Hanna W. tot aus der Prien geborgen
14.10.2025 um 00:13
13.10.2025
Nach der Begrüßung berichtet die Vorsitzende, dass Fr. B (Richterin) und Hr. B (Vorstand des Rotary Club) ihre Stellungnahmen am Samstag per Mail abgegeben hätten.
Fr. B gibt an, der Vorwurf sei unzutreffend, weder von ihr noch von einem anderen Richter sei ein Vortrag zum Fall gehalten worden.
Hr. B gibt an, dass weder er noch seine Vorgängerin einen Leserbriefe geschrieben hätten. Es seien keine Vorträge gehalten worden.
Herr Bb sei Vorstand 20/21 gewesen, dieser habe den Leserbrief geschrieben.
Weiters berichtet die Vorsitzende, dass die Kripo die Fragen beantwortet hat, die durch die Vernehmung des JVA-Beamten aufgekommen seien. Es sei „leicht aufzuklären“ gewesen, KHK M habe Nachermittlungen in der JVA Bernau angestellt um den Medienzugang für die Medienauswertung zu ermitteln. KHK M habe die Ermittlungen aber nicht abgeschlossen, KHKin S habe die Ermittlungen dann abgeschlossen und am 18.09.2025 die Telefonate geführt, die vom JVA-Beamten erwähnt wurden.
Die Nachermittlungen seien mittlerweile in den Akten, zu diesen Nachermittlungen gehören auch noch weitere, unter anderem wurden die Daten von V´s Handy vom 03.10.2025 auf Richtigkeit überprüft.
(Die anderen Nachermittlungen habe ich leider akustisch nicht verstanden, ich glaube es waren noch zwei weitere.)
Die Verteidigung kommt nochmal auf die Stellungnahmen des Ehepaars B zurück und bittet darum Hr. Bb in die Hauptverhandlung zu laden, der StA wirft ein hierfür wäre auch eine vereinfachtes Verfahren möglich. Die Kammer wird sich das überlegen.
Stellvertretende Anstaltsleitung
Die Zeugin habe eine Sprechstunde mit AM vereinbart, als dieser den Insassen M wegen sexuellem Übergriff/Nötigung angezeigt habe. Es ging darum, ob AM nach dem Vorfall verlegt werden wolle, oder ob er andere Hilfestellungen benötigen würde. AM habe der Verlegung zugestimmt und sie habe die Verlegung im Juli 23 veranlasst.
Das Verfahren gegen Insassen M sei aber eingestellt worden, da dieser einen unbekannten Aufenthaltsort habe. Dieser Übergriff sei das bisher einzige Problemfeld gewesen, mit dem AM sich an die Anstaltsleitung wandte.
Von der Aussage, die AM im Eiskeller-Fall getätigt hat, habe sie erst erfahren, als die Staatsanwaltschaft ins Haus gekommen sei. Sie kann sich auf Nachfrage nicht erinnern, ob die Psychologin gemeldet habe, dass AM etwas zu dem Fall beitragen könne.
Der Anstaltsleitung sei vor den Vorkommnissen keine Probleme mit AM bekannt geworden, sie beschreibt ihn, als jemanden der sich nicht mit seinem Gefangenenstatus abfinden habe können und deshalb eher den Kontakt zu den Mitgefangenen vermieden und zu den Beamten gesucht habe.
In der Sprechstunde habe AM gemeint, wenn er verlegt werden würde, dann könne er Angaben zu den Mitgefangenen machen. Er gab an, dass 6 Insassen Rauschmittel konsumieren würden und 1-2 Insassen ein Handy besitzen würden und wo diese Handys versteckt wären (die genaue Anzahl der Handys wusste sie nicht mehr). Die Angabe seien überprüft worden, die Drogenanschuldigungen per Urintest und die Handyanschuldigungen per Durchsuchungen. Keine der Anschuldigungen konnte bestätigt werden. Die Anschuldigungen hätten sich auf die ganze JVA verteilt, das seien ca. 40 Mann.
