christian01 schrieb:Dem juristischen Laien und das bin ich zugegebenermaßen, ist es doch i.d.R. ziemlich egal ob ein Urteil rechtlich gesehen vertretbar oder denklogisch korrekt ist, wenn es doch im krassen Gegensatz zum Empfinden oder gar der Tatsache steht, das eine Tat eben NICHT klar bewiesen wurde/werden kann, aber dennoch im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung aufgrund eines ich nenne es mal "unbedingten Verurteilungswillens" ein Urteil gefällt wird. Genau DAS unterminiert das Vertrauen in die Justiz und nichts anderes.
Gegen Dein Empfinden, ob ein Urteil richtig oder eine Tat bewiesen ist, kann ich nicht argumentieren. Andere Menschen haben anderes Empfinden, die wollen beispielsweise nicht, dass ein Mord ungesühnt bleibt.
Die Justiz macht Fehler, ich habe das hier auch oft genug eingeräumt und Beispiele genannt. Ich bin persönlich davon überzeugt (und objektive Statistiken dürften das auch belegen), dass die Justiz nicht mehr Fehler macht, als vor 10, 20 oder 30 Jahren. Eher weniger, weil sich die forensischen Möglichkeiten (DNA, Daten, Simulationen) extrem weiter entwickelt haben, die Rechte der Verteidigung ausgebaut wurden und die Richterschaft auch nicht mehr die Gleiche ist (alte konservative weiße Männer).
Das Vertrauen in die Justiz unterminieren derzeit die, die entweder ohne Sachverstand eine Befindlichkeit haben, nämlich dass irgendwie alles sauungerecht ist, der Rechtsstaat eine hohle Hülle, ein leeres Postulat oder gar "Systemjustiz". Oder die, die bewusst Zweifel sähen, indem sie absoluten Verurteilungswillen, Fehlurteile, Zirkelschlüsse oder Unlogik behaupten, ohne dass ihre Thesen einer ernsten Überprüfung Stand halten.
Dazu gehören selbstverständlich nicht die Verteidiger, Fachleute oder Journalisten, die seriös kritisieren, Bedenken äußern, auf wunde Punkte hinweisen.
christian01 schrieb:Nein, die Abläufe interessieren mich und sicher auch viele andere durchaus, für mich steht weder ein Ergebnis fest noch war ich bei der Tat oder Unfall anwesend. Nur sollte die freie richterliche Beweiswürdigung m.E. nicht "überstrapaziert" werden.
Da bin ich ganz bei Dir. Es gibt nicht umsonst den Satz "Mit der freien richterlichen Beweiswürdigung wird so mancher fehlende Beweis ersetzt." Der Fall, so wie ihn das erste Gericht entschieden hat, ist sicher ein Grenzfall. Ein anderes Gericht wäre bei identischer Indizienlage vielleicht zu einer anderen Überzeugung gelangt.
Aber es wäre bei der Indizienlage nicht so einfach gewesen, einen Freispruch zu begründen. Weil das Gericht hätte ja argumentieren müssen, warum es M. nicht glaubt, der "Schrei-Zeugin" nicht glaubt, R., V. und L. nicht glaubt, den Pornografiekonsum für nicht fallrelevant hält (trotz der Auffälligkeiten), eine zeitliche und örtliche Nähe des T. verneint usw. Und es hätte natürlich Menschen gegeben, die einen Freispruch abgelehnt hätten, weil sie T. für den Mörder Hannas hielten.
christian01 schrieb:Vielmehr war es wohl so das beim Gericht der 1. Verhandlung unabhängig von Indizien das Ergebnis bereits feststand
Das ist halt so eine Behauptung, über die man nicht diskutieren kann. Das war Dein Eindruck. So könnte ich behaupten, das 2. Gericht hat mit der Freilassung des T. aus der U-Haft schon die Überzeugung gewonnen gehabt, dass er unschuldig sei. Und wenn das 1. Gericht den Willen gehabt hätte, T. zu verurteilen, dann natürlich auf Grundlage der Indizien, der Ermittlungsergebnisse, wie sie mit der Anklage vorgelegt worden sind und sich im Prozess bestätigt haben.
Rechtlich ist das nicht der Maßstab. Sondern die Besorgnis der Befangenheit. Und die hat die Vorsitzende der 1. Kammer geweckt, indem sie zu einer Rechtsfrage die notwendige Transparenz verletzt und die Verteidigung nicht eingebunden hat. Nicht weil sie den Angeklagten vorverurteilt hat.