fassbinder1925 schrieb: da bin ich eben der Meinung, sofern dem Gericht nicht ein Verfahrensfehler unterläuft, dass man einen Freispruch hier leicht begründen kann, ohne gegen Denkgesetzte zu verstoßen.
fassbinder1925 schrieb:Die Entlassung aus der U-Haft hat natürlich eine riesige Signalwirkung.
Sie ist kein Garant für einen Freispruch, aber dass das Gericht nach Aktenlage derzeit keinen dringenden Tatverdacht sieht, erhöht die Chancen auf einen Freispruch massiv.
Zwar glaube ich nicht, dass einen Freispruch „leicht begründen“ kann (dann wäre der anstehende Prozess ja eine Farce)), aber dass von der Aufhebung des dringenden Tatverdachts und der Entlassung aus der U-Haft eine „riesige Signalwirkung“ ausgeht, steht außer Zweifel.
Die 1. Jugendstrafkammer hat damit zu erkennen gegeben, dass sie an der Schuld von ST mehr als Zweifel hegt und erst recht keine Gefahr (mehr) von dem jungen Mann aus Aschau ausgehen sieht. Sonst hätte man den Angeklagten ja nie und nimmer auf freien Fuß setzen dürfen.
Für dieses Manöver reichte den Richtern ein von ihnen selbst bestelltes Gutachten bei Professor Steller, das den Zeugen AM pauschal als notorischen Lügner abstempelte. Dessen Aussagen, so lautet in der Konsequenz die krachende Botschaft der Kammer an das Vorgängergericht, dürften in keiner Weise in ein Urteil über einen Angeklagten einfließen. Sie seien künftig „Luft“.
Man mag diesen Häftling ja durchaus als zwielichtig betrachten. Aber ich finde es fragwürdig, die Abkehr vom dringenden Tatverdacht und die Haftentlassung allein auf die vorläufige Expertise des Berliner Psychologen zu stützen.
Hier geht es nach wie vor um Mord. Das gilt zumindest solange, bis nicht die von drei Experten im ersten Prozess klar verworfene Unfallversion eindeutig bewiesen ist. Ob die von der Verteidigung für den neuen Prozess zusätzlich aufgebotenen Gutachter tatsächlich belegen können, dass Hanna nicht durch eine Gewalttat ums Leben gekommen ist, sondern durch ein tragisches Unglück, steht in den Sternen.
Man muss also weiterhin von Mord ausgehen - und hat auch nach wie vor einen Verdächtigen, der die Tat im Freundeskreis sogar selbst gestanden hat. Zudem steht unwiderlegt die Aussage der Zeugin Lea R. im Raum, dass dieser Tatverdächtige Sebastian T. zu einem Zeitpunkt von einem getöteten Mädchen in Aschau berichtet hat, als er davon eigentlich noch keine Kenntnis haben konnte - ein klassischer Fall der Preisgabe von Täterwissen.
Aufgrund dieser Faktoren (und weiterer Indizien wie zum Beispiel dem Aufenthalt von ST zur Tatzeit im Tatortbereich und dem auffälligen Nachtatverhalten) wäre es meiner Ansicht nach durchaus vertretbar, wenn nicht gar geboten gewesen, am dringenden Tatverdacht festzuhalten und ST trotz der Steller-Expertise über Adrian M. nicht überstürzt auf freien Fuß zu setzen.
Kein Wunder, wenn das nun als „riesige Signalwirkung“ bejubelt wird. Man könnte
auch noch einen Schritt weitergehen, das Vorgehen als „Weichenstellung in Richtung Freispruch“ interpretieren und fragen, wie es denn um die Unvoreingenommenheit der neu zuständigen Kammer bestellt ist.