Auf Nachfrage führt die Zeugin aus, dass der Urin-Schnelltest je nach Art und Menge der Drogen unterschiedlich lang ausschlägt, bei einem starken THC-Konsum wäre der Urin-Test 3 Monate lang positiv. Anschlagen würde er aber erst am nächsten Tag, wenn am gleichen Tag konsumiert worden ist, kann es sein, dass der Test nicht ausschlägt.
AM habe einen allgemeinen Konsum angegeben und nicht gemeint, dass sie an dem Tag konsumiert hätten. Die Zeugin konnte nicht mehr nachvollziehen, wann die Tests gemacht wurden, dies könne aber den Unterlagen entnommen werden. Diese Unterlagen könne sie zur Verfügung stellen.
Die Zeugin meint, auch wenn sich die Anschuldigungen nicht verifizieren ließen, würde sie dennoch nicht direkt sagen, dass er „gelogen“ habe. Es würde häufig vorkommen, dass Anschuldigungen in der JVA gemacht werden, meist würden die nicht stimmen, nur wenn im Urintest etwas nachgewiesen wird, oder das Verhalten des Insassen auffällig ist, würde sie noch genauer nachforschen.
Sie sei schon für die erste HV vernommen worden von KHK M und KHKin S und habe das selbe wie heute ausgesagt und glaublich Unterlagen zur Verfügung gestellt.
Der Verteidigung ist die Aussage zu den Anschuldigungen neu, der StA weist darauf hin, dass die Aussage im Sonderband Nachermittlungen festgehalten sei. Rick liest nach und weist darauf hin, dass in den Akten nur festgehalten sei, dass die Anschuldigungen von AM nicht gelogen gewesen seien. Der StA meint, das würde ja auch stimmen, da die Zeugin auch heute angegeben habe, dass die Urin-Tests nicht aussagekräftig seien. Die Verteidigung sieht das anders, die Vorsitzende geht dazwischen und meint, die Aussage wäre recht eindeutig gewesen, AM habe Anschuldigungen gemacht, die sich nicht verifizieren ließen.
Aussagepsychologischer Gutachter Prof. Dr. Steller,
Auf Antrag, sollte ein aussagepsychologisches Gutachten zur Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen AM erstellt werden. Zur Beurteilung erhielt Steller Zugang zu den Akten und nahm an der HV teil.
Er leitet mit einer Erklärung zur Methodik ein. Die Beurteilung konzentriere sich auf den Inhalt der Aussage, die Bekundungen sollen auf Glaubhaftigkeit untersucht werden, nicht die Person auf Glaubwürdigkeit.
Dennoch seien die „personalen Komponenten“ wichtig, sie dienen als „Bezugsgröße“. Hierfür müsse die „Kompetenzen“ einer Person eruiert werden. Wie hoch ist die „Lügen-Kompetenz“ oder die „Erfindungs-Kreativität“.
Weitere Schritte der Analyse betreffen den Inhalt der Aussage, dieser werde einer „Qualitätsanalyse“ unterzogen. Dabei gehe es hauptsächlich um den Erlebnisgehalt, anhand von Realkennzeichen soll geprüft werden, ob die Aussage als erlebt gelten könne. Aussagepsychologen seien „keine Lügendetektoren sondern Wahrheitsdetektoren“. Schließlich sei noch die Entwicklung/Entstehung einer Aussage zu untersuchen. Diese drei Komponenten, Analyse zur Person, zur Entwicklung und des Inhalts werden dann zueinander in Bezug gesetzt.
Zu berücksichtigen sei auch, dass es nicht nur die Lüge gäbe, sondern auch den Irrtum und Gedächtnisverzerrungen. Auch Scheinerinnerungen, sowie äußere und innere Suggestion.
Die Lügen und Suggestionshypothese müssten per aussagepsychologischen Methoden zurückgewiesen werden um die Alternativhypothese anzunehmen.
