Analyst schrieb:Ich befürchte, dass die deutsche Justiz nicht gut auf Gerichtsverfahren ausgerichtet ist, bei denen die Angeklagten hochvernögend sind und hohe Summen in Ihre Verteidiger investieren können.
Ich denke, deine Befürchtung ist unbegründet. Das hat nichts mit den mutmaßlich sehr gut bezahlten Verteidigern zu tun. Vielmehr ist das in der StPO begründet, nämlich hier:
§ 257 Befragung des Angeklagten und Erklärungsrechte nach einer Beweiserhebung
(1) Nach der Vernehmung eines jeden Mitangeklagten und nach jeder einzelnen Beweiserhebung soll der Angeklagte befragt werden, ob er dazu etwas zu erklären habe.
(2) Auf Verlangen ist auch dem Staatsanwalt und dem Verteidiger nach der Vernehmung des Angeklagten und nach jeder einzelnen Beweiserhebung Gelegenheit zu geben, sich dazu zu erklären.
(3) Die Erklärungen dürfen den Schlußvortrag nicht vorwegnehmen.
Quelle:
https://www.gesetze-im-internet.de/stpo/__257.html#:~:text=§%20257%20Befragung%20des%20Angeklagten,dazu%20etwas%20zu%20erklären%20habe.
Der Absatz 3 dieser Vorschrift gibt der Vorsitzenden die Möglichkeit, dem Erklärenden das Wort zu entziehen, wenn sich die Erklärung nicht nur auf die Beweiserhebung bezieht, zu der die Erklärung abgegeben wird. Das hat die Vorsitzende heute auch angedroht.
Das Problem in diesem Verfahren war, dass die Vorsitzende den Verteidigern gestattet hat, die Erklärungen, die eigentlich unmittelbar nach der jeweiligen Beweiserhebung abzugeben sind, zu einem späteren Zeitpunkt abzugeben. Diese Erklärungsrechte haben sich nun gesammelt. Sie hat aber in einem der letzten Termine mitgeteilt, dass sie zukünftig nur noch Erklärungen zu dem Zeitpunkt zulässt, den die StPO vorsieht.
Ich gehe davon aus, dass sie zukünftig auch hinsichtlich des Umfangs und im wahrscheinlichen Falle des Abschweifens früher eingreifen wird.
Im Normalfall macht man von diesem Erklärungsrecht bei einer für das Verfahren besonders wichtigen Beweiserhebung Gebrauch. Hier wird offensichtlich nach fast jeder Beweiserhebung das Erklärungsrecht eingefordert. Insbesondere sollen damit die Schöffen eingefangen werden (hier natürlich auch die Öffentlichkeit über die Presse).
Es kommt ab und an mal vor, dass es so läuft wie hier. Auch in Verfahren, in denen die Verteidiger nur als Pflichtverteidiger tätig sind.
Man muss immer bedenken, dass es sich bei dem Erklärungsrecht um ein Recht handelt, das den Anspruch des Angeklagten auf rechtliches Gehör sichern soll. Letztendlich ist die StPO so gefasst (hier der Absatz 3), dass Verzögerungen vermieden werden können. Also das Gesetz ist schon in Ordnung, man muss es nur konsequent anwenden.