Pornografie, für jeden frei verfügbar - die Folgen
gestern um 22:03
Als Ehefrau eines Porno- und Sexsüchtigen möchte ich auch mal meinen Senf dazu geben.
Mein Mann und ich sind 32 Jahre zusammen.
In dieser Zeit haben wir familiär viel durchgemacht.
Ebenso hat sich unsere Beziehung in dieser Zeit natürlich verändert. Sie war mal besser, mal schlechter.
Dass mein Mann süchtig ist, und dies auch schon war bevor wir uns kennen lernten, weiß ich erst seit knapp drei Jahren.
Im Laufe unserer Beziehung hat sich unsere Beziehung graduell zum negativen verändert. Es war meistens nichts wirklich greifbares, und es waren Phasen. Es lief darauf hinaus, dass ich meinen Selbstwert als Frau immer weiter verloren habe. Da dass leider eine Kindheitsbotschaft war, mit der ich aufgewachsen bin (dass ich nicht liebenswert bin, es nicht verdiene geliebt zu werden, und allgemein nichts wert bin) ist mir dass alles nicht so bewusst aufgefallen. Den Grund für die Depressionen die ich immer wieder hatte konnte ich nie greifen, außer einer beschissenen Kindheit.
Denn ich bin nur so viel Wert, wie ich für andere leiste u.ä.
Sexuell wurde es über die Jahre auch immer schwieriger. Dass sich die Leidenschaft nach vielen Jahren Beziehung abnutzt und es auch eher Flauten gibt war mir immer klar. Allerdings war ich immer die aktivere und lockerer als mein Mann, der eher mal schamhaft oder grenzwertig verklemmt war.
Wenn dann der Partner aber immer häufiger desinteressiert ist, beim Sex selbst nur noch mechanisch vor sich hinarbeitet und irgendwann plötzlich eine bzw immer wieder auftretende erektile Dysfunktion hat (ohne medizinischen Grund) obwohl er sonst immer sehr ausdauernd war, anfängt sexuelle Avancen abzuwehren oder selbst einfache körperliche Nähe zu vermeiden, macht dass was mit Dir als Partnerin.
Aber er war nie fies oder abwertend zu mir, er war ansonsten wirklich immer für mich da und hat mich nie schlecht behandelt.
Wenn ich Hilfe brauche war und ist er jederzeit für mich da. Nur selbst emotionale Nähe wurde immer weniger und er wurde emotional immer weniger belastbar, was auch in Phasen verlief.
Ich kann aber trotzdem ganz aufrichtig sagen, dass er der liebste Mensch ist, den ich kenne.
Jedenfalls, in 2022 hatte ich einen Bandscheibenvorfall und bekam wegen starker, therapieresistenter Schmerzen ein Medikament dass mich mit Schwung und Anlauf in eine massive, sehr schwarze Depression katapultiert hätte, zeitgleich hatte ich, weil ich nicht arbeiten konnte und körperlich sehr eingeschränkt war unbegrenzt Zeit, mein Leben zu reflektieren.
Da ist richtig viel in mir hochgekommen und ich fing an Fragen zu stellen, sehr unbequeme Fragen.
Ich bohrte, grub und zerrte. Ich habe nicht mehr locker gelassen und mich, über einen Zeitraum von zehn Monaten, quasi von außen nach innen durch Schichten und Schichten zu meinem Mann und dem, was er über die Jahre getrieben hat, vorgearbeitet.
Lügen, Verharmlosungen, Ablenkungen, Bullshit- Stories, Gaslighting etc, dass habe ich alles durch mit ihm.
Ich habe gekämpft, und ich habe nicht locker gelassen.
Und mein Mann ist mitgegangen.
Er wurde weder aggressiv noch beleidigend, noch hat er es jemals abgelehnt mit mir zu reden und meine Fragen und Verdächtigungen zu beantworten. Es gab Tage, da haben wir 24 Stunden am Stück geredet.
Fakt ist, mein Mann war als Kind nicht vor Pornographie geschützt und hat früh entdeckt, PMO als Mittel gegen negative Gefühle zu benutzen.
Außerdem war er in jungem Alter damit konfrontiert, dass sein Vater Prostituierte benutzt; sein Vater hat es ihm so verkauft dass alle Männer dass machen, Männer dass brauchen und es die Partnerin nichts angeht.
Dass war eine Botschaft, die eigentlich von meinem Mann sehr zwiespältig aufgenommen wurde, vor allem nachdem ja auch gerade in den 90er Jahren vermehrt über Zwangsprostitution u.ä. berichtet wurde.
Er war zwar als 18 Jähriger aus Neugier bei zwei Prostituierten, ist damals aber noch nicht drauf kleben geblieben. Damals haben seine ethischen Grundsätze noch funktioniert.
Was er damals schon hatte, wie er inzwischen erfahren hat, war eine Masturbationssucht.
Mit Beginn des Internets, und ganz besonders mit Beginn der Highspeed- Pornos, hat dann die Pornosucht richtig angefangen und zeitweise massive und extreme Formen angenommen.
Irgendwann reichten die Porno- Trigger nicht mehr und er fing an, zu Prostituierten zu gehen.