Vor der Tätigkeit des Aussagepsychologen muss ein Gutachten zur Aussagetüchtigkeit, wie von Soyka, vorgeschaltet sein. Aus der Aussagetüchtigkeit sei aber keine Ableitung auf die Glaubhaftigkeit möglich.
"Im Ergebnis konnte der Wahrheitsgehalt der Aussage über ein Geständnis nicht positiv festgestellt werden, es haben sich keine Nachweise für den Wahrheitsgehalt finden lassen" Es folgt die Begründung.
( Im Prozess hat Steller das Ergebnis irgendwann mittendrin verkündet, weil er vergessen hatte, dass er es am Anfang erwähnen wollte. Weil er mal darum gebeten wurde, es wie die Richter zu machen die das Urteil verkünden und dann begründen.)
Personale Komponente
AM sei mindestens durchschnittlich intelligent, das habe auch Soyka ausgedrückt mit „nicht dumm, aber keine Bildung“, im Gutachten von Soyka sei entgegen seiner Aussage ein Realschulabschluss vermerkt. Es sei auch ein IQ von 85 vermerkt, dieser sei aber nicht repräsentativ, IQ-Tests wären Leistungstests die sich situativ unterscheiden können.
AM`s sprachlicher Ausdruck und sein sprachliches Verständnis sei auch mindestens durchschnittlich, das habe man gut in dem Video gesehen, besonders beeindruckt habe ihn, wie treffend AM die Belehrung zusammengefasst habe.
Daraus ergäbe sich auch eine mindestens durchschnittliche Lügenkompetenz.
Weiter zu berücksichtigen seien die Persönlichkeitsstörungen. Bei Personen mit Borderline Persönlichkeitsstörung bestehe eine Disposition zur retrograden Umdeutung und Neubewertung von Situationen und Interaktionen. Bei der dissozialen Persönlichkeitsstörung stehe die Normverletzung im Vordergrund. Das ergebe eine erhöhte Gefahr für eine Falschaussage, daher erhöhe sich auch die Anforderung an eine Aussage.
Zusätzlich gäbe es in diesem Fall neben den allgemeinen Aspekten auch Befunde über Unwahrheiten in der Vergangenheit.
In der Verhandlung gegen die Mutter, habe er angegeben keine Nacktfotos machen zu müssen, während er bei Soyka wieder angab Nacktfotos machen musste. Er habe beim Amtsgericht ausgesagt „ich wurde im Heim groß und wollte mal bei der Mutter und mal beim Vater gut dastehen, wie es gerade passt. Mein Vater wollte die Mutter untergehen sehen.“ Laut Steller komme es auch gar nicht darauf an, welche der beiden Versionen richtig sei, stimmen könne nur eine. Aber beide seien qualitativ gute Aussagen gewesen und er habe seine Bereitschaft vor Gericht zu lügen gezeigt.
Auch der modus operandi seiner Sexualstraftaten gehöre zu den Befunden. Im Urteil gegen AM sei von verbaler Nötigung zu sexuellen Handlungen und psychischer Einflussnahme gesprochen worden. Er habe seine Opfer manipuliert, auch im aufgehobenen Urteil sei die Rede davon gewesen. Er habe einen Krebs im Endstadium erfunden um das Opfer zu sexuellen Handlungen an sich zu bringen, während er masturbiert habe. Derartiges bezeichnet Steller als hohe, negative Kreativität. Steller bringt die Aussage von Soyka ins Spiel, der meinte, Manipulation sei ein starkes Wort, aber AM habe es gegen die Mädchen angewandt.
Zusätzlich habe er selbst im Video davon gesprochen, dass es ihm gelungen sei, seinen Mitgefangenen vorzuspielen, wegen einem anderen Delikt in Haft zu sein.
Zusammenfassend habe bei AM eine Lügenbereitschaft, Lügenkompetenz, Manipulationskompetenz und negative Kreativität erkannt werden können.
