Origines schrieb:Wenn beide zusammen waren, und die Aussagen insofern übereinstimmen, dann kann man von den Geodaten der einen auf den Aufenthalt der anderen schließen.
Das Urteil lässt sich hier wegen der Anonymisierung schwer lesen. Aber es fällt auf, dass bei der Schilderung der Aussagen der Zeugen immer nur vom "Tischtennis am Chimsee" die Rede ist. Nicht von Felden. Zum Teil ist der genaue Ort nicht mehr erinnerlich. Finde ich jetzt auch nicht unwahrscheinlich, sechs oder sieben Wochen später. Als die erste Vernehmung durch die Polizei erfolgte.
Und erst recht, wenn dann noch mal ein Jahr später der Prozess ist.
Um das Urteil auch mit Anonymisierung besser verstehen zu können, kann ich die Berichte im Wiki empfehlen.
Eine kleine Zusammenfassung: ST berichtet in seiner Vernehmung, dass er am 03.10. mit Verena unterwegs gewesen sei, im Chat am 03.10. gegen Mittag, zwischen Verena und ST wird ausgemacht, dass Verena ST abholen kommt und sie gemeinsam Federball spielen wollen, Lea kommt dabei nicht vor. Verenas GPS-Daten zeigen für den 03.10. Nachmittags, einen Aufenthalt an ST Wohnort, dann beim McD in Prien, dann am Strandbad in Übersee, dann bei Verenas Wohnort, dann gegen 18 Uhr wieder bei ST Wohnort und schließlich wieder bei Verenas Wohnort. Zusätzlich wird eine Sprachnachricht von Verena festgehalten, in der sie erzählt, dass Lea an Corona erkrankt sei.
Verena wird, da sie von ST erwähnt wurde, als Zeugin geladen und gibt an, dass sie am 03.10. abends mit ST spazieren gewesen sei, dabei habe ST ihr von einem Mord in Aschau berichtet. Sie berichtet auch von einem Ausflug zum McD und Strandbad Übersee. Lea kommt dabei nicht vor. Gleich nach der Vernehmung fällt ihr auf, dass sie sich im Tag vertan hat und der Spaziergang an einem anderen Tag war. Die Auswertung objektiver Daten ergibt, dass der Spaziergang am 04.10. war. In der zweiten Vernehmung erzählt Verena von der „Party“ am Vorabend der Festnahme und gibt unter anderem ihre Schwester Lea als Teilnehmende der Party an.
Lea wird vernommen und auch nach dem 03.10. befragt, sie gibt für den 03.10. das Tischtennisspiel an. Leas Angaben: Verena und Lea hätten vorher Raffi aus Molberting abgeholt, ST sei mit seinem eigenen Auto gekommen, dann hätten sie Tischtennis gespielt, in einem Strandbad, in dem sich neben der Tischtennisplatte ein großer Kiesplatz befindet und man Sicht auf den Chiemsee habe (trifft auf Felden zu, aber nicht auf Übersee). Nach dem Tischtennis sei man wieder zum Auto gegangen, am Parkplatz habe ST von einem Mord berichtet, alle seien geschockt gewesen und es sei sich im Auto darüber unterhalten worden. Verena und Lea hätten Raffi wieder nach Molberting gebracht und seien anschließend an ihre eigene Wohnadresse gefahren.
Weder Verena noch Raffi konnten diese Aussage bestätigen. Verenas Geo-Daten genauso wenig.
Raffi gibt an, er sei zwar einmal mit den beiden Schwestern und ST beim Tischtennis am Chiemsee gewesen, da sei aber noch ein weiterer Freund dabei gewesen. Raffi gibt an, er sei sich sicher, dass das Tischtennisspiel an einem anderen Tag stattgefunden habe und auch nicht am Nachmittag sondern am Abend.
Zur Aufklärung der Widersprüche wurde eine Beweisantrag gestellt um die Geo-Daten von Raffi auszuwerten, dieser Beweisantrag ist mit der Begründung „man könne anhand eines Handys nicht auf den Aufenthaltsort einer Person schließen“, abgelehnt worden.
