übrigen Testverfahren kann im Einzelfall eine Zulassung auch noch mit einem Abiturschnitt von 2,7 erlangt werden.

Sonnenschein81 schrieb:Nö, er hat sich augegrenzt. So habe ich das verstanden

Wir wissen nicht wie rum es genau war. Jedenfalls glaube ich nicht, das sich jemand vor Gericht setzt und sagt "Ja, wir haben ihn gemobbt." denn Mobbing ist auch strafbar. Zudem weise ich wieder auf den Spiegel TV Beitrag hin und auf dem Bericht in der Bildzeitung, wo zwei ehemalige Mitschüler über ihn gesprochen haben und auf sein "Manifest", dort schrieb er auch das er gemobbt wurde und dann selbst zu einem worde.

@Katakana
Hättest du den Link? Konnte schon gestern nichts finden.

Lena781 schrieb:Komisch, wir haben das damals als Teenies gemacht. Nur weil sich jemand selbst ausgrenzt, ist es dann etwa okay, ihn zu mobben?

Absolut nicht okay - aber nachvollziehbar, wenn man sich in Teenies reinversetzen kann. Wenn ihr das so gehandhabt habt Hut ab. Ist aber sicher nicht die Regel.

Und man sollte sich schon irgendwann mal in der Welt da draußen zurecht finden. Menschliches Verhaten ist selten in Ordnung. So ist halt einfach mal die Welt. Man kann das nur schrittweise ändern. Wer sich da nicht reinfindet, hat verloren, es sei denn, er macht es besser. Menschen zu töten, ist die schlechteste Alternative.

Lena781 schrieb:Komisch, wir haben das damals als Teenies gemacht. Nur weil sich jemand selbst ausgrenzt, ist es dann etwa okay, ihn zu mobben?

Ich denke, es kommt auf den jeweiligen Menschen an. Ich bin auch eher jemand, der auf andere zugeht. Aber man sollte nicht vergessen, dass heute vieles anders ist.

Wenn man sich über lange Zeit selber ausgrenzt und mit den gleichen Leuten zusammen ist (Beispiel Schule), dann ist es für viele heute normal, jemanden zu ignorieren und vielleicht auch zu mobben.

Mein Sohn erzählt mir auch oft, dass da "der oder die" in der Schule "voll der Nerd" ist oder dieses Mädchen "voll komisch" und dann ignoriert wird. Oder "der Schulkamerad" ein absoluter Spießer ist und langweilig und man ihn ärgere. Natürlich rede ich mit ihm und natürlich erkläre ich ihm, dass ich es nicht ok finde und vielleicht gerade diese Teenies total in Ordnung sind.

Mobbing ist absolut nicht ok. Keine Frage. Leider hört man es immer wieder.

Aussagen, wie "der stinkt" o.ä. finde ich absolut nicht in Ordnung und würde ich persönlich bei meinem Sohn nicht dulden bzw. mit ihm darüber reden.

@Katakana
Der Unterschied ist nur, dass du mit selbst noch mit einem schlechten nc (bis 2,7) die Chance auf einen Studienplatz hast. An normalen Unis brauchst du idR einen 1er Schnitt.

rechtsverdrehe schrieb:Äußerlich hatte ich eine größere Person erwartet, schlank ja, aber nicht so schmal. Nicht so klein. Frisuren ok....kann man ändern und man sieht dann auch anders aus.

Genau das meinte ich auch, ich hätte jemand vollkommen anderen gesucht. Hatte gelesen oder sogar in den Nachrichten gehört das er zwischen 1,60 - 1,65 sein soll. Da frage ich mich wie man auf 1,75 kommt. Ich bin 1,82 und hätte eher jemanden so in etwa meiner Größe gesucht.

rechtsverdrehe schrieb:Dennoch.....bei der Anzahl der Messerstiche....da muss doch Wut mit im Spiel gewesen sein. Wie seht ihr das?

Da werden wir wohl oder übel das Gutachten abwarten müssen. Es gibt aber auch einen Bericht, werde ihn hier auch nochmals reinstellen, wo ich meine Lydia Bennecke, meinte das dort große Wut im Spiel war. Quasi seine ganze Wut entladen hat, was aber wiederum mit dem "emotionslos", "kann keine Gefühle fühlen" etc. nicht zusammen passt.

Und ich kann es immer noch nicht begreifen, warum man jetzt für einen Menschen, der 2 wehrlose bzw. gutgläubige Menschen mit insgesamt über 100 Messerstichen dahingemtezelt hat, sich damit im Internet noch profiliert hat und noch in der Verhandlung keinerlei Regung zeigt, noch Fürsprache hält und das Opfer in ihm zu suchen sucht. Einfach nur krass ...

Sicherlich ist er psychologisch auffällig. Er gehört aber sicherlich aufgrunddessen auf Lebenszeit weggesperrt. Meine Meinung.

Weiß jemand, ob der Chatpartner von MH noch aussagt? Bisher wurde nichts über diesen berichtet, obwohl er ne Schlüsselrolle in dem Fall spielt. MH hat ihm viel gesagt, auch wenn der Chatpartner das wohl nicht ernt genommen hat, hat er auch tiefen Einblick in MHs Leben gehabt. Viel tiefer als MHs Mutter, die ihren Sohn vernutlich schon labge zuvor verloren hat und nichts für seine Taten kann.