Dass er manchmal auch die Wahrheit gesagt hat, widerspreche dem nicht. Er ist kein pathologischer Lügner, der zwanghaft Lügen müsste, so einen würde man in Realität aber ohnehin nicht finden.
Soyka habe von seiner positiven Entwicklung berichtet, die therapeutischen Bemühungen hätten aber erst nach Oktober 23 begonnen. Die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung bekomme man nur, wenn man die entsprechenden Verhaltensweisen dauerhaft und stabil zeige, die Therapie sei langwierig und manche könnten sich niemals davon befreien.
Entstehung
Für die Inhaltsanalyse habe es sich hauptsächlich auf die Videovernehmung bezogen, da hierfür Bild und Ton vorliegen würden, die Aussagen in den Hauptverhandlungen hätten als Bezüge gedient. Später gehe er auf den Inhalt noch näher ein, jetzt gehe es um die Aussagegenese. Die zeitliche Verzögerung und die potentielle Motivation ergäben gemeinsam die Aussagegenese.
Die Angaben: "Um Weihnachten herum, 1 oder 2 Wochen davor oder danach, so genau wisse er das nicht, es habe Spekulatius gegeben und ST´s Geburtstag sei gewesen" seien Realkennzeichen. Die Mischung aus „ich weiß es nicht genau und erinnerte Details“ würde man Wahrheitsindikatoren nennen. Daher gehe er davon aus, dass es ein Gespräch, oder Kartenspiel gegeben habe.
Die Angaben zum spezifischen Gesprächsablauf, seien widersprüchlich und die Realkennzeichen würden fehlen. Zuerst habe es Gespräche gegeben, in denen ST geleugnet haben soll, dann soll AM seinen Haftgrund preisgegeben haben und 1-2 Tage später soll sich ST geöffnet haben. In der HV habe dann wiederum alles in einem sehr kurzen Gespräch stattgefunden.
Die zeitliche Verzögerung von 10 Monaten, sei unterschiedlich erklärt worden. Dass er erst wieder daran dachte, als er am 16.10.23 erfuhr, dass sie die selbe Richterin haben würden und auf der anderen Seite, dass er schon öfter daran dachte. Im aufgehobenen Urteil sei die Version, dass er erst wieder dran dachte, als er von der selben Richterin erfuhr, als nachvollziehbar und nicht lebensfremd bezeichnet worden. Dem stelle er eine alternative Erklärung entgegen, Personen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung bevorzugen einen sofortigen Nutzen, wegen der geringen Frustrationstoleranz. Man könne erwarten, AM hätte aus einem tatsächlichen Geständnis sofort einen Nutzen für sich ziehen wollen.
Der Argumentation aus dem aufgehobenen Urteil, wonach er den Nutzen erst erkannt habe, als er erfuhr, dass er die gleiche Richterin habe, folge er nicht. AM hätte wahrscheinlich auch ohne die selbe Richterin den Nutzen erkannt, den ein Geständnis in einem großen, bekannten Fall für ihn hätte haben können.
Daraus ergebe sich die Motivation, wobei nur von der potentiellen Motivation gesprochen werden könne, da auch Psychologen niemanden in den Kopf schauen könnten.
In der Videovernehmung erkenne man außerdem, AM will überzeugen, er bemüht sich und strengt sich an, damit ihm geglaubt werde. Das müsse im Hinblick auf die Motivation auch berücksichtigt werden.
Im Video habe AM angegeben, er habe dem JVA-Beamten vorher davon berichtet, das sei im Urteil einfach als Fakt angenommen worden, obwohl im Sonderband gestanden habe, dass der Beamte nichts davon wisse und dann habe der Beamte selbst gesagt, AM habe gefragt „wenn er etwas wissen würde, was er denn machen solle?“
Inhalts-/Qualitätsanalyse
Die Qualitätsanalyse habe ergeben, dass es keine Realkennzeichen gebe.