Schließlich wurde im Urteil anhand der GeoDaten von Verena auf den Aufenthaltsort von Lea geschlossen.
Origines schrieb:Dabei ist klar, dass Pornokonsum noch keinen Mörder macht. Und der Angeklagte wurde auch nicht deshalb verurteilt. Sondern zwei Umstände sind von Interesse: Er bevorzugte Gewaltpornografie. Er konsumierte exzessiv. Und seine Biographie ergab einen Mann, der bislang nur ein unilaterales Sexualleben hatte, aber keine Erfahrungen mit anderen Menschen (hier Frauen). Seine Erfahrungen waren frustrierend, er kam nicht an, konnte Signale nicht richtig deuten, mit Nähe und Distanz nicht umgehen.
Auch das macht noch keinen Mörder. Aber ein Täterprofil, das passen könnte. Für eine Verurteilung reicht das natürlich auch nicht.
Dann kommt aber das Nachtatverhalten: Nach der vermuteten Tatzeit hörte der Pornokonsum des Verdächtigten quasi auf. Für drei Wochen. Um dann langsam wieder anzusteigen - ohne je das Niveau vor der Tat zu erreichen. Hinzu kamen Verhaltensänderungen und -auffälligkeiten. Der Alkoholkonsum.
Als ob es nicht genug wäre, dass aus normalen Verhaltensweisen von Heranwachsenden belastende Indizien gemacht werden. Bei welchem Heranwachsenden finden sich keine Probleme mit dem priorisiertem Geschlecht und dass er noch keine Erfahrung hatte, ist in diesem Alter nicht ungewöhnlich.
Wurden diese ach so belastenden Indizien nicht einmal richtig erhoben oder ausgewertet.
Ob der Pornokonsum nachließ, oder ob er nur „passende“ Pornos gefunden hatte, die er wieder und wieder ansah und deshalb nicht hunderte durchklicken musste, lässt sich anhand der erhobenen Daten nicht sagen. Anhand der erhobenen Daten lässt sich dem psychiatrischen Gutachter zufolge nicht einmal auf einen exzessiven Pornokonsum schließen.
Zum Alkoholkonsum gibt es unterschiedliche Aussagen, die Aussagen, die sich zeitlich zuordnen lassen, liegen knapp einen Monat nach der Tat, in der Zeit nachdem er sich von der Polizei verfolgt fühlen konnte und sein Großvater verstorben war. Was soll das über ein Nachtatverhalten aussagen.
Origines schrieb:Nein, die Analyse umfasste auch die Annahme, dass es kein Unfall war. Weil in der OFA alles in Frage gestellt und neu gewertet wird. Und der Rechtsmediziner, auf dessen Ergebnisse die Annahme ja größtenteils beruht haben wird, der war ja auch mit an Bord.
Dann wäre wohl eine OFA mit den tatsächlichen Erkenntnissen interessant und die OFA inklusive Täterprofil von damals, als die Ermittler noch von anderen Fakten ausgingen, ist irrelevant.
Origines schrieb:Und wenn ich als Gericht der Auffassung bin, es gab dieses Treffen mit diesen Personen und das bezeugte Ereignis, der Ort ist aber unklar, dann darf ich mir eine eigene Überzeugung bilden: "Ich, Gericht, glaube, es war dort, wo die Geodaten waren."
Ja, ich weiß. Aber es darf nicht falsch angeben, wie es zur Überzeugung gelangt ist. Die Geo-Daten: Aschau-Prien-Übersee-Bernhaupten-Aschau-Bernhaupten, bestätigen einfach nicht die Aussage: Molberting-Felden-Molberting-Bernhaupten.
Wenn das Gericht die GPS-Daten und die Aussage von Lea unter einen Hut bringen will, müsste es halt erklären, weshalb es zur Überzeugung gelangt sei, warum ein Teil von Leas Aussage glaubhaft sei, während alles andere nicht glaubhaft ist.