kegelschnitt schrieb:Das wiederum wäre aus Sicht der StA vermutlich nicht besonders schlau, weil das Gericht eine modifizierte Anklageschrift evtl. nicht zur Hauptverhandlung zulässt, oder?
Du bist ja ganz keck!
Ein Strafverfahren ist doch aus Sicht eines Staatsanwaltes kein taktisches Manöver, in dem er notfalls etwas anklagt, von dem er und alle anderen wissen, dass es nicht zutreffend ist, nur damit es überhaupt zur Zulassung der Anklage kommt. Wäre doch auch dumm, wenn er mit der Einstellung in eine Hauptverhandlung geht, dass er das da dann schon irgendwie so verargumentiert bekommt, so dass kein Freispruch rauskommt.
Tiergarten schrieb:Dass das nächtliche Joggen ein „extrem schwaches Indiz“ darstellen soll, kann ich überhaupt nicht nachvollziehen.
Nein, ich kann das auch nicht nachvollziehen. Und ich halte die Behauptung "Mein Gott, was ist den daran verdächtig, nachts joggen zu gehen, das machen viele Menschen so. " für eine extrem verkürzte Darstellung des Jogging-Indizes. Wenn man es so darstellt, ist es tatsächlich ein "extrem schwaches Indiz" dafür, dass der Basti der Mörder von Hanna ist, denn dann ist es eben nicht mehr als die Info, dass Basti halt die Gelegenheit hatte, Hanna zu ermorden. Genauso - darauf wird hier ja gerne gepocht - wie die 1172 Personen, die in jener Nacht Gäste im gleichen Club wie Hanna weren.
Aber tatsächlich haben die Ermittler rund um das Thema "nächtliche Jogging-Route" doch sehr viel mehr Infos zusammengetragen, und die zusammengenommen machen daraus dann eben ein in meinen Augen schwer wiegendes Indiez:
- der Basti gab zunächst eine falsche Route an, als ihm das nachgewiesen wurde, nannte er eine andere Route, die dann aber sinnfrei war
- der Basti brachte zunächst die falsche Kleidung mit und auch auf die zweite Aufforderung hin brachte er abermals nicht die Kleidung mit, die er laut Zeugen in der Nacht getragen hatte; die tatsächlich getragene Kleidung konnte auch bei der Ausdurchsuchung nach der Festnahme nicht gefunden werden, scheint also zwischenzeitlich entsorgt worden zu sein. Bei der zu erst mitgebrachten Hose handelte es sich wohl um eine Arbeitshose, dass der Basti die aus Versehen mit seiner Jogginghose verwechselt hat, kann glauben wer will, ich nicht.
- als der Basti danach gefragt wurde, warum er diese Route gewählt hat, gab er an, er habe gehofft, einen bestimmten Kumpel zudort zu treffen; abgesehen davon, dass die Chancen jemanden zufällig beim Joggen zu treffen wahrscheinlich selten schlechter liegen als zwischen 2 und 3 Uhr nachts, viele besagter Kumpel aus allen Wolken, weil er den Basti nur locker kannte und ihn mind. schon ein halbes Jahr nicht mehr gesehen hatte. Die Erklärung, warum er diese Route gewählt hat, ist also eher unglaubwürdig.
- der Basti gab an, für einen Halbmarathon zu trainieren, hatte aber seine Fitnessuhr und sein Handy gar nicht dabei. Meiner Meinung nach war die Joggingrunde mitten in der Nachte eine reine Ausnahme. Hätte er die Nächte regelmäßig zum Trainieren genutzt, hätte die Verteidigung das ganz sicher dargelegt, eben um damit das Argument der StA zu entkräften, er sei nach einem familiären Streit in aggressiver Grundstimmung und aufgegeilt durch vorherigen Konsum von Gewaltpornos gezielt losgezogen, um sich ein Opfer für eine Vergewaltigung zu suchen. Wenn er nachts regelmäßig gelaufen wäre, hätte man das durch Aufzeichnungen eines Fitnesstrackers, des Handys oder durch Zeugen, die ihn dabei gesehen hätten, belegen können.