Das Geständnis bestehe aus 4 Elementen: "Sexuelles Interesse, bewusstlos geschlagen, in Fluss geworfen, ungefähre Ortsangabe"
2 davon seien Handlungsschilderungen, diese Handlungsschilderungen könnten als außergewöhnlich angesehen werden und seien nicht durch Routine determiniert. Daher würde man mehr Details erwarten. Es gäbe keinerlei Realkennzeichen.
Auch eine Erklärung dahingehend, dass das Gespräch sehr kurz gewesen seien, heile nicht die fehlenden Realkennzeichen.
Sexuelles Interesse sei keine Handlungsschilderung, und man kann sich schon fragen, ob eine derartig abstrakte Formulierung zu erwarten gewesen wäre. Die Vorsitzende habe hier ja auch nachgefragt und AM habe dann "sexueller Hintergrund" angeboten, das wäre aber nicht Teil seiner Analyse.
Auch wenn das Schildern von Gefühlen und Gedanken, oder auch die Vermutung über die Gedanken und Gefühle des Gegenübers ein Realkennzeichen sein könnten, sei im Urteil die zu beachtende Lügenkompetenz missachtet worden und die Widersprüche ignoriert worden.Die Analyse im Urteil sei „schlichtweg falsch“.
Dass im Urteil der Widerspruch zwischen den Versionen „weil sie sich gewehrt hatte“ und „damit sie sich nicht wehrt“ keine Erwähnung fand und der Widerspruch mit dem JVA-Beamten, lies Steller fassungslos zurück. Zumal Salzinger erwähnt habe, es habe Nachfragen zu „weil/damit“ gegeben, dennoch sei „damit ...“ zum Täterwissen erklärt worden.
In der Aussage habe es diverse Abweichungen zu seiner früheren Aussage gegeben, natürlich würde es innerhalb von 2 Jahren zum Vergessen und zur Veränderung von Details kommen.
Aber einige Abweichungen können dadurch nicht plausibel erklärt werden, prägnante Erinnerung sollten im Gedächtnis bleiben, dazu gehöre auch das Geständnis und dessen Entstehung und Ablauf.
Auch dass er in der HV anschaulich geschildert habe, wie ST mit dem Gips Karten gespielt habe, obwohl man wisse, dass es zeitlich nicht sein kann. Selbst nach dem Vorhalt habe er auf der Gipsversion bestanden. Das lasse sich nicht durch eine Gedächtnisveränderung durch Zeit erklären.
Auch bei den Themen "Kontakt zu Frauen" und "Hanna vom Sehen her kennen", sei AM sich sehr sicher gewesen, das sei nie Thema gewesen, er habe nicht gesagt er wisse es nicht mehr. Auch das sei nicht durch eine Gedächtnisveränderung über Zeit zu erklären.
Wegen dieser und vorher genannter Widersprüche fallen die Realkennzeichen zur Schilderung der Situation auch weg.
AM neige zu „ad hoc“ Erklärung, die Beschreibung zum „Kontakt zu Frauen“ ähnle seiner eigenen Situation. Es sei die einfachste Form des Lügens, wenn man auf die eigene Erfahrung zurückgreife.
Im Urteil sei die Konstanz herausgestrichen worden, jedoch handle es sich nur um die einfache Konstanz, die sich jeder merken könne. Bei den Randdetails sei es zu massiven Widersprüchen gekommen.
Es müsse die Lügenhypothese angenommen werden, da es für die Annahme eines Erlebnishintergrundes keinerlei Realkennzeichen gäbe.
Die Kombination der Persönlichkeitsstörungen, der Verzögerung und der Motivation führe dazu, dass die Wahrscheinlichkeit der Lügenhypothese höher ist.