Er hat auch eine Affäre versucht, da er seine Porno- Fantasien auf diese junge Frau übertragen hat. Aus der Affäre ist aber nichts geworden da sie ihn nicht rangelassen hat, sie hat ihn sich nur ein paar Monate lang warmgehalten und ihn ein bisschen finanziell ausgenommen.
Und, so verletzend wie das mit der versuchten Affäre auch ist, finde ich es trotzdem schon lustig wie unfassbar dämlich ein Mann sein kann, der nur noch mit seinem Schwanz "denkt". Trottel.
Er konnte mir auch irgendwann erzählen, dass auch im Alltag seine Gedanken quasi 24/7 nur noch bei Pornographie waren, in jeder Alltagssituation. Frauen hat er nur noch sexualisiert wahrgenommen und ständig "Filme gefahren". Porno und Sex waren alles bestimmend. Gleichzeitig hat er es immer weniger geschafft, wirklich präsent zu sein und in Kopf und emitional am Leben teilzunehmen. Sogar seine Arbeit hat immer wieder darunter gelitten, weil er sich nicht auf die Arbeit konzentrieren konnte.
Ich habe mich intensiv mit der Pornosucht beschäftigt und kann jedem wärmstens das Buch " Porno im Kopf" bzw. im Original "Your Brain on Porn" von Gary Wilson empfehlen (es gibt unter dem Titel auch eine sehr gute online - Präsenz).Dort wird eingehend über diese Sucht berichtet. Es kommen Betroffene zu Wort und es wird gut verständlich über die bisherige Forschung berichtet.
Denn die Schäden sind durchaus erforscht und es konnte mit Bildgebenden Verfahren (MRT) nachgewiesen werden, dass in den Gehirnen Pornosüchtiger genau die selben Schäden entstehen wie bei anderen Süchten. Aber, und dass ist ein großes Glück, diese Schäden sind mit Abstinenz und Therapie restlos rückgängig zu machen.
Mein Mann ist in Einzeltherapie und in einer 12- Schritte- Gruppe, die nach dem selben Prinzip wie die anonymen Alkoholiker arbeitet.
Er hat mir, schon ganz am Anfang unserer Reise, noch während dieser höllischen zehn Monate, aus eigenem Antrieb jederzeit freien Zugriff auf sein Handy gewährt (so konnte ich ihm ja letztendlich vieles nachweisen - Google vergisst nichts, auch nicht Google Maps, Standortverlauf und so...) und teilt auch ständig seinen Standort mit mir.
Er hat keinen Computer oder Laptop mehr, er wird sich auch keinen mehr anschaffen, und der Computer den er beruflich nutzen muss ist berufsbedingt durch seinen Dienstherren so sehr geschützt, dass er damit keinen Quatsch machen kann.
Pornosucht verändert auch die Partnerinnen, und für uns gibt es kaum adäquate Hilfe. Die meiste Hilfe, die ich bekommen habe, habe ich mir selbst in US- Amerikanischen Foren u.ä. gesucht. Der Ansatz hier in Deutschland ist einfach insuffizient und völlig veraltet.
Für die Süchtigen gibt es schon deutlich mehr Hilfe, und die Selbsthilfegruppen sind VOLL! Und dass sind nur diejenigen die sich eingestanden haben, dass sie ein Problem haben und Hilfe brauchen! Viele von denen haben wirklich alles verloren, viele sind sogar total verschuldet. Mit Dingen wie Only Fans und so ähnlich werden die ja noch mehr abgezogen.
Der Therapeut meines Mannes hat erzählt, dass es in der EU eine relativ neue Studie zu dem Thema gibt. Dabei ist wohl herausgekommen, dass alleine in der EU mindestens 80 Mio Menschen pornosüchtig sind.
80 Millionen, dass muss man erst einmal realisieren.
Pornosucht zerstört nicht nur die Betroffenen sondern ganze Familiensysteme und wirkt sich im weiteren auf die ganze Gesellschaft aus
Und wir haben inzwischen die zweite Generation, die seit der Kindheit mit Zugriff auf Online - Pornographie aufgewachsen ist.
Die Kontakt zu Online - Pornographie hatte, bevor sie selbst die erste echten intimen und sexuellen Begegnungen hatten.
Die mit einem völlig verzerrten Bild von Sexualität und sexueller Intimität aufgewachsen sind.
Und, falls sich dass jemand fragt: ja, ich bin bei meinem Mann geblieben.
Er und unsere Beziehung ist mehr wert als das, was er getan hat.
Nein, mir geht es noch nicht gut, nicht einmal annähernd, aber da bin dran.
Wir Partnerinnen sind nicht der Grund für die Porno- und Sexsucht unserer Männer. Es gibt nichts, womit wir dass hätten verhindern können. Und, entgegen immer noch vorherrschender Lehrmeinung, wir sind nicht Co- Abhängig, denn wir wissen in der Regel erst sehr spät von der Sucht unserer Partner und haben/ können daher dieses Suchtverhalten gar nicht unterstützt haben und können auch nicht geholfen haben, diese Sucht zu verbergen.