- der Basti hat sich weder direkt nach der Tat, als noch allgemein Personen gesucht wurden, die sich nachts in Aschau aufgehalten hatten, noch nach dem Zeugenaufruf, in dem der nächtliche Jogger gesucht wurde, als Zeuge gemeldet; auch nicht, als die Mutter ihn bedrängte. Schließlich hat die Mutter ihn gemeldet, weil er sich weiter weigerte.
- der Zeitrahmen, in dem der Basti in jener Nacht durch Aschau gejoggt ist, passt haargenau zur Tatzeit. Gleichzeitig passt die von ihm angegebene Route nicht zu der Zeit, zu der er angenommenerweise wieder zuhause angekommen ist. Es gibt da genau dieses kleine Zeitfenster, das ihm die Tat ermöglichen würde und ausreichen würde, um Hanna zu ermorden.
Wenn man also alles, was mit dem "Joggen bei Nacht" zusammenhängt als großes Indiz nimmt und alle Unterpunkte als "Teilindizien", dann kann man hier mal wieder jeden einzelnen Aspekt erntkräften, weil es eben auch für jeden eine harmlose Erklärung gibt: weil er jedes Wochenende nachts um 2 joggt, konnte er sich natürlich wochen später nicht mehr daran erinnern, wo genau er in jener NAcht in welcher Kleidung rumgelaufen ist. Da kann man schon mal was verwechseln. Und wer viel joggt, versachleißt auch viel Joggingklamotten. Eine Jogginghose hält nicht ewig und manch Leute leben nach der Regel, dass sie immer, wenn sie sich ein neues Kleidungsstück kaufewn, ein getragenes wegwerfern. Die Hose aus der Tatnacht hatte ihren Zenit hinter sich, logisch dass man sie wegwirft, weiso sollte man eine gebrauchte lumpige Hose, die man eh nicht mehr braucht, im Schrank liegen lassen
Die Fitnessuhr nimmt er nie mit, in jener Nacht hatte er vielleicht Seitenstechen, weshalb er einen großen Teil der Strecke gehen musste und deshalb halt so lange gebraucht hat. Genauso kann es auch einfach Zufall sein, dass man seine Anwesenheit zu Hause genau wenige Minuten nach der Tat nachweisen konnte. Er könnte ja schon lange vorher angekommen sein, halt ohne dass er sein Handy benutzt hat oder sich beim Spiel eingeloggt hat.
Und ja mei, dank des Gutachters wissen wir ja auch, dass derr Basti eher etwas zurück in seiner Entwicklung ist und die Mutter ihn noch zum Arzt begleiten musste. Der hat halt Respekt und Angst vor solchen Behörden wie der Polizei, da hat er sich halt nicht dreum gerissen, sich als Zeuge zu melden. Man sieht an sienem Fall ja schließlich, was dabei rauskommen kann!
Und der Kumpel, den er treffen wollte, lag ihm halt mehr am Herzen, als er dem Kumpel. Der Basti hat nicht so viele Freunde, da freut man sich auch, wenn man mal einen alten Bekannten wieder trifft.
Seltsam nur, dass es nicht ein Indiz in dem ganzen Zusammenhang gibt, das ihn entlastet. Er hätte sich ja auch gleich nach zwei, drei Tagen als Zeuge melden können, seine nicht mit Blut besudelte Kleidung dort zur Spurensuche abgeben könnne, seine Route fewhlerfrei einzeichnen können und mit seinem Router belegen können, dass er zum Zeitpunkt, als Hanna in die Kamphausenstraße einbog schon längst wieder auf dem Sofa saß und Online-Spiele gezockt hat.
Oder alternativ: als der Jogger überall gesucht wurde, hätten sich 5 Aschauer melden können mit dem Hinweis, dass das doch vielleicht der BAsti T. gewesen sein könnte, denn den haben sie schon immer mal wieder nacht zwischen 2 und 3 einsam durch die Straßewjn von Aschau laufen sehen. Der trainiert ja schließlich für einen Halbmarathon.