Zur Medienauswertung berichtet Steller, AM habe sich bewusst auf wenig Details konzentriert, daher könne es kein Realkennzeichen sein, wenn Dinge aus den Medien nicht aufgegriffen worden sind. Bei den Aspekten in seiner Aussage, die nicht in den Medien vorkamen, konnten die Widersprüche nicht durch Zeitablauf erklärt werden. Manches, beispielsweise „weil/damit“ wurde mit den Ermittlern in der Vernehmung erarbeitet, trotzdem es sei „gefühlt 20 Mal“ im Urteil als Begründung angeführt worden.
Zum Schluss möchte er noch loswerden, dass er auch die Möglichkeit sehe, dass AM unbewusst die Unwahrheit gesagt haben könnte.
Borderliner seien prädestiniert für Realitätsverkennung und Erinnerungsverzerrungen. Es komme vor, dass sie sich in fiktive Situationen in dem Maß hineinversetzen, dass es zur Erinnerungsverzerrung kommen kann.
AM habe selbst angegeben, dass er anhand von Mimik und Gestik erkennen könne wenn jemand lügen würde und urch Unsicherheiten, wie sie erkennbar waren, als er bspw. angeben habe müssen, ob ST sie habe töten wollen, werden Tendenzen zum Umdeuten verstärkt. Die Überzeugung, die AM gezeigt habe in Bezug auf den Gips, könnte auf eine Autosuggestion hindeuten.
Nehme man jetzt die subjektive Überzeugung „der Weltmeister im Lügen erkennen“ zu sein in
Kombination mit der Tendenz zu Umdeutungen und Autosuggestionen, könne das zu Scheinerinnerungen von fiktiven Vorstellungen führen.
Bei Borderlinern würde das Bewusste und das Unbewusste manchmal verschwimmen und Grauzonen entstehen. Teilweise würden sie wissen, dass sie Lügen, teilweise sei es ihnen nicht bewusst.
Nachfrage:
Will möchte wissen, ob das Geständnis nicht substanzhaltiger sein müsste, wenn es autosuggestiv zustande gekommen wäre. Steller meint, das könne so sein, müsse aber nicht.
Mehr Nachfragen gibt es nicht.
Der StA verliest eine Erklärung, dass es keine Notwendigkeit für das Gutachten gegeben hätte, das Gericht wäre selbst dazu in der Lage gewesen, die Glaubhaftigkeit zu beurteilen. Wenn das Gericht jetzt schon eine Einschätzung abgeben würde, wie von der Verteidigung gewünscht, wäre das verfrüht, auch wenn sich die Kammer schon bei der Haftprüfung gegen die Glaubhaftigkeit positioniert habe.
Georg reagiert. Auch wenn er natürlich auch das Gericht in der Lage sehen würde, Zeugen richitg zu beurteilen, habe die Kammer doch selbst gesagt, dass das aussagepsychologische Gutachten dem Prozess in allen Maßen gut getan habe. Das sehe er auch so, allein schon um mit dem „Hokuspokus“ des vorherigen Gerichts aufzuräumen. Da sich nicht nur die Nebenklage am aufgehobenen Urteil festhalten würde. „Damit sie sich nicht wehren könne“ sei nicht nur kein Täterwissen sondern auch ein Zirkelschluss, die frühere Kammer habe die Anklage darauf aufgebaut und sie dann mehrfach damit begründet.
Die Vorsitzende wirft ein, dass Steller sicher nicht für Zirkelschlüsse zuständig sei. Die Kammer sehe sich jedenfalls in der Lage Zeugen, auch Kronzeugen zu beurteilen. Der Auftrag sei erteilt worden, da AM psychiatrisch erkrankt und Diagnosen für Persönlichkeitsstörungen habe. Es würde die Sachkunde des Gerichts übersteigen, zu beurteilen inwiefern diese Diagnosen eine Aussagetüchtigkeit und Glaubhaftigkeit beeinflussen würden. Deshalb sei ein psychiatrisches und ein aussagepsychologisches Gutachten eingeholt worden, so verlange es auch der BGH.
Prozesstag Ende.