Rigel92 schrieb:Ich sehe Du machst hier schwere Logik-Fehler. Der Fall G bewertest Du anhand der neuen Gutachten, die zu den Zeiten der ersten Gutachten gar nicht vorlagen.
Rigel92 schrieb:Woher hättest Du diese Weisheit ohne die neuen Gutachten und ohne das neue Urteil.
Also ein Logikfehler ist das sicher nicht, wenn mein Vergleichs- oder Bewertungsmaßstab falsch wäre.
Nein, die neuen Gutachten gab es noch nicht, als ich das Urteil gelesen hatte (etwa 2014). Es war die Zeit, in der Mollath, Ulvi K., Familie Rupp, Bence Toth und weitere ein kritisches Licht auf die Ermittlungsbehörden bzw. die bayerische Justiz warfen. Der Badewannen-Fall ist für mich das mit Abstand eindeutigste Fehlurteil, weil es keine Tatsachengrundlagen für die Annahmen der Tatgerichte gab und weil das Motiv willkürlich bestimmt wurde.
SpoilerBei G. war nicht nur das Foto der Toten mit Schieflage in der Badewanne irritierend, die keine äußeren Verletzungen bis auf zwei Hämatome aufwies, die auch beim Sturz in die Wanne entstanden sein könnten. Es gibt ja durchaus mehr Morde mit Badewanne als Tatwerkzeug, auch sind Senioren immer wieder die Opfer. Aber diese Lage war untypisch.
Ebenso untypisch war der Wechsel der Bezugstat im Prozess. Nach Anklageerhebung kam Staatsanwaltschaft und Gericht das Motiv abhanden. G. konnte nachweisen, dass er keine 8.000 Euro unterschlagen hatte, was im Ermittlungsverfahren Dreh- und Angelpunkt war. Und auch ansonsten nichts, außer regelmäßigen Kontakt zum Opfer und viel Phantasie. Aus Mord aus Habgier wurde plötzlich Mord in Verdeckungsabsicht. Was verdeckt werden sollte, das wusste das Gericht nicht. Womit die beiden Hämatome verursacht worden sind, auch nicht. Es nahm an, der Angeklagte habe das Opfer im Wohnzimmer bewusstlos geschlagen und ins Badezimmer verbracht. Es gab aber keine Spuren, dass ein Körper in der Wohnung bewegt worden wäre. Es gab eben nichts außer einer Vermutung: Nämlich dass ein Tötungsdelikt vorlag.
Der BGH hat dann das Urteil aus formellen Gründen aufgehoben, weil kein richterlicher Hinweis nach § 265 StPO ergangen war. Und die Justiz hat dann den ersten Prozess bestätigt, wobei das Urteil schon von Anfang an feststand (s.u.).
Origines schrieb am 06.10.2025:"Die bayerische Justiz irrt sich nie. Niemals. Und wenn sie sich doch einmal irren sollte, dann tun wir alles, bis zur Selbstaufgabe, das nicht zuzugeben."
Das Zitat ist von mir. Aber ich bin nicht der Einzige, Gisela Friedrichsen sieht es ähnlich:
Allerdings gibt es Fälle, in denen sich der Eindruck einstellt, ein Prozeß steuere ein bestimmtes Ziel an (zum Beispiel die Bestätigung des Urteils aus der ersten Instanz, weil sich die Richter-Kollegen gewiss nicht geirrt haben).
Quelle:
https://www.spiegel.de/panorama/justiz/mord-an-seniorin-das-zweite-lebenslang-fuer-den-hausmeister-a-809729.html
XluX schrieb:Ich habe übrigens auch beide Urteile gelesen, wenn auch das Badewannen-Urteil erst nach dem von ST. (...) Und ich verstehe überhaupt nicht, wie man hier keine Parallelen sehen kann.
Das hängt davon ab, an welchen Punkten man seine Geraden fixiert. Im Falle G. war das Opfer 87, extrem schwach auf den Beinen, kam gerade aus dem Krankenhaus. Stürze von alten Menschen sind die häufigste Unfallart mit tödlichen Folgen. Es gab kein Motiv, keine belastenden Indizien, das ganze Urteil beruhte auf der Annahme, dass die alte Dame nie im Leben an diesem Tag ihre Wäsche in der Wanne habe einweichen wollen.
Hanna war dagegen 23 und die Annahme, dass sie nicht im Bärbach ein Bad nehmen wollte, ist jetzt nicht fernliegend. Sie hat zudem einen Notruf abgesetzt und hat Verletzungen, bei denen lt. erstem Urteil eine Verursachung durch Treiben im Hochwasser durch die Gutachter ausgeschlossen wurde. Im Gegensatz zum Fall G. gibt es tatsächlich positive Hinweise auf eine Gewalttat.
Piper7 schrieb:Diejenigen, die eine Verurteilung für richtig halten verteidigen das erste Urteil, die anderen "zerpflücken" es. Ich halte daher die Argumentation um das erste Urteil für einen Stellvertreterstreit, der sich eigentlich um die Schuldfrage des Angeklagten dreht.
Im Prinzip sicher. Wobei meine "Nullhypothese", bevor ich mich mit einem Urteil beschäftige, immer ist: Der Verurteilte ist unschuldig. Und auch hier kann ich mich nicht entscheiden: T. ist schuldig oder unschuldig. Ich kann nur sagen: Auf Grundlage der im Urteil dargestellten Beweise konnte T. vom ersten Gericht verurteilt werden. Aber ich bin nicht das Gericht oder kein Sachverständiger und kann nicht seriös meine Einschätzung an die Stelle derjenigen setzen, die sich viel intensiver und langfristiger mit einer Frage beschäftigt haben, als ich es je könnte.
Klar reden wir alle mit, bei Schuld oder Unschuld, haben eine Meinung, können uns mit dem Angeklagten, den Opfern oder den Prozessbeteiligten identifizieren. Und das soll auch so sein, sonst wären die Verfahren nicht öffentlich. Trotzdem ist unsere Meinung vor den Screens oder Displays wenig qualifiziert. V.a. sollte man sich klar sein, dass man sehr viel eben nicht weiß - auch wenn man eine Meinung hat.