Also entweder ist der Basti der größte Pechvogel auf dieser schönen Erdkugel oder er ist der Mörder von Hanna W.
Tiergarten schrieb:Einzige vermeintliche Spur war eine ominöse Holzkernuhr, die im vermuteten Tatortbereich am Bärbach gefunden wurde. Völlig unklar blieb jedoch zunächst, ob es einen Bezug zum Tod von Hanna gab, ob die Uhr eventuell dem etwaigen Mörder gehörte und ob sie von diesem verloren wurde.
Und ich finde gerade die Holzkernuhr und ihr Besitzer sind doch ein schönes gegenteiliges Beispiel zum angeblich "so extrem schwachen Jogging-Indiz". Die Uhr lag in direkter Tatortnähe im Back, in dem Hanna ertrunken ist und das Armband war zerrissen. Da war es doch mehr als naheliegend, dass die vom Täter stammen könnte, Hanna beim Gerangel mit dem Täter und im Todeskampf das Armband zerrissen haben könnte und er sie deshalb verloren haben könnte.
Hätte sich rausgestellt, dass sie einem jungen Mann aus Aschau gehört hat, der in jener Nacht im Eiskeller war, dort länger als seine Kumpel geblieben ist, die eher nach Hause gegangen sind und hätte der Mann behauptet, er hätte sich nach reichlich Alkohol in jener Nacht auf den Pullover und die Hose gekotzt, die er daraufhin entsorgt hat, dann hätte dieser Mann sicherlich ein ziemliches Problem mit der Polizei bekommen.
Der Mann war aber zwei Wochen vor der Tat als Tourist in Aschau gewwesen, wo er die Uhr verloren hatte und war in jener NAcht nachweislich nicht dort.
So schnell wird dann aus einer ganz heißen Ermittlungsspur eine toter Pfad und ein zu 100 % entlasteter Zeuge.
Anders als Basti: der hat sich nur immer weiter in die Sch... geritten und je mehr rabbit holes die Polizei bei ihm verfolgt hat, desto tiefer konnte man graben. Es ergaben sich immer nur weitere belastende, aber eben nicht ein einziges entlastendes Indiz.
fassbinder1925 schrieb:Aber ich würde drauf kommen, dass er der Verdächtige sein muss, eher im Gegenteil. Weil mein Unterbewusstsein sich Vergewaltiger selten im Joggerkostüm vorstellt.
In was für "Kostümen" stellst Du Dir denn den typischen Vergewaltiger vor? Eng anliegende Latexkleidung mit praktischer Zimmermannshosenklappe im Schritt, damit sie im Falle eines Falles alles mit wenigen Griffen einsatzbereit haben? Und auf dem Kopf immer eine Sturmhaube mit Sehschlitzen?
Tatsächlich glaube ich, dass der Basti die Joggingklamotten tatsächlich als Kostüm genutzt hat. Ich glaube nicht, dass er in der festen Absicht losgerannt ist, eine Frau anzufallen und zu vergewaltigen. Ich glaube ihm sogar, dass er nicht schlafen konnte, eben weil es vorher irgendeinen Streit im Hause T gegeben hatte. Dass es deshalb ein gewisses Level an Aggression in sich hatte, an Genervtheit von seiner Situation - hockt da mit Anfang 20 in seinem Jugendzimmer im Keller des Elternhauses und muss sich von seinen Eltern nerven lassen. Dass der Konsum von Pornos, anders als gehofft, nichts zum Druckabbau beigetragen hat, stattdessen ein gewisses Level an Geilheit ihn ihm hervorgerufen hat, also eher noch mehr Druck auf dem Kessel. Und dass er das halt mal losgerannt ist, um zu sehen was so geht und ob er am Eiskeller nicht vielleicht noch ein paar Leute bespannen kann, die da abfeiern und wo er doch so gerne dazu gehören würde. Er wollte nicht primar Joggen, sondern das Aschauer Nachtleben auskundschaften und da war eine Joggingmontur eine passende Tarnung.